Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

[Heiterkeit – Wieland (Grüne): Alle, mit Ausnahme der CDU!]

Ich darf festhalten, dass dieses Ziel, was wir in verschiedenen Konstellationen gemeinsam verhandelt haben, richtig ist und dieses Ziel des Senates auch meines ist, nämlich den Schulen und damit den Schulleiterinnen und Schulleitern die Möglichkeit zu geben, einen bestimmten Prozentsatz, nämlich 2 Prozent, ihres Personaleinsatzes zur flexiblen Verwendung im Fall notwendiger Vertretungen zu Verfügung zu stellen.

Ich lege insbesondere Wert auf die Flexibilität. Das ist ja im öffentlichen Dienst ein weites Feld. Für manche bedeutet flexibel, wenn nach vier Monaten jemand da ist. Ich meine mit flexibel, dass binnen Wochenfrist ein ausgebildeter Pädagoge in der Schulen den Vertretungsunterricht aufnehmen kann.

Das dazu notwendige Gesetzeswerk wird, so hoffe ich, im Frühjahr dieses Jahres das Parlament erreichen. Ich hoffe auch sehr, dass das Parlament das so zügig berät, dass wir das dann im neuen Schuljahr 2002/2003 für die Schulen, die das wollen, auch wirklich machen können.

Danke schön! – Frau Senftleben, Ihre erste Nachfrage! – Bitte schön!

Ich hoffe, es bleibt bei dieser einen Nachfrage, Herr Senator! Ich stelle diese Frage ja nicht von ungefähr: Sie haben auch sicher den Bericht in der „Morgenpost“ gelesen, dass bereits insbesondere von der GEW aber auch von Seiten Ihres Koalitionspartners diese Regelung kritisiert wird. Deswegen frage ich Sie: Wie sehen Sie die Chancen für diese Regelung?

Herr Senator Böger, bitte!

Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Senftleben! Natürlich lese ich Zeitungen. Ich glaube aber nicht jeden Bericht, den ich dort lese. Torpediert von einem Koalitionspartner, das kann ja gar nicht sein. Ich habe eine gewisse militärische Grunderfahrung: Torpedos gehen immer unter Wasser. Das kann ja unter Koalitionspartnern eigentlich nicht sein.

Dass es Gespräche zu diesen Fragen gibt, ist auch klar. Es ist richtig, dass die GEW als größter Lehrerverband an diesen Gesprächen beteiligt ist. Ich sage Ihnen – und da will ich auch nicht wie die Katze um den heißen Brei reden –, ich möchte hier festhalten, dass es dem Senat und auch mir persönlich überhaupt nicht darum geht, wichtige, aus dem Grundgesetz abgeleitete und in unserer Personalvertretungsrecht eingeflossene Mitbestimmungsrechte zu tangieren. Das ist überhaupt nicht die Absicht des Senats und der Koalition. Aber ich finde, dass sich Mitbestimmungsrecht auch in die Notwendigkeit der Dienstleistung einfügen muss. Nach meiner Überzeugung ist das Wichtigste, weswegen wir staatliche Schulen und generell Schulen haben, Schülerinnen und Schülern ansprechenden und qualitätsvollen Unterricht zu bieten. Alles andere hat sich dem unterzuordnen.

[Beifall bei der SPD]

Frau Senftleben, haben Sie eine zweite Nachfrage? Dann haben Sie jetzt das Wort.

[Frau Senftleben (FDP): Nein, vielen Dank für die Antwort, Herr Böger!]

Dann hat jetzt das Wort der Abgeordnete Mutlu von den Grünen. – Bitte!

Ich frage den Senat: Wie soll das in der Praxis aussehen? Wie sollen die Schulen mit diesen 2 Prozent umgehen? Sollen sie selber zu den Arbeitsämtern laufen? Sollen sie inserieren? Zweitens: In welcher Art und Weise werden Schulleiterinnen und Schulleiter eine Fort- oder Weiterbildung erhalten, damit sie auch mit diesen Zuständigkeiten wie Personalmittelbutgetierung u. a. umgehen können?

Danke schön! – Herr Böger!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Mutlu! Auch Sie gehören ja zu dem Kreis derjenigen, den ich vorhin als weiten Kreis bezeichnet habe, der über diese Koalitionsvereinbarung schon einmal verhandelt hat. Aber trotzdem möchte ich Ihnen gern zu Ihren Praxisfragen Auskunft geben. Meistens ist es so, dass die Praxis die Praxis selbst regelt. Es ist wenig sinnvoll, im Parlament über Praxisfragen zu reden, weil wir alle nicht in der Praxis stehen.

[Brauer (PDS): Was?]

Im übrigen empfehle ich Ihnen: Es gibt bereits einen Modellversuch mit acht Schulen; leider nur acht Schulen, sonst hätte ich es nicht durchbekommen. Meine Erfahrung aus diesem Modellversuch ist, dass die alle begeistert sind. Und wir haben ja in den Schulen, wie wir alle – Herr Abgeordneter Mutlu – wissen, keine kleinen, unmündigen Kinder, sondern hochausgebildete und auch relativ gut bezahlte Beamtinnen und Beamten. Die sind schon in der Lage, solche Fragen zu lösen, wenn man sie denn nur lässt.

[Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Das Wort für die dritte Nachfrage hat von der SPD Frau Dr. Tesch.

Danke schön, Frau Präsidentin! – Herr Senator, sind Sie mit mir der Meinung, dass diese 2 Prozent der Personalzuweisung an die Schulen unbedingt notwendig sind, um drohenden kommenden Unterrichtsausfall schnell begegnen zu können, und dass dies auch nur geht, wenn dann langwährende Personaleinstellungsverfahren etwas flexibler gehandhabt werden?

