Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Herr Senator, Sie gestatten eine Zwischenfrage? – Dann hat Frau Klotz das Wort. – Bitte sehr!

Frau Klotz! Sie wissen, dass es ein geregeltes Verfahren dafür gibt, und die Lösung kann nicht darin bestehen, dass wir so viele Studienplätze vorhalten, dass auch Abiturienten mit einem Notendurchschnitt von 2 Zugang haben. Sondern dann geht es darum, dass wir die Schulnoten in Berlin verbessern.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS – Frau Dr. Klotz (Grüne): Aber 2 ist doch ziemlich gut! – Weitere Zurufe]

Ja, natürlich! Es muss besser werden. Das ist aber eine Frage, die nicht durch die Ausfinanzierung von immer mehr Studienplätzen geregelt werden kann. Ich bin für mehr Studienplätze, aber hier geht es auch um die Verbindung von Schule und Hochschule in Berlin. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass wir angesichts der bundesweiten Zugangsregelungen irgendwelche Ausnahmeregelungen für die Berlinerinnen und Berliner schaffen können. Das ist verfassungsrechtlich nicht möglich.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Darum geht es nicht!]

Mein Ziel ist es, 85 000 Studienplätze zu erhalten. Dabei gelten Prioritäten, die diesem Ziel folgen, und das sind die im Übrigen auch in den Hochschulverhandlungen eingeführten Punkte:

Sen Dr. Flierl

Dort, wo Ihre Parteifreunde von den Grünen in der Regierungsverantwortung sind, nämlich in Nordrhein-Westfalen, tragen sie ein Studienkontenmodell mit, das wesentlich restriktiver ist als das von mir vorgeschlagene und das in der Tat nur eine schlecht verkappte Form von Langzeitstudiengebühren darstellt, denn es bleibt der Zeitfaktor, und der gilt dann ultimativ.

Erstens: Der Ausbau der Fachhochschulen. – Deshalb halten wir an dem Fachhochschulstrukturfonds, wenn auch in reduzierter Höhe, fest.

Zweitens: Die forcierte Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen.

Drittens: Die Fokussierung der Rationalisierungsmaßnahmen im Rahmen eines hochschulübergreifenden Benchmarking, das im Übrigen noch nicht vorliegt und noch einige Zeit braucht. Deswegen kann das jetzt noch nicht eingerechnet werden, aber selbstverständlich als ein Korrekturfaktor der jetzt vorgelegten Strukturplanung noch eingebracht werden.

Ich finde auch den Vorschlag, der von den Grünen kommt, nämlich zu prüfen, wie das Problem des Personalüberhangs an den Universitäten mittels einer größeren Durchlässigkeit zum Stellenpool abgefedert werden könnte, durchaus bedenkenswert. Spareffekte für die Universitäten selbst sehe ich dadurch jedoch nicht, es sei denn, das Land müsste die Personalmittel, die ja bei den Universitäten verbleiben sollen, für die in Anspruch genommenen Überhangkräfte erneut ausbringen. Im Übrigen hat das Berliner Hochschulgesetz dieses auch anders geregelt. Das müsste also auf der entsprechenden Ebene verabredet werden.

Lassen Sie mich noch eine Ausführung zu dem Thema „Studienkonten und Studiengebühren“ machen! Frau Paus, Ihre Polemik gegen Studienkonten – ich muss das an dieser Stelle wiederholen – weist Anflüge von politischem Autismus auf.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Sie tun so, als könnten wir in Berlin die bundespolitische Realität ignorieren. Ich rede jetzt nicht von verschärften bundespolitischen Rahmenbedingungen für Länder und Kommunen, die Rot-Grün im Bund zu verantworten hat. Ich bleibe beim Thema. Auf Bundesebene führen die Grünen eine Debatte um nachlaufende Studiengebühren in Gestalt der Akademikersteuer, was auch eine Veränderung des geltenden Hochschulrahmengesetzes bedeuten würde. Insofern ist Ihre Erklärung, Frau Klotz, dass hierbei die PDS den Durchbruch andenken oder veranlassen würde, grundfalsch, denn das Studienkontenmodell, das ich vorschlage, bedeutet eben keine Studiengebühren, was eine nachlaufende Akademikersteuer bedeuten könnte.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das ist noch viel schlimmer! – Dr. Lindner (FDP): Bekennen Sie sich doch einmal dazu!]

