Wir sichern trotz größter Schwierigkeiten, ich wiederhole es, das Investitionsprogramm zur Schul- und Sportstättensanierung. Wir bauen mit hohem Kapitaleinsatz die beruflichen Schulen in diesem Land aus, wir geben die Lehr- und Lernmitteletats an die einzelnen Schulen und wir werden die Übertragbarkeit dieser Mittel jeweils sicherstellen. Wir mindern nicht entsprechend der zurückgehenden Schülerzahlen die Lehrerstellen, sondern wir sichern zusätzlich 1 040 Lehrerstellen für pädagogische Verbesserungen.
Ich weiß, dass die Stimmung bei den Lehrerinnen und Lehrern in Berlin und vielleicht in der Bundesrepublik insgesamt nicht gut ist. Ich weiß, dass wir Lehrerinnen und Lehrern – wie vielen anderen auch – einiges zumuten mussten. Ich weiß aber auch – und bin davon überzeugt –, dass Lehrerinnen und Lehrer Mut, Interesse und die Bereitschaft zu Reformen haben. Natürlich ist mir klar: Kein Gesetz der Welt allein löst Probleme. Übrigens lösen auch Finanzmittel und Ressourcen nicht automatisch Probleme. Wir brauchen Menschen, die Reformen wollen und die Reformen tragen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung, denn Bildungsreform ist wirklich eine Herkulesaufgabe. Dazu gehört, dass in diesem Land damit aufgehört wird einen der – nach meiner Auffassung – wichtigsten Berufe, den Beruf des Lehrers, ständig zu kritisieren und die Lehrerschaft als den Prügelknaben der Nation hinzustellen.
Nein, Lehrerinnen und Lehrer brauchen unsere Anerkennung und Unterstützung. Nur dann wird am Ende unsere Bildungsreform gelingen.
Ein Gesetz ist immer ein Kompromiss, das ist übrigens nichts Schädliches, das ist das Übliche in der Demokratie.
Auch nicht jeder meiner Wünsche ist mit diesem Gesetz in Erfüllung gegangen. Dieses Gesetz aber ist im Parlament mehrheitsfähig und diese Koalition – nur diese Koalition in dieser Konstellation – ist fähig zu Mehrheiten.
Die Opposition, Herr Kollege Mutlu, ist sich in einem Punkt einig: Sie ist dagegen. Aber für Reformen reicht es nicht, dagegen zu sein.
Man muss etwas Konstruktives einbringen. Sie, Herr Kollege Mutlu, wollten alles schieben und haben die Gesamtschule gefordert. Die FDP sagt, die einzelne Schule solle alles alleine machen, die Verwaltung habe nichts mehr zu melden. Die CDU will nach der vierten Klasse die Aufteilung in untere Schulformen. Sie sind sich nur darin einig, dagegen zu sein, aber gemeinsam handeln können Sie nicht.
Nein! Der ist gleich an der Reihe. – Die Opposition widerspricht sich auch in folgendem Punkt: Manche sagen, alles sei viel zu schnell gegangen. Die anderen sagen, das sei Asbach uralt und liege schon ewig auf Halde. Das widerspricht sich. Beides ist falsch.
Wir haben das Gesetz mit der nötig Sorgfalt, aber auch mit Entschlossenheit vorbereitet und auf den Weg gebracht. Mit diesem Gesetz macht Berlin einen großen Schritt. Das Gesetz ist ein Meilenstein für die Bildung. – Stimmen Sie zu!
Wir treten jetzt in die Rederunde der Fraktionen ein. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Herr Goetze, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben eine zweijährige bildungspolitische Debatte hinter uns und stehen vor der Beschlussfassung dieses Gesetzes. Wir hätten uns gewünscht, dass in diese Debatte eine neue Qualität einzieht. Wir haben sie heute hier Minuten vor der Verabschiedung kennen gelernt, indem der Senator in einer Ausführlichkeit, die er im Ausschuss nicht an den Tag gelegt hat, zu den Intentionen des Gesetzes und den Einzelbegründungen Stellung genommen hat. Ich hätte mit gewünscht, dass eine einzige Runde in dieser Ausführlichkeit im Ausschuss vonstatten gegangen wäre, auch wenn ich inhaltlich in einigen Punkten damit nicht übereinstimme.
Eine neue Qualität der bildungspolitischen Debatte: Wir haben ein paar Informationen bekommen, die uns während der Ausschussberatung zunächst vorenthalten werden sollten. Der Antrag der CDU nach einer schriftlichen Beantwortung von Fragen wurde zunächst von der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Erst im zweiten Anlauf hat man sich seitens der Regierung bereit erklärt, die Fragen zu beantworten.
