Protokoll der Sitzung vom 11.09.2003

ein ehrenwertes Ziel. Aber draußen vor Ort, in der Peripherie, in den regionalen Entwicklungszentren hat man sich gefragt: Was wollen die Berliner von uns? – Einigen Abgeordneten unseres Hauses waren teilweise noch nicht einmal die Städte dort bekannt. Ich finde, dass wir gerade dann, wenn wir die Fusion wollen, uns um diese Menschen besonders bemühen müssen. Denn sie werden entscheiden, ob es ein gemeinsames Land gibt oder nicht.

Deshalb liegt hier eine Aufgabe vor uns, an der wir arbeiten müssen. Ich bitte darum, dass diese Menschen nicht ein zweites Mal ausgegrenzt und abgewertet werden – sei es durch öffentliches Handeln und Artikulation in den Exekutiven beider Länder, sei es durch die Medien. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sagen Ja zu den Anträgen der FDP, zu diesen beiden Vorlagen, weil sie vernünftig sind. Sie wollen Landesaufgaben und Landesinstitutionen zusammenführen und wollen das in einem vernünftigen Konzept dargestellt bekommen. Allerdings sind wir nicht ganz sicher, ob Sie den Senat damit nicht überfordern. Denn das, was der Senat an der Stelle in letzter Zeit bewegt hat, ist kein Ruhmesblatt. Ich verweise auf die Zusammenlegung der Obergerichte, die Finanzgerichte – da wird seit Jahren verhandelt, und es ist bis heute nichts passiert.

sorts. Der Regierende Bürgermeister und dieser Senat haben mit der Fusion der beiden Sendeanstalten ein wichtiges Signal gesetzt für die Umsetzung der Fusion. Der weitere Prozess wird mit ähnlichen Signalschritten in anderen Bereichen in Gang bleiben und uns vorwärts bringen. Ich bin der Meinung, dass hier sicherlich noch viel zu tun ist, aber das lassen Sie uns in den weiteren Ausschussberatungen behandeln.

Den zweite Antrag, den Sie formulierten, halte ich für weniger glücklich. Ich meine sogar, dass er kontraproduktiv und für die Fusion der beiden Länder schädlich ist. Warum? – Ziel dieses Antrags ist die Darstellung der Alternativen zur Integration der Großstadt Berlins in den engeren und erweiterten Verflechtungsraum im Hinblick auf Wirtschaft, Verkehr, Administration, Haushalt usw. Dieser Antrag treibt, auch wenn dies nicht intendiert ist, zu einer Spaltung des Brandenburger Raumes, wie in der vergangenen Abstimmung: in Menschen im engeren und erweiterten Verflechtungsraum und in Menschen in der Peripherie. Sie fühlten sich seinerzeit nicht von den Berlinern vertreten. Sie waren nicht die Meinung, dass ihre Interessen in einem gemeinsamen Bundesland BerlinBrandenburg gut aufgehoben sind. Das zeigen die Zahlen. Ich bitte daher, hier in Zukunft bei weiteren Fusionsdebatten vorsichtig zu sein und die Interessen der Menschen in den äußeren Entwicklungsräumen wahrzunehmen, sie haben es da nicht einfach. Die Menschen dort sind bodenständig, sind sensibel, sie leisten da hervorragende Arbeit, gerade in schrumpfenden Gebieten.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Augstin?

Ja, bitte.

Bitte schön!

Herr Arndt! Ich versuche, Ihnen zu folgen, denn es geht uns um das gemeinsame Anliegen. Aber irgendwo ist ein Widerspruch, wenn Sie zitieren, dass wir mit diesem Antrag gerade die Integration der Räume fordern, Sie aber sehen darin eine Spaltung. Können Sie mir diesen rein sprachlichen Widerspruch aufklären?

In der Landesplanung von Berlin und Brandenburg unterscheiden wir zwischen dem Kern, d. h. der Kernstadt Berlin und dem engeren Metropolenbereich, dem engeren Verflechtungsraum, dem erweiterten Verflechtungsraum bis zu den regionalen Entwicklungszentren – ich vermute, den meinen Sie – und dem peripheren Raum, den Randlagen Brandenburgs.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das Wort hat nun der Abgeordnete Apelt. – Bitte schön!

Wenn wir alle anderen Wege so gehen, wie wir die ersten Schritte gegangen sind, dann wird die Fusion nicht vor dem Jahr 2020 stattfinden. Glaubt also die FDP wirklich, dass sich der Senat mit der gebotenen Geschwindigkeit bewegt? – Sie haben großzügige Berichtszeiträume bemessen. Bis zum 30. Juni 2004 habe der Senat Zeit. Ich meine, der Senat könnte schneller arbeiten, und da er sowieso langsam arbeitet, sollte man ihn etwas unter Druck setzen.

