Protokoll der Sitzung vom 31.01.2002

Im letzten Jahr sind nach meiner Erinnerung Verträge über 521 Millionen abgeschlossen worden, die erst allmählich, in dem Umfang, in dem auch eingetragen und beurkundet wird, zu Zahlungen führen. Aber dieser Zahlungsstrom – es wären umgerechnet 260 Millionen Euro – ist bereits durch vertragliche Bindungen ausgelöst.

Frau Spranger hat keine weitere Nachfrage. – Dann hat Frau Oesterheld jetzt die Gelegenheit. – Bitte!

Es ist auch das Grundstück an der Gedächtniskirche ruchbar geworden. Wie wollen Sie in Zukunft erreichen, dass die Grundstücke ausgeschrieben werden und dass die Form der Vertickung von Grundstücken des Landes mehr Transparenz erfährt als in der Vergangenheit?

Herr Finanzsenator!

Ich kann spontan zu diesem Einzelthema nichts sagen, da mir dazu keine Informationen vorliegen. – Wir wollen insgesamt optimal transparente Verfahren herstellen. Das ist auf Grund der politischen Nachvollziehbarkeit wichtig. Zudem ist es der einzige Weg, um alle denkbaren Unregelmäßigkeiten auszuschließen.

Danke schön, Herr Dr. Sarrazin! – Dann hat Herr Wansner zu einer letzten Frage das Wort, und zwar über

Folgen der Privatisierung der Bundesdruckerei

Bitte, Herr Wansner!

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Treffen Pressemeldungen zu, dass der neue Eigentümer der Bundesdruckerei Teilbereiche des Unternehmens verkaufen will?

2. Welche Maßnahmen gedenkt der Senat vor dem Hintergrund der drohenden Arbeitsplatzverluste zu ergreifen?

Das Wort zur Beantwortung hat der Wirtschaftssenator. – Bitte, Herr Dr. Gysi!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wer den Prozess der Privatisierung der Bundesdruckerei im Jahr 2000 begleitet hat, der wird über derartige Meldungen nicht zu sehr verwundert sein. Die Privatisierung des ehemals bundeseigenen Unternehmens implizierte für jeden einigermaßen aufmerksamen Beobachter die Gefahren, mit denen wir es heute zu tun haben. Nicht von ungefähr hatte sich die PDS-Fraktion im Bundestag und das Berliner Abgeordnetenhaus – übrigens auch der damalige Berliner Senat – ausdrücklich gegen die Privatisierungsstrategie gewandt. Aus der CDU-Bundestagsfraktion ist mir eine derart klare Linie nicht bekannt.

Heute geht es aber nicht um die Bundesregierung, sondern um das Verhalten des Investors. Noch ist allerdings nach meinen Informationen im Aufsichtsrat der Bundesdruckerei keine Entscheidung über den Verkauf einzelner Teilbereiche gefallen. Sie können sicher sein, dass auf Landesebene alles Denkbare getan wird, um die Arbeitsplätze bei der Bundesdruckerei zu sichern.

Mein Haus hat hierzu zum Präsidenten der Deutschen Bundesbank Kontakt aufgenommen und sich für die Standortsicherung der Bundesdruckerein in Berlin verwandt. Ich werde Herrn Bundesfinanzminister Eichel erneut an seine Verantwortung für die Arbeitsplätze der Bundesdruckerei erinnern – wie es übrigens der Regierende Bürgermeister mit deutlichen Worten erst Ende letzten Jahres getan hat.

[Wieland (Grüne): Wie bei Borsig!]

Mir ist jetzt bekannt geworden, dass den Obleuten im Bundestagsausschuss heute die Genehmigung erteilt wurde, die Verträge zwischen der Bundesregierung und dem Investor einzusehen, um festzustellen, ob dieser alle Verpflichtungen aus den Verträgen erfüllt hat. Wir hier in Berlin können nur versuchen, im Schulterschluss mit Geschäftsführung, Betriebsrat und all den hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort in Kreuzberg für den Erhalt des Gesamtstandorts der Arbeitsplätze zu kämpfen. Das werden wir auch tun. Wir müssen nur sehen, dass das Ganze ein Vertrag zwischen der Bundesregierung und dem Investor ist und unsere Mittel begrenzt sind.

