Protokoll der Sitzung vom 29.01.2004

Deshalb müssen wir offensiv auf die Länder zugehen und eine Einladung formulieren. Wir wollen mit ihnen über die Funktionen einer Hauptstadt im föderalen Staat diskutieren. Wir müssen gemeinsam klären, wie Berlin die Bundesrepublik im 21. Jahrhundert repräsentiert, und zwar nach innen und nach außen.

[Beifall bei den Grünen]

Ziel der Grünen ist, Berlin als Identifikationspunkt nach innen und als Gesicht der Republik nach außen zu verankern. Dafür soll Berlin durchaus Zentrum sein für eine moderne Identität mit all den historischen Brüchen, die in dieser Stadt zusammenkommen, mit der kulturellen Vielfalt, die diese Stadt auszeichnet. Willy Brandt hat es einmal auf den Punkt gebracht. Von ihm stammt der gerne zitierte Satz:

Das Schicksal Berlins wird auch das Schicksal Deutschlands sein.

Berlin muss für eine verarbeitete Geschichte stehen, dafür, dass Neuanfänge Sinn machen und sich unsere Gesellschaft gut entwickelt, und zwar im besten demokratischen Sinne. Berlin ist deshalb ein wenig das Pilotprojekt Deutschlands für die Zukunft, für eine moderne und vielfältige Gesellschaft, globalisiert, integrativ und gleichzeitig Fokus des 21. Jahrhunderts.

[Beifall bei den Grünen]

Es ist bezeichnend, dass nicht nur ausländische Studentinnen und Studenten gerne nach Berlin kommen, sondern bei einem Pilotprojekt für die Zukunft der deutschen Hochschulbildung alle sofort über Berlin, und zwar die Humboldt-Universität im Ostteil der Stadt, diskutieren. D. h. Berlin ist auch ohne Eliteunis im besten Sinn kulturell-geistiges Zentrum, wichtiger Wissenschafts- und Bildungsstandort. Hier verbinden sich Welten, und hier zeigt sich die Zukunft. Genau diese Zukunft müssen wir fördern.

Es geht nicht darum, alle wichtigen Institutionen der Republik – nach dem Vorbild vieler anderer Hauptstädte – nach Berlin zu holen. Die Börse steht beispielsweise in Frankfurt ganz richtig. Aber wir wollen darüber reden, wo was hingehört. Es gilt, Berlin als Hauptstadt und besonderen Standort unseres föderalen Staates zu gestalten, als verlässlichen Partner der anderen Bundesländer.

Herr Momper, wenn Sie meinen, es sei selbstverständlich, dass das Bundeskriminalamt nach Berlin kommt, dann sage ich Ihnen: Das ist nicht nur eine Frage des Standortes und des Zusammenführens nachgeordneter Bundesbehörden, sondern auch eine inhaltliche Frage. Wenn ich höre, wie Ihr Herr Wiefelspütz im Bundestag derzeit darüber philosophiert, aus Bundesgrenzschutz und Bundeskriminalamt eine Bundespolizei zu formen, dann bekommt der Umzugsgedanke des Bundeskriminalamts noch einmal eine ganz andere inhaltliche Wirkung. Man muss auch darüber diskutieren, wo welche Institution in der Hauptstadt richtig aufgehoben ist und wo wir eine föderale Landkarte von Institutionen über die Bundesrepublik zeichnen müssen und bestimmte Institutionen in anderen Bundesländern belassen müssen.

[Beifall bei den Grünen]

Ins Grundgesetz selbst gehören nur zwei kurze Sätze. Im Grundgesetz soll nur stehen: Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Und: Das Nähere regelt ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates und des Landes Berlin. – Wir wollen die Aufgaben und Abstimmungsverfahren in einem Bundesgesetz regeln. Es ist Quatsch, Herr Zimmer, wenn Sie sagen, das solle weiter vertraglich gestaltet werden. Wir haben genau dafür die Institution Bundesgesetz und das Zustimmungserfordernis des Bundesrates, um die Länder an der Ausgestaltung der Aufgaben und an der Abstimmung über die Verfahren zu beteiligen. Ihr Vorschlag, Herr Wowereit, klammert die Länder völlig aus. Sie wollen das, was jetzt bilateral in Verträgen

