Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

[Beifall bei der CDU]

Zunächst möchte ich kurz auf meinen Vorredner eingehen. Herr Zackenfels, das war nicht anders, als ich es erwartet habe. So kennt man es schon aus dem Hauptausschuss. Den Grünen den Vorwurf zu machen, dass, nachdem Sie zunächst kein seriöses Papier vermuteten, richtige Fragen zu stellen, sei unseriös, ist schon ein abenteuerliches Stück.

[Beifall bei der CDU und bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das einzige tatsächlich Unseriöse ist sowohl die Form der Beantwortung durch den Senator, der eher im Plauderton mal ein, zwei Dinge dazu anmerkte und uns auch die schriftliche Beantwortung vorenthalten hat sowie die Feststellung von Herrn Zackenfels, das alles in bester Ordnung sei. Das ist das Beste daran gewesen.

Nun stellt also Herr Zackenfels fest, dass es gar kein Risiko beim Bundesverfassungsgericht gibt, weil Vollständigkeit keine Tatbestandsvoraussetzung ist; er habe einmal im Maßstäbegesetz nachgesehen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die Sonderrisiken, die Sie in Schattenhaushalten weiterhin neben dem normalen Haushalt betreiben und anwachsen lassen, keine Rolle spielen, wenn es darum geht, dass das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung über den Verschuldungsstand und die Frage, ob es eine unverschuldete Notlage ist, treffen soll.

[Wechselberg (PDS): Das soll Rot-Rot zu verantworten haben? Das ist doch lächerlich! – Zuruf des Abg. Dr. Flemming (SPD)]

[Beifall bei der CDU]

[Dr. Flemming (SPD): Wir haben keine!]

Auch das ist etwas, was mit Sicherheit nicht klar ist. Es ist in der Regel auch nicht wahr, was Sie dort hineinschreiben.

[Beifall bei der CDU]

Zum Thema Haushaltswahrheit möchte ich noch einmal den geneigten Zuhörern, die sich vielleicht von Herrn Zackenfels haben blenden lassen verdeutlichen, dass Haushaltswahrheit bedeutet, Einnahmen und Ausgaben, die im Haushaltsjahr fällig werden, vollständig zu erfassen – wahrlich, wahrlich! –. Einnahmen und Ausgaben sind in voller Höhe zu erfassen, gegebenenfalls seriös zu schätzen. Da erinnern wir uns beispielsweise an die Diskussion um die Einnahmeerwartung, was die Steuern angeht. Wir haben immer gesagt, dass dies nicht so zutreffen würde. Es traf auch nicht zu. Dann ging es um die Ausgaben, beispielsweise bei den Sozialausgaben in den Bezirken. Auch da haben wir erlebt, dass es nicht klappt. Man kann ja versuchen, alles ein wenig zu steuern, aber mit Genauigkeit, mit Haushaltswahrheit hat das nichts zu tun, und mit Haushaltsklarheit hat das Verfahren, über das wir uns hier anhand der Großen Anfrage der Grünen unterhalten, erst recht nichts zu tun.

Nun haben wir von Herrn Sarrazin zu den einzelnen Punkten einzelne Antworten gehört. Das darf man kommentieren. Die Eingangsfeststellung, im normalen Leben gebe es immer Kompromisse, ist für einen Leiter einer Behörde und für einen gewählten Senator des Landes Berlin, der auf die Einhaltung von Recht und Gesetz zu

Nun haben wir von Herrn Sarrazin gehört, das ICC sei notwendig. Herr Müller ist leider nicht mehr im Saal, es freut mich aber, dass die Koalition auch erkannt hat, dass es ein Problem ist, wenn man weder das Geld hat, um das ICC abzureißen, noch das Geld, um dort etwas Neues hinzubauen und es deshalb vernünftig wäre, sich dazu zu entschließen, die notwendigen Maßnahmen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, insbesondere was die Sanierung angeht, zu finanzieren. Ich bin gespannt, wo wir das Geld im Haushalt finden werden. Ich bin gespannt, ob das Geld zur Verfügung gestellt werden wird. Mit Ankündigungen ist man schnell bei der Hand, wenn man im rot-roten Senat sitzt. Ich glaube es indes noch nicht.