Danke, Frau Dr. Tesch! – Herr Böger hat jetzt das Wort!

Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Dr. Tesch! Ich sehe das genau so wie Sie. Es geht darum, einem Unterrichtsausfall wirksam begegnen zu können. Vielleicht lassen sie mich mit Blick auf die Praxis, die vielleicht nicht jedem gegenwärtig ist, Folgendes sagen: Die Schulen werden zunächst einmal stabil mit 100 Prozent ihres tatsächlich genehmigten Bedarfs ausgestattet. Dazu gibt es ein Plus von weiteren 5 Prozent Vertretungsreserven. Ich sage einmal in Klammern: Ein wirtschaftliches Unternehmen könnte so gar nicht arbeiten. Mir ist kein Betrieb bekannt, der 5 Prozent über dem notwendigen Personal zusätzlich einstellt. Das ist aber notwendig, um Spielräume in den Schulen zu ermöglichen.

Jetzt soll Folgendes geschehen: Die Schulen sollen 100 Prozent bekommen plus 3 Prozent dauerhafte Vertretungsreserve und 2 Prozent der Personalmittel, das heißt also finanziellen Mittel, zu ihrer Verfügung, um bestehenden möglichen Unterrichts

(A) (C)

(B) (D)

Sen Böger

ausfall, den es eben durch plötzliche Erkrankungen, Unfälle etc. geben kann, möglichst schnell und flexibel sowie fachgerecht ersetzen zu können. Das ist das Ziel, und ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, den jetzt schon reduzierten Unterrichtsausfall, der bundesweit relativ gering ist, aber immer noch zu viel ist, noch weiter zu drücken.

Auf der anderen Seite, Frau Dr. Tesch, will ich hier ausdrücklich betonen, wenn es diese Möglichkeit nicht rechtzeitig gibt, habe ich die große Sorge – deshalb dringe ich so –, dass wir eben nicht flexibel genug sind, um dem Unterrichtsausfall flexibel begegnen zu können.

Danke schön! – Die letzte Nachfrage geht an die PDS, Frau Abgeordnete Dr. Hiller. – Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Ich habe zwei Nachfragen.

Entschuldigung! Sie sind noch neu. Das ist eine Premiere für Sie, aber Sie dürfen nur eine Nachfrage stellen. Zwei Nachfragen sind nicht möglich.

Gut! – Dann frage ich, wann werden die Ergebnisse des Modellversuchs, der erst seit einem halben Jahr läuft, vorgestellt werden und inwiefern der Senator für Inneres und der Senator für Frauen in die Gesetzesänderung einbezogen wurden?

Das war jetzt die Kunst, zwei Fragen in eine zu legen, aber der Schulsenator ist, denke ich, Manns genug, darauf auch zu antworten. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Es steht mir natürlich überhaupt nicht zu, zu beanstanden, wie Sie mich titulieren, ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass es nach der Geschäftsordnung „Bildungssenator“ heißt. Das ist mir schon sehr wichtig, weil das unser Ziel ist – –

Völlig korrekt!

Irgendetwas muss man doch in seinem Amt erreicht haben, wenn auch nur die Umbenennung.

[Beifall]

Richtig! Ich erteile Ihnen jetzt ausdrücklich als Bildungssenator das Wort, das ist mir eine ausgesprochene Ehre!

Es geht doch immer um Bildung, und die ist umfassender als die Schule.

Jetzt aber zu Ihrer Frage, Frau Abgeordnete. Zunächst einmal gibt es Erfahrungsberichte, die mir vorliegen. Da Sie aber, so weit ich weiß, auch in dem einschlägigen Ausschuss sind, empfehle ich Ihnen, dass Sie als Ausschussmitglied diesen Erfahrungsbericht anfordern. Ich habe den Eindruck, dass es Schulleiter gibt – es gibt ja sehr viele, die auch verbandlich organisiert sind und wobei ihr eigener Verband GEW das abgelehnt hat –, die das, was sie dort machen können, in ihrer Rolle als Schulleiter großartig finden. Ich denke, wir können dort einiges voranbewegen.

Was die Einbeziehung des Frauensenators betrifft, dass geschieht allein deswegen, weil er immer neben mir sitzt, und der Innensenator fast gegenüber. Es ist so, dass in den Koalitionsvereinbarungen steht, dass es eine Initiative der Fraktionen ist. Die zuständigen Häuser sind dann beteiligt, wenn der Senat dazu Stellung nimmt.

Ich will aber noch einmal betonen, dass es hier überhaupt nicht darum geht – das wäre ein Sakrileg –, Vorschriften des Landesgleichstellungsgesetzes etwa auszuhebeln. Das ist alles richtig, wichtig und gut, aber es darf doch nicht dazu führen, dass wir in der Schule – aus deren Praxis Sie kommen, wie ich weiß – monatelang warten müssen, weil die Verhältnisse eben so sind, wie sie sind. Ein schneller und, wenn es geht, unbürokratischer, aber gesetzmäßiger Ersatz ist notwendig.

Lassen Sie mich noch darauf hinweisen: Diese temporäre Einstellung ist eben keine dauerhafte Einstellung. Das ist rechtlich gesichert, denn sonst ginge das nicht. Es kann nicht sein, dass man einfach, gewissermaßen per Zuruf, jemand in der Schule dauerhaft einstellt. Es ist eine temporäre Einstellung – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Danke schön!

Damit haben wir das zeitliche Ende unserer Fragestunde erreicht. Ich schließe sie damit. Alle weiteren nicht behandelten Mündlichen Anfragen harren der schriftlichen Beantwortung durch den Senat.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 1 A:

Erklärung des Regierenden Bürgermeisters zum Thema „Richtlinien der Regierungspolitik“

Herr Regierender Bürgermeister Wowereit, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU]