Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

[Beifall bei der FDP]

Wir fordern ein Zurückfahren der Online-Angebote. Diese haben mit Grundversorgung nichts zu tun. Nichts gegen ein programmbegleitendes Angebot, aber ein riesiges Ding, das den privaten Onlinediensten nichts als Konkurrenz macht, und das aus Gebührenfinanzierung, lehnen wir ab.

Schließlich fordern wir dazu auf, sich die Struktur des öffentlichen Rundfunks genauer vorzunehmen, und zwar kann das einerseits dadurch passieren, dass ARD und ZDF intensiver zusammenarbeiten in der Nutzung und Verwertung von Rechten, in der gemeinsamen Nutzung beispielsweise auch von Auslandskorrespondenten. Und wenn das nicht funktioniert, müssen wir uns überlegen, langfristig zu einer Privatisierung des ZDF zu kommen. Wir müssen zurückkommen zu einem stringenten, straffen Angebot und nicht zu diesem Wust, den wir im Mo

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach diesem Beitrag fällt es in der Tat ziemlich schwer, eine sachliche Debatte zu beginnen, Herr Lindner.

Was Sie hier in der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde vorgetragen haben, ist ein einziges medienpolitisches Armutszeugnis. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

ment in Deutschland in diesem ausufernden Bereich öffentlicher Rundfunk haben.

[Beifall bei der FDP]

Lassen Sie mich zum Schluss noch unsere Vision von Medienpolitik der Zukunft darstellen. Wir müssen wegkommen von diesen starren Gebühren, die jeder zahlt und dann ein Angebot von 30, 40 mehr oder minder qualitätsvollen Sendern in Deutschland erhält. Wir müssen zu etwas anderem kommen. Die technischen Voraussetzungen sind da. Jeder, der sich ein Fernsehgerät kauft, kann gleichzeitig einen Decoder mit bekommen, der automatisch unverzichtbar ein Angebot an öffentlichem Rundfunk beinhaltet, 2, 3 Sender, und vielleicht noch komplementär dazu ein Angebot von 2, 3 privaten Sendern – vielleicht für eine Gebühr, die etwa bei 4 bis 5 € liegt. Und parallel dazu können die Bürger sich dann Pakete dazuschalten, die, und zwar gezielt nach ihren eigenen Wünschen, Private und gegebenenfalls auch öffentlichrechtliche Sender beinhalten. Das ist Freiheit der Bürger. Und das führt dann übrigens auch im Bereich der privaten Sender zu deutlich mehr Qualität. Auch die haben dann eine doppelte Finanzierungsmöglichkeit: Gebühr nach Wunsch der Bürger und Werbung. Das ist Medienpolitik der Zukunft

[Doering (PDS): Ganz bestimmt nicht!]

und nicht Medienpolitik, die sich ausschließlich darauf zurückzieht, alle Jahre wieder über Gebührenerhöhungen zu reden.

[Eßer (Grüne): Alle 4 Jahre!]

Herr Eßer, auch wenn es alle 4 Jahre ist – das ist einfach zu wenig. Das kann nicht Medienpolitik sein, dass hier die öffentlichen Rundfunksender daherkommen und sagen: Passt mal auf, hier ist unsere neue Gebührenanmeldung und melden das bei der KEF an. Die KEF geht dann her und nimmt eine Sollbruchstelle oben runter, und die Länderparlamente und die Ministerpräsidenten nicken das ab. Das ist zu wenig. Die Bürger haben ein Recht darauf, dass man in einer Frage, in der sie im Moment noch keine Freiheit haben, etwas ernsthafter mit ihren Belangen umgeht. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! Gestatten Sie mir einen sachlichen Hinweis. Sie haben in Ihrer Rede behauptet, dass der Regierende Bürgermeister bei einem Essen in einer Botschaft ist. Ich möchte das hier noch einmal richtig stellen. Er ist nicht einfach nur bei einem Essen, sondern der Präsident hat zu Beginn der Sitzung darauf hingewiesen, dass es sich hier um die Eröffnung der italienischen Botschaft im Beisein des italienischen Staatspräsidenten und des Bundespräsidenten Rau handelt, also um einen etwas anders gearteten Protokolltermin, als Sie hier dargestellt haben.