Wie sieht es mit der Haltung der Opposition zur Schulpolitik aus? – Es gibt natürlich marginale Unterschiede bezüglich einzelner Aspekte. Das ist klar. Schulpolitik der Parteien ist über Jahre gewachsen. Die Programme sind über Jahre und Jahrzehnte entstanden. Aber 80 Prozent dessen, was im Ausschuss von den Oppositionsparteien beantragt wurde, war wechselseitig annehmbar und hatte mit dem, was hier von der Koalition verabschiedet werden soll, nur wenig zu tun.
Haben wir eine neue bildungspolitische Qualität erreicht? – Ja, vielleicht. Das kann man zusammenfassend feststellen, weil sich SPD und auch PDS von jahrzehntelangen Blockaden verabschiedet haben. Das betrifft zum Beispiel das Abitur nach zwölf Jahren. Das konnte die CDU in zehn Jahren großer Koalition gegenüber dem Koalitionspartner nicht durchsetzen. Nun sah sich die SPD offensichtlich nach einem langen, zähen Prozess doch in der Lage, dem nahe zu treten.
Man muss die Frage aber letztlich mit Nein beantworten. Wir haben keine neue Qualität. Wegen der Blockaden, die bei den beiden Linksparteien immer noch vorhanden sind, ist bei dem Gesetz vieles unvollständig und halbherzig geblieben. Unvollständig, weil unsere Frage, wie man nach zwei Jahren über das Gesetz mit den mehr als 25 Verordnungsermächtigungen umgeht und ob man uns nicht einmaleine solche Verordnung zeigen kann, ablehnend beantwortet wurde. Entweder sind die Verordnungen nach zwei Jahren Debatte noch nicht fertig, oder man wollte sie uns nicht zeigen. Beides spiegelt eine schlimme Arbeitsweise bei der Verabschiedung von Gesetzen wider. Unvollständig ist das Gesetz auch geblieben, weil viele Dinge nur als Begriff enthalten sind und nicht im Detail ausgeführt werden.
Zum Stichwort Ganztagsgrundschule: Wir werden von allen Seiten mit Hinweisen, Anfragen und Stellungnahmen zu diesem Thema bombardiert. Wir werden gefragt, wie die Organisation der Ganztagsschule im Detail aussieht. Dieser Begriff kommt aber nur im Gesetz vor. Die Details sind durch Organisationsverfügungen der Verwaltung zu regeln. Hier bleibt das Gesetz nebulös. Wir haben die Katze im Sack. Alles, was kommen soll, wird heute nicht verabschiedet, weil es naturgemäß nicht im Gesetz stehen kann und ist in der Konzeption nicht klar.
Nein! – Bei diesem Gesetz ist vieles auf dem Prinzip Hoffnung aufgebaut. Bleiben wir bei dem Beispiel zwölfjähriges Abitur: Man setzt darauf, dass die KMK und die anderen Bundesländer sich vielleicht einmal bereit erklären, den Sonderweg Berlins mit der sechsjährigen Grundschule zu akzeptieren. Aber man kann nur hoffen. Es gibt nichts Schriftliches.
Wir können zu dem Schulgesetz feststellen, dass die Begrifflichkeit und die meisten Überschriften okay sind. Bezüglich der Inhalte, die darunter stehen, unterscheiden sich die Ansichten hier im Haus stark. Die CDU-Fraktion sieht die Details, die unter den Überschriften zu finden sind, so maßgebend anders, dass sie dem Gesetz insgesamt nicht zustimmen kann.
Wie sind die Beratungen verlaufen? – Wir hatten zwei Anhörungstermine und zwei sehr straff geführte Runden im Ausschuss. Die Koalition hat den Schulausschuss in ein enges Beratungskonzept genötigt. Man brauchte selbst eineinhalb Jahre, um zu einem Konsens zu finden. Der Schulausschuss hatte das Ganze dann in zweieinhalb Monaten durchzuziehen. So kam auch eine achtstündige Sitzung zu Stande. Die Gewichte sind verschoben. Das Ganze war an der Grenze einer noch ordnungsgemäßen Beratung. Wir konnten einige Abstimmungserfolge erzielen. Einige Detailformulierungen waren durchsetzbar, aber leider nur in Randbereichen, die mehr oder weniger organisatorischen Charakter haben.