Frau Klotz! Dort, wo Ihre Parteifreundinnen und freunde in Regierungsverantwortung sind – –

[Dr. Lindner (FDP): Bekennen Sie sich doch einmal zu den Sachen, die Sie machen!]

Nein, das ist keine Bekenntnisveranstaltung. Wir sind hier nicht in der Kirche. Herr Lindner, hören Sie auf zu brüllen! Hören Sie mir zu! –

[Beifall bei der PDS und der SPD – Dr. Lindner (FDP): Das gibt es doch gar nicht!]

Aber ich möchte nicht regierungsamtliche Äpfel mit oppositionellen Birnen vergleichen.

[Brauer (PDS): Matschbirnen!]

Schauen wir also doch noch einmal nach BadenWürttemberg! Dort sind die Grünen in der Opposition und wehren sich zu Recht gegen tumbe Langzeitstudiengebühren. Was präsentieren die baden-württembergischen Grünen, die dortige Fraktion, als intelligente Alternative? – Sie präsentieren genau jenes Studienkontenmodell – vom selben Autor Dieter Dohm –, gegen das Sie, Frau Paus, hier blauäugig und populistisch Sturm laufen – allerdings mit der Nuance – und da hat der Auftraggeber doch eine Gestaltungsmöglichkeit –, zu sagen, wir möchten natürlich keine Studiengebühren für den Masterbereich. Das ist eine Verschärfung, die von Ihrer Fraktion in BadenWürttemberg vertreten wird, die weit über das hinausgeht, was ich hier vorschlage.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist genau jenes Studienkontenmodell, das auch Ihr Spitzenkandidat für die Europawahl – offenbar nicht so tief in den bildungspolitischen Diskursen verankert – bei Frau Christiansen als Vorschlag und tolle Idee aufgegriffen hat.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Besser als Wowereit war er schon an dem Abend!]

Ich sage Ihnen auch, warum Ihre Parteifreunde das tun, obwohl sie in der Opposition sind und es sich so leicht machen könnten, wie Sie es tun, und obwohl ich die Vorschläge Ihrer Kollegen nicht teile. Sie haben nämlich erkannt, wohin der Studiengebührenzug in dieser Republik rollt. Sie wissen, dass die Klage von 6 CDUgeführten Bundesländern gegen das Hochschulrahmengesetz, das Gebühren für das Erststudium noch ausschließt, Erfolg haben könnte. Denn die CDU hat sich schon längst für Studiengebühren entschieden, und auch in der SPD – auch hier in Berlin; das ist kein Geheimnis – werden Stimmen laut, die dies fordern. Und nahezu alle Universitätspräsidenten dieses Landes sind für Studiengebühren, wenn die Einnahmen denn den Universitäten zugute kommen.

Dagegen steht die Positivliste des von mir vertretenen Modells: Es sichert die Gebührenfreiheit des Erststudiums

Sen Dr. Flierl

Wir treten jetzt in die zweite Rederunde ein. – Für die Fraktion der Grünen steht noch eine Redezeit von 7 Minuten zur Verfügung. – Herr Schruoffeneger, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist eine absurde Situation: Zuerst redet Herr Flemming, referiert völlig richtig internationale Studien, nach denen der Anteil der Studenten in Deutschland viel zu gering ist und wir ihn verdoppeln müssten, um im internationalen Maßstab mithalten zu können, und zieht dann daraus – frei nach dem Motto: Logik ade! – den Schluss: Deswegen müssen wir Ressourcen aus den Universitäten herausziehen.

