Protokoll der Sitzung vom 07.11.2003

[Zuruf von der CDU: Oh, danke!]

aber er muss sich dann auch fragen lassen, was das überhaupt soll. Der erste Satz schon: Das Abgeordnetenhaus begrüßt das Urteil des Landesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit.

[Beifall des Abg. Gram (CDU)]

Mag ja sein, dass Sie zufrieden sind, dass Sie Ihre Klage gewonnen haben, aber dass ein Abgeordnetenhaus es begrüßen soll, dass ein Haushalt für verfassungswidrig erklärt wird, das ist schon eine Nummer – –

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das steht da nicht!]

Doch! Das steht hier wortwörtlich drin. Lesen Sie es sich durch!

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das mit dem Zitieren müssen Sie noch einmal üben!]

Wenn der Haushalt verfassungswidrig ist und das aus dem Urteil hervorgeht, heißt das doch wohl, dass man das begrüßt.

[Dr. Lindner (FDP): Heißt es nicht! – Weitere Zurufe von der CDU und den Grünen]

Und das andere: Das Abgeordnetenhaus appelliert an alle Beteiligten, das Urteil des Verfassungsgerichts nicht länger politisch zu instrumentalisieren. – Dass ausgerechnet Sie, Herr Ratzmann, so etwas unterschreiben, nachdem Sie hier Ihren Vortrag gehalten haben, ist nun hochgradig lachhaft.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Er hat vorher unterschrieben!]

[Ratzmann (Grüne): Sehr ernst!]

[Frau Oesterheld (Grüne): Sie führen doch gar keine! – Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Das geht ausdrücklich an Sie, weil Sie sich immer noch – wie Kollege Eßer es ebenfalls deutlich gemacht hat – am seriösesten damit auseinandergesetzt haben. Bei der CDU sehe ich da keinen Ansatz, sonst sind Sie selbstverständlich auch herzlich willkommen, sich an so etwas zu beteiligen. Bei der FDP fehlt, so glaube ich, der Wille dazu, weil die Wahrheiten ja so einfach sind, die Herr Lindner zu verbreiten hat.

[Gram (CDU): Herr Lindner, Sie dürfen nicht mitspielen!]

Nein, Herr Lindner kann selbstverständlich auch mitspielen, aber er hat das wohl aus seiner Sicht nicht nötig.

Insofern halte ich fest: Die Koalition hat in der Vergangenheit schmerzhafte, aber sozial verantwortbare Konsolidierungsschritte vorgelegt. Sie wird das in den nächsten Wochen entsprechend den Urteilsvorgaben ergänzen. Sie sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen und konstruktiv für die Stadt Politik zu machen. Das wäre dann tatsächlich Verantwortungsbewusstsein statt leerer Phrasen. Das ist heute mehr angesagt als billige Misstrauensanträge. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Wegner (CDU): Endlich fertig!]

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lindner. – Bitte sehr!

Herr Gaebler, an dem GrünenAntrag gäbe es sicherlich eine Reihe von Punkten zu kritisieren, wofür jetzt nicht die Zeit ist. Aber das zu kriti

Jetzt zur Wohnungsbauförderung: Dass Sie sich trauen, die überhaupt in den Mund zu nehmen! Es ist doch bisher mit Ausnahme einer Entscheidung alles in die Hose gegangen. Sie haben doch nur negative Entscheidungen bekommen. Woher haben Sie denn da Ihr Geld gezogen? – Außerdem brauchen Sie das uns nicht zu erzählen. Wir, die FDP, waren die einzige Partei in den 70er Jahren – daran können Sie sich vielleicht nicht so erinnern –, die

sich in diesem Hause klar gegen die Objektförderung ausgesprochen hat. In diesen Fragen brauchen wir von Ihnen keinen Nachhilfeunterricht.

Aber da war wahrscheinlich auch mehr so ein Blöcken im Saal: „Na ja, die FDP mit ihrer sozialen Kälte!“ – und so ein Zeug. – Hätten Sie damals auf die FDP gehört, dann hätten wir diese gesamte Anschlussförderung überhaupt nie gehabt.