Weiter hören wir, dass Sie bei der BVG auf radikale Lösungen drängen, welche auch immer das sein mögen. Vielleicht verkaufen Sie einige U-Bahnen im Wege des Sale-and-lease-back-Verfahrens oder einige Busse oder was auch immer. Leider lassen Sie uns darüber im Unklaren. Die Wettbewerbsfähigkeit der BVG ist in der Tat ein Problem, das wissen wir alle. Es ist ein Problem auch im Hinblick auf die Tarifstruktur und im Hinblick auf das Fitmachen im Rahmen der Liberalisierung des Marktes, was den öffentlichen Personennahverkehr angeht. Ein Konzept dafür gibt es nicht und insbesondere keine haushaltsmäßige Unterlegung. Es nutzt nichts, radikale Lösungen anzukündigen, man muss vernünftige Konzepte bieten.

achten hat, eine erstaunliche Aussage, wundert aber bei dem Senat nicht, der es in der Tat, ob es nun die Verfassung oder die Landeshaushaltsordnung ist, oder das Haushaltsgrundsätzegesetz – es fällt mir vieles ein, was es zwar gibt, aber eher lästig ist – mit der Einhaltung nicht so genau nimmt, denn wir haben in Berlin den Ausnahmezustand.

Zur Frage der Opern haben wir von Herrn Sarrazin einen ganz interessanten Ansatz gehört, er möchte es dort mit dem Beten versuchen. Wir haben gerade den ökumenischen Kirchentag in Berlin gehabt, wenn ich mich aber recht erinnere, ist Ihr Kollege Flierl nicht nur Agnostiker, nein, er ist ungetauft und ungläubig.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Da wird es mit dem Beten nicht weit führen. Das scheint der Grund dafür zu sein, dass es sich hier um eine Scheindebatte handelt.

[Sen Dr. Sarrazin: Ich bete für ihn!]

Sie beten für ihn mit. Das finde ich ausgesprochen großzügig. Denken Sie auch an sein sonstiges Seelenheil, ich glaube, Herr Flierl hat da einigen Bedarf. Dass Sie sich jetzt auf das Beten verlegen wollen, erklärt, dass Sie eine Entscheidung getroffen haben, dass Sie sich überhaupt nicht mehr mit der Frage der Sanierung der Staatsoper auseinandersetzen wollen. Sie wollen eines der Opernhäuser schließen.

[Brauer (PDS): Das ist doch Quatsch, was Sie da reden, Herr Zimmer!]

Die Erwartung, dass der Bund einen bestimmten Betrag – –

[Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Ach, Herr Brauer! Fragen Sie doch einmal die Teilnehmer der Runde. Dann werden Sie erfahren, dass es tatsächlich um einen bestimmten Betrag geht, den Herr Flierl erwartet, den er aber nicht bekommen wird. Sie können doch überall nachlesen, wenn er diesen Betrag nicht bekommt – –

[Zuruf des Abg.Brauer (PDS)]

Sie müssen sich doch nicht bei mir beschweren! Beschweren Sie sich bei Herrn Flierl oder bei Herrn Wowereit. Ich bin doch nicht derjenige, der die Politik in der Stadt gestaltet, das sind doch Sie.

[Beifall bei der CDU und den Grünen – Beifall der Abgn. Frau Meister (FDP) und Zackenfels (SPD)]

Herr Zackenfels, Sie sind ja richtig stolz darauf. Das Problem ist nur, dass ist mit Sicherheit nichts, worauf Sie stolz sein können.

[Brauer (PDS): Legen sie doch endlich die Rolle des Neugeborenen ab!]

Das ist ja schön, jetzt ist richtig Stimmung, Herr Brauer. Es freut mich, dass wir Ihnen doch noch zu ein bisschen Bewegung verhelfen können zu dieser Stunde.

[Brauer (PDS): Sie sind länger als ein halbes Jahr in diesem Haus, Herr Zimmer!]

Nächstes Thema: Vivantes. Wir werden sehen. Ich bin, nachdem ich die Bilanzpressekonferenz von Herrn Schäfer verfolgt habe, der glaubt, man sei auf gutem Wege – Herr Sarrazin nimmt das gern auf und sagt, er glaube, dass Vivantes das hinbekommen werde – sehr gespannt, wann der Punkt erreicht wird, dass eine Bank, ohne eine Bürgschaft des Landes Berlin mit immensen Aufwendungen versehen, bereit ist, dieses Unternehmen zu finanzieren. Es war der Gründungsfehler bei Vivantes, der sich nach wie vor fortsetzt, dass diese Gesellschaft nicht mit vernünftigem Geld ausgestattet worden ist. Das ist ein klassischer Schattenhaushalt. Wenn Sie jetzt bei der Charité–Universitätsmedizin in Berlin wieder damit arbeiten wollen, dass Sie dort eine große Sacheinlage tätigen, dann wird das ein analoges Problem zu Vivantes werden. Die Sacheinlage wird mit Sicherheit nicht ausreichen, um den Geschäftsbetrieb dort aufrecht zu halten.

Lange Rede, kurzer Sinn:

[Brauer (PDS): Gar kein Sinn!]

