Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Eine Beratung ist nicht vorgesehen, so dass wir sofort zur Abstimmung kommen können. Der Ausschuss empfiehlt bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU die Annahme des Gesetzes. – Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieses Gesetz bei Stimmenthaltung der Fraktionen der CDU und der Grünen angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 2 B:

Dringliche II. Lesung

Vorschaltgesetz zum Gesetz über die Umstrukturierung der Hochschulmedizin im Land Berlin (HS-Med-G)

Beschlussempfehlungen WissForsch und Haupt Drs 15/1704 Antrag der SPD und der PDS Drs 15/1444

Wird hier der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne somit die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden, und höre auch hierzu keinen Widerspruch. Damit rufe ich auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis IV der Beschlussempfehlung, Drucksache 15/1704.

Hier ist eine Beratung vorgesehen, und zwar mit 5 Minuten pro Fraktion. Wir haben uns im Ältestenrat darauf verständigt, dass eine Überschreitung der Redezeit vom Präsidium großzügig gehandhabt wird. In der Reihenfolge der eingegangenen Wortmeldungen hat zunächst für die CDU das Wort die Abgeordnete Frau Grütters – bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten hier heute das Vorschaltgesetz für die Neuordnung der Hochschulmedizin, und allein dass wir es beraten, ist den Oppositionsfraktionen, die einen Redevorbehalt angemeldet hatten, zu verdanken und wirft ein Schlaglicht auf die Behandlung dieses Themas.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Gaebler (SPD): Was soll denn der Quatsch!]

Herr Gaebler, wie darf ich Ihre Meldung verstehen? – Eine Zwischenfrage! – Wenn Frau Grütters es gestattet, haben Sie das Wort.

Das würde ich an Ihrer Stelle jetzt auch so darstellen. Die Botschaft haben wir schon verstanden. Jedenfalls ist es keineswegs selbstverständlich, dass wir darüber reden.

Das Thema Vorschaltgesetz – ich beziehe mich auf den Begriff – ist unseres Erachtens allein schon ein Problem. Es zeigt, wie der Senat mit den Unis und ihrer Medizin umgeht. Da wird mit einer – wie wir meinen – unverantwortlichen Hetze die Zukunft der Medizin in ein Gesetz gezwängt, das bei einer siebenstündigen Anhörung mit über 20 Experten und Betroffenen nicht eine einzige lobende Bewertung, Herr Gaebler, für diesen zentralen Gegenstand gefunden hat.

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Ströver?

Bitte!

Frau Grütters! Wie finden Sie es denn, dass bei diesem Thema weder der Wissenschaftssenator noch der Finanzsenator noch die Gesundheitssenatorin anwesend sind?

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank für die Zwischenfrage! Ich bin diese Rücksichtslosigkeit inzwischen offenbar schon so gewohnt, dass es mir nicht einmal mehr aufgefallen ist. Aber es wäre eine gute Idee, Frau Präsidentin, wenn Sie die zuständigen Senatoren hereinholen

Und nicht nur das: Sie nutzen den Vorwand Vorschaltgesetz dazu, in übler Weise ideologische Hochschulpolitik auf dem Rücken der Unis und ihrer Klinika zu machen. Oder wie ist es zu verstehen, Herr Senator, dass Sie die Erfolge aus der Anwendung der Erprobungsklausel, Herr Flemming, die zu neuen Kuratorien und Aufsichtsformen geführt hat und die wie alle gemeinsam hervorragend evaluiert haben, einfach ignorieren und stattdessen die Wissenschaftsgeschichte ein paar Jahre zurückdrehen? Bei Ihnen darf endlich wieder der Senator den Vorsitz im Aufsichtsrat spielen, statt, wie es in Aufsichtsräten üblich ist, dass dieselben Mitglieder den Vorsitzenden aus ihrer Mitte wählen. Endlich wieder Staatskontrolle, endlich wieder Steuerung durch die Politik. Bloß keine Autonomie der Universitäten, bloß keine Staatsferne der Hochschulmedizin, bloß keine akademische Freiheit, bloß kein Vertrauen in die Wissenschaftler, nein, Sie glauben, das können Sie alle viel besser.

würden, bei einem so zentralen Gesetz, wie Herr Gaebler es selbst sagt. Aber dies bitte nicht von meiner Redezeit abziehen!

Nein, Frau Abgeordnete! Auf die Idee sind wir auch hier oben schon gekommen. Die Senatoren werden schon gerufen. Ich schlage vor, dass wir die Sitzung unterbrechen, bis sie hier eintreffen.

[Kurze Unterbrechung]

So, die zuständigen Senatoren sind eingetroffen. Wir können die Sitzung fortsetzen. Frau Grütters, wir setzen auch genau da mit der Zeit ein. – Bitte sehr!