Danke, Herr Senator! – Herr Wansner hat eine Nachfrage. – Bitte!

[Wieland (Grüne): Herr Wansner, jetzt müssen Sie auf Gysi setzen. Das ist hier die verquere Situation!]

Herr Senator! In einem kann ich Ihnen vielleicht helfen. Die Bundestagsfraktion der CDU war immer federführend gegen den Verkauf der Bundesdruckerei. Das nur ein kleiner Hinweis für Sie.

Bei dem Verkauf der Bundesdruckerei hieß es, sie brauche starke Partner, Perspektiven für die Zukunft, den europäischen bzw. den Weltmarkt und möglicherweise den Börsengang. Alle diese Dinge hält der neue Eigentümer nicht ein. Im Gegenteil: Die gesamte Geschäftsführung ist mit dem heutigen Tag ausgetauscht worden. Das heißt also, dass der neue Eigentümer schon sehr bewusst in die Bundesdruckerei eingreift. Ist Ihnen das bekannt? Was möchten Sie dann dagegen unternehmen?

Bitte schön, Herr Dr. Gysi!

Sie wissen, dass die ersten Entscheidungen zum Standort Bonn schon gefallen waren, als es um den Standort Berlin noch gar nicht ging. Was Sie beschreiben, ist nach meiner Kenntnis zutreffend. Deshalb auch – Na, wie soll ich es formulieren? – unsere eindringliche Ermahnung an den Vertragspartner – sprich: die Bundesregierung –, auf der konsequenten Einhaltung dessen zu bestehen, was in dem Vertrag festgelegt ist. Da haben wir, wie gesagt, auch die Unterstützung des zuständigen Bundestagsausschusses heute in Erfahrung bringen können. Die Obleute werden uns dann noch entsprechend informieren.

Wir können das von Berlin aus leider nur begleiten, aber Sie können in einem sicher sein: Ganz egal, wer die Bundesregierung stellt, wir werden darauf bestehen, dass das, was damals vereinbart worden ist, auch eingehalten wird – und zwar genau zum Schutz des Standortes nicht nur in Berlin, aber auch in Berlin und zur Sicherung der Arbeitsplätze. – Die Belegschaft ist diesbezüglich auch ungeheuer motiviert und besteht darauf, dass diese Verträge eingehalten werden. Wie Sie wissen, ist bei den damaligen Auseinandersetzungen immer wieder darauf verwiesen worden, dass es durch die vertraglichen Vereinbarungen eine Absicherung gebe. Nun muss man auch dafür sorgen, dass sie eingehalten werden. Da ich den Vertrag selber nicht kenne,

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Gysi

weiß ich nicht, ob er z. B. sanktionsbehaftet ist. Ich kann es nur hoffen. Aber im Übrigen werden wir uns genau in dem Sinne zur Durchsetzung des damals Vereinbarten einsetzen. Das ist versprochen, und ich nehme an, dass das im Interesse des ganzen Hauses ist und hierbei kein Widerspruch zwischen uns besteht.

[Beifall bei der PDS]

Herr Senator! Sie können sich ruhig zwischendurch hinsetzen – motiviert sind die Abgeordneten so oder so, Fragen zu stellen!

[Heiterkeit]

Herr Wansner hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

Herr Senator! Wie ist das Bild des Bundeskanzlers mit der etwas ruhigen Hand, der von privaten Eigentümern Arbeitsplätze fordert, damit zu vereinbaren, dass er gleichzeitig ein Bundesunternehmen, das in den letzten Jahrzehnten stets hervorragende Zahlen geschrieben und sehr viele Arbeitsplätze gerade in dem Problembereich FriedrichshainKreuzberg geschaffen hat, in einer solchen Art und Weise an Spekulanten verschleudert?

