Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Frau Staatssekretärin JungeReyer beantwortet diese Anfrage und hat das Wort dazu. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Oesterheld! Ich gehe davon aus, dass Sie sich auf eine Pressemitteilung des Landeskriminalamtes Brandenburg aus der letzten Woche beziehen. Dort hat das Landeskriminalamt u. a. mitgeteilt, dass im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Schwerpunktabteilung Korruption der Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen mehrere Beschuldigte im Zusammenhang mit den Bauvorhaben Flughafen Berlin-Schönefeld (alt) – so die Staatsanwaltschaft – und Rummelsburger Bucht bzw. Alter Schlachthof in Berlin u. a. wegen des Verdachts von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen ermittelt wird. Konkret geht es dabei um den Verdacht von Submissionsabsprachen und verdeckten Bietergemeinschaften. Dazu wurden freihändige Auftragsvergaben nach vorgenommenen Teilnahmewettbewerben im Zusammenhang mit einer Vielzahl von Abbruch- und Bauarbeiten betrachtet.

Sie müssen verstehen, dass wir uns erst am Beginn eines solchen Ermittlungsverfahrens befinden und in einer solchen Situation zu Einschätzungen über mögliche Hintergründe, aber auch zu der Frage, in welchem Umfang Betroffene bzw. Schäden für das Land Berlin in irgendeiner Weise festzustellen wären, noch nichts gesagt werden kann. Die Ermittlungen richten sich nicht gegen das Land Berlin – also z. B. nicht gegen die Entwicklungsträger Eldenaer Straße –, sondern sie richten sich gegen diejenigen, die hier möglicherweise – so der Verdacht, der bisher geäußert worden ist – Submissionsabsprachen vorgenommen haben.

Zu Frage 2: Der Senat hat bereits seit einiger Zeit erhebliche organisatorische Vorkehrungen getroffen. Dies wird unterstützt durch das Vergabe- und das Vertragsrecht, das eine solche Vorsorge gegen Preisabsprachen in erheblichem Umfang beinhaltet.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nennen: Dort sind die Planung, die Vergabe und die Durchführung von Baumaßnahmen organisatorisch getrennt. Das heißt, dass durch zwei zentrale Vergabestellen die ordnungsgemäße Vergabe von Bauleistungen gewährleistet ist. Wir regeln dies – und es ist erforderlich, dies so kleinteilig zu schildern – durch dezidierte interne Arbeitsanweisungen auf der Grundlage der VOB und der LHO. Dies führt dazu, dass es in einem erheblichem Umfang eine Trennung von Zuständigkeiten zwischen den bauenden Bereichen, den planenden Bereichen und denjenigen, die für die Vergabe und den Einkauf in unserem Hause zuständig sind, gibt. Dies führt auch dazu, dass z. B. diejenigen, die technisch für die Klärung der Vorrausetzungen für eine Vergabe zuständig sind, lediglich die technischen Vorraussetzungen wiederum an eine andere Dienststelle melden, die dann die Vergabe und den Einkauf regelt.

Darüber hinaus können selbstverständlich – und das ist dann eine Frage des Vergabe- und des Vertragsrechts – durch die Wahl der richtigen Verfahrensart erhebliche Vorkehrungen getroffen werden. Das heißt, dass die Verfahrensarten, wenn sie ausgewählt werden – und zwar zwischen der öffentlichen Ausschreibung und der freihändigen Vergabe und der beschränkten Ausschreibung –, hinreichend begründet werden müssen. Wir sind uns darin übrigens mit dem Rechnungshof von Berlin einig.

Wir können selbstverständlich nicht durch all das, was wir organisatorisch und vorbeugend tun, jede kriminelle Energie von vornherein zum Misserfolg führen. Wir können uns nicht gegen jede Absprache und gegen jeden Versuch einer intensiven Straftat schützen. Deshalb ist es wichtig, auch auf die möglichen Sanktionen zu verweisen. Es ist zum Beispiel möglich, dass immer dann, wenn nachweislich Preisabsprachen bestanden haben, selbstverständlich die entsprechenden Verfolgungsbehörden informiert werden Das bedeutet aber auch, dass wir als Land Berlin aus dem Unternehmer- und Leistungsverzeichnis, das dazu da ist zu identifizieren, an wen öffentliche Aufträge vergeben werden können, streichen. Wir schließen die Möglichkeit einer weiteren Auftragsvergabe durch den öffentlichen Dienst in nachgewiesenen Fällen aus und setzen somit auch präventiv eine Grenze, die wiederum abschreckend wirkt.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Es gibt eine Nachfrage von Frau Oesterheld – bitte!