Ich habe über das Problem gesprochen, das wir damit haben, wie mit dem Vorschaltgesetz umgegangen wird und dass schon allein der Begriff irreführend ist. Es zeigt, wie dieser Senat mit den Unis und der Medizin umgeht. Unseres Erachtens ist mit einer unverantwortlichen Hetze die Zukunft der Unimedizin in ein Gesetz gezwängt worden, das bei der siebenstündigen Anhörung von über 20 Experten und Betroffenen nicht eine einzige lobende Bewertung gefunden hat. Im Gegenteil, ich habe es in meiner Zeit im Abgeordnetenhaus noch nie erlebt, dass ein Gesetz derart wie dieses so genannte Vorschaltgesetz zur Unimedizin verrissen wurde,

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

als ob Sie mit Gewalt – nichts anderes ist das – Ihren missglückten Auftakt in der rot-roten Regierungsarbeit fortsetzen wollten. Aus dem schwer wiegenden Anfängerfehler, das UKBF zu schließen, ist Ihr Beschluss geworden, der Unimedizin dann eben insgesamt 98 Millionen € wegzunehmen. Aber das macht die Sache nicht besser. Ihr Fehler bleibt: Sie kürzen am stärksten in den Stärken der Stadt, der Wissenschaft und ihrer Medizin. Aber wenn Sie das schon nicht einsehen wollen, dass Sie die Stadt damit noch weiter schwächen, dann gehen Sie wenigstens seriös damit um.

Stattdessen präsentieren Sie den entsetzten Einrichtungen ein Gesetz, das den Namen Vorschaltgesetz nicht einmal im Ansatz verdient. Richtig ist, dass Sie den Kliniken seit eineinhalb Jahren eine unerträgliche Situation aufbürden, die so schnell wie möglich beendet werden muss. Sie können nicht einmal Berufungen tätigen. Der von Ihnen verschuldete Stillstand muss beendet werden. Er ist nicht länger hinnehmbar.

Ein Vorschaltgesetz hätte in dieser von Ihnen verschuldeten Situation den Sinn gehabt, die derzeitigen Gremien durch ein neues zu ersetzen, das bis zum echten Errichtungsgesetz im Amt geblieben wäre. Das wäre einfach und nötig gewesen. Das hätten übrigens auch alle Betroffenen begrüßt. Dieses Vorschaltgesetz hingegen ist eine Zumutung. Es enthält eine Regelungsdichte, die wir in den vergangenen Jahren weit hinter uns gelassen hatten und die von einem tiefen Misstrauen Ihrerseits gegenüber den Universitäten beredtes Zeugnis ablegt.

Und weiter: In Ihrem Gesetz ist nicht einmal ein Mediziner im Vorstand des größten Klinikums der Republik vorgesehen. Das ist absurd. Aber selbst auf diese substantielle Kritik, die von den Experten, vom Wissenschaftsrat und von den Kliniken kam, gehen Sie nicht ein. Das ist Ihre Arroganz, die die Unis zu Recht empört. Sie haben sich nicht einmal darum bemüht, die Präsidenten anzuhören, Herr Flemming. Stattdessen behaupten Sie, die Präsidenten hätten einen Termin nicht gewollt. Das ist nach deren Meinung falsch, das ist frech. Aber diesen Umgangsstil des Senats mit der Wissenschaft kennen wir leider schon. Die Zeitungen der letzten Wochen sind ein trauriger Beleg dafür.

Wir alle im Plenum haben darüber hinaus einstimmig ein Wirtschaftlichkeitsgutachten für die neue Medizin gefordert. Das ist gerade mal in Auftrag gegeben worden. Das jetzige Gesetz ist von jeglicher Kenntnis dieser Art frei und handgestrickt worden. Die Juristen, die Sie beraten sollen, kommen in der nächsten Woche, am 28. Mai, zusammen. Ein bisschen spät für dieses Gesetz, finden Sie nicht auch? Ihre Erklärung, Herr Flemming, diese Expertise brauchten Sie erst für das eigentliche Errichtungsgesetz, ist eine dumme Ausrede, denn dann hätten Sie wirklich ein kleines, schlankes Vorschaltgesetz machen können, statt uns dieses Alibi für ein Errichtungsgesetz vorzulegen. Der Gremienwirrwarr, für das uns Ihre Vorliebe auch an anderer Stelle hinlänglich bekannt ist, bleibt auch dem neuen Klinikum nicht erspart.

Und ganz zum Schluss: Dass Sie nicht einmal bei der Namensgebung Rücksicht auf die Betroffenen genommen haben – die FU, das UKBF, findet nämlich in der Namensgebung keine Berücksichtigung –, auch das zeigt den Geist dieser Gesetzgebung. Sie setzen sich mit Ihren ideologischen Vorstellungen und einer unglaublichen Chuzpe über die Bedenken aller Angehörten hinweg. Sie legen in großer Hast ein Gesetz mit grundsätzlichen Mängeln vor, und Sie reißen damit den bedeutendsten Standortfaktor Berlin, die Unis und ihre Medizin, in unverantwortlicher

Was machen denn die Oppositionsparteien mit den Aufgaben, die im Klinikum existieren? Sie sagen, wir brauchen keine Klinikumsleitung. Aber bei allen taucht

ein ärztlicher Direktor auf, eine Pflegedirektorin und ein Verwaltungsdirektor. Die einzige Aufgabe, die dieses Personal hat, ist die Beratung des Vorstands. Sie sind aber nirgendwo zusammengefasst – was tun sie denn eigentlich? 14 000 Beschäftigte ohne eine Leitung zu lassen, finde ich sehr spannend und ist für mich nicht nachvollziehbar.