Die Verzweiflung, die Herr Sarrazin in seiner eher allgemeinen Beantwortung hat durchscheinen lassen, macht es schwer, auf die Konzeption des Senats einzugehen. Allerdings – ich habe es Ihnen heute bereits zweimal gesagt, ich sage es auch noch ein drittes Mal – Ihr Problem besteht darin: Sie haben gar keinen Plan. Sie wissen gar nicht, was Sie wollen. Sie wursteln hier ein wenig und dort ein wenig. Im Endeffekt wird das Chaos nur noch

Sie machen einen grundsätzlichen Fehler. Sie vermengen echte Schattenhaushalte, wie wir Sie beispielsweise bei den Entwicklungsgebieten sehen, immer gesehen haben und auch entsprechend kritisiert haben. Dort wird jetzt endlich gehandelt, und zwar umfassend. Es wird vor allen Dingen umfassend in dem Sinne gehandelt, dass das Sanierungsschritte erfordert – machen wir es einmal anhand der Entwicklungsgebiete exemplarisch–, die ziemlich komplex sind. Es ist nicht damit getan, Herr Kollege Eßer, dass man einfach die Defizite aus den Treuhandvermögen in den Landeshaushalt einstellt, wofür ich im Übrigen auch bin. Der entscheidende Schritt besteht darin, dass man das notwendige Investitionsvolumen in den Entwicklungsgebieten nochmals einer Generalrevision unterzieht und entsprechend verringert und darüber real existierende Einsparungen für den Landeshaushalt generiert. Es ist nämlich nicht damit getan, dass man einfach das Füllhorn der Neuverschuldung aufmacht. Sanierung heißt, an Strukturen und Institutionen heranzugehen und den lieb gewordenen Status quo zu überwinden, den wir jahrelang auf Pump finanziert haben und der zu wesentlichen Teilen das Problem ausmacht, das diese Stadt hat.

größer werden, und die Leidtragenden sind bedauerlicherweise nicht wir, die wir uns in diesen Sitzungen mit diesen Aussagen herumschlagen müssen, sondern die Berlinerinnen und Berliner. Die werden im Endeffekt die Zeche dafür zahlen müssen, dass Sie sehenden Auges und – um die Kollegen von der PDS zu zitieren, die einen neuen Lieblingsspruch haben – wider besseren Wissens die Risiken, die Sie längst kennen, nicht ausräumen, nicht abarbeiten, sondern darauf warten, dass es irgendwann zum großen Knall kommt. Das, finde ich, ist verantwortungslos. – Vielen Dan

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall des Abg. Eßer (Grüne) – Klemm (PDS): Bla, bla!]

Danke schön, Herr Zimmer! – Das Wort hat nunmehr Herr Wechselberg für die Fraktion der PDS. – Bitte schön, Herr Wechselberg!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Finanzsenator hat mir vorhin gesagt, dass er beabsichtige, die Große Anfrage der Grünen ernsthaft zu beantworten, weil er glaube, dass es sich um ein ernstes Thema handele. An dem Punkt stimme ich ihm zu: Es ist ein ernstes Thema. Das, Herr Kollege Zimmer, müssten Sie, in der politischen Tradition und Verantwortung der CDU stehend, in besonderem Maße wissen: Der Sanierungsfall Berlin umfasst viele Bereiche und deshalb auch zu einem Teil Schattenhaushalte, defizitäre und ineffiziente Strukturen in der Stadt. Deshalb ist der Sanierungsbedarf auch so groß.

[Beifall des Abg. Pewestorff (PDS)]

Die Larmoyanz, mit der Sie sich hinstellen und so tun, als seien Sie vorgestern in dieses Haus gekommen und hätten gerade eben erst über die Haushaltsprobleme des Landes Berlin etwas erfahren, ist aus meiner Sicht völlig unangemessen.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Meine Bereitschaft, mit Ihnen eine Debatte auf diesem Niveau zu führen, gewissermaßen unter Ausschluss oder nur geringer Beteiligung der Öffentlichkeit, ist sehr gering.

[Matz (FDP): Weil Sie immer über Zeugs in der Aktuellen Stunde diskutieren wollen, das gar nicht aktuell ist!]

Entweder diskutiert dieses Haus wirklich mit dem gebotenen Ernst über einzelne Sanierungsschritte in einzelnen Bereichen – wofür ich immer bin – oder wir führen eine polemische Haushaltsdebatte. Dann bin ich jedoch dafür, dass die Fernsehkameras zugeschaltet sind und wir das zu einer Tageszeit tun, zu der die Öffentlichkeit Anteil haben kann an unserer Diskussion. Sie werden beiden Ansprüchen nicht gerecht.