Protokoll der Sitzung vom 15.01.2004

Ich habe in den Unterlagen nachgeschaut: Die FDP hat dies in den höchsten Tönen gelobt. Zwar hatte sie die eine oder andere Kritik, fand es aber richtig. Gucken Sie sich das in den Unterlagen ruhig an.

[Dr. Lindner (FDP): Es ist unerträglich, hier weiter zuhören zu müssen!]

Die Aktualität hat dieses Thema auch deshalb, weil bis heute der Umgang mit dem Parlament ähnlich ist und Entscheidungen über solch weit reichende Verträge genauso hektisch getroffen werden sollen, wie dies bei der Gründung der Bankgesellschaft geschehen ist. Ob wir über Eliteuni, Wasserbetriebe oder den Verkauf der Feuersozietät reden: Da kommen dicke Verträge auf den Tisch, aber die Zeit, sich damit intensiv zu beschäftigen, gibt es nicht, geschweige denn, dass man Alternativen dazu entwickeln kann.

Es ist erschreckend, dass dieser unglaubliche Vorgang der Risikoabschirmung von 21,6 Milliarden € nichts, aber auch gar nichts geändert hat, dass die Abgeordneten – die meisten jedenfalls – immer noch blind abstimmen, auch über Dinge, bei denen sie überhaupt nicht wissen, was da passiert. Wenn Sie nicht hundertprozentig sicher sind, müssten Sie den Mut haben und mit Nein stimmen. Das sollte wenigstens die Lehre aus der Geschichte der Bankgesellschaft sein.

[Beifall bei den Grünen]

Die Aktualität hat das Thema auch deshalb, weil wir gesehen haben, dass die Kontrolleure, die Aufsichtsratsmitglieder des Landes Berlin, hoffnungslos versagt haben. Ich frage, was sie heute eigentlich machen. Lassen sie sich wieder von den Vorständen erzählen, dass alles gut und man auf den besten Weg sei, oder sind die Aufsichtsratsmitglieder heute so ätzend, wie ein Aufsichtsratmitglied sein muss – ätzend, um mitzubekommen, was in einem Unternehmen vor sich geht?

Was die Aufklärung betrifft, habe ich schon häufiger gesagt, dass man der Bankgesellschaft immer vorhalten muss, was in ihren Unterlagen steht, damit sie bereit ist, diese herauszugeben. Dass kann so nicht sein.

Solange kein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen wurde, solange unsere Bankvorstände immer noch mit ihren Pensionen herumlaufen und sich für die Elite des Landes halten, so lange werden die Grünen nicht aufhören, ob innerhalb oder außerhalb des Parlamentes, diese Art von Schmarotzertum anzuprangern. Aus dieser

Dr. Lindner

Situation entseht nämlich die Politikverdrossenheit. Genau daraus entsteht das Gefühl: Die stecken sich das Geld in die Taschen, und wir sollen unseren Gürtel immer enger schnallen! Aus diesem Grund ist diese Ungerechtigkeit nicht hinzunehmen, sondern abzuschaffen.

[Beifall bei den Grünen]

Das Thema ist auch deshalb aktuell, weil wir unlängst erfahren durften, dass die Mietgarantien, die die Bankgesellschaft nicht mehr geben darf, nun plötzlich von den Entwicklungsträgern wie zum Beispiel in Adlershof gegeben werden. Wenn ich das sehe, stehen mir die Haare zu Berge, dann habe ich das Gefühl, dieses Thema ist hier noch nicht durch, hier wird weitergemacht wie gehabt. Hier werden langfristig zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiter solche Geschäfte verursacht. Ich denke, wir sollten heute darüber reden, dass wir diesen Wahnsinn stoppen müssen und nicht weitermachen können wie gehabt.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Oesterheld! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, das ist Punkt 2 unserer Tagesordnung, abstimmen, und zwar zuerst über den Vorschlag der Fraktionen der SPD und der PDS. Wer dieses Thema in der Aktuellen Stunde behandelt haben will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Danke schön! Die Gegenprobe! – Danke schön! Ersteres war die Mehrheit der Regierungsfraktionen gegen die Oppositionsfraktionen. – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Die anderen Anträge haben damit ihre Erledigung gefunden.