Herr Wowereit! Das war eine Mischung aus Wahrnehmungsstörung und Dünnhäutigkeit, was Sie hier geboten haben. Mehr war es nicht. Sie setzen sich jetzt hierhin und sagen: Das ist eine Bestätigung unserer Senatspolitik. – Lesen Sie denn nicht, was darin zur Strukturiertheit und zur Begründetheit Ihres Etats steht? – Da kann man doch nicht sagen, das sei eine Bestätigung der Senatspolitik. Das ist mir völlig rätselhaft.

sieren bzw. daran herumzufummeln, das ist Unsinn: Es ist schon ein Unterschied, ob man ein Urteil und die damit einhergehende Klarstellung begrüßt oder ob man es begrüßt, dass der Haushalt verfassungswidrig ist. Es sollte selbst Ihnen möglich sein, diese Unterschiede zu erkennen.

[Cramer (Grüne): Offensichtlich nicht!]

Aber lassen Sie mich noch auf einige Vorredner eingehen! Herr Liebich, Sie haben gesagt – und das fand ich eines der wenigen Stücke, auf die einzugehen lohnt –, die sozialen Standards, von denen Sie teilweise glauben, sie aus der Landesverfassung herleiten zu können, seien quasi ein unveränderbares Niveau und sie würden dafür kämpfen, dass sie nicht auf das durchschnittliche Niveau der anderen Länder absinken. Dazu sagen ich Ihnen: Das ist eine solche Arroganz gegenüber den Ländern, die genauso Probleme haben und von denen wir Geld im Länderfinanzausgleich beziehen. – Ein Land wie Hessen hat auch eine Großstadt wie Frankfurt mit sozialen Brennpunkten. Eine Stadt wie Hamburg besteht auch nicht nur aus Pöseldorf und der Binnenalster, sondern auch aus St. Georg und Altona. Da gibt es ebenfalls Schwierigkeiten, die man dort genauso lösen muss. – Sie werden es kaum glauben: Auch dort gehen Kinder in Schulen und Kindergärten, und dort gibt es genauso alleinerziehende Mütter und Sozialhilfeempfänger.

Mit welchem Recht maßen wir uns in dieser Stadt an, zu sagen: „Dies interessiert uns nicht, wir haben unsere Berliner Standards in allen Bereichen. Über die diskutieren wir noch nicht einmal!“?

[Doering (PDS): Doch! Wieso erhöhen wir die Kitagebühren?]

Wir sollen noch nicht einmal darüber diskutieren, dass jemand auf das Niveau abgesenkt wird, das andernorts den Leuten recht und billig ist, die das Geld erwirtschaften, das wir genau für diese Einrichtungen dann ausgeben. Das kann es nicht sein. In dieser Frage haben wir in diesem Haus tatsächlich einen fundamentalen Unterschied.

[Liebich (PDS): Was folgt bei Ihnen daraus?]

Es folgt daraus, dass wir teilweise diese Niveaus auf das durchschnittliche Niveau der anderen Länder absenken wollen. Das ist doch ganz klar!

[Beifall bei der FDP – Liebich (PDS): Auch im Kitabereich?]

Im Sozialbereich! Und ich sage Ihnen: Auch im Kitabereich werden wir uns diesem Vergleich stellen müssen. Selbstverständlich! Ja, ja, ja!

[Doering (PDS): Und nun versuchen wir zurückzufahren!]

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Nein, wir versuchen zurückzufahren!]

Dass Sie uns einerseits fragen: „Wo sind die Konzepte?“, aber dann sagen, sie hätten ab dem sechsten unserer konkreten Vorschläge aufgehört, mitzuschreiben, so geht es nicht. Sie können auch nicht sagen, wir – die FDP – wollen 30 000 rausschmeißen.

[RBm Wowereit: 30 % – das sind mehr!]

30 %! – Ich habe Ihnen dezidiert wie in jeder Rede immer wieder klar gemacht: Es geht nicht, dass man 30 % rausschmeißt, sondern es ist ein strukturiertes Vorgehen aus Deregulierung, Verwaltungsreform, Stellenpoolmanagement, Altersteilzeit und betriebsbedingten Kündigungen erforderlich. – Da müssen Sie einmal zuhören, wie das funktioniert. Von Rausschmeißen war gar nicht die Rede, sondern ein strukturiertes und systematisches Vorgehen genau in dieser Reihenfolge ist Voraussetzung für eine dauerhafte Konsolidierung.