[Wolf, Harald (PDS): Der Antikapitalismus geht etwas weit! – Weitere Zurufe von der PDS]

Stellt sich nicht die Frage, ob sich dieser Bundeskanzler hier sehr zweideutig verhält?

Herr Senator Gysi, bitte!

Herr Abgeordneter! Es bereitet mir schon gewisse Probleme, wenn Sie mich in Vertretung des Bundeskanzlers fragen,

[Heiterkeit – Beifall bei der PDS und der SPD]

weil ich den Eindruck habe, dass da mein Zuständigkeitsbereich etwas überschritten ist.

[Zurufe]

„Noch“, sagt Herr Böger. – Nein, ich glaube, dauerhaft.

Ich habe deshalb eingangs bei meiner Antwort auch darauf hingewiesen, wie die Haltung meiner Partei und meiner Bundestagsfraktion ist – Sie haben auf die Haltung Ihrer Bundestagsfraktion verwiesen – und wie ohnehin die Haltung des Abgeordnetenhauses und auch der Landesregierung zu dem gesamten Privatisierungsvorhaben war. Ob man den Investor so bezeichnen kann, wie Sie das getan haben, weiß ich nicht. Da wäre ich nun denn doch wieder etwas vorsichtiger, zumal dann, wenn wir mit ihm verhandeln. Da muss man schon aufpassen, dass man nicht jedes Gespräch sozusagen durch Verbalinjurien erstickt. Sie müssen verstehen, dass ich mich da vorsichtiger äußere.

Was die „ruhige Hand des Kanzlers“ betrifft, so fällt das auch nicht direkt in meine Zuständigkeit. Aber ich habe das Gefühl, sie wird im Augenblick etwas reger –

[Dr. Lindner (FDP): Hektischer wird sie!]

insbesondere, wenn ich an Ammendorf denke. Ich weiß, dass gerade die CDU immer die Auffassung vertritt, der Staat könne keine Arbeitsplätze schaffen. Siehe da, im Wahlkampf geht es doch! Ich bin auch der Meinung, dass die Bundesregierung hierbei in einer Verantwortung steht. Sie hat den Vertrag geschlossen. Sie hat gesagt, dass im Zusammenhang damit der Standort und auch die Arbeitsplätze gesichert sind. Deshalb ist es wahr: Die Bundesregierung steht in Verantwortung, durchzusetzen, dass das, was vereinbart wurde, auch geschieht. Dafür wird sich die Landesregierung, der Senat von Berlin, zweifellos einsetzen. Ich sage es noch einmal: Wir machen das nicht von der Parteizugehörigkeit eines Bundesministers oder eines Kanzlers abhängig, sondern von den Interessen des Standortes hier in Berlin.

[Beifall bei der PDS]

Eine Nachfrage des Abgeordneten Stadtkewitz. – Bitte, Herr Abgeordneter!

Herr Senator! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sagten Sie, dass Sie keine Kenntnis vom Inhalt des Vertrages hätten. Sie sagten aber auch, dass Sie sich für die Einhaltung der Vertragsbedingungen einsetzen wollen. Wie wollen Sie das machen?

Bitte schön, Herr Wirtschaftssenator!

Sie haben mit beidem Recht, denn mir liegt der Vertrag nicht vor, aber ich habe Informationen über das, was in jedem Fall Gegenstand des Vertrages sein soll und abgesichert ist. Diese Information hat übrigens auch die Belegschaft und die Geschäftsleitung, mit der mein Haus gesprochen hat. Das würde schon genügen – so sage ich einmal –, um sich aktiv dafür einzusetzen, dass genau das nicht passiert, was jetzt nach Pressemeldungen dort passieren soll. Außerdem werden wir über die Obleute und über unsere guten Beziehungen zum Bundestag dann auch noch genaue Informationen über den Vertrag bekommen. Aber schon das, was ich weiß, reicht mir aus. Allerdings kann ich nicht so tun, als ob ich den Vertrag als Ganzes gelesen hätte, wenn er mir nie vorgelegt worden ist.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]