Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Die Historie des Freiwilligen Polizeidienstes ist hinreichend bekannt. Sie haben es angesprochen. Er entstand in Zeiten des kalten, des ganz Kalten Krieges. Diese Institution hatte zu diesem Zeitpunkt ihre Berechtigung. Nicht nur das: Wir alle haben ganz guten Grund, einem großen Teil dieses Freiwilligen Polizeidienstes der hier mittuenden Berlinerinnen und Berlinern unseren Dank zu sagen [Gewalt (CDU): Endlich!]

für ihr Engagement, für ihre Bereitschaft, viele Stunden auch – nicht immer nur, aber auch – ihrer Freizeit für den Dienst der guten Sache, der letztlich zu unserem Schutz gedacht war, zu stellen. [Gram (CDU): Nach dem Motto: Ihr wart gut, aber jetzt dürft Ihr gehen?]

Frau Hertel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lindner?

Wenn es der Wahrheitsfindung dient.

Immer.

Ihre Antwort wird das ergeben. – Wenn mich mein Gedächtnis nicht völlig trübt, Frau Kollegin Hertel, liegen die Koalitionsverhandlungen, die wir gemeinsam führten im Innenausschuss ein, zwei Monate zurück.

[Sen Dr. Körting: Das haben wir doch gestern schon im Hauptausschuss gehört!]

Waren es nicht genau Sie, Frau Kollegin Hertel, gemeinsam mit Frau Kollegin Flesch, die uns, die FDP, aber auch die Grünen, mit inbrünstiger Überzeugung von der Erforderlichkeit des Erhalts des Freiwilligen Polizeidienstes überzeugen wollten?

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Ja, das ist wahr!]

War es dann, wenn Sie jetzt nach so kurzer Zeit zu einer Änderung Ihrer Auffassung gekommen sind, völlig aus der hohlen Hand, wie Sie damals für den Freiwilligen Polizeidienst gesprochen haben? [Zuruf des Abg. Lorenz (SPD) – Weitere Zurufe von der SPD]

Inbrunst oder nicht Inbrunst, das ist die Frage. – Bitte schön!

Also Herr Dr. Lindner, mit der Inbrunst der Überzeugung kann ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht für den Erhalt gesprochen haben, weil ich im Gegensatz zu einigen anderen Kollegen in diesem Haus – wobei ich meine Fraktion wirklich ausnehmen möchte – tatsächlich erst prüfe und dann entscheide und die Zahlen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlagen.

[Beifall von der SPD – Ach! von der FDP – Ritzmann (FDP): Das ist doch absurd!]

Ich darf zurückkommen zu meinem eigentlich kurz gedachten Redebeitrag.

[Ritzmann (FDP): Sie dürfen, aber Zurufe sind erlaubt!]

Der ursprüngliche und originäre Grund für die Gründung des Freiwilligen Polizeidienstes – damals Freiwillige Polizei-Reserve – ist weggefallen und hat zu nicht ganz unwesentlichen Aufgabenänderungen für den Freiwilligen Polizeidienst geführt. Sie üben heute zu einem großen Teil originäre hoheitlichen Aufgaben in ihrer unmittelbarsten Form aus, Aufgaben, die wir künftig nur noch von im Polizeidienst Ausgebildeten und Beschäftigten erledigt und bearbeitet wissen wollen.

[Wieland (Grüne): Aha!]

Ich bitte sie daher, den Antrag abzulehnen.

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Hertel! – Es geht weiter. Und für die Fraktion der CDU hat das Wort der Herr Kollege Gewalt. – Bitte schön!

[Wieland (Grüne): Ge-walt!]

Beides ist korrekt.

Herr Kollege Wieland, das haben wir ja schon hinter uns, nicht?

[Wieland (Grüne): Na gut! Kein Gewalt, Ge-walt!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hertel! Lange hat es ja gedauert, aber besser später als gar nicht. Sie haben sich heute zu einem Dank an die ehrenamtlichen Helfer des Freiwilligen Polizeidienstes durchgerungen. Ich hätte das schon zu einem früheren Zeitpunkt auch einmal vom Innensenator erwartet.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Es ist keineswegs selbstverständlich, bei Wind und Wetter auf die Straße zu gehen und ehrenamtlich für das Gemeinwesen einzutreten und die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu schützen.

[Wieland (Grüne): Wird bezahlt!]

Insoweit ist den ehrenamtlichen Helfern dieses Freiwilligen Polizeidienstes in der Vergangenheit nicht viel Gutes von Rot-Rot und auch von den Sozialdemokraten widerfahren. Das bedauere ich außerordentlich.