Was löst das Gesetz nicht? – Es löst die Mittelkürzungen im Kitabereich nicht. Denn Schule kann nur so gut sein wie die Bildungserfolge im Bereich davor. Im Bereich der Kindertagesstätten haben wir Mittelkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, veränderte Gruppengrößen und erhöhte Elternbeiträge. Das wird alles nicht dazu führen, das sich die Ergebnisse der angeblichen Bildungseinrichtung Kindertagesstätte verbessern. Wir haben das Problem der fehlenden Mittel für die Umsetzung des Gesetzes. Der Schulsenator hat im Hauptausschuss zwar lichtvolle Ausführungen dazu gemacht, dass angeblich alles kostenneutral ist, aber eine einfache Auflistung der entsprechenden Notwendigkeiten wird zeigen – Herr Senator Böger, ich bin davon überzeugt, dass wir Ihnen das in den nächsten Jahren nachweisen können –, dass es keineswegs kostenneutral ist, sondern dass zusätzliche Mittel eingestellt werden müssen. Das Gesetz löst die Organisationsdefizite der Senatsschulverwaltung und der politischen Spitze nicht. Es löst weder die Stundenausfälle in der Berliner Schule noch den Niedergang des Schulschwimmens in einigen Bezirken. Randbedingungen wie Schwimmbadschließungen führen in einzelnen Bezirken dazu – –
Sparen Sie sich bitte die Zwischenrufe. Sie müssen ertragen, was ich sage. Sie können gleich danach die Presseerklärung des Schulsenators vorlesen. Dann kommt Ihr Part.
Gelöst hat dieses Gesetz nicht die fehlende Instandhaltung und Instandsetzung, die baulichen Mängel der Schulen.
Genau, hat es nämlich nicht! – Dieses Gesetz löst auch nicht die fehlende Motivation der Lehrerinnen und Lehrer durch Stundenerhöhungen und Reduzierung des Gehalts. Es hat auch keinen Ansatz für die Motivation der Eltern.
Legendär sind Schulelternversammlungen, wo sich die Eltern einer ganzen Schule – an dieser Stelle, einer Hauptschule – treffen und dann sieben Elternteile da sind. Dieses Gesetz löst nicht, dass die Schule immer weniger Verwaltungskräfte, Medienwarte, Sekretärinnen hat. Es löst auch nicht die Probleme, die nach dem Schulbesuch auf die Kinder zukommen. Dieses alles löst das Gesetz nicht, kann es auch nicht lösen, aber das sind die realen Probleme der Berliner Schule, um die es geht. Deswegen ist es nicht die Großtat, dieses Gesetz mit diesem theoretischen Text zu verabschieden, sondern die Großtat der Schulpolitik und der Organisation der Berliner Schule wäre es, diese Mängel abzustellen und die Möglichkeiten vor Ort und das Handeln der Akteure zu verbessern, aber man kann sich hier nicht an den Buchstaben des Gesetzes abfeiern.
Was fehlt in diesem Gesetz? – Einen wesentlichen Punkt will ich nennen. Vermutlich auf Betreiben der PDS konnte man leider die Wertevermittlung nicht in das Gesetz integrieren. Der Religionsunterricht führt – neben einem anderen Bundesland einzig in Berlin – nach wie vor ein Schattendasein. Es ist nicht gelungen, ihn zum ordentlichen Unterrichtsfach zu machen. Nicht einmal ein Wahlpflichtfach – als Hauptfach Ethik-Philosophie mit einer Wahlmöglichkeit Religion als Alternative – war möglich. Berlin hat keinen Werteunterricht und wird ihn mit dieser Koalition auch nicht bekommen.
Vieles in diesem Gesetz ist halbherzig angegangen worden. Die Schule hat zwar die Verantwortung dafür, dass die Schüler das Ziel des jeweiligen Bildungsgangs erreichen sollen, sie kann aber die Wahl des Bildungsgangs nicht beeinflussen. Sie kann auch den Schulübergang nicht beeinflussen. Sie bekommt Schülerinnen und Schüler mit problematischen Voraussetzungen, hat aber Verantwortung wahrzunehmen.
Ja! – Was ist schlecht an diesem Gesetz? – Schuleingangsphase, jahrgangsübergreifender Unterricht, wir kommen zurück zur gemischten Schule, zur Dorfschule mit Fünf- bis Achtjährigen. Wir haben eine organisierte Verantwortungslosigkeit bei den Schulleitungen. Die Position der Lehrer ist geschwächt.
Den Schulen in freier Trägerschaft wird das Wasser abgegraben. Schulbücher müssen weiter gekauft werden. Und die Beibehaltung der –
– der unpräzisen Rahmenpläne statt der Lehrpläne ist an dieser Stelle auch nicht verändert worden. Dieses Schulgesetz ist in vielen Bereichen nicht geeignet. Wir lehnen es ab.