Meine Hoffnung, dass das in vorstellbaren Zeithorizonten passiert, ist gering. Diese Hoffnung hält sich auch in Grenzen, wenn man bedenkt, was uns gestern Herr Senator Sarrazin geboten hat, als es um die Finanzierung der Fusion ging. Da haben wir abenteuerliche Zahlen gehört, die heute durch die Presse gingen: In 20 Jahren werden 30 Milliarden € gespart. – Wie hat er das ausgerechnet? – Das ging heute auch durch die Presse. Ganz einfach: Bei den Ausgaben zieht man ein Milliarde ab, dann legt man bei den Einnahmen eine Milliarde drauf, und schon hat man 20 Milliarden € unter dem Strich eingespart. – Oder eine zweite Möglichkeit: Man nimmt 10 % der Verwaltungsausgaben weg, entlässt 25 000 angestellte Staatsdiener – oder stellt sie frei –, und schon haben wir 30 Milliarden € gespart. – Wenn der Senat so rechnet, wird das wahrscheinlich nie funktionieren.

Das ist abenteuerlich – genauso wie die Hoffnung, dass der Bund 35 Milliarden € gibt. Damit wird das Wohl

Apelt

Insofern kann ich nicht akzeptieren, dass Sie unterstellen, es gebe in den Senatsverwaltungen eigenständige Entwicklungen ohne Abstimmung. Mir wäre es sehr lieb, wenn das Haus und auch Sie persönlich das zur Kenntnis nehmen.

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel geben, Herr Böger – Thema Werteerziehung: Hätten wir nicht diesmal die einmalige Chance gehabt, auf die Brandenburger Regelung wenigstens halbwegs einzugehen und Werteerziehung auch im Berliner Schulgesetz zuzulassen? Warum bringen Sie die Menschen, die ihre Kinder nach Brandenburg oder nach Berlin in die Schule schicken wollen, in diese Konflikte? Warum machen Sie das – ohne Not?

und Wehe einer Fusion in die Hände des Bundes gelegt werden, und das erscheint mir ebenso abenteuerlich. Man müsste somit den Senat fragen: Ist die Fusion tot, wenn der Bund nicht zahlt? – Herr Sarrazin hört gar nicht zu, sonst könnte er die Frage einmal beantworten.

[Klemm (PDS): Die Frage hat Herr Schönbohm schon beantwortet!]

Wenn wir diese Erwartung aufbauen, werden wir auf die Nase fallen – sowohl zeitlich wie finanziell –, denn das ist nicht zu halten. Die CDU wird – trotz all dem, was Sie vorgeschlagen haben, Herr Dr. Augstin – weitergehen und sehr konkrete Vorschläge machen. Auf der Klausurtagung in der nächsten Woche werden wir uns u. a. auch mit dem Thema Berlin-Brandenburg beschäftigen, und ich bin sicher, dass wir über das, was Sie vorgeschlagen haben, hinausgehen. Wir wollen nicht nur Institutionen und Verwaltungen zusammenlegen – angefangen bei den Obergerichten bis hin zu den Forstverwaltungen,

[Klemm (PDS): Gemeinsame Forstverwaltung ist völliger Quatsch!]

von den Landespolizeischulen bis zu den Landesmusikakademien –, sondern wir möchten auch Gesetze vereinheitlichen und harmonisieren. Das gilt z. B. für das Polizeigesetz oder das Schulgesetz. Es ist ohnehin ein Unding, dass man in Berlin ein Gesetz verabschiedet, dass nicht mit dem Brandenburger Gesetz kompatibel ist.

[Sen Böger: Das stimmt doch gar nicht!]

Wenn man an die Fusion denkt, dann sollte man auch Wege gehen, mit denen sich die Brandenburger identifizieren können.

[Sen Böger: Sie sind nicht informiert!]

Herr Böger, dann müssen Sie einmal mit Ihren Brandenburger Kollegen darüber reden, wie die über dieses Berliner Schulgesetz denken.

[Böger (SPD): Das tue ich laufend!]

Dann werden Sie sich aber wundern.

Ich finde auch, wir sollten sich gegenseitig behindernde Gesetze aussetzen – etwa solche, wo es Landeskinderregelungen gibt. Das ist ein Relikt der alten Zeit. Das muss weg.