Verträgen geregelt ist, weiter zwischen Bund und Berlin auskungeln, intransparent und verständlicherweise misstrauisch beäugt von den Ländern. Damit werden Sie die Situation in der Bundesrepublik Deutschland, das Ansehen, das Berlin gegenüber den anderen Ländern hat, kein Stück ändern. Wenn Sie Angst davor haben, Sie könnten die Länder nicht überzeugen, die blockierten nur, dann haben Sie die Debatte um den Hauptstadtwerdungsprozess schon wieder beendet und beschränken die Diskussion allein auf das Finanzielle. Wenn Sie sich die Diskussion von 1991 angucken, dann werden Sie sehen, dass 12 von 16 Landesparlamenten dafür gestimmt haben, dass Berlin Hauptstadt wird. Es gilt, daran anzuknüpfen, diese Entscheidungen wieder in den Fokus zu stellen und mit diesen Entscheidungen die Debatte in der Föderalismuskommission zu führen.

[Beifall bei den Grünen]

Eine erfolgreiche Hauptstadtdebatte bedarf der Sensibilität und der Klugheit, in langen Bögen zu denken. Sie, Herr Regierender Bürgermeister, sind allerdings bisher durch das Porzellan der föderalen Verflechtungen gepoltert wie der Elefant durch den sprichwörtlichen Laden und haben immer nur drohend mehr Geld gefordert. Aber es braucht mehr, um die Menschen dieser Republik davon zu überzeugen, dass es in Berlin mehr gibt, mit dem sich zu identifizieren lohnt, als nur die Kuppel des Reichstages. Berlin muss das Gesicht dieser Republik sein und werden, nach innen und nach außen. Nehmen Sie endlich diese Herausforderung an!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Ratzmann! – Nunmehr hat der Regierende Bürgermeister das Wort für den Senat. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorab vielleicht nur einen Hinweis auf den Beitrag von Herrn Zimmer geben: Herr Zimmer, wenn Sie das Thema „Bundeshauptstadt – Hauptstadt in der Republik“ in eine Eurodebatte ummünzen, dann werden Sie keinen Erfolg haben. Dieser Ansatz, es fiskalisch zu betrachten, hier eine Auflistung zu machen, Kosten zu erheben und damit eine Forderung über die Hauptstadtfrage im Sinne der Föderalismusdiskussion zu erheben, das wird scheitern. Das ist der falsche Ansatz. So können wir in der Frage nicht miteinander umgehen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Es ist gut, dass das Thema Hauptstadt auf der Tagesordnung der deutschen Politik steht. Im Übrigen, Herr Ratzmann, es steht nicht erst seit drei Wochen auf der Agenda, sondern viele Politikerinnen und Politiker dieses Landes, auch der Vorgängersenate, haben selbstverständlich in ihrer Verantwortung das Thema Hauptstadt, auch die Fragen, die damit zusammenhängen, früher diskutiert und versucht, diesen Gedanken nach vorne zu bringen. Aber es gibt Zeiten, wo es sich anbietet, und es gibt Zeiten, wo es auch nicht gehört wird. 13 Jahre nach dem Umzugsbeschluss ist es tatsächlich an der Zeit, dass sich

die Republik, nicht nur Berliner Politikerinnen und Politiker, darüber klar wird, was Hauptstadt in einer föderalen Struktur bedeutet. Berlin ist die Hauptstadt aller Deutschen, nicht nur der Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Diese Aussage mag profan klingen,

[Ritzmann (FDP): Das stimmt!]

sie ist aber in der deutschen Republik noch nicht gelernt und noch nicht selbstverständlich. 55 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ist es an der Zeit, dass es in der deutschen Verfassung nicht nur einen Satz über die Bundesflagge gibt, sondern auch ein deutliches Bekenntnis zu Berlin als Bundeshauptstadt. Jetzt ist durch die Anstöße von vielen Bewegung in die Debatte gekommen. Das ist gut für die Republik, und das ist vor allen Dingen gut für Berlin.

