Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

a) Antrag

Verleihung der Berliner Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter

Antrag der CDU Drs 15/1961

b) Dringlicher Antrag

Ernst Reuter als neue Adresse des Abgeordnetenhauses von Berlin

Antrag der FDP Drs 15/1975

Wird der Dringlichkeit des zuletzt genannten Antrags widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Außerdem teile ich Ihnen gleich mit, dass es inzwischen einen Antrag der Koalitionsfraktionen auf sofortige Abstimmung gibt – das als organisatorischen Hinweis.

Für die Beratung steht uns eine Beratungszeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. – Herr Abgeordneter Henkel hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ernst Reuter gehört zu den großen Persönlichkeiten, die Herausragendes für unsere Stadt geleistet haben. Daher appellieren wir als CDU-Fraktion an die übrigen Mitglieder des Abgeordnetenhauses: Bitten Sie mit uns gemeinsam den Berliner Senat, dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter anlässlich seines fünfzigsten Todestages am 29. September dieses Jahres die Berliner Ehrenbürgerwürde posthum zu verleihen.

[Beifall bei der CDU]

Dabei ist meiner Fraktion durchaus bewusst, dass diese posthume Verleihung der Ehrenbürgerwürde eine Ausnahme der geltenden Regel ist, nach der nur lebenden Persönlichkeiten die Ehrenbürgerwürde verliehen werden soll. Aber es gibt keine Regel ohne Ausnahme, wie die posthumen Ernennungen von Marlene Diedrich und Bersarin zeigen.

[Brauer (PDS): Das ist doch Quatsch!]

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Insofern ist es vollkommen unverständlich, dass sich der Berliner Senat unter Führung der SPD, der das Vorschlagsrecht hat, bisher weigert, Reuter posthum zum Berliner Ehrenbürger zu machen. Es ist auch deshalb unverständlich, weil sich dieser Senat bei der Bewilligung der Ehrenbürgerwürde für den ehemaligen Statthalter Stalins in der deutschen Hauptstadt, den ersten Stadtkommandanten der Sowjets im besetzten Berlin, Nikolaj Bersarin, sehr schnell einig war. Hier sei die Frage schon gestattet, ob Klaus Wowereit um den Frieden in der rotroten Koalition besorgt ist und sich deshalb nicht kraftvoll hinter die Verleihung der Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter gestellt hat.

[Beifall bei der CDU]

Die Verbalakrobatik, mit der der heutige Regierende Bürgermeister eine Auszeichnung ablehnte – das kann man nicht oft genug sagen –, ist dem Leben und der Arbeit seines Vorgängers im Amt im höchsten Maße unwürdig, zumal Wowereit mit seiner harten Haltung den älte

Aber wir sollten an dieser Stelle unter diese Debatte einen Schlusspunkt setzen. Wir sollten aufhören, ständig neu über diese Ehrenbürgerwürde hier miteinander zu streiten.

Selbstverständlich ist Ernst Reuter eine der herausragendsten Persönlichkeiten in der Nachkriegsgeschichte von Berlin,

der wie kaum ein zweiter den Freiheitswillen und den Mut der Berlinerinnen und Berliner in einer ganz schwierigen Situation der Stadt verkörperte. Und selbstverständlich war er ein großer Sozialdemokrat. Natürlich hätte Ernst Reuter, wie kaum ein zweiter, diese Ehrenbürgerwürde verdient.

(D Sie wollen eine parteipolitische Debatte beginnen und wollen sehen, was Ihre Debatte hier im Parlament an Diskussion auslöst zwischen den Koalitionsfraktionen, natürlich auch, ob sich die SPD-Fraktion an so einem Punkt auseinanderdividieren lässt.

ren verdienten Mitgliedern der SPD nach der Koalition mit der PDS erneut einen harten, herben Schlag versetzt. Denn die Äußerungen Ihrer „AG 60 plus“ waren diesbezüglich ja unmissverständlich und eindeutig.

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

In diesem Zusammenhang ist auch nicht zu verstehen, warum der SPD-Fraktionsvorsitzende Müller ebenfalls nicht in der Lage ist, klar Stellung zu beziehen und stattdessen die Debatte mit einem, wie er sagt, „weiteren Gedankenprozess zur Ehrenbürgerwürde“ überlagert. Ich hätte mir gewünscht, Herr Müller, dass Sie und die SPD sich wenigstens bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde für einen wirklich großen und verdienstvollen Mann der Sozialdemokratie wie Ernst Reuter aus Sicht Ihrer eignen Tradition und aus Sicht einer überwältigenden Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner dem Vorschlag der CDU bereits in der Sommerpause angeschlossen und selbst die Initiative ergriffen hätten, statt diesen Vorschlag als „Sommertheater“ zu diffamieren.