Dann kommt der Senator – Wo ist er? Jetzt ist er geflüchtet – und sagt als Reaktion auf diese Feststellungen, es könne nicht Aufgabe der Politik sein, zu gewährleisten, dass alle Berliner Abiturienten mit einem Notendurchschnitt von 2 einen Studienplatz bekommen. Ja was ist denn sonst unsere Aufgabe, wenn nicht das? – Das ist unsere wichtigste Aufgabe.

für alle, ohne zu ignorieren, dass Hochschulbildung eine kostenintensive Investition des Gemeinwesens in die eigene Zukunft ist. Es stärkt die Stellung der Studierenden in der Hochschule. Es schafft Anreize für die Hochschule, die Lehre aufzuwerten und Kapazitäten entsprechend umzusetzen. Und es bildet die empirische Grundlage für einen Hochschul-Länderfinanzausgleich, von dem Berlin als Bildungsexporteur nur profitieren kann.

So leichtfertig, die Vorschläge zum HochschulLänderfinanzausgleich von Berliner Positionen aus – von diesem Pult aus – abzulehnen, kann man doch gar nicht sein. Sehen Sie sich bitte die Landschaft und das Echo auf diese Vorschläge hin an! Alle Stadtstaaten und selbst das durch die CDU vertretene Wissenschaftsressort Brandenburgs

[Frau Freundl (PDS): Noch!]

noch vertretene – unterstützen diese Idee, weil die Stadtstaaten und auch das arme Brandenburg Bildungsexporteure sind.

Niemand bestreitet, dass Bildung eine Investition in die Zukunft ist. Tatsache ist aber auch, dass diese Investition im Haushalt nur politisch als solche veranschlagt werden kann. Der Rahmen für diese politischen Spielräume ist nach Ihrer Verfassungsklage nicht breiter, sondern enger geworden. Auch Investitionen kosten übrigens – zumal wenn sie dauerhaft und nicht nur einmal gemeint sind. Die Aussage: „Ja, es sind Investitionen.“, beantwortet nicht die Frage, ob wir das Geld für diese Investitionen haben. Die Frage bleibt natürlich, wie die Rückflüsse organisiert werden können.

Ich bin Frau Paus dankbar, dass sie sagt: 36 % fehlen beim Rückfluss. – Das heißt, die Kosten für jeden Studienplatz, der finanziert werden muss, trägt zu mindestens 36 % das Land. Die Frage ist, ob wir uns dieses leisten können, weil es nämlich ein vergebliches propagandistisches Perpetuum mobile ist, wenn wir nicht einen Länderfinanzausgleich hinbekommen, so dass das Land Berlin tatsächlich eine Vollkostenerstattung erhält.

Die Wissenschaftsgesellschaft zu gestalten, das bedeutet auch, sich mit der politischen Ökonomie von öffentlichen Gütern – auch von Hochschulbildung – auseinanderzusetzen. Deswegen muss es über Umwegrentabilitätstheorien hinaus, die nur hilfsweise als Argumente verwendbar sind, darum gehen, konkrete Rückflüsse zu hinterfragen. Das ist z. B. mit der nachgelagerten Akademikersteuer durchaus so gedacht – mit Bildungssparkonzepten und Ähnlichem. In dieses fügt sich auch das von mir vertretene Studienkontenmodell und die Propagierung des Hochschul-Länderfinanzausgleichs ein. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, diese Punkte zu finden! Zunächst werden wir uns mit den notwendigen Kürzungen beschäftigen und mit der Frage, wie diese unvermeidlichen Reduzierungen so sorgsam durchdacht werden können, dass der Hochschulstandort Berlin keinen Schaden nimmt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD – Dr. Lindner (FDP): Lächerlich!]

[Dr. Flemming (SPD): Ich erzähle es gern noch einmal, wenn Sie es nicht verstanden haben!]

[Beifall bei den Grünen]

Vielleicht noch mal vorab: Wissenschaft und Bildung sind ein Wert an sich. Sie dienen der Persönlichkeitsbildung und der Fortentwicklung der Gesellschaft. Wer das vergisst und Bildung und Wissenschaft nur unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert, darf sich über manche unschöne Entwicklung in unserer Gesellschaft nicht wundern. Ich lasse mich trotzdem auf die Ebene Wissenschaft und Haushalt ein, damit wir nicht aneinander vorbeireden.