[Beifall bei der CDU]

Wir wollen eine Fusion vor der Fusion, und die CDU wird sich in gewohnter Weise an die Spitze der Bewegung setzen,

[Heiterkeit – Klatschen des Abg. Brauer (PDS)]

und zwar nicht durch falsche Versprechungen und Seifenblasenhoffnungen. Die werden schneller platzen, als Sie denken, Herr Brauer. Nein! Die CDU wird das Thema mit konkreten Vorschlägen beseelen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Brauer (PDS): Das haben wir 12 Jahre lang erlebt! – Weitere Zurufe]

Herr Senator Böger hat um das Wort gebeten und erhält es nach unserer Geschäftsordnung jederzeit. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Apelt! Sie haben zu einem wichtigen Thema gesprochen, und ich habe Ihnen zugehört. Ich möchte allerdings gleich darauf hinweisen, dass Sie mit einigen Fragen vollkommen in die Irre führen. Die Abstimmung mit dem Bildungsbereich in Brandenburg läuft nahtlos und eng, und ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Das Gesetz, das wir vorlegen, ist nahezu kompatibel mit dem brandenburgischen Gesetz. Wir bereiten zugleich die Fusion der Lehrerfortbildungsanstalten und der Fortbildungsanstalten im Jugend- und Erzieherinnenbereich vor.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Herr Apelt hat das Wort für eine Replik. – Bitte schön!

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Dr. Augstin (FDP) – Gaebler (SPD): Wollen Sie LER einführen?]

Wir fahren fort in der Redeliste. Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Zotl. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anliegen, die diesen beiden FDP-Anträgen zu Grunde liegen, finden natürlich unsere volle Unterstützung. Es ist selbstverständlich richtig, Kollege Augstin, dass wir weiterhin den jeweils aktuellen Stand der Kooperationsbeziehung analysieren und intensivieren müssen, dass die Effizienz der Verwaltungskooperation weiter vorangetrieben werden muss, dass eine weitere Zusammenarbeit – unter Umständen auch auf staatsvertraglichen Grundlagen – in Angriff genommen werden muss und dass die Frage der Verfassung eines künftigen Landes – also die Frage, wie soll es aussehen, und nicht nur die, wie es zusammenkommen soll – zentral ist.

Die Frage nach der Stellung und den Aufgaben Berlins ist eine ziemlich wichtige Frage. Die kann man nicht reduzieren auf den engeren Verflechtungsraum. Es ist

Allerdings, Kollege Augstin, hat meine Fraktion auch Probleme mit diesen beiden Anträgen. Sie fordern zum einen, dass etwas thematisch behandelt werden soll, was seit längerer Zeit – das haben Sie eben alle dargelegt – behandelt und auch seit längerer Zeit praktiziert wird. Gleichzeitig fordern Sie den Senat von Berlin auf, hier aktiv zu werden. Sie und alle wissen, dass regierungsmäßiges Handeln nur geschehen kann, wenn es beide Regierungen machen. Sie wissen so gut wie wir, dass einer der beiden Regierungspartner in Brandenburg, nämlich die

brandenburgische CDU, nach allen Regeln der Kunst die entscheidenden Fragen eines Zusammenkommens, eines Austarierens von Möglichkeiten, auch einer Fusion im Vorfeld einer offiziellen Fusion, blockiert und verhindert. Insofern, Kollege Augstin, möchte ich die Frage aufwerfen, ob Sie das wirklich beabsichtigt haben, mit diesem Antrag gewissermaßen Diskussionsprobleme und Klärungsprozesse aus dem Parlament herauszunehmen, sie in die Hände der Regierung zu geben, wo es gegenwärtig auf Grund dieser Position der brandenburgischen CDU nicht bewegt werden kann, und sie damit – das wollen Sie garantiert nicht – in den Orkus zu versenken. Wenn wir das tiefere Anliegen Ihrer Anträge einmal in die politische Situation stellen, glaube ich nicht, dass das aufgeht und dass es im Sinne dessen ist, was – da komme ich wieder auf einen versöhnlicheren Ton zurück – wir wohl alle gemeinsam wollen. – Danke schön!

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Zotl! – Das Wort erhält für eine Kurzintervention Herr Kollege Hahn. – Bitte schön!

Danke schön! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Zotl! Da Sie mich nun schon angesprochen haben, will ich Ihnen eines sagen: Ich habe auch schon für eine linksextremistische Zeitung ein Interview gegeben, das war die „Junge Welt“.

schon ein Problem, ob in ein 2,4-Millionen-Land eine 3,5Millionen-Metropole hineinkommt. Das bringt viele Probleme, aber auch Vorteile für das neue Land mit sich. Es bringt gewissermaßen eine Sogkraft mit sich, und das auszutarieren und darüber nachzudenken, wie eine solche Stadt in einem solchen Land verfasst sein muss – ob es die kreisfreie Großstadt sein muss oder ob es auch andere Modelle gibt, die besser in diese Landesstruktur passen würden –, ist von großer Bedeutung.