Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

aufmerksamer zu, als es bisher war. Ich bitte, den Geräuschpegel deutlich zu senken. – Sie haben das Wort, Herr Eßer! – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wowereit! Ich lasse Ihnen gerade einen Rechungshofbericht zukommen. Ich hoffe, wir finden ihn da oben.

Wenn Sie den lesen würden, verstünden Sie leicht, worin der Unterschied zwischen den Zahlungen für das Tempodrom 2001, an den wir beteiligt waren, und den Zahlungen von 2002, die SPD und PDS zu verantworten haben, besteht. Der wird Ihnen da ganz leicht erklärt.

Wenn Sie die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft lesen würden, dann könnten Sie leicht verstehen, warum nicht alle Mitglieder des IBB-Ausschusses vor Gericht stehen werden, sondern nur Herr Sarrazin und Herr Strieder. Das Unternehmen ist im ersten Schritt eine Schädigung der IBB gewesen, es wurde dann allerdings so ausgestaltet, dass alle Risiken von der IBB abgewendet und auf den Landeshaushalt übertragen wurden. Dieses ist der Grund, wegen eines Verstoßes gegen das Haushaltsrecht Anklage zu erheben. Es ist von Ihnen, Herr Wowereit, ganz schön gewagt, sich mit einem derart dürftigen Kenntnisstand bis zum Urteil an die Seite des Finanzsenators zu stellen und sich damit politisch mit auf die Anklagebank zu setzen.

Er zeigt Beharrungsvermögen in den Tarifverhandlungen, auch wenn ihn dort nur Pfiffe und Tumulte erwarten. Er zeigt, die Haushaltskonsolidierung liegt ihm am Herzen.

Als man ihn einmal fragte, wie seine Parteigenossen mit seinen provokanten Bemerkungen auskommen, gab er zur Antwort:

Ich bin in erster Linie Ökonom, dann Finanzsenator und erst dann Sozialdemokrat.

Da werden Sie sicher verstehen, meine Damen und Herren, dass das bei uns zu diversen reservierten Reaktionen geführt hat. Denn natürlich haben gerade wir mit unserer großen Tradition, auf die wir stolz sind, beachtliche Schwierigkeiten, wenn er sich zu Themen wie dem Kündigungsschutz äußert,

[Dr. Lindner (FDP): Ach!]

wenn er die Bürgerversicherung gerade am Anfang der Diskussion madig macht. Auch nicht vergessen haben wir zahlreiche Äußerungen in diversen Sitzungen des Hauptausschusses, die zu Missverständnissen führten, die erst sorgsam geklärt werden mussten.

[Krestel (FDP): Nicht so tragisch, er lebt ja noch!]

Wenn man das alles hört, könnte man zu dem Schluss kommen: Der Mann ist eine Zumutung!

[Beifall bei der CDU]

Aber wir muten uns und dieser Stadt diesen Mann zu! Denn genau so einen Finanzsenator brauchen wir, weil er hervorragende Arbeit macht.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rabbach?

Das tut mir Leid, aber bei dieser Unruhe ist das unangebracht.

Ich habe von Sympathiewerten gesprochen, und die sind bei Thilo Sarrazin sicherlich nicht so berauschend. Aber fragen Sie die Menschen in der Stadt, was sie von ihm denken. Eines werden Sie immer hören: Ordentlich mit Geld umgehen, ja, das kann er.

[Allgemeine Unruhe]

Sein Ziel ist es, das Land Berlin insbesondere für die künftigen Generationen angesichts des gigantischen Schuldenberges vor Schaden zu bewahren. Das macht er gut und richtig als unser Finanzsenator.

[Zurufe von der CDU]

Das soll er fortführen. Wir unterstützen ihn dabei. Thilo Sarrazin wird Finanzsenator in Berlin bleiben!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Pewestorff (PDS): Jetzt nicht aufregen!]

[Gelächter bei der PDS]

[RBm Wowereit: Die Summe war höher!]

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Und genau so muss man Ihre Ankündigung von heute ja wohl verstehen.

Womit ich mich auseinander setzen wollte, war die von Frau Leder vertretene Meinung, dass es eigentlich sehr schade wäre, wenn Herr Sarrazin über diese Affäre stolpern würde, denn er sei ein starker Finanzsenator für Berlin. Das würde nur stimmen, wenn Herr Sarrazin noch der starke Finanzsenator wäre, als der er sich zu Anfang seiner Amtszeit präsentiert hat.

[Doering (PDS): Das ist er doch noch immer!]

