Im Rahmen der Sanierung des Ostkreuzes gibt es Maßnahmen, die das Land Berlin veranlasst. Dazu gehört eine bauliche Vorbereitung gegebenenfalls der Heranführung der Stadtautobahn. Das ist eine Maßnahme, die der Bund bezahlt. Und es gibt die Ringbrückenaufweitung, um die Straßenbahn heranführen zu können. Das ist eine Bestellung des Landes Berlin; diese liegt bei der Bahn vor. Im Zuge der Sanierungsarbeiten werden diese Arbeiten dann auch erledigt werden. Das sind allerdings Bereiche, für die das Land Berlin auch finanziell einzustehen hat.
Herr Strieder! Sie wissen, dass das Parlament in der letzten Legislaturperiode einstimmig beschlossen hat, die Fernverkehrsverbindung zwischen Lichtenberg und Ostbahnhof herzustellen. In Ihrem Koalitionsvertrag findet sich auch die Anforderung, dieses zu vollziehen. Deshalb frage ich: Ist mit der Sanierungs des Ostkreuzes auch daran gedacht, diese Fernverkehrsverbindung herzustellen und die S-Bahngleise zu unterqueren? Ist die Unterquerung bei der Bahn bestellt worden? Wenn nein, warum nicht, und wenn ja, wann werden Sie das unternehmen?
Herr Kollege Cramer! Sie wissen, dass wir mit der Bahn verabredet haben, dass die Trassenfreihaltung erfolgt. Wir sehen uns im Moment nicht in der Lage, eine konkrete Bestellung herauszugeben, sondern wir sind froh, dass mit der Bahn verabredet werden konnte, dass die Trasse für den Zeitpunkt freigehalten wird, dass das Land Berlin eine entsprechende Bestellung vornimmt.
[Wieland (Grüne): Dass ich das noch erleben darf, dass die CDU einen Polizeieinsatz brutal nennt! – Beifall bei den Grünen]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat, wobei ich im Hinblick auf meinen Vorredner sagen möchte: Diese Frage ist nicht bestellt!
1. Treffen Pressemeldungen zu, wonach während der Wahl des Senats am 17. Januar 2002 vor dem Abgeordnetenhaus Polizeikräfte brutal und gewaltsam gegen zwei Demonstranten vorgingen,
Beruhigung, Sie können mitlesen, Herr Pewestorff! – weil diese ein Plakat mit der Aufschrift „Strieder + Genossen = Verräter“ bzw. „SPD + PDS = Verrat“ trugen?
2. Ist es richtig, dass es sich bei den gewaltsam festgenommenen Personen um ehemalige politische Häftlinge aus der DDR, die obendrein schwerbehindert und krank waren, handelte?
Herr Präsident, Ihre Vermutung ist richtig! – Die Fragestellung suggeriert den Eindruck eines unrechtmäßigen Einschreitens der eingesetzten Polizeibeamten. Insofern treffen die Pressemeldungen nicht zu und entsprechen nicht dem tatsächlichen Geschehensablauf. Folgendes hat sich abgespielt, Herr Kollege Braun: Aus einer angemeldeten Demonstration mit ca. 1 000 Teilnehmern, die auf der südwestlichen Freifläche des Potsdamer Platzes ihre Abschlusskundgebung durchführten, begaben sich zehn Personen mit Transparenten gegen den neu gewählten Senat in den befriedeten Bannkreis vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Den Platzverweisen gegen diese Demonstranten gingen Hinweise zur bestehenden Bannmeile und daraus resultierenden Verstößen gegen das Versammlungsgesetz voraus. Zwei männliche Personen kamen der wiederholten Aufforderung zum Verlassen dieses Bereiches nicht nach. Zum Zwecke der Identitätsfeststellung im Zusammenhang mit der Verfolgung der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz erfolgte die Zuführung der Personen zu einem Einsatzfahrzeug mittels rechtlich zugelassener körperlicher Gewalt. Bei den Einsatzmaßnahmen kam es teilweise zu erheblichen Widerstandshandlungen, die auch in der lokalen Fernsehbildberichterstattung zu verfolgen waren. Zu diesem Zeitpunkt waren den eingesetzten Polizeibeamten weder eine Schwerbehinderung noch andere Gesundheitsbeeinträchtigungen ersichtlich. Die Einsatzkräfte leiteten dann Ermittlungen mit insgesamt drei Strafanzeigen ein, erstens wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, zweitens wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gefährlicher Körperverletzung, drittens wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und versuchter Körperverletzung. Weitergehende Details zum Vorgehen der eingesetzten Polizeibeamten kann ich, ohne dass ich in unzulässiger Weise in das laufende Ermittlungsverfahren eingreifen würde, nicht bekanntgeben.
Zur Frage 2: Presseberichten konnte entnommen werden, dass es sich bei den Demonstranten nach eigenen Angaben um ehemalige politische Häftlinge aus der DDR gehandelt haben soll. Es ist richtig, dass eine der beiden Personen, die in Gewahrsam genommen wurden, während der Identitätsfeststellung über Herzbeschwerden klagte und daraufhin mit einem Krankentransportwagen zur ambulanten Behandlung in die Charite´ verbracht wurde.
Die Entlassung des Patienten erfolgte noch am selben Tag gegen 16.30 Uhr. Beide Personen erstatteten in den darauffolgenden Tagen Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung gegen die betreffenden Polizeibeamten, sodass insgesamt die Rechtmäßigkeit nach Art und Umfang des polizeilichen Einschreitens einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden kann.