Ich weise Sie im Übrigen auf die Ihnen vorliegende Konsensliste und auf das Verzeichnis der eingegangenen Dringlichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann wieder jeweils an entsprechender Stelle der Tagesordnung entschieden.

Im Ältestenrat wurden folgende Entschuldigungen von

Senatsmitgliedern mitgeteilt: Herr Senator Wolf wird ab 16.30 Uhr abwesend sein, um die Grüne Woche zu eröffnen. Der Regierende Bürgermeister wird ab ca. 17.00 Uhr abwesend sein, um an der offiziellen Eröffnung der Internationalen Grünen Woche teilzunehmen.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gem. § 51 der Geschäftsordnung

Bevor ich die erste Frage aufrufe, gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Die Frage des Abgeordneten Henkel, das ist die Nr. 21 und betrifft den Umzug des Bundeskriminalamtes nach Berlin, wird nach vorn gezogen, und zwar

als Nr. 7. Die sonstigen Mündlichen Anfragen aus der Fraktion der CDU rücken dann entsprechend nach hinten. Ich bitte dies zu berücksichtigen.

Nun hat das Wort für die Mündliche Anfrage Nr. 1 Frau Abgeordnete Radziwill von der SPD zu dem Thema

Zukunft des Sozialtickets

Bitte schön, Frau Radziwill!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Was unternimmt der Senat, um auch zukünftig das Recht auf Mobilität von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen zu gewährleisten?

2. Welche Chancen sieht der Senat für die Bemühungen, die Verkehrsbetriebe zur Wiedereinführung des Sozialtickets zu veranlassen, und welchen Stand haben entsprechende Diskussionen?

Danke schön! – Für den Senat beantwortet das die Sozialsenatorin Frau Dr. KnakeWerner.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Radziwill! Die Grundlage für die jetzige Situation ist unter anderem dadurch entstanden, dass der Senat im Jahr 2003 beschlossen hat, den Zuschuss für die Sozialkarte in Berlin in Höhe von 17,4 Millionen € zum 1. Januar 2004 zu streichen und entsprechend auch die Verträge mit den Verkehrsbetrieben zu kündigen.

Darüber haben wir auch die Bezirke informiert, und wir haben ihnen gleichzeitig gesagt, dass wir zeitgleich mit den Verkehrsbetrieben in Verhandlung darüber treten, dass die Verkehrsbetriebe bei der Erarbeitung der gesamten neuen Tarifstruktur für diesen Personenkreis ein alternatives, bezahlbares Angebot unterbreiten sollen. Damit soll auch zukünftig die Mobilität von Hilfebedürftigen in den verschieden Situationen – da gibt es ja eine Menge Gründe, warum diese Mobilität gewährleistet sein muss – durch die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel sichergestellt werden.

Wir haben von den Verkehrsbetrieben eine Reihe von Vorschlägen bekommen, aber alle diese Vorschläge haben sich dadurch ausgezeichnet, dass sie entweder einen weiteren Zuschussbedarf des Landes beinhalteten beziehungsweise die Kompensation durch Erhöhung in anderen Tarifbereichen vorsahen. Dies macht das Angebot für uns zunächst nicht attraktiv.

Insbesondere nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts erschien uns ein weiterer Zuschuss des Landes für eine Sozialkarte, die inzwischen im Bundesgebiet einmalig ist – auch das muss man deutlich sagen –, nicht mehr zu begründen. Diesen Sachstand hat die Senatsver

Frau Oesterheld

waltung den Bezirken mitgeteilt, ebenso die Sach- und Rechtslage bezüglich der Sozialhilfeberechtigten nach Wegfall der Sozialkarte.

Ich habe von Anfang an, auch in der Diskussion im Abgeordnetenhaus, sehr deutlich gemacht, dass mindestens die Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher nach dem Bundessozialhilfegesetzt ein Recht auf Mobilität haben, das von den Sozialhilfeträgern in begründeten Fällen durch die Übernahme von Fahrtkosten gesichert werden muss – die Übernahme zumindest über den Betrag hinaus, den die Sozialhilfeberechtigten selbst für ihre Mobilität aufbringen müssen.

