Protokoll der Sitzung vom 31.01.2002

Ein bisschen Wein muss allerdings hinein, Frau Kubala. Wenn das Abgeordnetenhaus politische Vorgaben macht, die in der Praxis nicht umzusetzen sind, können wir den Senat nicht kritisieren, dass er sie nicht umgesetzt hat. Wir haben damals kühnerweise Strom aus Berliner Solaranlagen für Dächer, die es überhaupt noch nicht gibt, gefordert. Deshalb muss auch Ihr Antrag noch einmal in verschiedenen Ausschüssen auf seine Sachlichkeit hin geprüft werden. Ein kleiner Scherz ist sicher Ihre Forderung bezüglich einer Verdreifachung des Anteils an Photovoltaikstrom, wenn wir keine Ausgangsbasis haben.

[Zuruf des Abg. Cramer (Grüne)]

Wir kennen die Basis im Moment nicht, sehr geehrter Herr Cramer. Das ist der Unterschied zu Ihrem alten Antrag. Wir können nicht anstelle eines Drittels sagen, das verdreifacht werden soll, wenn wir keine Ausgangszahlen haben.

Wir werden dieses in den Ausschüssen noch sachlich bewerten müssen. Wir müssen uns entscheiden, welche Prämissen es geben soll. Was geschieht, wenn uns ein Anbieter 100 % regenerativen Strom aus Wasserkraft anbietet und damit noch 5 Millionen Euro günstiger liegt als das andere Angebot?

[Frau Kubala (Grüne): Abwarten!]

Das wäre eine schöne Sache. Wir hätten ein optimales finanzielles und ökologisches Angebot. Was machen wir dann mit der von uns wegen der Arbeitskräftesituation in Berlin geschätzten Kraft-Wärme-Kopplung? Diese Probleme müssen wir sehr wohl erörtern. Ich hoffe, dass das Abgeordnetenhaus diesen Weg begleitet und bin nicht der Meinung, dass das Abgeordnetenhaus die Arbeit der Exekutive in Bezug auf den Vertragsabschluss machen sollte. Das ist keine Verzögerungstaktik. Fechten wir es in den Ausschüssen einmal aus! – Schönen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Herr Goetze möchte nicht mehr sprechen? – Gut. Für die Fraktion der PDS hat das Wort der Abgeordnete Over.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sehr schade, dass die Opposition schon anfängt zu kneifen, wenn es doch um wichtige wirtschaftspolitische Fragen in dieser Stadt geht. Herr Goetze, ich dachte, Sie gehören der größten Oppositionsfraktion dieses Hauses an. Aber offensichtlich handelt es sich um die größte Fraktion von Drückebergern!

Solarstrom in Berlin ist vor allen Dingen ein Versagen der großen Koalition.

[Beifall der Frau Abg. Matuschek (PDS)]

Herr Radebold, ich muss Ihnen Recht geben. Die hier enthaltene Forderung ist nicht sehr hilfreich. Wenn wir von dem Level 0,00 verdreifachen, sind wir noch nicht wirklich weitergekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Ich finde es gut, dass Sie unsere Koalitionsvereinbarung nicht nur gelesen haben, sondern jetzt auch versuchen, sie in praktische Politik umzusetzen. Wir wollen dasselbe. Deshalb werden wir im Ausschuss in den Beratungen den Versuch unternehmen, zu gemeinsamen Positionen zu kommen.

Ich komme nun zu konkreten Punkten, die in Ihrem Antrag enthalten sind. Der erste Punkt ist quasi textgleich zu den Koalitionsvereinbarungen von Rot-Rot. Der Unterschied besteht darin, dass hier 5 % regenerative Energien als Grundlevel vorausgesetzt werden. Darüber kann man reden. Dies kann aber nur unter der Maßgabe geschehen – insofern kann ich Herrn Radebold nur Recht geben –, dass wir ihn nehmen, wenn uns jemand 100 % regenerativen Strom zu einem vernünftigen Preis anbietet, auch wenn dann im Jahr keine 2 %ige Steigerung mehr möglich ist. Ich vermute, dass auch Ihre Intention in diese Richtung geht. Dafür müssten wir entsprechende Formulierungen finden.

Das Versorgungsgebiet in verschiedene Lose aufzuteilen, um damit auch Mittelständlern die Möglichkeit zu geben, halte ich für eine sehr interessante Idee, die wir im Ausschuss vertiefen sollten. Wichtig sind Überlegungen hinsichtlich der Folgen und möglicher zusätzlicher Kosten, die dadurch entstehen. Ansonsten kann man hier durchaus mitgehen.