Berlin ist für sehr viele Menschen aus ganz Deutschland und auch zunehmend aus der ganzen Welt höchst attraktiv geworden. Herr Liebich, Herr Momper und auch Herr Hahn haben darauf hingewiesen.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Millionen kommen in die Stadt als Touristen oder als Geschäftsreisende, um diese Stadt kennen zu lernen. Viele Menschen ziehen in diese Stadt, um hier ihre Zukunftsperspektiven zu verbessern. Berlin ist populär auch bei vielen Politikern, die ursprünglich gegen Berlin als Parlaments- und Regierungssitz gestimmt haben und sich in Berlin inzwischen sehr wohl fühlen. Zu nennen sind insbesondere der Bundespräsident, der natürlich als ehemaliger Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen für Bonn gekämpft hat, aber heute ein glühender Befürworter der Hauptstadt Berlin ist und auch sicherlich nach seiner Amtszeit in Berlin wohnen bleiben wird, oder auch der Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, der in seiner ehemaligen Funktion als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen ebenfalls andere Sichtweisen hatte. Auch auf ihn können wir uns heute als Bündnispartner verlassen. Das sind starke Bündnispartner, und diese brauchen wir auch. Berlin ist populär bei vielen Akteuren aus dem Bereich der Medien und der Öffentlichkeitsarbeit, die die kreative und offene Atmosphäre in Berlin schätzen. Vor allen Dingen viele junge Leute kommen in die Stadt. Es hat sich bundesweit eine Bewegung für Berlin formiert. Wo ehemals Ablehnung oder Skepsis vorherrschte, findet man heute Sympathie und Begeisterung – bei allen Problemen, die wir auch haben.

Es kommt hinzu, dass wir am Beginn einer neuen Ära in Europa stehen. In nur drei Monaten findet mit dem Beitritt unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn die Vereinigung Europas statt. Damit rückt Berlin von einer Randlage in die Mitte Europas. Dies wird aus Sicht des Auslandes auch so wahrgenommen. Berlin ist für Amerikaner, für Neuseeländer, für Europäer die künftige Mitte Europas. Berlin hat eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung eines gemeinsamen Europas.

Ratzmann

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Zeit ist auch reif für die Debatte um die Hauptstadt. Der Bundespräsident hat sich seine eigene Stellungnahme nicht leicht gemacht, aber er hat das Thema auf die Agenda gesetzt. Gleichzeitig spüren wir in diesen Tagen starken publizistischen Rückenwind. Es ist schon erwähnt worden, Herr Döpfner hat doch den Nagel auf den Kopf getroffen, als er bei der Einweihung des SpringerNeubaus auf die Bedeutung Berlins für die Wahrnehmung Deutschlands in der Welt hinwies, ein klares Bekenntnis zur Hauptstadt. Viele haben es gehört. Ich bin sicher, dass er nicht nachlassen wird, es weiter zu propagieren. Der große Artikel in der „Zeit“ vor kurzem war die beste Unterstützung für Berlin, weil er deutlich machte, wo einerseits in der Analyse die Probleme dieser Stadt liegen, aber auch, warum es wichtig ist, für die gesamte Republik Berlin zu unterstützen. Auch in der Föderalismuskommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ist ein Klima entstanden, in dem ernsthaft auch die Hauptstadtfrage diskutiert werden kann. Es passiert mir selten, dass ich Grund habe, den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber zu loben. Heute sage ich: Vielen Dank, Herr Stoiber, Sie haben mit zu diesem konstruktiven Klima beigetragen und sich zur Funktion der Hauptstadt in einem föderalen System bekannt! – Da hätte zumindest die CDU klatschen können, aber die hat offensichtlich nichts mehr mit der CSU zu tun. – Dann möchte ich auch Wolfgang Thierse, der als Bundestagspräsident das Thema Berlin bereits in der konstituierenden Sitzung mit Nachdruck angesprochen hat, und Franz Müntefering als Vorsitzendem der Kommission danken.