Sie haben uns dargestellt, was Sie alles schon getan haben. Dennoch sind Sie sicher

lich mit mir einer Meinung, dass diese Vorkehrungen nicht dazu geführt haben, dass Sie diese Preisabsprachen erkannt haben. Warum sind nicht solche Kontrollsysteme eingeführt worden, wie dies von Transparency International schon lange in Form von Aufstellung von Listen gefordert wird, wer Angebote gibt, wer die Zuschläge erhält? – Es gibt Vorschläge von Transparency, das zu tun, damit man Preisabsprachen genau kontrollieren kann, während wir mehr von anderen Auftragsvergaben gesprochen haben.

Frau Staatssekretärin JungeReyer – bitte!

Herr Präsident! Frau Oesterheld! Allein das pure Erfassen im Rahmen einer Statistik, wer jeweils Aufträge erhält, führt dazu, dass man kritisch hinsehen kann. Es führt gegebenenfalls dazu – und gelegentlich tun wir dies –, im Rahmen unserer Innenrevision, auch im Rahmen unserer landesweit sehr anerkannten Versuche mit den Bezirken, zusammen präventiv gegen Korruptionsbekämpfung vorzugehen. Wenn wir solche Listen betrachten, können wir erkennen, ob und in welchem Umfang immer wieder Ausschreibungen gewonnen werden. Wir können allerdings nicht von dem häufigen Gewinnen einer Ausschreibung und von dem häufigeren Auftauchen in einer solchen Liste allein darauf schließen, dass schon ein Verdacht einer solchen Preisabsprache oder einer Begünstigung besteht. Wir können dann, wenn wir glauben, nähere Erkenntnisse zu haben, mit sehr intensiven Mitteln der Innenrevision Betrachtungen vornehmen. Ich warne davor, diejenigen, die häufig eine Ausschreibung gewinnen, die häufig erfolgreich sind, wenn es darum geht, einen Auftrag zu erlangen, von vornherein dem Verdacht solcher Preisabsprachen oder unlauterer oder betrügerischer Machenschaften auszusetzen.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Es gibt eine Nachfrage von Oesterheld – bitte!

Frau Staatssekretärin! Das Abgeordnetenhaus hat im Juni 2001 beschlossen, dass dem Abgeordnetenhaus solche Auftragsvergaben ab einer bestimmten Höhe vorzulegen sind. Das ist bis heute nicht geschehen. Wir könnten Ihnen bei der Bekämpfung solcher Preisabsprachen helfen, wenn Sie uns die Unterlagen vorlegen würden.

Frau Staatssekretärin!

Herr Präsident! Frau Oesterheld! Auch wenn Sie vielleicht gerade keine Frage an mich gerichtet haben,

[Frau Oesterheld (Grüne): Doch!]

darf ich Ihnen versichern, dass uns die Hilfe des Abgeordnetenhauses recht ist. Allerdings will ich Sie darauf verweisen, dass wir dem Hauptausschuss gegenüber nach

meiner Kenntnis auch anlässlich der Hauptausschussberatungen immer wieder berichten und ich glaube auch jüngst noch berichtet haben.

Zu der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen welche Vergabeart gewählt wird, haben wir eine ausführliche Diskussion gehabt. Nachvollziehbar haben wir dargestellt, auf welche Weise sich die Vergabe in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den bauenden Bereichen vollzieht.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Goetze. – Bitte schön, Herr Goetze!

Frau Staatssekretärin! Angesichts der Tatsache, dass man in den Medien immer wieder von Verurteilungen wegen Vorteilsnahme oder Preisabsprachen lesen kann, interessiert mich zu erfahren, inwieweit in diesem Zusammenhang in Ihrem Haus sichergestellt ist, dass ein automatisches Streichen der damit involvierten Unternehmen aus dem Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis stattfindet. Ist es nicht vielmehr so, dass das Verhältnis der bekannt gewordenen Fälle und der Streichungen in einem krassen Missverhältnis steht, weil Ihr Haus insgesamt so gut wie keine Konsequenzen aus diesen bekannt gewordenen Fällen zieht?

