Gesetz zur Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes Berlin sowie des Berliner Betriebegesetzes
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel zu verbinden und höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung für die Artikel I bis III – Drucksache 15/2549 –. Die Fraktion der Grünen hat um Beratung gebeten. Hierfür steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen, das Wort hat die Frau Kollegin Kubala. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum geht es bei der uns vorliegenden Gesetzesänderung? – Es geht um den leichtsinnigen Umgang mit Abfällen in der Vergangenheit. Es geht um Deponiesanierungskosten in Höhe von mehreren Hundert Millionen €. Es geht um 30 Jahre Verpflichtung zwischen der BSR und dem Land Berlin, obwohl man nicht weiß, in welcher Form die BSR in 30 Jahren existieren wird und ob sie noch existiert. Und es geht um eine Abfallbehörde, die sich – leider wie so oft – wieder aus der Verantwortung ziehen will. Nicht zuletzt geht es bei der Gesetzesänderung darum, dass das Parlament, die Politik, Einfluss verliert auf die ökologischen Standards im Rahmen einer
Jahrelang hat die BSR mit Zustimmung des Senats nur Geld für die Deponiesanierung eingesammelt. Nebenbei gesagt: In diesem Zeitraum hat Brandenburg seine Deponien schon vorbildlich saniert. Die BSR hat dagegen mit Zustimmung der Abfallbehörde nichts getan und letztendlich abgewartet, bis der gesetzliche Druck kommt, bis wirklich nichts mehr geht, so dass die Deponien erst jetzt saniert und geschlossen werden können. Die BSR hat in
diesen Jahren nur Geld eingesammelt – ich nannte den Betrag bereits: 544 Millionen €. Davon möchte sie nun 200 Millionen € in den nächsten fünf Jahren zurückführen. Zeitgleich möchte sie die 38 Standorte sanieren und das Geld wieder über die Gebührenzahler zurückholen. Solche Vorgehensweisen finden wir absurd und unsinnig.
Einer solchen Vorgehensweise kann man auch nicht zustimmen; deswegen werden wir diese Gesetzesvorlage ablehnen. Als besondere Verhöhnung des Gebührenzahlers und der Gebührenzahlerin wird in der Vorlage hinzugefügt: Es entstehen keine Kosten für private Haushalte und für Unternehmen. Einer solchen Gesetzesvorlage dürfte nicht einmal die Koalition zustimmen, wenn sie sich ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt hätte.
Wir zahlen heute die Folgekosten jahrzehntelanger Billigdeponierung. Die BSR und der Senat haben diese Billigdeponierung zugelassen und die Sanierung ausgesessen. Es ist zu befürchten, dass die BSR auch die 38 Standorte, für die sie jetzt die Nachsorgepflicht übernehmen muss, nicht sanieren wird und auch dieses Problem aussitzen wird. Dieser Senat hat das zu verantworten.
Deponiesanierung und auf die Kosten, die in diesem Zusammenhang entstehen – durchaus also ein Thema, das wir sehr ernsthaft erläutern sollten.
Die BSR erhält mit dieser Gesetzesvorlage für 30 Jahre die Nachsorgepflicht für alle Deponien für Berliner Siedlungsabfälle. Damit wird das Land Berlin von den Kosten, die im Zusammenhang mit der Deponiesanierung entstehen, entlastet, und letztendlich wird damit auch der Landeshaushalt entlastet – und das soll auf Kosten der Gebührenzahler und Gebührenzahlerinnen gehen. Dabei haben Senat und BSR keine genaue Kenntnis, welche Kosten auf die BSR und auf die Gebührenzahler zukommen werden, und man hat auch keine genaue Vorstellung, welche Maßnahmen der Deponiesanierung wirklich erforderlich sind. Das Gutachten, das von Ernst & Young im Auftrag der BSR erstellt wurde, zeigt dies noch einmal mit aller Deutlichkeit. Es wird dort deutlich gesagt, dass Unklarheit über tatsächliche Arbeitsgänge besteht. Es wird zudem eine regelmäßige Berichts- und Anpassungspflicht alle vier Jahre gefordert. Die Sanierungskosten und die Sanierungsmaßnahmen sind also vollkommen ungewiss, doch man verpflichtet sich auf 30 Jahre – ein sehr langer Zeitraum.