Frau Grütters, wie Sie dazu kommen, dass wir mit den Präsidenten keine Termine hatten, ist mir nicht erklärlich. Ich kann Ihnen gerne meinen Terminkalender vorlegen und den von Herrn Hoff. Wir haben mit dem Präsidenten mehrere Termine wahrgenommen, insgesamt 45 mit vielen Beteiligten im Vorfeld dieses Gesetzes, bevor es eingereicht wurde.

Sie kennen Berlin – es wird eingesackt und dann gemeckert. Sie sacken auch ein und sagen: Das machen wir jetzt alles, aber an den Stellen meckern wir. Ich bin der Meinung, dass die Hochschulmedizin in Berlin eine Zukunft hat, und ich verweise auf das, was gestern im „Tagesspiegel“ stand. Dort wurde gesagt, wir möchten das haben und werden das in Kraft setzen und vehement umsetzen. Das ist die Stimme der beiden Leitungen der beiden Kliniken. Diese werden das auch umsetzen, und es gibt viele Kräfte in den beiden Kliniken, die gemeinsam ans Werk gehen werden, das umzusetzen, was hier beschlossen wurde. – Ich danke Ihnen!

Weise wieder an sich. Das ist unwürdig. Die CDUFraktion lehnt dieses Gesetz ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, der FDP und den Grünen]

Danke schön! – Für die SPD hat Herr Abgeordneter Flemming das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als im vergangenen Jahr die Expertenkommission und zu Anfang dieses Jahres der Wissenschaftsrat ihre Expertisen abgegeben haben, haben alle Fraktionen dieses Hauses gesagt: Ja, das machen wir. – Was haben die vorgeschlagen? – Sie haben als erstes vorgeschlagen, dass es eine gemeinsame Berliner Universitätsmedizin geben sollte. Dieses realisiert das Gesetz. Sie haben vorgeschlagen, es soll eine Fakultät geben – das wird realisiert. Sie haben vorgeschlagen, es soll ein Klinikum geben – auch dieses wird realisiert. Sie haben weiterhin vorgeschlagen, was besonders wichtig ist, dass die Finanzströme für die Krankenversorgung auf der einen Seite und für Lehre und Forschung auf der anderen Seite getrennt sind und getrennt verwaltet werden. Auch dieses wird realisiert. Übrigens haben die Oppositionsparteien in keiner Weise dieses auch nur irgendwo in ihren Änderungsanträgen in Frage gestellt. Diese Punkte sind also insofern im Einverständnis abgelaufen.

Was ist strittig? – Das eine ist der Name. Die einen sagen, es soll Universitätsmedizin heißen. Das sagt die FDP. Die CDU sagt, es soll heißen: Universitätsmedizin Charité/UKBF. Wir haben aber noch Buch zum Beispiel, nur zur Orientierung,

[Gaebler (SPD): Und Virchow!]

und Virchow. Die Grünen schlagen vor: Universitätsklinikum – das klingt nach Hochschulmedizin – und Aufzählung aller Standorte, was ja richtig ist. Das können sie aber weiterhin und machen sie auch so. Sie sehen schon, die Einigkeit über die Namensfindung ist sehr regional verteilt. Also das sicherlich kein Streitpunkt.

Der zweite Punkt, über den gestritten wird, ist die Frage von Gremien. Wir hatten bisher in der Berliner Hochschulmedizin 13 Gremien, von denen 10 Gremien strategische Empfehlungen abgeben konnten. Sie wissen, das hat zu nichts geführt. Wir haben jetzt 6 Gremien mit 2 Entscheidungsgremien, nämlich dem Aufsichtsrat und einem Vorstand. Das Interessante ist, dass dieser Vorstand auf Vorschlag des Wissenschaftsrat entstanden ist, dessen Vorsitzender vehement dafür gekämpft hat, dass genau dieser Vorstandsvorsitzende oder Vorstand Eingriffsrechte bekommt. Das scheint beim Wissenschaftsrat ein wenig fraglich zu sein. Ich bin gespannt, wie die Sitzung ausgehen wird nach der Tischvorlage, die wir heute erhalten haben, und wie die Beschlussvorlage im Wissenschaftsrat aussehen wird.

[Zuruf der Frau Abg. Paus (Grüne)]

Ich habe den Eindruck, dass hier an vielen Stellen unseriös vorgegangen wurde.

[Zuruf der Frau Abg. Paus (Grüne)]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Dr. Flemming! – Für die Fraktion der FDP erhält das Wort der Herr Kollege Schmidt – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen von Herrn Flemming muss ich meine Rede doch noch einmal zumindest am Anfang etwas umstellen und erläutern, wieso wir uns als FDP-Fraktion den Empfehlungen der Expertenkommission durchaus positiv gegenübergestellt haben.