Zur Frage, wie es weitergeht: Ich habe darum gebeten, dass der Senat am Dienstag erneut über eine sozialverträgliche Tarifstruktur der Verkehrsbetriebe berät. Ich werde dort vorschlagen, dass es ein Ticket für bedürftige Berlinerinnen und Berliner geben soll. Dabei handelt es sich um einen sehr großen Personenkreis. Ich glaube, dass es sinnvoll wäre, die Befreiung von den Rundfund- und Fernsehgebühren als Maßstab für die Eingrenzung dieses Personenkreises zu nehmen. Ich betone, dass es aus meiner Sicht kein Akt der Mildtätigkeit der Verkehrsbetriebe wäre, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, sich mit einem attraktiven und vor allem bezahlbaren Angebot an dieses Klientel zu wenden. [Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Senatorin! – Ein Nachfrage der Abgeordneten Radziwill – bitte schön, Frau Radziwill!

Ich möchte gern wissen, ob Sie über die Regelungen der einzelnen Bezirksämter informiert sind – nach meinem Kenntnisstand sind diese sehr unterschiedlich – und ob die Ausgaben höher sein könnten als die bislang pauschal an die BVG gezahlten 17 Millionen €.

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner – bitte!

Die Bezirke sind natürlich alle mit diesem Problem befasst. Die Bezirksbürgermeister haben über das Thema heute im Rat der Bürgermeister gesprochen und ihrerseits dem Senat empfohlen, über eine bezahlbare Variante eines Tickets nachzudenken und dazu auch eine Entscheidung zu treffen. Es ist das eingetreten, was zu erwarten war: Die Sozialämter sind stärker mit zusätzlichem Aufwand belastet, weil sie sich jetzt um die Sozialhilfeberechtigten im Einzelnen kümmern und Entscheidungen treffen müssen. Teilweise haben sie – so mein momentaner Kenntnisstand – sich auf Pauschalen verständigt, die sie den Sozialhilfeberechtigten zur Verfügung stellen, wenn diese begründet ihre Mobilität für einen ganzen Monat sichern müssen. Das gilt für alle Sozialhilfeberechtigten, die arbeiten, sowie für diejenigen, die in Werkstätten für Menschen mit Be

hinderungen sind, sowie für diejenigen in einer Ausbildungssituation. Dies summiert sich nach den uns zur Verfügung stehenden Zahlen auf mindestens 25 000 Personen. Diesen Umfang muss man zur Kenntnis nehmen.

Danke Frau Senatorin! – Frau Radziwill hat eine weitere Nachfrage – und hat auch das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Nachfrage zu den Seniorentickets, bei denen es zum 1. April Änderungen geben wird. Ich möchte gern wissen, wie diesbezüglich die Verhandlungen mit der BVG laufen. Umfasst die Karte, von der Sie gesprochen haben, auch diesen Personenkreis, und wie teuer sollte diese Karte nach Ihrer Auffassung werden?

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner!

Frau Radziwill! Sie wissen, dass es das Seniorenticket bislang zum Preis von 39 € gibt. Es ärgert mich, dass die BVG und die S-Bahn mit einem Federstrich und dem Verweis auf das Land das Seniorenticket und das Arbeitslosenticket gleich mit abschaffen will. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Dafür hat es auch bisher keine Zuschüsse des Landes gegeben. Dennoch hat die BVG dieses Angebot für Seniorinnen und Senioren vorgehalten, die von der Zuzahlung bei Medikamenten befreit waren. Wir haben ihnen jetzt einen neuen Maßstab angeboten und vorgeschlagen, die Befreiung von den Rundfunk- und Fernsehgebühren zu Grunde zu legen. Das ist durchaus eine denkbare Variante. Es ärgert mich, dass über solche Möglichkeiten nicht mehr nachgedacht wird. In anderen Bundesländern wird sehr wohl gesehen, dass es hier um ein wichtiges Potential geht, das den öffentlichen Nahverkehr nutzt. Diesen Personenkreis zu verprellen oder zu behaupten, diese Menschen seien alle mit einem 49-€-Ticket zufrieden gestellt, das sie ab 10 Uhr nutzen können, funktioniert nicht, weil für bedürftige Seniorinnen und Senioren solch ein Ticket zu teuer ist.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Jetzt hat sich Herr Schruoffeneger gemeldet, oder ist das ein Irrtum?