Protokoll der Sitzung vom 30.10.2003

bilität für die Situation der Familien in dieser Stadt erwartet werden.

[Beifall bei den Grünen]

Wir lehnen die geplante Erhöhung weiterhin ab und bleiben dabei: Kitazeit ist Bildungszeit! Sie sollte langfristig kostenfrei sein. Unser Antrag als ersten Schritt in diese Richtung, das letzte Jahr vor Beginn der Schule freizustellen, liegt seit September auf dem Tisch. Er ist die richtige Antwort auf Pisa und das neueste Gutachten zur Weiterentwicklung der Tageseinrichtungen für Kinder. Es reicht nicht, mal eben nur – wie SPD und PDS es vorhaben –, bei den höheren Krippengebühren zurückzurudern. Weder uns noch den Eltern reicht auch das vage Versprechen nach dem SPD-Parteitag, nun solle es keine weiteren Verschlechterungen im Kitabereich mehr geben. Der individuelle Freizeitausgleich durch den Tarifvertrag bei den Erzieherinnen muss jetzt auch wirklich ausgeglichen werden und zwar durch zusätzliches Personal über die bereits vereinbarten 388 Stellen hinaus.

Es muss endlich über die Rahmenbedingungen für die geplanten Umstrukturierungen im Kitabereich entschieden werden. Das fordern wir mit unserem Antrag „Vielfalt der Berliner Kitalandschaft erhalten – Qualität sichern“.

Sehr geehrte Kollegen von der SPD und PDS, Sie begründen die Notwendigkeit der Gebührenerhöhung unter großem Bedauern mit der Berliner Haushaltslage. Dabei weiß doch inzwischen jeder und auch jedes Kind, dass jeder Euro, der in die frühe Bildung investiert wird, später vielfach dem Haushalt zu Gute kommt. Sie sparen hier schlicht und einfach am falschen Ende.

[Beifall bei den Grünen]

Damit haben wir eine Beteiligung an den Gesamtkosten von 13,1 %. Das ist ein Kostendeckungsgrad, der immer noch außerordentlich niedrig ist. In anderen Bundesländern haben wir 20 bis 30 %. Also scheint die Situation zunächst einmal unproblematisch. Das müsste doch zu machen sein. Dennoch wird über den Entwurf der Beitragserhöhung im Kitabereich erbittert gestritten, und zwar darüber, wie sich diese Regelung gerecht umsetzen lässt.

Wir haben uns für einen Weg entschieden, der in erster Linie bildungspolitisch argumentiert. Denn der enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland kann nur aufgebrochen werden, wenn wir allen Kindern bereits vor Eintritt in die Schule die Chance geben, gefördert zu werden, das heißt, eine Kita zu besuchen. Aus diesem Grund wollen wir gerade im unteren Bereich keine Beitragserhöhungen ansetzen.

Es ist hier also eine absolut soziale Regelung angedacht. Jedes Kind soll die Chance erhalten, in die Kita zu gehen, und gerade Geringverdiener – und darunter vor allem auch alleinerziehende Eltern – sollen nicht zusätzliche belastet werden. 40 % der Eltern sind von dieser Kitabeitragserhöhung überhaupt nicht betroffen.

(D So weit zu den Versuchen Herrn Schruoffenegers zur sozialen Gerechtigkeit. Es ist ein sozial gerechter Ansatz.

Wir appellieren an Ihre Vernunft. Nehmen Sie Abstand von Ihren Erhöhungsplänen. Schaffen Sie gute Bedingungen für die Bildung und Erziehung in den Berliner Kindertagesstätten. Reisen bildet, Herr Wowereit, Kita auch! Sie muss für alle Kinder zugänglich sein und bleiben! – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Abgeordnete Frau Harant.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Zum Thema Kitabeitragserhöhung will ich Ihnen gern noch einmal die Argumente der Koalition erläutern. Ich fange dabei mit etwas an, was außerordentlich positiv ist. Das sollten wir uns auch immer wieder vor Augen halten.

Wir haben in Berlin, gemessen am Rest der Bundesrepublik, eine hervorragende Ausstattung in der Kinderbetreuung, sowohl in den Krippen – 45 % der Kinder werden dort versorgt – als auch in der Kita – hier liegen wir bei 95 % – und im Hort – hier liegen wir bei 60 % –. Jedes Berliner Kind bekommt entsprechend seinem Bedarf einen Platz. Das ist eine enorme Leistung dieses Landes. Darum beneiden uns viele Bundesländer.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir wollen diesen Ausstattungsvorsprung für Berlin halten. In Berlin haben wir erreicht, worum sich andere noch bemühen, eine Kinderbetreuung, die die Frau nicht zwingt, sich zwischen Beruf und Familie zu entscheiden. Gleichzeitig wissen wir, dass Kitas heute keine Verwahranstalten, sondern Bildungseinrichtungen sind und dass diese Qualität brauchen und die Qualität dieser Bildungsreinrichtungen Einfluss hat auf die Lebenschancen eines Kindes. Weil wir das wissen, arbeiten wir daran, diese Qualität zu verbessern. Erste Schritte sind eingeleitet.

Ein Bildungsprogramm liegt vor, das dazu beitragen wird, alle Kinder gezielt auf die Schule vorzubereiten. Es liegt ein Reformansatz für die Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen vor. Es liegt ein umfangreiches Fortbildungsprogramm für die Erzieher und Erzieherinnen vor.

[Mutlu (Grüne): Papier ist geduldig!]