In diesem Zusammenhang – und ich meine, dass man das in diesem Zusammenhang sehen muss – werden voreilig Rückstellungen aufgelöst. Es ist Ihnen ja bekannt, dass rund 544 Millionen € Rückstellungen für die drei Deponien, die sich in Brandenburg befinden, gebildet wurden. Diese Deponien werden, so das Gutachten von Ernst & Young, nicht in vollem Umfang benötigt und sollen aufgelöst werden. Den aufzulösenden Betrag möchte man in den nächsten fünf Jahren an die Gebührenzahler zurückzahlen. Obwohl im Geschäftsbericht der BSR deutlich steht, dass eine Rückzahlung oder eine Auflösung der Rückstellungen nur erfolgt, wenn diese nicht benötigt werden. Die Rückstellungen, die die BSR jetzt auflöst und so großzügig verteilen möchte, werden jedoch benötigt. Im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung des Abfallgesetzes, die uns der Senat heute vorgelegt hat, wird klar geregelt, dass die BSR nicht nur die Verantwortung für die drei Deponien in Brandenburg übernimmt, sondern auch für weitere Deponiestandorte. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Deponie Wannsee, über die wir schon mehrfach gesprochen haben, und die Deponie Marienfelde. Neben den drei großen Deponien muss die BSR also die Verantwortung für weitere 38 Standorte übernehmen, weiß nicht, welche Kosten im Zusammenhang damit auf sie zukommen, löst aber zunächst einmal die Sanierungsrückstellungen auf.
Er wird diese Sanierung, für die er die Pflicht übernommen hat, auch aussitzen und verzögern, wie die anderen Sanierungen auch.
Wir fordern in unserem Antrag, die nicht benötigten Rückstellungen nicht aufzulösen, sondern für die Sanierung dieser 38 Standorte anzulegen, neu rückzustellen und für die Sanierung zu verwenden. Die Sanierung aller Deponien muss zügig erfolgen, um weitere Gefahren für das Grundwasser und den Boden und insbesondere auch für den Landeshaushalt und die Gebührenzahler und Gebührenzahlerinnen abzuwenden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kubala! – Es folgt die Fraktion der SPD, das Wort hat der Kollege Buchholz. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Frau Kubala! Wenn man Ihnen zuhört, müsste einem angst und bange werden – wenn es wirklich so wäre.
Zu sagen, der aktuelle Senat, der seit zweieinhalb Jahren regiert, hätte für die 38 Altstandorte die komplette Verantwortung zu übernehmen, ist wirklich hanebüchener Unsinn. Mit Verlaub, Frau Kubala – so ist es und nicht anders!
Frau Kubala! An einer Stelle würde ich Ihnen zustimmen. Das Gutachten zur Bewertung dieser 38 Altstandorte ist überfällig. Wir sind reichlich spät dran. Das ist richtig. Dem Rest, der sofortigen Bildung der Rückstellung, können wir nicht beipflichten. Sie sind technisch und letztlich betriebswirtschaftlich nicht möglich, weil das Gutachten dazu nicht vorhanden ist. So ist es, Frau Kubala. Wir haben vor eineinhalb Wochen dazu im Umweltausschuss gesprochen. Das Gutachten sollte eigentlich längst vorliegen. Das ist jedoch nicht der Fall. Folglich können Sie momentan rechtlich keine Rückstellungen bilden. Das ist schlichtweg betriebswirtschaftliche Wahrheit, auch wenn Sie den Kopf schütteln, so traurig es an dieser Stelle ist.