Frau Staatssekretärin JungeReyer – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Goetze! Ich habe mir anlässlich dieser Anfrage selbstverständlich die Statistik des Streichens aus dem ULV noch einmal angeschaut. Ich darf Ihnen von 7 Streichungen aus dem Unternehmer- und Leistungsverzeichnis der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in einem überschaubaren, noch nicht lange zurückliegenden Zeitraum berichten. Ich sage Ihnen, dass wir in einer Situation, in der wir eine solche Streichung vornehmen, uns einerseits verpflichtet fühlen, dafür zu sorgen, dass sie nicht nur von unserer Verwaltung umgesetzt und durchgesetzt wird, sondern dass sich auch andere Baudienststellen wie beispielsweise die Bezirke daran halten. Andererseits müssen wir aber auch anerkennen, dass sich gegebenenfalls Unternehmer gegen eine solche Streichung wehren. Wir können natürlich nicht von vornherein ein Rechtsmittel oder die Inanspruchnahme eines Widerspruchs ausschließen. Willkür darf hier auch nicht stattfinden.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Trapp von der Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Trapp!

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Nach Ihren Aussagen sind Sie für die präventive Bekämpfung der Korruption. Werden Sie deshalb nachher in der Beratung zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsge

setz auch den Tatbestand der Korruption in den § 17 Abs. 3 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes einbringen, damit präventiv gegen Korruption gekämpft werden kann?

Frau Staatssekretärin JungeReyer – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlässlich der Diskussion um das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz sind wir heute nicht in der Situation, dass der Senat noch weitere Vorschläge einbringt. Wir sind im Verfahren so weit fortgeschritten, dass sich bereits das Abgeordnetenhaus in der Situation befindet, gegebenenfalls Veränderungen in die Beratung einzubringen.

Danke schön, Frau Staatssekretärin!

Jetzt hat der Abgeordnete Radebold das Wort zu einer Frage über

„Ausdünnung“ des S-Bahnverkehrs zum Flughafen Schönefeld

Bitte schön, Herr Radebold, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Treffen Pressemeldungen zu, wonach die S-Bahn GmbH beabsichtigt, ab Sommer dieses Jahres die Zugfolge zum Flughafen Schönefeld einzuschränken und nur noch im 20-Minuten-Takt zu verkehren?

2. Hält der Senat diese Planungen für sinnvoll angesichts der für dieses Jahr zu erwartenden starken Zunahme von Flugverbindungen am Flughafen Schönefeld durch die so genannten „Billig-Fluglinien“, und was gedenkt er zu tun, um eine Verschlechterung der Anbindung des Flughafens Schönefeld durch den schienengebundenen Nahverkehr zu vermeiden?

Danke schön, Herr Radebold! – Frau Staatssekretärin Junge-Reyer hat das Wort zur Beantwortung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Radebold! Es ist zutreffend, dass es eine geringfügige Veränderung der Zugfolge der S-Bahnverbindung zum Flughafen Schönefeld geben wird. Diese Veränderungen stehen allerdings in keinem Zusammenhang mit dem nun paraphiert vorliegenden S-Bahnvertrag zwischen der S-Bahn GmbH und dem Land Berlin.

Das Bestellvolumen der von der S-Bahn in 2004 zu erbringenden Verkehrsleistung bleibt unverändert. Allerdings sind im Zusammenhang mit sich verändernden

Nachfragesituationen und mit den Bauarbeiten im Netz für das Jahr 2004 neue Schwerpunkte im Linienangebot und in der Taktfolge vorgenommen worden. So wird – darauf haben Sie hingewiesen – mit der Inbetriebnahme der Stadtbahn zwischen Zoo und Charlottenburg der Fahrplan umgestellt und in diesem Rahmen wird auch die S 45 von der Herrmannstraße bis zum Flughafen Schönefeld an den Wochenenden – das betone ich ausdrücklich – nicht mehr verkehren. Die S 9 zwischen Stadtbahn und Flughafen Schönefeld verkehrt unverändert auch am Wochenende im 20-Minuten-Takt. An Werktagen bleibt das gesamte Angebot gegenüber heute unverändert.

