Protokoll der Sitzung vom 12.06.2003

Die Familie ist die Keimzelle für das Fortbestehen unserer Gesellschaft. Wir wollen sie nicht belasten, sondern fördern. Betrachten wir einmal das Chaos, das RotRot mit der Abschaffung der Lernmittelfreiheit in den Schulen verursacht hat. Der Beschluss kam so spät vor den Ferien, dass die Konferenzen bereits zum letzten Mal getagt hatten. Dank des Bildungsstadtrates Herrn Schimmang von der SPD und dem „Tagesspiegel“ wissen wir nun zumindest auch, dass an der Verzögerung die PDS schuld ist. Also dank der PDS wird der Beschluss, welche

In anderen Bezirken werden Fördervereine aktiv. Doch auch hier droht Gefahr, wenn sich die Schulleiter in die Bestellung der Schüler einbeziehen lassen und dort aktiv werden. Rot-Rot fordert den Eltern ab, Geld für die Bildung ihrer Kinder, von Renovierungsarbeiten bis zu Lernmaterialien zu investieren. Eltern sollen der Bildung Priorität einräumen. Nehmen Sie von Rot-Rot doch endlich auch die Bedeutung von Bildung wahr und räumen Sie ihr Priorität ein. Nehmen Sie die Abschaffung der Lernmittelfreiheit zurück und unterstützen Sie die Familien! – Danke schön!

Danke schön! – Für die PDS-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Schaub. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn der Titel auf der Beschlussempfehlung richtig ist und ich ihn auch korrekt lese, steht dort, dass wir nicht über die Abschaffung der Lernmittelfreiheit, sondern über die Einschränkung der Lernmittelfreiheit – hier heute übrigens zum dritten Mal im Plenum – reden. Das ist auch nicht sonderlich effektiv. Die Grünen haben ein Zwei-Säulen-Modell zur Sicherung der Lernmittelfreiheit beantragt.

Bücher von den Kindern gekauft werden müssen, unter Ausschluss der Gremien gefällt.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Sie müssen nicht immer alles glauben, was in der Zeitung steht!]

Das macht aber nichts, denn dafür können die Eltern auch den Rabatt von 10 %, der den Schulen sehr wohl eingeräumt würde, nicht in Anspruch nehmen, weil sie keine Sammelbestellungen aufgeben. Die Schulbuchverlage können den Bestellungen schon teilweise jetzt nur mit einer Verzögerung von 6 bis 8 Wochen nachkommen. Wenn die Bücher also zu Ferienbeginn – und nicht erst danach, Frau Dr. Tesch, wie Sie es in der Annahme vorschlagen, sie würden es schon irgendwie handhaben – bestellt werden, wird zu Schulbeginn kaum das benötigte Material komplett sein.

Dem hat allerdings Rot-Rot weitsichtig schon vorgebaut. Die Lehrkräfte können die drei neuverordneten Anwesenheitspflichttage vor Ferienende nutzen, um Kopien herzustellen, für die ebenfalls immer weniger Mittel zur Verfügung gestellt werden, bis dann alle Schüler im September oder Oktober endlich ihre Bücher vorzuliegen haben.

[Frau Dr. Tesch (SPD): Albern!]

Dabei will ich Familien, die sich um die Buchbeschaffung gar nicht scheren, die es aber leider auch gibt, nur am Rande erwähnen. Was ist eigentlich, wenn die Elternschaft einer halben Klasse die Beschaffung der Bücher blockiert? Bezahlt es dann doch der Staat? Kopieren wir dann? Kommen die Eltern ins Kittchen? Was geschieht?

Dass die Bezirke zudem gar keinen Überblick haben, welche Schüler auf Grund des Bezugs sozialer Leistungen von der Zuteilung befreit sind, führt zu einer abgesenkten Zuweisung von Mitteln. Wie sollen also Schulen noch die Bücher anschaffen, die sie dringend benötigen? Das ist ein weiterer Mosaikstein im Schulchaos, das Rot-Rot angerichtet hat.

Wo Regelungen fehlen, werden Menschen kreativ. Wie hilft man sich also in den Bezirken? – In einem Bezirk, so wurde mir geschildert, hat man sich auf folgendes Modell verständigt: Nachdem es die Eltern ablehnten, mit dem Aufwand der Buchbeschaffung belastet zu werden und eine soziale Markierung der Kinder durch unterschiedlich abgenutzte Bücher in Kauf zu nehmen, hat man sich auf die Lösung geeinigt, die Klassenlehrer in verschlossenen Umschlägen Geld oder Befreiungsbescheinigungen von den Schülern einsammeln zu lassen. Sie zahlen das Geld auf ein Schulkonto ein; die Schule übernimmt anschließend die Bestellungen. Die Eltern zahlen in den Klassen 2 bis 6 jeweils 40 €, die Bücher überlassen sie der Schule. Gegenwert und Eigentum ist für die Lehrer anscheinend nicht so wichtig, Frau Dr. Tesch. Weitere Arbeitsmaterialien müssen nicht angeschafft werden. Das Ausleihsystem besteht fort.

Eine Bewertung dieses rechtlich fragwürdigen Verfahrens überlasse ich Ihnen. Es zeigt nur, dass vorschnell und wenig durchdacht von Seiten des Senats gehandelt wurde.

[Mutlu (Grüne): Das ist doch immer so!]

[Beifall bei der CDU]

Ferner habe ich heute noch gehört und auch im Umfeld vernommen, dass die PDS schuld ist, weil es so spät ist. Das finde ich – vorsichtig ausgedrückt – leichtfertig. Ihnen ist nicht entgangen – auch wenn Sie ganz laut sind, Herr Mutlu –, dass die Koalition sehr lange gerungen hat. Das sollte noch erlaubt sein.

Was nun aber gar nicht geht, ist, lieber Kollege Mutlu, dass die Grünen einen Antrag vorlegen und Sie dann heute feststellen, die Koalition könne dem nicht zustimmen, und diese dann auffordern, sich doch etwas anderes zu überlegen. Wir haben Juni, und Sie haben zu Recht beklagt, dass das alles ein wenig schwer zu organisieren ist.

Weil ich finde, dass es nicht angeht, dass wir in diesem Haus nach dem Motto „Schön, dass wir darüber gesprochen haben“ alle Sorgen und Nöte hier ausbreiten,

[Mutlu (Grüne): Schade, dass Herr Sarrazin Sie nicht hört!]

will ich nur der Form halber feststellen: Wir haben als Grundlage für den Gesetzentwurf eine Empfehlung des Koalitionsausschusses gehabt – dazu stehen beide Parteien, das habe ich hier auch vor 14 Tagen bereits gesagt –, und wir haben inzwischen den Gesetzentwurf verabschiedet, und der wird umgesetzt. Dann jedoch Mitte Juni zu fordern, alles ganz anders zu machen,

Allerdings, Frau Schaub – hier kommt der neue Aspekt in die Debatte –, bemerkenswert ist Folgendes: In diesem ganzen Kuddelmuddel waren es die Eltern, die einen klaren Kopf bewahrt haben, sie haben die Initiative ergriffen. Sie wollten Klarheit, das Chaos beseitigen, also haben sie gehandelt und die Dinge selbst in die Hand genommen. Sie organisieren den Schulbucheinkauf an ihrer Schule – eine gemeinsame Bestellung bringt Rabatte für alle, das haben sie erkannt und wollen es nutzen –, und ein Gremium aus Eltern, Lehrern und Schülern übernimmt die Verwaltungsarbeit – hier haben wir Elternengagement und Schülerengagement –, und sie gründen einen Förderverein.

Dieses Engagement wirkt, liebe Frau Dr. Tesch. Das ist etwas Neues, das mag Rot-Rot vielleicht nicht so gern hören, aber die Eltern und Lehrer überwinden gemeinsam die entstandenen Regelungslücken schnell und unbürokratisch. Offensichtlich können sie es. Die Beteiligten vor Ort gehen die Probleme sinnvoll, dynamisch und direkt an, außerdem unideologisch und pragmatisch. Das bringt den Erfolg. An diesem Beispiel zeigt sich, wozu die Eltern in der Lage sind, wenn man sie lässt. Sie wollen nämlich das Beste für ihre Schule erreichen.

[Frau Jantzen (Grüne): Haben wir doch vorher schon gefordert, das ist doch kein neuer Antrag!]

würde erst Recht Chaos an den Schulen entstehen lassen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich finde, bei der für die Fachleute inzwischen fünften Rederunde zu diesem Thema gibt es nichts Neues zu sagen. An solcher Ineffektivität im Plenum möchte ich mich nicht beteiligen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat Frau Senftleben das Wort – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Herren! Meine Damen! Zählen kann ich auch, aller guten Dinge sind drei. Zum dritten Mal das Thema Lernmittelfreiheit hier im Parlament, und die spannende Frage ist schon, lieber Kollege Mutlu: Warum besprechen wir das heute? – Eigentlich ist es überflüssig, denn dass das Ganze im Chaos endet, war

[Mutlu (Grüne): Von vornherein klar!]