In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, dass Sie das Ehrenamt fördern wollen, sogar unterstrichen und mit Ausrufezeichen. Damit ist ja wohl kaum zu vereinbaren, dass Sie als ersten Schritt zur Förderung dieses Ehrenamtes 600 ehrenamtliche Helfer in die Wüste schicken wollen, das passt irgendwie nicht zusammen. Da ist das Angekündigte mit dem Getanen nicht in Vereinbarung zu bringen.

[Beifall bei der CDU]

Erstmals im Hauptausschuss haben Sie, Herr Innensenator, gestern zugegeben – das war nicht immer so –, dass der Freiwillige Polizeidienst schwarze Zahlen erwirtschaftet. Haushalteri

sche Gründe hat die Abschaffung des Freiwilligen Polizeidienstes also nicht, das sagen Sie mittlerweile ja selbst. Die Abschaffung des Freiwilligen Polizeidienstes hat schlicht und ergreifend ideologische Gründe, und die liegen bei der PDS. Die Partei, wegen der einmal der Freiwillige Polizeidienst – damals noch die Freiwillige Polizei-Reserve – vor über 40 Jahren aufgestellt wurde, im freien Teil von Berlin damals,

[Doering (PDS): Vollkommen ideologiefrei!]

diese Partei schafft heute diese Freiwillige Polizei-Reserve ab. Das ist doch eine pittoreske Situation.

[Beifall bei der CDU]

Nach dem 11. September 2001, Herr Innensenator, nach den dramatischen Ereignissen in den Vereinigten Staaten, haben Sie, und daran erinnere ich Sie noch einmal, gegenüber der Presse erklärt, auch die Sozialdemokraten haben dieses getan: Wir brauchen den Freiwilligen Polizeidienst. Er muss die Vollzugspolizei ergänzen, damit diese ihre wichtigen Aufgaben in vollem Umfang noch wahrnehmen kann. – Sie haben sogar beabsichtigt, den Freiwilligen Polizeidienst von 500 auf 1 500 Mann zu verdreifachen, so war es im „Tagesspiegel“ zu lesen. Jetzt wollen Sie von dem allen nichts mehr wissen. Der 11. September 2001 liegt ja schon ein paar Monate zurück. Dann kann man ja darüber den Mantel der Nächstenliebe decken und ein Opfer an den neuen Koalitionspartner PDS erbringen, der aus rein ideologischen Gründen aus einem alten Feindbild Ost-West heraus, diesen Freiwilligen Polizeidienst abschaffen will. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Krestel?

Nicht bei 5 Minuten Redezeit, das verlängert nur die Debattendauer. – Mich würde interessieren, meine Damen und Herren, Herr Innensenator, wie Sie angesichts der Tatsache, dass Sie 500 Polizeibeamte im Vollzugsdienst einsparen wollen – übrigens als einziges Bundesland bundesweit, alle anderen Bundesländer haben nach dem 11. September 2001 Verstärkungsmaßnahmen vorgenommen – begründen wollen, zusätzlich noch auf 600 ehrenamtliche Polizisten in der Stadt verzichten zu wollen. Wenn Sie dann noch behaupten, dass dadurch die Sicherheit der Stadt nicht beeinträchtigt ist, dann weiß ich nicht, ob Sie wirklich noch an das glauben, was Sie hier erzählen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Gewalt! – Für die Fraktion der PDS dramaturgisch richtig antwortet und spricht Frau Seelig!

[Klemm (PDS): Nach Gewalt kommt Seelig! – Wieland (Grüne): Ist doch kein Theater, denn dann hätte es keine Zuschauer! Hat ja auch keine! Autistenversammlung ist das inzwischen hier!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gewalt! Man muss ja allen zubilligen, dass sie sich mit Themen auseinander setzen, wenn sie aktuell sind, und dann auch Entscheidungen unter Umständen korrigieren. Die SPD ist da in keiner schlechten Gesellschaft. Die Gewerkschaft der Polizei, die ja durchaus ansonsten viele Positionen vertritt, die Ihnen nahestehen, verlangt schon seit Jahren die Auflösung der Freiwilligen Polizei-Reserve und war mit uns gemeinsam entsetzt, als 1999 die FPR in den Freiwilligen Polizeidienst umbenannt und ihre Aufgabenbefugnis sogar noch erweitert wurde. Da haben wir auch das Problem.

Hinzu kam jetzt die Überwachung des Straßenverkehrs, der polizeiliche Streifendienst und der Schutz öffentlicher Veranstaltungen. Diese Tätigkeiten greifen direkt in das Gewaltmonopol

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des Staates ein, zumal die Polizeidienstler nach nur zweiwöchiger Ausbildung nicht nur auf nichts ahnende Bürgerinnen und Bürger stoßen, die selbstverständlich davon ausgehen, wenn sie von Polizei belangt werden, dass dies ausgebildete Polizistinnen und Polizisten sind, sondern dass sie dazu noch eine Waffe tragen.

[Zuruf des Abg. Wansner (CDU)]