Es geht hier übrigens um diese 200 Millionen €, die mehr vorhanden sind – nicht, dass sich jemand fragt, wie das zustande kommt, es sei ja Zauberei –, die nicht mehr als Rückstellung benötigt werden. Es sind 50 Millionen €, die durch zusätzliche Erlöse aus der Verstromung von Biodeponiegasen entstehen, die Einnahmen produzieren. 40 Millionen € sind weniger notwendig für die technische Abdichtung bei der Sanierung. Und es sind rund 100 Millionen Rückstellungen, die letztlich die aufgelaufenen Zinsen darstellen, die wir jetzt zurückgeben werden.
Herr Präsident! Darf ich das jetzt überhaupt noch sagen, dass die Grünen Unsinn reden, weil Frau Hämmerling ja gerade sagte – ich habe es mitgeschrieben –, die Grünen haben immer Recht. Jetzt weiß ich gar nicht, ist es überhaupt zulässig, etwas anderes zu sagen?
Danke, Herr Präsident! – Ich nehme mir das Recht heraus, eine andere Meinung zu vertreten als die Fraktion der Grünen. – Frau Kubala, Sie haben einige Dinge sehr stark verkürzt dargestellt, dadurch waren Sie deutlich sinnentstellend.
Sie sollten vielleicht einmal sagen, dass mit der Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes die EUDeponierichtlinie hier in Berlin auch in Landesrecht übernommen wird und damit explizit die Verpflichtung für 40 Jahre Altdeponien – 40 Jahre Nachsorge, Stilllegung, nicht nur der Betrieb am Anfang inklusive Rekultivierung – nunmehr in einem Landesgesetz festgeschrieben wird. Wenn das kein Fortschritt ist, weiß ich nicht, was für Sie ein Fortschritt ist. Sie sollten dies vielleicht einmal zu Beginn sagen, was Gesetzesänderungen tatsächlich bewirken. Durch die Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes wird das Land Berlin dazu verpflichtet. Das heißt auch – ich dachte immer, die Grünen wären dafür –, dass das Verursacherprinzip greift. Es muss dort verantwortlich damit umgegangen werden, wo der Müll produziert wird, so, wie es sich gehört. Wer Müll produziert, muss auch zur Nachsorge verpflichtet werden. Genau das sagt die EU-Deponierichtlinie.
Es geht darum, eine ordnungsgemäße und auch tatsächlich umweltgerechte Deponiesanierung sicherzustellen. Wir haben – das Gutachten von Ernst & Young haben Sie erwähnt – den glücklichen Umstand, dass durch technischen Fortschritt und neue Erkenntnisse sowie aufgelaufene Zinsen nicht die Rückstellung in Höhe von rund 550 Millionen € benötigt wird, sondern rund 200 Millionen € weniger. Es ist das absolut Richtige und Einzige, was politisch Verantwortliche tun sollten, diese zu viel getätigten Rückstellungen an die Gebührenzahler auch zurückzugeben. Das wird diese Koalition auch tun. Das haben wir klargestellt.
Aber, Frau Kubala, das passiert nicht an einem Tag, nicht morgen und nicht in zwei Wochen. Das wird natürlich in den nächsten Jahren – das hat die BSR deutlich gesagt – gebührensenkend einfließen. Das heißt auch, dass für die von Ihnen erwähnten 38 Altstandorte, für die wir dann zuständig sind, weil wir uns mit der Änderung des Gesetzes eindeutig zuständig erklären, bisher keine verlässlichen Schätzungen über die Höhe des Sanierungsaufwandes vorliegen. Das sollten Sie bitte einmal irgendwo nachlesen. Sie haben auch Wirtschaft studiert. Sie dürfen keine Phantasierückstellungen bilden. Weder die
Ich gestatte mir hierzu noch eine kleine Anmerkung. In den letzten beiden Jahren wurden die Zinsen auch schon direkt gebührensenkend umgelegt. Das ist nicht so wie früher, Frau Kubala, und vielleicht auch meine Damen und Herren von der CDU, als man dies alles nur aufgeschoben hat. Nein, wir haben tatsächlich etwas Rechtsklarheit geschaffen und geben das, was den Gebührenzahlern zusteht, an der Stelle auch wieder zurück. Das ist tatsächlich etwas Neues. Das sollten Sie auch einmal positiv anerkennen, Frau Kubala. Es geht tatsächlich um eine umweltgerechte Sanierung, Herr Eßer, Frau Kubala.