Sie haben völlig Recht: Alle Möglichkeiten zur Sanierung des Haushalts müssen genutzt werden. All denen, die das tun, gebühren unser Respekt und unser Beifall. Doch was heißt sanieren? Was passiert mit einem Unternehmen, wenn der Sanierer kommt? – Der nimmt sich ein paar Wochen Zeit – Sie hatten seit 2001 lange genug Zeit –, analysiert die Stärken seines Unternehmens, konzentriert dann alle Kräfte, die er hat, auf diese Stärken, versucht, da neue Potentiale aufzumachen, den Umsatz zu erhöhen und damit mittelfristig Finanzmasse zu bekommen, um den Schwächen abzuhelfen. Auf die Stärken orientieren, das ist ein Sanierungsjob. Sie machen etwas anderes: Sie wickeln ab. Sie sind nicht der Sanierer, sondern der Abwickler der Stadt. Damit verdienen Sie genau den Widerstand und die Demonstrationen, die Ihnen viele Tausend Studentinnen und Studenten entgegen setzen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zurufe von der PDS]

Diese Studenten versuchen, die Stärken und Chancen der Stadt zu verteidigen. Sie kämpfen für ihre Zukunft und die Zukunft dieser Stadt, denn ohne Stärkung dieser

Einzelne Regionen haben erkannt, wo Zukunftsperspektiven liegen und wie man sie entwickelt. Sie führen stattdessen eine blödsinnige Debatte über die Beteiligung anderer Bundesländer an den Kosten Berliner Studenten.

In Ihrer Denklogik ist anscheinend jeder Student eine Last, sonst würden Sie nicht das Wort Lastenausgleich benutzen.

Der Abbau von Studienplätzen und die Schließung von Fakultäten ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Wir brauchen einen Ausbau auf mittelfristig wieder 100 000 Studentinnen und Studenten. Lieber Benjamin Hoff, wenn du nicht dazu in der Lage bist, zu differenzieren zwischen der Aussage, wir reden heute über den Haushalt 2004, und hier geht es um einen Abbauprozess von 85 000, deswegen kämpfen wir um die Zahl 85 000, und der anderen Aussage, dass wir gleichzeitig aber 100 000 fordern – diese Differenzierung sollte man der Ehrlichkeit halber unternehmen und nicht unterstellen, wir würden mit unterschiedlichen Zahlen diskutieren.

Chancen, ohne Stärkung der Wissenschaftslandschaft wird diese Stadt keine Perspektive haben. – Mich wundert, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dass Sie da nicht klatschen, denn Sie begrüßen in all ihren Aussagen immer wieder diese Demonstrationen und die Aktivitäten der Studenten. Dann könnten Sie bei diesem Satz auch klatschen.

Welche Gründe für die Ausgaben- und die Haushaltsmisere haben wir? – Wir haben zu hohe Ausgaben. – Richtig, darüber redet die ganze Stadt, aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass wir in Berlin zu sehr nach innen orientiert sind. Es gibt zwei Tabellen aus dem sarrazinschen Folienvortrag, die er immer am Anfang präsentiert. Das ist die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts mit null Prozent seit 1992, und das sind die Zahlen des Exports: Berlin 2 619 € pro Einwohner, Hamburg 13 635 und Bundesschnitt über 7 700 €. Das heißt, wir müssen uns, um unsere Einnahmensituation und damit auch unsere Finanzkraft zu stärken, auf Gedeih und Verderb nach außen orientieren. Wir müssen sehen, wie wir wieder in Kontakt zum Umland kommen und die Wirtschaftskraft der Stadt steigern. Das Umland ist nicht nur Brandenburg, sondern im Wesentlichen Europa. Es geht nicht durch die alte Zigarettendrehmaschine Westberlins.