Es ist doch klar, Herr Wowereit, und das müssen auch Sie einsehen: Wir können doch nicht dauerhaft die Leute unterbezahlen und ihnen die Weihnachtszulagen und Ähnliches streichen. Das ist keine Perspektive. Das weiß der Innensenator am besten. Es gibt Sicherheitsbehörden in seinem Bereich, die Konkurrenz auf Bundesebene haben, und da wandern die Leute hin. Das kann nicht das Konzept sein. Vielmehr müssen Stellen auch radikal abgebaut werden, um die vorhandenen Mitarbeiter wiederum anständig bezahlen zu können.

Herr Wowereit, wenn Sie dann an meine Adresse sagen: „Jemand wie Sie geht dann wieder zum Verfassungsgericht!“, so antworte ich Ihnen: Das haben wir uns bereits damals nicht leicht gemacht, und wir werden es uns auch in Zukunft nicht leicht machen. Wir verlangen aber, dass Sie die Lehren aus diesem Urteil ziehen und dass Sie endlich auch einmal einen etwas anderen Umgang mit der Opposition pflegen. Es kann doch nicht sein,

Vor diesem Hintergrund ist allerdings das Triumphgeheul der Opposition völlig unangemessen. Es passt nicht in den Plenarsaal eines Haushaltsnotlagelandes, das mit einer existentiellen finanzpolitischen Krise ringt, wenn man versucht, daraus einen kleinkarierten politischen Erfolg zu machen, dass kein einziger Berliner Landeshaushalt seit 1993, ja überhaupt kein Haushalt, der sich je auf verfassungsrechtliche Ausnahmebedingungen wie die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts berufen hat, den erweiterten Kriterien genügt hätte, die das Berliner Verfassungsgericht in der bewussten Schaffung neuen Rechts für die erforderlichen Begründungszusammenhänge aufgestellt hat. Dieses Urteil verlangt nach einer ernsthaften Auseinandersetzung und einer sorgfältigen Abwägung der notwendigen Folgen für die Berliner Haushaltspolitik, nicht nach dem kleinen parteipolitischen Karo. Dafür stehen zu gewichtige Interessen des Landes auf dem Spiel. Diese werden wir mit aller Entschlossenheit vertreten.

dass Sie alle Vorschläge, die kommen, einfach wegblasen. So haben sich beispielsweise gestern im Hauptausschuss bei der Beratung über den Stellenpool die Regierungsfraktionen einer vernünftigen Diskussion verweigert. Man hat bis zwei Minuten vor dem regulären Ende des Sitzung Experten angehört und dann gesagt: „Jetzt diskutieren wir darüber nicht mehr.“– Das ist eine Vorgehensweise, die direkt wieder zum Verfassungsgericht führt.

[Doering (PDS): Es ist diskutiert worden, aber Sie sind hinausgegangen! Das ist ein Wahrnehmungsproblem!]

Lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Ich glaube, dass bei der FDP-Fraktion, aber auch bei anderen Oppositionsfraktionen der Oppositionszuschlag in sechsstelliger Höhe sicher etwas sinnvoller eingesetzt wurde, als die zig Millionen, die Sie in Ihren Senatsverwaltungen „verbraten“ haben, ohne dass etwas Vernünftiges herausgekommen ist.

[Beifall bei der FDP]

Herr Abgeordneter, gestatten Sie bitte den Hinweis: Ihre Redezeit ist um!

Die Redzeit ist um. Frau Präsidentin, gestatten Sie mir noch einen Satz in Richtung Ihres Fraktionsvorsitzenden, denn das fand ich schon lustig am Ende! – Herr Liebich, Sie haben gesagt: „Wir haben einen Plan.“ – Einen Plan – den hatten auch Herr Ulbricht, Herr Honecker und all die anderen Vorgänger und Parteivorsitzenden bei Ihnen.

[Doering (PDS): Das war niveaulos!]

Und genau so, wie die mit ihren Plänen gescheitert sind, werden Sie auch mit den Plänen, die Sie uns hier vorgelegt haben, auf Grundeis stoßen. Spätestens 2006 ist Schluss damit.

[Beifall bei der FDP]