[Dr. Lindner (FDP): Ich weiß! Ich war da selbst!]

Darüber ist im Ältestenrat hinlänglich informiert worden. Nur zur Richtigstellung, weil wir uns hier in einer öffentlichen Sitzung befinden.

Der nächste Redner der SPD-Fraktion ist der Abgeordnete Zimmermann. – Bitte schön!

[Brauer (PDS): Hunger ist ein schlechter Ratgeber!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ihre Forderungen sind dermaßen abenteuerlich, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihnen kaum lohnt. Sie haben zu diesem wichtigen Thema so gut wie nichts Konstruktives beigetragen. Das erinnert nun wirklich an eine alte Erkenntnis: Wer als Redner nur sich selbst darstellen will und im Wesentlichen aus Eitelkeit die Bühne betritt, missbraucht das Publikum.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Und wenn Sie Medienpolitik schon so behandeln, sollten Sie der Öffentlichkeit wenigstens reinen Wein einschenken. Herr Lindner, mit Ihren diversen Anträgen und Anfragen geht es Ihnen überhaupt nicht um den öffentlichrechtlichen Rundfunk. Ihnen geht es nicht um die Zukunft von ARD und ZDF und Deutschlandfunk. Ihnen geht es ausschließlich um die Interessen der privaten Sender. Ihre Rede handelte allein davon, wie Sie Marktanteile von Privatsendern erhöhen können. Das können Sie machen. Ich habe auch nicht viel anderes von Ihnen erwartet. Aber Politik ist das nicht. Das ist purer Lobbyismus. Und was Ihre drei Buchstaben schon sagen – FDP: Förderverein der privaten Sender –, das haben Sie heute bewiesen.

[Beifall bei der SPD, der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Gelächter bei der FDP]

Dabei haben die Privatsender seriösere Sprecher verdient, denn sie sind elementarer Bestandteil unserer Medienlandschaft. Und sie brauchen ebenso verlässliche Rahmenbedingungen wie die öffentlich-rechtlichen Sender. All das, was Sie hier fordern und in Ihre Anträge geschrieben haben, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Sie wollen die deutsche Medienlandschaft umkrempeln, indem Sie das duale Rundfunksystem aus öffentlichrechtlichen und privaten Anbieter angreifen. Das Ergebnis ist leicht vorherzusagen: Damit müssen und damit werden Sie scheitern.

Damit die Öffentlichkeit das zur Kenntnis erhält, trage ich aus den Anträgen und Anfragen, die Sie geschrieben haben, einmal vor, was Sie eigentlich wollen.

Ich flechte hier ein, worum uns die halbe Welt beneidet. Man muss das öffentlich-rechtliche System loben. Wir haben mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsystem neben der BBC wahrscheinlich weltweit das beste System. Unser Korrespondentennetz wird international gelobt. Die ganz besondere Qualität unseres Systems ist Spitze. Wir müssen uns dazu bekennen und die Zukunft dieses Systems auch unter dem Eindruck des europäischen Rechts sichern.

Aus diesem Grunde müssen wir auch die Frage: Gebührenerhöhung, ja oder nein? – etwas verantwortungsvoller behandeln, als Sie es wünschen, Herr Lindner. Sie sagen einmal, keine Erhöhung bis 2008. Dann sagen Sie aber wiederum, Senkung sofort um ein Drittel, Strukturmaßnahme oder so etwas. – Was wollen Sie eigentlich genau? – Es ist offen. – Dazu sage ich Ihnen: Die Kommission, die den Finanzbedarf für die Rundfunkanstalten ermitteln soll, wird ihre Empfehlung erst aussprechen. Die Medienausschüsse und die Länder werden dies beraten, und dann wird es beschlossen. Das ist der geordnete und seriöse Weg. Die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, steht ganz gewiss nicht in dem Verdacht, leichtfertig mit öffentlichen Geldern umzugehen. Wir werden diese Empfehlung abwarten, dann in aller Ruhe entscheiden, welcher Bedarf für die öffentlichrechtlichen Anstalten notwendig ist, und diesen dann gewähren.

[Ritzmann (FDP): Sie sind ein Aufklärer!]

Das haben Sie hier nur zart angedeutet; das haben Sie sich gar nicht zu sagen getraut: Sie wollen das ZDF-Programm verschlüsseln. Sie wollen das ZDF als frei empfangbares Programm abschalten. Das steht in Ihrem Antrag. Sie wollen einen Pay-TV-Kanal aus dem ZDF machen – ich dachte, ich sehe nicht richtig –, eine Aktiengesellschaft daraus machen, die Länder übergangsweise noch in der Verantwortung lassen und dann ganz hinausschicken. Die Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer des ZDF werden sich bedanken.

Sie wollen weiter die ARD als Mantel erhalten, aber mit nichts darunter. Sie wollen den Sendern der ARD den Geldhahn zudrehen.

[Dr. Lindner (FDP): So ein Quatsch! Was reden Sie für ein Zeug?]

Lesen Sie einmal Ihren eigenen Antrag, in dem Sie sagen, Sie wollen bei der ARD eine Gebührensenkung um ein Drittel. Dazu wollen Sie aber gleichzeitig ein Werbeverbot für die ARD. Und Sie wollen ein Verbot des Outsourcings von Diensten, damit diese in Tochterunternehmen günstiger ausführt werden können. Das alles zusammen hat nur eine Konsequenz – Exitus.

[Dr. Lindner (FDP): Bei vier Milliarden Exitus!]

Wenn es das ist, was Sie wollen, müssen Sie sich als Totengräber des öffentlich-rechtlichen Systems bezeichnen lassen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Sie haben übrigens ganz vergessen zu sagen, wie Sie den Deutschlandfunk zur Strecke bringen wollen, Herr Lindner! Vielleicht durch einen Verkauf an Herrn Murdock, das wäre einmal ein Vorschlag.

Also: Wer derart unqualifiziert zu Werke geht, verabschiedet sich aus dem Kreis der ernst zu nehmenden Medienpolitiker. Zum Glück sind Sie nicht in der Situation, entscheiden zu müssen. Ich versichere Ihnen: Wir werden alles tun, damit dies so bleibt – im Interesse der Sender und im Interesse der Zuschauer.

[Mleczkowski (FDP): Aber ohne Glück!]

Das duale Rundfunksystem hat sich im Prinzip bewährt. Es entspricht auch den Wünschen der Zuschauer. Wenn es allerdings um eine Verbesserung der Medienordnung geht, die ansteht und für die wir sind, muss die Vielfalt des Angebots und ein gewisses Qualitätsniveau gewahrt bleiben. Was aber Ihnen offenbar vorschwebt, aus ARD und ZDF ein Biotop aus Information und Kultur zu machen und die großen Quotenbringer den Privaten zu überlassen, werden wir zu verhindern wissen; denn die plurale Gesellschaft verlangt Programmvielfalt. Und das ist der Grund, warum wir am Prinzip der Gebührenfinanzierung nicht rütteln lassen werden. [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir erleben aber an ganz anderer Stelle durchaus ernst zu nehmende Angriffe gegen das Gleichgewicht aus ARD und ZDF einerseits und den Privaten andererseits. Wir haben nämlich nach der Kirch-Pleite und durch den Poker um die Sport- und Filmverwertungsrechte zurzeit einen durchaus heftigeren Konkurrenzkampf. Und wir haben vor der EU-Kommission eine Beschwerde der privaten Rundfunkanbieter, die sich auch und in erster Linie gegen die ARD und das ZDF richtet. Alles dreht sich um die Frage – das haben Sie angesprochen, Herr Lindner –: Was dürfen die öffentlichen Anstalten mit Gebühren finanzieren? – Das ist keine prickelnde Frage, sie stellt sich aber an dem entscheidenden Punkt, den Sie angesprochen haben, ganz konkret: Dürfen sie Online-Dienste machen, ja oder nein? – So, wie ich Sie verstanden habe, wollen Sie ihnen diese ganz absprechen.