Die Welt der Finanzen ist aber eine Welt der harten Zahlen, Frau Leder. Am Ende zählen keine kessen Sprüche, am Ende zählen keine Sanierungsprogramme auf geduldigem Papier, am Ende zählt, dass Ankündigungen auch umgesetzt werden, am Ende zählen Sanierungserfolge, die sich in Euro und Cent belegen lassen. Da sieht es in Wahrheit sehr traurig aus. Was Herr Müller zu diesem Thema hier geboten hat, kann ich nur als Märchenstunde bezeichnen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Herr Sarrazin ist angetreten, die Verschuldung zu senken. Tatsache ist aber – Herr Zimmer hat darauf hingewiesen –, dass der Haushalt in diesem Jahr mit einer Rekordverschuldung von rund 5 Milliarden € abschließen

Deswegen erlauben Sie mir noch diesen Schlussgesang. Die Stärke eines Finanzsenators hängt davon ab, in den eigenen Reihen die Gebote einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft durchsetzen zu können. Wenn er das nicht mehr kann, weil er vom Wohlwollen der eigenen Partei und der Regierung abhängig geworden ist, dann kann er sein Amt nicht mehr effektiv versehen, dann sollte er besser gehen.

wird. Nur dem Zufall, dass Sie 300 Millionen € für die Risikoabschirmung der Bank nicht benötigen, ist zu verdanken, dass die Neuverschuldung nicht noch höher ausfällt.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Klemm?

Nein! – Die Zahlungen an die Bank sind aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Herr Sarrazin, das wissen Sie so gut wie ich: Ein einmaliger Aufschub stellte überhaupt keine Ersparnis dar. Ich finde es mehr als unseriös, diesen einmaligen Zufall in die Erfolgsmeldung umzumünzen, es sei Ihrer Konsolidierungspolitik zu verdanken, dass die Neuverschuldung 2004 um 300 Millionen abgesenkt werden kann. Spricht so ein starker Finanzsenator? – Nein, das tut mir Leid, das erinnert mich an die endlose Kette von Täuschungen und Selbstbetrug, die Berlin in die finanzielle Misere geführt hat. Das ist der alte Schlendrian. Da können Sie nicht erwarten, dass wir Krokodilstränen weinen, wenn Sie über Ihre Verwicklungen in der Tempodrom-Affäre stolpern, wo Sie sich auch viel tiefer auf diese Mentalität à la Landowsky und Strieder eingelassen haben, als Sie es je hätten tun dürfen, Herr Sarrazin.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Wowereit machte eben schon den Zuruf: „ Wie ist es mit dem Defizit im nächsten Jahr?“ – Auch Herr Sarrazin hat gesagt, das Defizit dieses Jahres liege an seinen Anfängen aus dem Jahr 2002, da habe er die Weichen für die Haushaltssanierung noch nicht stellen können. Er lasse sich nur daran messen, ob es ihm gelänge, die Ausgaben – Ihre geliebten Primärausgaben, Herr Sarrazin! –, zu senken. Dann haben Sie ein ehrgeiziges Sanierungsprogramm zu Papier gebracht und der Öffentlichkeit versprochen, am Ende würden wir alle staunen, wie es mit der Haushaltssanierung voran gehe. Was ist jetzt? – Da beugen wir Haushaltspolitiker uns, Frau Leder, über den Statusbericht des Senats zur Haushaltssanierung 2004 und staunen: Ganz anders als gedacht! – Wenn man korrekterweise die Bank und die Zinsen beiseite lässt, werden wir in diesem Jahr keinen Euro weniger ausgegeben als im letzten Jahr, vielleicht sogar bis zu 100 Millionen € mehr. Das ist das Gegenteil von Ausgabensenkungen, das ist das Gegenteil von Haushaltskonsolidierung.

[Beifall des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Ein starker Finanzsenator müsste jetzt auf den Plan treten und von sich aus die Initiative für einen Nachtragshaushalt ergreifen und Gegenmaßnahmen gegen die Kostenüberschreitungen ergreifen. – Herr Sarrazin! Es ist vor allen Dingen Ihre Aufgabe, die Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot daran zu hindern, den Sanierungsrückstand fortzuschreiben und unter der Hand – das ist in der Diskussion – in die Haushaltsentlastung durch Hartz IV, die wir vom Bund bekommen haben, verschwinden zu lassen. Was passiert aber statt dessen? – Die Regierung hält daran fest, Entlastungen in Höhe von 300 Millionen €, die sie

vom Bund geschenkt bekommen hat, praktisch zu verfrühstücken und für andere Dinge auszugeben.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das kann man nicht jedes Jahr machen!]

Ein Senator Sarrazin in Hochform hätte längst Gegenmaßnahmen gefordert, um die Sanierungsziele einhalten zu können. Aber offenbar sind Sie, Herr Sarrazin, politisch zu schwach, um durchsetzen zu können, was Ihres Amtes wäre.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Als Finanzpolitiker habe ich ganz stark das Gefühl. dass all diese Solidaritätsadressen von SPD und PDS für Herrn Sarrazin nur diesem einen, einzigen Gedanken geschuldet sind, dass es für sie alle jetzt sehr bequem ist, denn er kann nicht mehr so, wie er einst wollte.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Eßer! – Es folgt die PDS. Das Wort hat der Kollege Wechselberg. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich kann und muss man heute politisch darüber streiten, ob die Rettungsaktion von RotGrün und Rot-Rot zum Tempodrom

[Frau Michels (PDS): Wo ist da die CDU?]