Wenn aber weder Sie noch wir die Höhe in Euro beziffern können, können Sie – Herr Eßer, Sie müssten mir hierbei eigentlich zustimmen – das auch nicht irgendwo zurückstellen. Sagen Sie mir doch bitte, wie Sie das machen wollen! Für zwei von den 38 Standorten gibt es bislang eine Vorabschätzung. Dafür sind auch Rückstellungen gebildet worden. Für alle anderen 36 Standorte werden wir hoffentlich so schnell wie möglich dieses Gutachten bekommen. Dann werden wir auch sehen, wie viel notwendig ist. Alles mit Vergangenheit und Zukunft zu verknüpfen und dann zu sagen, wir tun den Gebührenzahlern nur Gutes, genau das Gegenteil ist der Fall. Sie wollen die Leute verwirren. Das sollten die Grünen nicht wollen. Wir von der Koalition wollen das erst recht nicht. – Vielen Dank!
Da hat man sich schon einmal einer Aufgabe finanziell entledigt, die eigentlich dem Senat von Berlin hätte anstehen müssen, die dieser eigentlich nach dem Gesetz zu finanzieren hat. Finanziert hat es die BSR, aber natürlich nicht sie, sondern finanziert hat es der Gebührenzahler. An dieser Stelle macht man jetzt das Gleiche im Hinblick auf diese 38 Deponien, die noch saniert werden
müssen. Auch hier zieht sich das Land Berlin aus der Verantwortung zurück. Die Kosten werden der BSR aufgedrückt und letztlich damit natürlich dem Gebührenzahler.
Jetzt stellt sich die Frage, wann man den Gebührenzahler belastet. Durch den eben geschilderten Umweg bei der Abfallentsorgung hat man zunächst einmal Kosten verursacht und auch schon angekündigt, es wird Gebührenerhöhungen geben. Wann werden diese Gebührenerhöhungen kommen? – 2005 ist hierfür im Gespräch. 2006 haben wir Wahlen. Da kann ich die Koalition sehr gut verstehen, dass sie diese Gebührenerhöhungen, die durch den Paradigmenwechsel auch ein wenig höher ausgefallen sind, im Vorwahlkampf nicht so besonders groß ausfallen lassen möchte, weil das immer schädlich für eine Landesregierung ist. Deswegen nimmt man sich die 200 Millionen €, die man durch die Rückstellung einkassiert hat, kehrt die einmal schnell an den Gebührenzahler aus, versucht, die Wahlen zu überstehen. Dann hat man plötzlich die Gutachten für die 38 Kleindeponien, lehnt sich aus dem Fenster und sagt:
Liebe Leute, liebe Bürger, liebe Gebührenzahler, leider müssen wir jetzt wieder an Eure Kasse. Wir müssen neue Rückstellungen für die nächsten 30 Jahre bilden. Lasst uns das einmal alles einsammeln. Jetzt werden die Abfallgebühren leider überproportional erhöht.
(D Dieses Spielchen ist absehbar. Deswegen ist der ganze formelle Kram, den uns der Kollege Buchholz vorgetragen hat, einfach blanker Unsinn. Diese 200 Millionen € haben zunächst einmal im Bestand der BSR zu verbleiben, weil sie natürlich relativ klar von der Größenordnung her diesen 38 Altlastenstandorten zugeordnet werden können und deswegen als Rückstellungen verbleiben müssen.