Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. – Zur Großen Anfrage liegt Ihnen bereits die schriftliche Beantwortung vor.

Schriftliche Beantwortung der Großen Anfrage durch RBm Wowereit:

Zu 1: Entsprechend dem Auftrag der Ministerpräsi

denten vom 19. Dezember 2002 haben die Chefs der Staats- und Senatskanzleien sich auf ihrer Besprechung am 22. Mai dieses Jahres auf eine staatsvertragliche Regelung zum Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verständigt.

Es ist vorgesehen, dass die Ministerpräsidenten auf

ihrer Konferenz am 26. Juli dieses Jahres den entsprechenden Staatsvertrag paraphieren und ihn nach Vorabunterrichtung der Landesparlamente im Umlaufverfahren unterzeichnen.

Zu 3: Der Versorgungsauftrag der öffentlich

rechtlichen Sender muss sich den jeweiligen technischen Rahmenbedingungen anpassen. Dazu gehört auch eine angemessene Versorgung durch Online-Angebote. Wir befinden uns derzeit in einem Entwicklungsprozess, in dem klare Regelungen für öffentlich-rechtliche OnlinePortale gefunden werden müssen. Für den Senat gibt es aber keinen Zweifel daran, dass attraktive OnlineAuftritte öffentlich-rechtlicher Sender zum Grundversorgungsauftrag gehören.

Zu 4: Auf Grund des unter 2 geschilderten Sachver

halts ist die Frage gegenstandslos.

Zu 5: Eine Entscheidung zur Frage, ob eine Erhöhung

der Rundfunkgebühren in Betracht kommt, kann derzeit noch nicht getroffen werden. Eine solche Entscheidung ist Teil des im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelten Gebührenfestsetzungsverfahrens. Dieses Verfahren hat begonnen, der Zeitpunkt für eine Entscheidung ist noch nicht erreicht.

Die Rundfunkanstalten melden zur Zeit ihren Finanz

bedarf der unabhängigen Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – KEF –, die die Anmeldungen zu überprüfen und den Finanzbedarf zu ermitteln hat. Danach legt die KEF den Landesregierungen ihren Bericht mit einem Gebührenvorschlag vor. Daraufhin erst beschließen die Ministerpräsidenten gegebenenfalls über die zu erhöhenden Rundfunkgebühren und schließen einen entsprechenden Staatsvertrag. Die Länder sind nach dem Gebührenurteil des Bun

Da auch Vertreter der öffentlich-rechtlichen Radiosender anwesend sind, sei gesagt: Auch hier haben wir ein breites Angebot. Einigen Bürgern ist gar nicht bewusst, dass z. B. Sender wie Radio Fritz, Radio Multi Kulti und andere wirklich hochwertige und gute Sender auch öffentlichrechtliche Sender sind.

Wir reden seit Neuestem auch über ein breites OnlineAngebot. Auch hier sei zur Vergegenwärtigung der Größenordnung erwähnt, dass wir über 211 Millionen € pro Jahr im Bereich des Online-Angebotes sprechen. Das soll ab 2005 auf etwa 260 Millionen € pro Jahr aufgestockt werden.

Gleichzeitig haben wir auf dem privaten Markt Schwierigkeiten der Anbieter auf Grund der schlechten Wirtschaftslage. Die Werbeeinnahmen sind teilweise zusammengebrochen, insofern haben wir einen nicht immer fairen Konkurrenzkampf. Ich frage ich mich z. B., was das FAZ-Businessradio als hochwertiger Radiosender, der sich nur aus Werbeeinnahmen finanzieren konnte, für eine Chance hatte.

Es ist nicht die Freiheit des Zuhörers, auf die komme ich aber gleich, es ist das Thema Zwangsgebühr! Da besteht keine große Freiheit. Auch ein Bürger, der vielleicht ab und zu mal Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sender schaut, sich ansonsten darauf beschränkt, entweder private Nachrichtensender oder einen Spielfilm eines privaten Anbieters anzusehen, muss diese Zwangsgebühr zahlen. Da kann von Freiheit des Bürgers nicht die Rede sein.

desverfassungsgerichts vom 22. Februar 1994 – BVerfGE 90, 60 – an den Vorschlag der KEF grundsätzlich gebunden. Sie dürfen nur davon abweichen, wenn Abweichungsgründe vorliegen. Diese können nur mit Bezug auf den Informationszugang und die angemessene Belastung der Rundfunkteilnehmer gefunden werden.

Unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungs

gericht vorgegebenen Verfahrensgrundsätze und der KEF als unabhängigem Gremium ist eine Äußerung zur Frage der Rundfunkgebührenerhöhung zum jetzigen Zeitpunkt unangebracht.

Für die Wortmeldungen in der ersten Rederunde ist eine Redezeit von bis zu zehn Minuten pro Fraktion vorgesehen, bei großzügiger Auslegung bedeutet dies auch etwas mehr. Als erstem Redner erteile ich dem Vorsitzenden der Fraktion der FDP, Herrn Dr. Lindner, das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Wenn wir über Medienpolitik reden und über die Erhöhung von Rundfunkgebühren, dann reden wir nicht nur über ein gewaltiges Volumen – ich darf daran erinnern, dass das Gebührenvolumen der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland pro Jahr 6,3 Milliarden € umfasst–, wir reden auch nicht nur über eine beträchtliche Gebühr, die im Moment von jedem einzelnen Rundfunkempfänger verlangt wird – über 16 €, nach der geplanten Erhöhung sollen es 18 € pro Rundfunkempfänger sein –, sondern wir müssen uns auch damit beschäftigen, welche Struktur der öffentlichrechtliche Rundfunk in Deutschland inzwischen angenommen hat. Wir reden nicht mehr über zwei bis drei Sender, die der Bürger empfangen kann – das waren noch die alten Zeiten, in denen einige, die darüber diskutieren, stehen geblieben sind. Damals konnte man ARD und ZDF sowie ein drittes Programm, und wenn man in Grenznähe z. B. zu Österreich wohnte, zum Beispiel noch ORF empfangen.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Ja, natürlich, Herr Pewestorff, die Aktuelle Kamera und den Schwarzen Kanal konnten wir auch genießen, das ist ja nun leider nicht mehr zu sehen. Der Schwarze Kanal war eine der lustigsten Sendungen, die Sie da geliefert haben. – Wir reden heute über 17 analoge Voll- und Spartenprogramme, die man auf Grund digitaler Technik, Satellitenschüssel und Kabelnetz überall empfangen kann. Es ist also nicht nur so, dass man heute den RBB empfangen kann, sondern zugleich kann man als Vollprogramm den Bayerischen Rundfunk, den Westdeutschen Rundfunk und alle anderen dritten Programme empfangen; hinzu kommen Spartenkanäle wie Phoenix, Arte und 3sat – das ist die heutige Struktur.

[Eßer (Grüne): Das ist doch schön! Ich sehe die alle gerne! – Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

[Frau Michels (PDS): Freiheit des Zuhörers!]

[Zuruf des Abg. Müller (SPD)]

Er zahlt momentan 16 € Gebühren, vielleicht dafür, dass er unter Umständen überhaupt keine Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks genießt. Vielleicht haben wir als Freie Demokraten – das sei der Zwischenruferin gesagt – auch einen etwas anderen Begriff von Freiheit.

[Beifall bei der FDP]

Wenn gerade zur Debatte steht, dass sich öffentliche Rundfunksender um die Übertragung von Weltmeisterschaften bewerben, müssen Sie sich auch darüber im Klaren sein, dass mit den Zwangsgebühren, die die Bürger zu zahlen haben, auch die Millionengehälter im Profifußball gezahlt werden. Da lohnt sich dann wohl die Debatte, ob das noch alles zur Grundversorgung im Sinne der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes gehört.

Es gibt übrigens Ministerpräsidenten in anderen Ländern, die sich dieser Thematik sehr wohl bewusst sind. Ich zitiere den Ministerpräsidenten des Landes NordrheinWestfalen, Peer Steinbrück: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist keine Insel der Seligen, die von einer Mauer aus Formalismen und Gewohnheitsrecht umfriedet ist. Deswegen hat sich in Konsequenz Ministerpräsident Steinbrück für einen Stopp von Gebührenerhöhungen bis zum Jahr 2007 in Deutschland ausgesprochen.

Dazu gehört auch eine angemessene Versorgung durch Online-Angebote. Wir befinden uns derzeit in einem Entwicklungsprozess.

So. Das ist hier der Senat von Berlin zu einer Frage, die die ganze Republik beschäftigt: Wie weit können OnlineAngebote gehen? Ist das nur programmbegleitend, oder kann hier ein eigenes großes Portal eingerichtet werden? – Wir haben übrigens mittlerweile einen eigenen Intendanten für Online, den Herrn Voss. Gratuliere Ihnen! Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob das noch irgendetwas mit dem Grundversorgungsauftrag zu tun hat.