für uns völlig klar. Ich könnte meine Rede aus der letzten Sitzung hervorkramen oder diejenige, die ich zu Protokoll gegeben habe. Das will ich aber nicht. Wozu ich aber auch überhaupt keine Lust mehr habe, ist, mit anderen Worten zum dritten Mal unseren Standpunkt darzulegen beziehungsweise zum dritten Mal zu diesem Antrag zu sprechen. Insofern, liebe Frau Schaub, man kann auch ein wenig Neues dazu beitragen. Das versuche ich.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Ich packe das Ganze in die Rubrik Aktuelle Stunde, denn, Herr Mutlu, da haben Sie völlig Recht, das Chaos ist da, einige Schulen rotieren – und zwar kräftig. Jetzt stellt sich die Frage: Warum? – Der Grund ist völlig klar, die Gesetzesänderung kam zu spät. Die Trägheit von RotRot ist der Grund, weshalb wir erst vor 14 Tagen dieses heilsbringende Gesetz verabschiedet haben. Liebe Frau Schaub, das Gezeter zwischen Rot-Rot um das angeblich richtige Konzept hat Eltern verunsichert, Lehrkräfte verzweifeln lassen. Das ganze Verfahren war eine Meisterleistung der Regierungskoalition. Jetzt müssen es die Schulen ausbaden, und die stehen zum Teil vor großen Problemen, auf die wir von der Opposition übrigens alle zuvor hingewiesen haben.

Viele Schulen sind gelackmeiert, vor allem die mit einem hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern. Sie haben nämlich ein Problem mit den finanziellen Zuweisungen. Ihr Genosse, verehrte Frau Dr. Tesch, Stadtrat Schimmang aus Neukölln, spricht von einem Gerechtigkeitsproblem. Von einem Gerechtigkeitsproblem spricht RotRot häufiger, in diesem Fall hat Herr Schimmang Recht, denn bei den Zuweisungen wurde schlichtweg ignoriert, wie viele Sozial- und Wohngeldempfänger die einzelne Schule hat. Dann haben diese Schulen zusätzlich einen nicht zu unterschätzenden bürokratischen Aufwand. Gelackmeiert sind zudem die Schulen mit einem hohen An

teil von Kindern nichtdeutscher Herkunft, denn hier verstehen die Eltern teilweise gar nicht, was von Ihnen erwartet wird. Wenn beides zusammen kommt und kumuliert, wird es richtig spannend in der jeweiligen Schule.

[Frau Dr. Tesch (SPD): Sind doch schon gegründet die Fördervereine!]

Nun stellen Sie sich vor, was Eltern, Lehrer und Schüler erreichen könnten, wenn man sie ließe und ihnen nicht ständig bürokratische Stöckchen zwischen die Beine würfe. Hier jedoch schnitzt man gerade wieder einmal an solch einem Stöckchen, denn auch in diesem Fall warnt bereits die Verwaltung, man solle ja nicht über den Schulleiter die Bücher bestellen, er müsse dafür ansonsten haften. Ich sage Ihnen: Hegen und pflegen Sie dieses Pflänzchen Eigenverantwortung, damit es gedeihen und wachsen möge.

[Beifall bei der FDP]

Ich kann mir jetzt schon vorstellen, dass Sie an einer neuen Verordnung basteln zur Gründung eines Fördervereins an den Schulen mit dem Ziel Schulbücher, zu kaufen und zu verleihen. Das kann nur schief gehen. Lassen Sie es die Eltern machen und leisten Sie an denjenigen Schulen Hilfestellung, die sie wirklich brauchen.

[Beifall bei der FDP]

Die Liberalen setzen auf Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der einzelnen Schule, auf die Vernunft der Beteiligten – ich bin gleich fertig. Sie, verehrte Genossinnen und Genossen, setzen auf den Staat, die Verwaltung und die Bürokratie. Angeblich diskutieren wir in 14 Tagen ein richtiges Highlight, nämlich das neue Schulgesetz. Gerade unter den eben geschilderten Aspekten sage ich Ihnen dazu: Ich freue mich darauf!

Zur lfd. Nr. 4 mit der Verordnungsnummer 15/115 – das ist die Änderung der Kapazitätsverordnung – beantragt die FDP-Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung. Ich höre hierzu keinen Widerspruch.

Weitere Überweisungswünsche liegen mir nicht vor. Das Haus hat damit von den übrigen Verordnungen Kenntnis genommen.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön! Das ist die Fraktion der Grünen. Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Die lfd. Nr. 22 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 22 A:

Dringliche Beschlussempfehlung gemäß § 21 Abs. 5 GO Abghs

Ausbau der Zusammenarbeit mit Litauen, Lettland und Estland