Ich nenne auch – obwohl ich nach Ihrer Rede, Herr Ratzmann, ein bisschen Zweifel bekommen habe – ausdrücklich Frau Ministerin Künast und Sie, die ebenfalls einen Vorschlag für die Verankerung der Hauptstadt im Grundgesetz entwickelt haben. Der Vorschlag ist nicht deckungsgleich mit dem Senatsvorschlag, aber er geht in der Sache in die gleiche Richtung. Ich bin sicher, dass wir im Lauf der weiteren Debatten inhaltlich sehr eng beieinander sein werden und so das Optimum für Berlin herausholen können. Ich bin allerdings definitiv anderer Auffassung als Sie, wenn Sie glauben, es mit der Leistungspflicht der Länder im Artikel 22 verkoppeln zu können; dann wird dieser Vorstoß scheitern. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es im Interesse von Berlin wäre zu sagen: Jede Vereinbarung mit dem Bund muss mit der Zustimmung des Bundesrates erfolgen. – Dies ist in der praktischen Umsetzung nicht möglich. Es führte auch nicht zu günstigen Ergebnissen für Berlin. Selbstverständlich ist es eine Aufgabe für die Länder, hinter der Hauptstadt zu stehen, aber bei Geld hört meistens die Freundschaft auf, und dann wollen wir das auch nicht zu sehr belasten, sondern diese emotionale Zuneigung, die wir brauchen, auch deutlich regulieren.

Wir haben einen vernünftigen Vorschlag gemacht. Er wird diskutiert werden. Ob er 1:1 umgesetzt werden kann, werden wir sehen. Aber es ist wichtig, dass wir alle gemeinsam die Interessen Berlins vertreten und gleichzeitig

dazu beitragen, dass eine wichtige Frage, die unser Gemeinwesen als Ganzes betrifft, in angemessener Form besprochen wird. Dazu brauchen wir in der Tat die parteiübergreifende Hilfe und kein parteipolitisches Hickhack.

Um was geht es konkret? – Mein Vorschlag ist, den bisherigen Flaggenartikel 22 zu ergänzen. Dort soll Berlin als Bundeshauptstadt und als Sitz von Verfassungsorganen des Bundes festgeschrieben werden. Zugleich schlage ich vor, Hauptstadtkompetenzen und -aufgaben klar zwischen dem Bund und Berlin aufzuteilen und die Finanzierung so zu regeln, dass entweder der Bund selbst tätig wird oder dem Land Berlin die Kosten erstattet werden. Dies ist keine Garantie für irgendeine Zahlung, aber es ist ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf die Finanzierung der Hauptstadt, den es so bislang noch nicht gegeben hat. Selbstverständlich kann man es auch mit Gesetzen oder Verträgen regeln, aber wir sind in der Föderalismuskommission in einer Verfassungsdiskussion. Und da gehört es dazu, in der deutschen Verfassung die Hauptstadtaufgaben und auch deren Finanzierung zu verankern.

[Beifall bei der SPD – Dr. Lindner (FDP): Am Schluss der Debatte, am Schluss eines Prozesses, nicht in der Mitte!]

Wir dürfen nicht vergessen, dass alle diese Themen alle Streitthemen waren. Wir haben uns doch immer gestritten: Ist es Aufgabe des Bundes, auch für erhöhte Sicherheitsleistungen da zu sein? – Es ist doch nicht automatisch gekommen. Wir haben die Situation gehabt, dass zu früheren Zeiten Bundeskanzler Kohl, obwohl er heute auch zu den Unterstützern der Hauptstadt gehört, doch eher reserviert war, wenn Berlin irgendetwas haben wollte, und Diepgen gar nicht weitergekommen ist.

[Cramer (Grüne): Aber er hat für Berlin als Hauptstadt gestimmt!]

Wir haben gesehen, dass die neue Bundesregierung offener war, aber leider auch nicht so offen, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben auch die Situation gehabt, dass andere Länder geguckt haben, was in Berlin passiert, ob es gegen den Föderalismus oder gegen die Länderinteressen geht. Es sind doch alles Streitthemen gewesen. Und es würde ein eindeutiges Bekenntnis aller politischen Kräfte, des Bundes und der Länder, mit diesem Artikel 22 in der veränderten Fassung, weil dies eine andere Grundlage wäre.