Herr Senator Körting! Es gibt schon erhebliche Zweifel an Ihrer Auskunft, wenn es sich um zwei ältere Herrschaften handelt, die nahe 70 und offensichtlich schwer behindert sind und dann längere Zeit in einem Krankenhaus verbringen müssen, ob sie tatsächlich mit dieser Brutalität, wie Sie es geschildert haben, und mit den ihnen vorgeworfenen Straftaten vorgegangen sind.
Aber meine Frage ist auch: Wer hat eigentlich veranlasst, dass in einem derartigen Umfang gegen ehemalige politische Häftlinge an einem historischen Tag wie dem 17. Januar 2002 vorgegangen werden muss, wo hier doch eine Besonderheit in Berlin vorliegt, eben die Regierungsteilnahme von Kommunisten,
unter denen diese Leute gerade gelitten haben? – Vielleicht hätte man als Senat ein wenig mehr Verständnis für die Demonstranten haben müssen.
Herr Kollege Braun! Erstens eine Korrektur: Nicht zwei Demonstranten wurden zur Charite´ gebracht, sondern einer.
Das Zweite ist, dass Sie den 17. Januar 2002, den Tag der Wahl dieses Senats, als historischen Tag bezeichnen, das bleibt Ihnen unbenommen. Das habe ich nicht zu bewerten, ob das ein historischer Tag war. Für mich war das ein Tag, an dem vom Abgeordnetenhaus eine politische Entscheidung getroffen wurde. [Zuruf des Abg. Lorenz (SPD)]
Ihre dritte Anmerkung kann ich nicht so recht nachvollziehen, soweit Sie sie als Frage formulieren. Polizeibeamte haben zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei bestimmten Verstößen die gesetzliche Pflicht einzuschreiten. Es ist nicht veranlasst worden, dass sie eingeschritten sind. Da ist nicht der Senator für Inneres hinuntergegangen und hat gesagt, ist ja unglaublich, warum geht ihr nicht gegen die Demonstranten vor, sondern die Polizeibeamten haben sich in ihrer Einschätzung der Situation zur Aufrechterhaltung des befriedeten Bannkreises zu diesen Personen begeben und haben das getan, was sie nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erst einmal für richtig halten. Sie haben versucht, mit den Beteiligten zu reden und ihnen zu sagen, dass das unzulässig ist, was sie machen. Und sie haben sie aufgefordert, das Gelände zu verlassen. Erst als dieser Aufforderung nicht gefolgt wurde, wollte man zum Zwecke der dann erforderlichen Anzeige – das ist nun einmal so beim Versammlungsgesetz – eine Identitätsfeststellung machen. Dabei kam es zu Widerstandshandlungen der beiden beteiligten Personen und zu dem Ablauf, wie ich ihn geschildert habe.
Ich kann Ihnen diesen Ablauf nur so schildern, wie er mir als Bericht vorliegt. Wie er mir vorliegt, habe ich überhaupt keinen Anlass, an der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Vorgehens der Polizei zu zweifeln. Aber – wie gesagt – es laufen Ermittlungsverfahren, und es wird zu einer genauen Sachverhaltsfeststellung kommen. Ich bin gerne bereit, später, wenn die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind, im Innenausschuss, noch einmal detailliert zu berichten, wie die Ermittlungsverfahren ausgegangen sind.
Herr Senator! Halten Sie es für verhältnismäßig, zur Feststellung von Personalien zwei 70-Jährige vorher in die Büsche zu werfen?
Herr Kollege Braun! Die Frage beantwortet sich von selber. Ich gehe auch davon aus und unterstelle bei den Polizeibeamten des Landes Berlin, dass sie nicht 70-Jährige in die Büsche werfen.
Nun wollen wir die Kirche doch mal im Dorf lassen. – Ich habe dargestellt, dass es zu erheblichen Widerstandshandlungen und damit zu Rangeleien gekommen ist. Dieses aufzuklären wird Aufgabe der Ermittlungsverfahren sein. Ich habe vorher schon gesagt, dass ich mich zu Details nicht äußern möchte – im Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren und darauf, dass ich gar nicht erst den Eindruck erwecken möchte, dass ich mich in die Ermittlungsverfahren unzulässig einmische.
Danke schön, Herr Senator! – Zu einer weiteren Nachfrage hat der Abgeordnete Reppert von der Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön!
Trifft es zu, dass die Durchsetzung des Hausrechts, wozu auch die Bannmeile vor diesem Haus zählt, in anderen Fällen weniger stringent durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses durchgesetzt worden ist? Und wenn ja, wieso ist es nicht auch hier so gehandhabt worden?
Herr Kollege! Nach meiner bisherigen Erfahrung wird in allen vergleichbaren Fällen gleich vorgegangen. Und ich halte es auch für richtig, dass völlig unabhängig von einer bestimmten politischen Richtung in allen Fällen gleich und nach gleichem Recht vorgegangen wird. Ich habe auch den Eindruck, dass hier so verfahren wurde.
Danke schön, Herr Senator! – Dann hat der Abgeordnete Apelt von der Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön, Herr Apelt!
Herr Senator! Wir wissen, Politik und Moral gehen nicht immer zusammen. Dennoch auch meine Frage: Finden Sie es moralisch angemessen, mit dieser – auch juristischen – Härte gegen ehemalige politische Häftlinge vorzugehen, die ja schon genug gestraft sind in ihrem Leben? Wäre nicht auch nach Ihrem Dafürhalten auch ein Bedauern Ihrerseits angemessen?