Der Punkt Nutzungsentgelte, die für die Einrichtung, den Betrieb und den Unterhalt des Stromnetzes zu entrichten sind, sind separat auszuführen. Das gehört zu den Ausschreibungsvoraussetzungen, die man formulieren sollte. Ich gestehe, als jemand, der hier erst seit wenigen Wochen einer Regierungsfraktion angehört, dass ich nicht in Kenntnis darüber bin, wie qualifiziert die Ausschreibungen des Landes Berlin bisher waren. Vielleicht ist es tatsächlich notwendig, dass man hier so ins Kleinteilige geht. Aber auch das werden wir herausbekommen.

Ich komme nun zu grünen Kernforderungen zurück. Da bleibt der Antrag hinter der Koalitionsvereinbarung zurück. Das verstehe ich nun in überhaupt keiner Weise. Sie wollen keinen Strom aus kerntechnischen Anlagen beziehen. Wir wollen keine Anbieter von Atomstrom. Das steht klar in der Koalitionsvereinbarung. Das geht deutlich darüber hinaus. Ich verstehe nicht, warum die Grünen in diesem Punkt zurückrudern. Vielleicht liegt es daran, dass der Atomausstieg bisher an den Grünen gescheitert ist. Ein Atomausstieg findet statt, wenn man ihn durchsetzt,

(A) (C)

(B) (D)

und nicht, wenn man beschließt, dass man 32 Jahre Kraftwerke weiter betreibt. Ich war sehr froh, dass ich den Kollegen Berger auch mal in Gorleben getroffen habe.

[Frau Ströver (Grüne): Der war schon in Gorleben, da hast du noch in die Windeln gepinkelt!]

Dass der Kollege Berger älter ist als ich, kann niemand bestreiten. Das will ich auch gar nicht bestreiten. Darüber bin ich auch ganz froh. Deshalb war es mir nicht möglich, bereits im Jahr 1967, 10 Jahre, bevor Ernst Albrecht den Standort ausgewählt hat, an selbigem zu demonstrieren.

Herr Over, bevor Sie uns jetzt aber Ihr ganzes Leben erzählen, bitte ich Sie, zum Schluss zu kommen. Sie sind schon eine Minute über der Redezeit. Ich bitte um den Schlusssatz!

Entschuldigen Sie bitte, Frau Präsidentin! Ich beende meine Rede auch. An diesem schönen Einwurf von Frau Ströver konnte ich einfach nicht vorbeigehen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren! Wir werden das Thema im Ausschuss noch einmal vertiefen!

Danke schön! – Jetzt hat der Abgeordnete Goetze das Wort für eine Kurzintervention! Wenn man jemanden herausfordert, darf man sich nicht wundern, wenn er antwortet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beitrag hat soeben verdeutlicht, dass nicht der Solarstrom in Berlin den Level 0,0 hat, sondern der Beitrag des Vorredners.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wenn er in den vergangenen Jahren nur ein wenig rudimentär in dem Ausschuss – dem Umweltausschuss –, in dem er mitgearbeitet hat, aufgepasst und nicht ein so völlig verballhorntes Wesen hätte, das sich immer mit ideologischen Grundsätzen und anderem auseinandersetzt, hätte er die diversen Debatten in diesem Ausschuss über die Solarstrominitiative der großen Koalition, um die Umsetzung durch die IHK, durch die Vielzahl von Wirtschaftsunternehmen, die sich daran beteiligt haben und die Ergebnisse in irgendeiner Form mitbekommen. Tatsächlich war er auch auf den entsprechenden Informationstreffen der IHK nie anwesend, maßt sich im Gegensatz dazu allerdings an, hier darüber befinden zu wollen, dass an dieser Stelle nichts geschieht.

Die Berliner Wirtschaft hat massive Anstrengungen unternommen, um sowohl im Bestand als auch bei Neubauten Solarenergie zu verwirklichen. Ich bin mit großer Spannung für die nächsten Jahre versehen, wenn ich mir vorstelle, wie es der Senator Gysi in diesen Verhandlungen erreichen will, dass sich das, was sich über mehrere Jahre entwickelt hat, in zwei Jahren verdreifachen soll. Wir werden hier in zwei Jahren – wir sprechen uns garantiert bei der Bilanz – das Scheitern des Wirtschaftssenators an dieser Stelle feststellen können. Ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen diese Debatte zu führen.

Dieser Ansatz, die Solaraktivitäten der Berliner Wirtschaft in zwei Jahren verdreifachen zu wollen, ist eben ein Teil der Strategie, es überall in der Stadt quietschen lassen zu wollen. Das ist die Hauptüberschrift aus der Koalitionsvereinbarung. Wir werden es auch tatsächlich erleben, wie sich die letzten gutwilligen Unternehmer entweder an anderer Stelle verweigern, beispielsweise bei der Schaffung notwendiger Ausbildungsplätze, oder aber schlicht bei der Solarinitiative aussteigen. Beides wäre schädlich. Aber eine Alles-oder-nichts-Strategie führt dann eben zu diesen Reaktionen.