Wir dagegen haben uns als FDP-Fraktion sehr intensiv mit der Frage beschäftigt. Wir haben zu unseren Anträgen Anhörungen in der Fraktion durchgeführt. Wir hatten den Chefjustitiar des ZDF, den Justitiar des SWR, wir hatten natürlich auch Private da, die Stellung genommen haben zu unseren Anträgen. Und da sage ich mal vorweg: Der FDP-Fraktion geht es nicht um die Abschaffung des öffentlichen Rundfunks. Davon kann gar keine Rede sein. Wir wollen den und bekennen uns zum öffentlichen Rundfunk. Die Frage ist nur, wie weit er geht. Und da haben wir in der Tat vielleicht eine etwas andere Auffassung. Wir fordern, dass wir zu einer klaren Definition von öffentlichem Rundfunk in Deutschland kommen. Wir fordern, dass wir im öffentlichen Rundfunk zu einem Verzicht auf Werbung und Sponsoring kommen. Wir fordern, dass hier Qualität statt Quote einzieht; auch im Unterhaltungsbereich, z. B. mit hochwertigen Spielfilmen. Aber für die hunderttausendste Wiederholung von „James Bond jagt Dr. No“ und irgendwelchen Musikantenstadeln

Wenn man sich aber anschaut, wie in Berlin das Thema Medienpolitik und Gebühren behandelt wird, erkennt man Folgendes: Im Land Berlin ist Medienpolitik in Feiertagsreden Chefsache, das wird dann immer gebetsmühlenartig heruntergeleiert, und der Regierende Bürgermeister hat so den einen oder anderen coolen Auftritt bei der Berlinale. Aber wenn es wirklich um die Sache geht, wenn die Gelegenheit wäre, sich damit zu beschäftigen, hat er im Unterschied zu seinen Kollegen Stoiber und Steinbrück, die das auch wirklich als Chefsache leben, nicht viel zu bieten. Er genießt gerade ein Essen in der italienischen Botschaft. Ich war auch in der italienischen Botschaft eingeladen. Das fing um 12 Uhr an. Ich glaube, so gegen 15 Uhr kann man da auch mal den Löffel aus der Hand legen und sich mit den Dingen beschäftigen, mit denen sich Millionen Bürger da draußen zwangsläufig auch zu beschäftigen haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Zur Wahrheit, wie Medienpolitik im Land Berlin behandelt wird, gehört auch, dass seit Juni der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg zu besetzen ist, aber frühestens im September, Oktober kommt man hier mal auf die Idee, das auch zu tun. Das heißt, außer Sprüchen ist hier nicht wahnsinnig viel drin. Der Gipfel ist dann erreicht in der Beantwortung unserer Großen Anfrage. Herr Präsident, Sie sagten, sie sei beantwortet. Na ja, es geht so.

Es geht schon mal so los, dass uns in der Beantwortung der Großen Anfrage mitgeteilt wird, dass die Ministerpräsidentenkonferenz hierzu am 26. Juli tagt. Das Problem ist nur, sie tagt heute, das ist der 26. Juni. Das ist schlampig, aber auch ärgerlich für uns. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir die Große Anfrage nicht zweimal verschieben lassen. Wenn wir gewusst hätten, dass die Ministerpräsidentenkonferenz zu dem Thema heute stattfindet, dann wäre die Große Anfrage in der letzten Plenarsitzung behandelt worden.

Aber so geht es dann weiter. Es ist ein zweiseitiges Blättchen. Einen Punkt aus diesem Papier möchte ich herausheben, damit die Bürger wissen, in welcher geistreichen und tiefgründigen Art sich hier mit Medienpolitik beschäftigt wird. Auf die Frage

Teilt der Senat die Auffassung, dass die öffentlichrechtlichen Sender in zunehmendem Maß über die verfassungsrechtlich gebotene Grundversorgung hinaus agieren, insbesondere im Onlinebereich?

kommt dann so ein Satz wie:

Der Versorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender muss sich den jeweiligen technischen Rahmenbedingungen anpassen.

Donnerwetter! –

[Beifall bei der FDP]

Also zusammengefasst: Desinteresse, Schlampigkeit und kein besonders tiefgründig beantwortendes Papier.

[Frau Schaub (PDS): Was Sie alles kennen!]

braucht es nicht unbedingt 17 Vollprogramme. Das muss man auch mal ganz klar sagen.

[Beifall bei der FDP]