Es geht nicht allein ums Geld und schon gar nicht nur um einen kurzfristigen Finanzbedarf. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dies in jeder Debatte zu betonen. Das Grundgesetz sollte man mit solchen Fragen der Tagespolitik nicht belasten. Es geht darum, die Rolle der Hauptstadt zu definieren und für die spezifischen Hauptstadtaufgaben einen sauberen Finanzierungsmodus zu schaffen. Knapp 13 Jahre ist die Entscheidung für Berlin als Sitz von Parlament und Regierung her. Wenn wir uns die damalige Debatte im Bundestag ansehen, dann ist es schon erstaunlich, dass die vielen Berlinskeptiker, die einen Sogeffekt in Richtung Berlin befürchteten, ein Ausbluten anderer Regionen prophezeit hatten und in Berlin

RBm Wowereit

ein Symbol nationaler Großmachtträume sahen und eine Abwendung von Europa befürchteten, Unrecht hatten. Nichts von alledem ist eingetreten, vom Ausbluten keine Spur, und von einem nationalen Sonderweg oder gar einem antieuropäischen Kurs kann schon gar nicht die Rede sein.

Heute sind wir froh darüber und dankbar dafür, dass die Hauptstadtentscheidung am 20. Juni 1991 für Berlin getroffen worden ist. Es war die richtige Entscheidung für die Bundesrepublik Deutschland. Und es war selbstverständlich eine gute Entscheidung für Berlin.

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]

Nur eines hat in der großen Debatte vom 20. Juni 1991 niemand wirklich bedacht: dass Berlin auch 13 Jahre später immer noch an den Folgen der Teilung leiden würde, dass das Steueraufkommen immer noch nicht dem vergleichbarer westdeutscher Städte entspricht und es auf Grund der extremen Haushaltsnotlage notwendig sein würde, die Hilfe des Bundes und der Länder einzufordern. Das Thema Hauptstadt ist ein wichtiger Teil der notwendigen Antwort auf unsere Lage, denn um die Hauptstadtfunktion bündeln sich viele Bereiche wie Arbeitsplätze in der Stadt schaffen und sichern, von den Medien über den so verschrieenen Beratungssektor, das Messe- und Konferenzwesen, Tourismus, das Kulturleben, das Taxigewerbe, die Hotellerie, die Gastronomie bis hin zu den internationalen Institutionen. Sie alle – und man könnte weitere Bereiche aufzählen – leben zu einem guten Stück davon, dass Berlin die Hauptstadt ist.

Insofern ist der Hauptstadtaspekt ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt und eine der ganz großen Stärken Berlins, auf die wir setzen und die wir immer weiter ausbauen werden. Wenn sich ein großer Arbeitgeber entschließt, nach Berlin zu kommen, nehmen wir ihn mit offenen Armen auf und helfen bei der Realisierung seines Projekts. So machen wir es bei Anschutz und seinem großen Projekt am Ostbahnhof, das für das ganze Quartier eine Schlüsselrolle spielt und das wir von Anfang an eng begleitet haben. So machen wir es bei den neuen Modemessen, die mit Erfolg gestartet sind, bei großen Ausstellungen, auf die wir uns freuen dürfen, der Flick Collection und dem fotografischen Werk von Helmut Newton, der Berlin noch wenige Monate vor seinem Tod dieses wunderbare Geschenk gemacht hat. So machen wir es auch, wenn große Institutionen des Bundes nach Berlin kommen. Und meine Damen und Herren von der Union, wenn Einrichtungen wie der Bundesnachrichtendienst oder das Bundeskriminalamt nach Berlin kommen, dann denke ich doch nicht als erstes an mögliche Probleme, sondern an die Chancen für Berlin durch die Schaffung von mehreren Tausend Arbeitsplätzen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wenn es dann noch Probleme bei der Ansiedlung gibt, dann bin ich sicher, dass wir diese auch lösen werden. Was kann uns denn besseres passieren, als dass wir ein solches Geschenk an Arbeitsplätzen erhalten? Und die Ansiedlung des BND hat sehr schön gezeigt, dass es um

die richtige Einstellung, um eine hauptstädtische Haltung geht.

[Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Nicht Berlin hat den Umzug gefordert, sondern der Bundesinnenminister hat aus fachlichen Gründen diese Entscheidung getroffen. Ein Stück Normalität soll wiederhergestellt werden. An dieser Stelle möchte ich Bundesinnenminister Schily ausdrücklich Dank sagen für die mutigen Entscheidungen. Bei allem Verständnis für die Belange der betroffenen Mitarbeiter sei aber angemerkt: Die Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland müssen im Vordergrund stehen. Und im Beamtenrecht gibt es nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.