Noch allerdings ist es nicht zu spät. Insofern wiederhole ich meine Bitte von Beginn meiner Rede: Stimmen Sie der posthumen Verleihung der Berliner Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter zu! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Müller das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Vergabe der Ehrenbürgerwürde für Ernst Reuter bzw. über die Richtlinie zur Vergabe der Ehrenbürgerwürde. Das sind die Richtlinien, die Ernst Reuter selbst im April 1953 unterzeichnet hat, die ganz eindeutig und ausdrücklich sagen, dass diese Ehrenbürgerwürde nur an lebende Persönlichkeiten vergeben werden soll, was jahrzehntelang auch ohne Widerspruch in Berlin praktiziert wurde. Es war kein Thema hier im Parlament, kein Thema der CDU- und der FDPFraktionen, sondern alle haben das akzeptiert. Mit zwei Ausnahmen ist also über Jahrzehnte so verfahren worden.

[Niedergesäß (CDU): Das ist ja komisch!]

Herr Henkel hat darauf hingewiesen, zum einen Bersarin, der schon Ehrenbürger war, der im Zuge der Wiedervereinigung von der Liste gestrichen wurde und wieder aufgenommen wurde, wo also die Ehrenbürgerwürde nicht neu vergeben wurde, und bei Marlene Diedrich, wo wir alle wissen, dass bereits zu Lebzeiten Gespräche und Kontakte zur Verleihung dieser Ehrenbürgerwürde bestanden haben.

Ich sage an der Stelle ganz eindeutig, in Anbetracht der Debatten, die Sie an dem Punkt losgetreten haben, kann man ins Grübeln kommen, ob auch dieses Aufweichen der eindeutigen Richtlinien tatsächlich richtig war, auch wenn man es sehr gut begründen kann, wie ich finde.

[Rabbach (CDU): War richtig!]

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Dann stimmen Sie unserem Antrag zu!]

[Niedergesäß (CDU): Die überhaupt!]

[Henkel (CDU): Dann machen Sie es!]

Nur: CDU und FDP geht es doch gar nicht darum, wirklich diesen Sozialdemokraten zu ehren. Das ist bei Herrn Henkels Rede eben ganz deutlich geworden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Protestrufe von der CDU]

[Henkel (CDU): Das ist Quatsch, das ist billig!]

Herr Henkel, das wird Ihnen nicht gelingen, ich sage es Ihnen ganz deutlich.

[Beifall bei der SPD und bei der PDS – Henkel (CDU): Sie sind geschichtslos! Peinlich!]

Wir brauchen von Ihnen auch keine Nachhilfe in Bezug auf die Bedeutung Ernst Reuters. Von Ihnen brauchen wir an der Stelle keine Nachhilfe.

[Dr. Augstin (FDP): Natürlich!]

Herr Müller! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Diese Oppositionsdebatte schadet aus meiner Sicht gerade auch den Persönlichkeiten, die wir ehren wollen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wir würden, wenn wir Ihnen da nachgäben, beginnen, hier in Parlamentssitzungen, was jetzt damit auch schon begonnen hat, über einzelne zu ehrende Persönlichkeiten zu sprechen: Sollen Sie auf die Liste, nachträglich, Ja oder Nein?

Herr Müller! Da kann man auch als Sozialdemokrat einfach einmal berücksichtigen, dass es mehr eine historische Zufälligkeit war, dass Ernst Reuter nicht Ehrenbürger geworden ist. Er ist im Amte verstorben. Jeder, der die Einladung des Regierenden Bürgermeisters zu dem Festakt bekommen hat, merkt, dass da etwas nicht stimmt: Da ist der Sohn, der Redner Edzard Reuter, als Ehrenbürger aufgeführt und der große Vater nicht. Das passt irgendwie nicht. Da existiert eine Schieflage.

Wir als FDP-Fraktion sagen allerdings: Der an sich bessere Vorschlag ist es, die Niederkirchnerstraße in Ernst-Reuter-Straße umzubenennen. Das ist die passende Ehrung.

[Henkel (CDU): Die Debatte sollten Sie erst mal führen!]