[Dr. Lindner (FDP): Sie müssen mal zuhören!]

Dann müssen Sie einmal genauer sagen, was Sie wollen. – Ich kann nur sagen: Selbstverständlich müssen auch öffentlich-rechtliche Anstalten Online-Dienste, Multimedia- und Mediendienste anbieten dürfen. Die entscheidende Frage ist: Wo fängt E-Commerce an, wo ist es noch mit dem Rundfunkauftrag zu verbinden? – Man kann darüber streiten, ob die Vermarktung der Kochbücher von Alfred Biolek noch vom Programmauftrag gedeckt ist. Da muss man im Einzelfall gucken. Aber so, wie Sie das machen, dass Sie den öffentlich-rechtlichen Anstalten diese Berechtigung generell absprechen, wird es nicht gehen; so wie es der VPRT, der Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation in Brüssel macht, wird es

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Interesse des Senats an der Medienpolitik in Berlin erkennt man daran, dass heute nicht nur Herr Wowereit abwesend ist, sondern auch Herr Schmitz, der Chef der Senatskanzlei. – Üblicherweise ist die Medienpolitik in einem Bundesland dort angesiedelt. – Es gibt auch keinen Referenten aus der Senatskanzlei.

Ich möchte nur kurz auf die Äußerungen von Herrn Zimmermann eingehen. Wenn er der FDP vorwirft, die FDP würde Lobbyismus für die privaten Sendeanstalten und privaten Rundfunkanbieter betreiben, muss man ganz fair entgegenhalten, dass die von ihm gehaltene Rede reiner Lobbyismus für die öffentlich-rechtlichen Anstalten und nicht sehr viel mehr war.

nicht gehen. Da kann ich nur mit dem ZDF-Intendanten Schächter sagen:

Die durch Misswirtschaft selbst verschuldeten Schwierigkeiten der Privaten in Teilen der privaten Anbieter dürfen nicht dafür herhalten, einen Generalangriff gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu starten.

Das werden auch wir als SPD-Fraktion beherzigen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Lösung dieser Fragen liegt übrigens im Entwurf auf dem Tisch. Sie haben ihn zur Kenntnis bekommen. Offensichtlich haben sämtliche Staatskanzleien dem Entwurf des Rundfunkänderungsstaatsvertrags bisher zugestimmt, auch die von Rheinland-Pfalz. Dort hat Kurt Beck der FDP solche Sperenzchen, wie Sie sie machen, zum Glück abgewöhnt. Wir haben hier einige Regelungen, die genau Rechtssicherheit und Klarheit schaffen für den Funktionsauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten, für die Sicherung des fairen Wettbewerbs zwischen den Systemen, für die Transparenz, auch durch die Rechnungshofkontrolle. Ich glaube, dieser Staatsvertrag, wenn wir ihn zugeleitet bekommen, bietet die richtige Basis, um Rechtssicherheit für die Systeme herzustellen.

Noch ein Wort zur Bundesliga, weil Sie angedeutet haben, dass hier die Übernahme der Rechte durch die Öffentlich-Rechtlichen Gebührenerhöhungen nach sich zögen: Man muss einfach festhalten – das ist ein Faktum –, dass die Kosten für die Verwertungsrechte über die Jahre von den privaten Anbietern in die Höhe getrieben wurden. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen diese Rechte jetzt für einen deutlich günstigeren Preis erwerben, ist das ein enormer Fortschritt – abgesehen davon, dass die Sportschau auch ästhetisch und kulturell ein Fortschritt ist, aber das ist nur meine persönliche Meinung. Die Sportschau ist Grundversorgung. Die ÖffentlichRechtlichen tun sehr gut daran, diesen wichtigen Bereich der Information der Bevölkerung zu übernehmen. Die andere Frage ist, ob dazu eine Gebührenerhöhung erforderlich ist. Dazu werden wir die Gebührenempfehlung abwarten. Ihre Vorverurteilungen sind allein auf Grund von Vorurteilen vorgenommen worden, aber nicht auf Grund von Tatsachen.