Eine letzte Bemerkung zu Punkt 5 des Antrags, nämlich kein Bezug von Strom aus kerntechnischen Anlagen, oder wie der Kollege Over sagte, keine Anbieter von Atomstrom mit ins Boot

nehmen zu wollen. Da lohnt sich das Hinterfragen. Wir haben eine ganze Anzahl von Anbietern über Tochtergesellschaften, zum Beispiel aus den skandinavischen Ländern, die Strom rein aus Wasserkraft nach Deutschland liefern.

Herr Goetze! Ihre Redezeit ist zu Ende! Die Kurzintervention dauert nur drei Minuten!

Ja, letzter Satz! – Sie sind hoch ökologisch. Sie ersetzen dann den nach Deutschland gelieferten, aus Wasser hergestellten Strom durch Atomstrom aus dem eigenen Land. So einen Unsinn kann man hier ernsthaft nicht beschließen lassen. Deswegen geht dieser Punkt an der Sache vorbei.

[Beifall bei der CDU]

Herr Over, so bekommt man verlängerte Redezeit. Sie haben jetzt drei Minuten Zeit zur Erwiderung – bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Goetze! interjection: [Goetze (CDU): Nicht „lieber“!]

Dass meine Ausführungen Sie provoziert haben, kann ich ja verstehen. Aber ist das ein Grund, hier gleich zu quietschen? Ich finde es erstaunlich, wie wenig Sie offensichtlich meinem Beitrag zugehört haben, weil ich dies am Antrag der Grünen kritisiert habe – die Verdoppelung innerhalb von zwei Jahren –, wegen dem niedrigen Niveau. Da sind wir beim Kern des Problems. Die Freiwilligkeit bei der Solarinitiative hat eben nicht funktioniert. – Herr Goetze, gut dass Sie nicht zuhören, da werden Sie auch nicht schlauer werden! – Wenn Sie auf jeder Informationsveranstaltung der IHK und auch im Ausschuss aufgepasst hätten, wäre Ihnen klar geworden, dass wir offensichtlich andere Schritte gehen müssen, um zum Ziel einer stärkeren Verwendung von Solarstrom zu kommen. Die Freiwilligkeit ist leider – das hat vielleicht auch mit dem letzten Senat zu tun – gescheitert. – Danke!

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Goetze (CDU): Dann lassen Sie es quietschen!]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung des Antrags heißt es:

Das Land ist mit mehr als 10 % der größte Stromverbraucher in der Stadt. Durch die politischen Verpflichtungen, die das Land für den Klimaschutz eingegangen ist, ist gerade die öffentliche Hand gefordert, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern.

Alles richtig! Man sollte sich nur einmal den Antrag in Punkt 1 genauer anschauen. Gute Sachen lassen sich nicht immer nur kompliziert formulieren, sondern gute Sachen lassen sich auch einfach formulieren.

Die Liberalen haben sich nicht erst seit gestern für die Ziele der Nachhaltigkeit eingesetzt. Wir setzen uns selbstverständlich dafür ein, dass sich die Politik am Ziel der Nachhaltigkeit ausrichtet, damit zukünftige Generationen auch noch eine lebenswerte Welt vorfinden können. Die Ziele, die in der Begründung des Antrags angestrebt werden, sind aber mit dessen Inhalt nicht oder nur unter hohen Kosten zu erreichen.

Die Kraft-Wärme-Kopplung ist eine sehr schöne Technik, birgt aber auch, wenn man sich nur auf sie festlegt, einige Probleme. Die KWK wurde erst in der letzten Woche auf Bundesebene erneut heiß diskutiert. Der Bundestag hat am letzten Freitag das neue KWK-Gesetz beschlossen, dessen Inhalt man

als einfach skandalös bezeichnen muss. Denn in diesem Gesetz wird die KWK ausschließlich für Anlagen der allgemeinen Versorgung gefördert. Kommunale Energieversorger werden bevorzugt, industrielle KWK-Anlagen haben das Nachsehen. Zusätzlich verzichtet das Gesetz auf jegliche Qualitätsansprüche gegenüber zu fördernden Anlagen. Stattdessen werden Quoten für den Einsatz von KWK als Kriterien festgelegt. Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, müsste KWK-Anlagen ohne Rücksicht auf die Eigentümerstruktur fördern. Wer wirklich Klimaschutz will, muss Mindeststandards für Qualität anlegen statt starrer Quoten. [Beifall bei der FDP]

Mit dem neuen KWK-Gesetz werden nur Schutzzäune um kommunale Energieversorger errichtet.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Bis 2010 gibt die rot-grüne Bundesregierung insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die Förderung der KWK aus. Dass dieser Beitrag letztlich vom Kunden wiedergeholt wird, ist natürlich klar. In vielen Bereichen müsste sich die Politik zurücknehmen und die Entscheidung über den besten Weg zur Erreichung eines Ziels denjenigen überlassen, die etwas davon verstehen.