Das liegt vor. Herr Mutlu, das können Sie doch nicht leugnen! – Leider – jetzt komme ich zu dem Thema, um das es heute geht – ist eine qualitativ hochwertige, umfassende Kinderbetreuung, wie wir sie in Berlin haben, nicht umsonst. Dieses Land gibt jedes Jahr 750 Millionen € – eine riesige Summe – für die Kinderbetreuung aus. Die Eltern beteiligen sich zurzeit mit 11,7 % an den Gesamtkosten.

Sechs Jahre sind die Beiträge unverändert geblieben. Jetzt soll eine Erhöhung um 8 % erfolgen.

[Frau Jantzen (Grüne): Wie bitte?]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Frau Jantzen (Grüne): Wie viel Prozent?]

Weitere 40 % der Familien liegen zwischen 26 000 € und 55 000 €. Für sie bewegt sich die Erhöhung in einem Bereich unter 25 €. Manche bezahlen sogar weniger als vorher. Das heißt, 80 % aller Familien sind durch diese Kitabeitragserhöhung gar nicht oder nur moderat betroffen. Ich gebe zu, dass es diejenigen 20 %, die im oberen Einkommensbereich liegen, deutlich härter und zum Teil ziemlich stark trifft.

Damit sich die Belastungen auch im oberen Bereich durch den 20-prozentigen Zuschlag bei den Krippenplätzen nicht addieren, haben wir uns entschlossen, hier zurückzugehen und diesen Zuschlag nicht in Ansatz zu bringen.

[Beifall des Abg. Nolte (SPD) – Frau Jantzen (Grüne): Großartige Leistung!]

Die Fraktion der SPD, auch die Parteibasis der SPD, hält die vorgesehene Erhöhung der Kitabeiträge für unerfreulich, aber notwendig und vertretbar. Allerdings nur unter der Bedingung – und ich erkläre das hier ausdrücklich –, dass die Qualitätsstandards in den Kitas nicht abgesenkt werden.

[Mutlu (Grüne): Das wollen wir mal sehen!]

Das heißt, wir wollen beim Personal das Niveau halten, und es muss selbstverständlich ein angemessener Ausgleich für die zusätzlichen freien Tage der Kitaerzieher und der Kitaerzieherinnen erfolgen.

Wir müssen leider feststellen, dass die SPD in Berlin keine soziale Partei mehr ist.

Frau Jantzen, eine Erhöhung der Kitakosten um 30 bis 50 % hat es mit der CDU nicht gegeben.

[Frau Jantzen (Grüne): Was heißt „angemessen“?]

Es muss also unter Umständen Neueinstellungen geben,

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Unter Umständen! – Beifall bei der PDS]

wenn der Bedarf vorhanden ist. Das heißt nicht, dass man nicht auch versucht, Optimierungen durch organisatorische Lösungen zu finden. Das ist damit nicht vom Tisch und sinnvoll, wo es möglich ist.

Ein abschließendes Wort zum Antrag der CDU: Sie haben Recht damit, dass sich alle Steigerungen der Lebenshaltungskosten in besonderem Maße auf Familien auswirken. Diese Erkenntnis ist nicht neu, und wir haben auch ein Auge darauf, was bei den Familien passiert. Gleichzeitig arbeiten wir an der Haushaltskonsolidierung, und das ist im Interesse eben dieser Kinder. Denn eine ständig wachsende Verschuldung geht zu Lasten der nachfolgenden Generationen. Deshalb werden die Berichte, die Sie verlangen, uns nur begrenzt weiterhelfen – wie wir von Frau Jantzen bereits gehört haben. Wir müssen den Mut haben, die notwendigen Entscheidungen jetzt zu treffen, auch wenn sie unangenehm sind. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke sehr! – Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Steuer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Viele Eltern in Berlin haben am vergangenen Sonntag tatsächlich gehofft, dass sich die SPD an ihre Koalitionsvereinbarung erinnert.

[Unruhe]

Auf dem Papier steht, es sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass jedes Kind möglichst frühzeitig einen Kindergarten besuchen kann und dort verlässliche Rahmenbedingungen vorfindet. So weit Ihre Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und PDS.

[Doering (PDS): Und nu?]

Vor zwei Jahren haben Sie zunächst das Personal reduziert, den Leitungsanteil gekürzt und die Gruppengrößen erhöht,

[Liebich (PDS): Das stand auch schon in der Koalitionsvereinbarung!]

und damit die verlässlichen Rahmenbedingungen, von denen Sie gesprochen haben, zerstört. Nun rücken Sie auch von dem ersten Teil Ihrer Zusage ab.

[Liebich (PDS): Wo denn bitte?]

Indem Sie die Kitakostenbeiträge um 30 bis 40 % für Normalverdiener – und nicht für Besserverdienende – anheben, beseitigen Sie nun auch die Voraussetzungen, dass jedes Kind den Kindergarten besuchen kann. Ihr Koalitionsvertrag hat damit keine Gültigkeit mehr. Keine Gültigkeit haben auch Ihre Versprechen im Wahlkampf, der Bildung Priorität einzuräumen. Was Rot-Rot hier macht, ist schlichtweg Wahlbetrug.

[Beifall bei der CDU– Doering (PDS): Ach Gottchen!]

Wenn Sie sich aber schon nicht an Ihre Koalitionsvereinbarungen und Ihre Wahlversprechen halten, dann sollten Sie als Partei mit dem Sozialem im Namen wenigstens ein Ohr für die Betroffenen haben,