Grundlage für diese Entscheidung zur Einstellung der S 45 an den Wochenenden war eine Auslastungsanalyse. Danach hat die Auslastung an den Wochenenden bei den Zügen der S 45 zwischen 0,1 % und 5,1 % gelegen. In einigen Zügen saßen tatsächlich an Wochenenden keine Fahrgäste. Der Senat hält also den Einsatz der Linie 45 am Wochenende wirtschaftlich zur Zeit nicht vertretbar. Dennoch geht es nach wie vor um die Qualität der Anbindung des Flughafens Schönefeld auch an den Wochenenden. Ohne die S 45, das heißt selbst bei einer Zunahme der Flugverbindungen, muss es eine angemessene Anbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr in einem Umfang geben, der mit Sicherheit den Ausfall der S 45 am Wochenende nicht zu einer schwierigen Folge für die Nutzer der S-Bahn werden lässt.

Das Rückgrat der Erschließung des Flughafens Schönefeld bilden die Flughafenexpresslinien. Das sind die Linien RE 4 und RE 5, die zusammen – auch an den Wochenenden – den Halbstundentakt gewährleisten. Die SBahnlinie 9 mit dem 20-Minuten-Takt hat eine nach wie vor ergänzende Funktion hinsichtlich der Flächenerschließung. Zusätzlich zum Flughafenexpress und zur SBahn ist der Flughafen Schönefeld über die Buslinie 171 am Wochenende an die U-Bahnlinie U 7 in Rudow angebunden.

Wir werden – und das ist mit der S-Bahn verabredet – die Besetzung der Züge zum Flughafen Schönefeld nach dem 19. April, insbesondere am Wochenende, weiter beobachten. Wenn dann – wider Erwarten – das Angebot der Regionalexpresslinien RE 4 und RE 5 und der S-Bahnlinie 9 nicht ausreichen sollte, wird der Senat mit der S-Bahn über eine neue Prioritätensetzung mit dem Ziel der Verstärkung dieses Angebotes Gespräche führen.

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Der Kollege Radebold hat eine Nachfrage und hiermit das Wort.

Frau Staatssekretärin! Sie werden mir sicher zustimmen, dass das Berliner S-Bahnnetz das Rückgrat unseres Nahverkehrssystems ist. Der Zugang zu den RE-Zügen ist, bedingt durch seine territoriale Lage, nicht so universell wie zu der S-Bahn. Deshalb halte ich die S-Bahnanbindung für absolut notwendig und bitte Sie, mir zu sagen, ob im Rahmen des bestehenden Vertrages

dann auch andere Prioritäten gesetzt werden können, wenn sich der Bedarf so entwickelt, wie es sich gegenwärtig auf Grund der Angebote der Billigflieger darstellt.

Frau Staatsekretärin JungeReyer – bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Radebold! Sie haben vorhin bereits darauf hingewiesen, dass wir eine gestiegene Nachfrage nach Verkehrsleistungen auf dem Flughafen Schönefeld zu verzeichnen haben. Es hat ergänzende Beobachtungen zum Fahrgastverhalten gegeben, und zwar zu der Frage, auf welchem Weg die Berlinerinnen und Berliner sowie die Gäste aus dem Umland vorzugsweise zum Flughafen gelangen.

Es hat sich herausgestellt, dass offenbar das zunehmende Angebot an Ferienflügen dazu führt, dass es die Fluggäste, mit Kindern und Koffern, bevorzugen, das günstige Angebot in Anspruch zu nehmen, dort mit ihrem Auto Langzeit zu parken, dies insbesondere dann, wenn sie am Wochenende – typisch für die Feriensituation – abfliegen. Wir werden diese Situation genau beobachten, und wir werden beobachten, wie das Fahrgastaufkommen in den Regionalzügen ist.

Wenn es dann erforderlich sein sollte, zusätzliche Angebote zu machen, wird es im Rahmen der für die SBahn verabredeten Summe möglich sein, neue Prioritäten zu Gunsten einer Verdichtung des S-Bahnverkehrs vorzunehmen. Das ist so verabredet. Es bedarf allerdings einer etwas längerfristigen Beobachtungsphase.

Nun ist der Kollege Cramer mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön!