Es ist bekannt, dass es zwischen SPD und PDS eine Reihe von ernsten Differenzen in diesem so genannten Kopftuchstreit gab. Ich habe an dieser Stelle am 19. Februar gesagt – und finde das auch nach wie vor richtig –: Mit staatlichen Verboten, die auf religiöse und weltanschauliche Symbole zielen, sollte man vorsichtig sein, und zwar aus grundsätzlichen bürgerrechtlichen und rechtsstaatlichen Erwägungen, aber auch mit Blick auf die praktischen Risiken und Nebenwirkungen. – Sicher ist, dass wir keiner Regelung zustimmen werden, die allein gläubige Muslime – so, wie Herr Apelt das gemacht hat – unter den Verdacht stellt, das Neutralitätsgebot des Staates zu verletzen.
Darin sehen wir uns auch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni bestätigt. Frau Schavan glaubte, sie könne mit einem Trick im Schulgesetz und mit der Definition, dass die Nonnentracht künftig ein Blaumann sei, in Baden-Württemberg die Gleichbehandlung untergraben. Aber sie musste erleben, dass das nicht geht. Das Grundgesetz und die Gleichbehandlung
Der Islam ist die drittgrößte konfessionelle Gruppe in Deutschland. Der Dialog ist unterentwickelt, vorurteilsbe
laden und durch vielfältige Auslegung kompliziert. Der Arbeitskreis „Islam und Schule“ soll sowohl Kompetenz zur Beratung von Verwaltung bündeln als auch als Plattform des Dialogs zwischen Mehrheitsgesellschaft und muslimischen Religionsgemeinschaften dienen. Insbesondere sollen hier Hilfsangebote für den Umgang mit interreligiösen Konflikten an der Schule und außerdem im Dialog Standards für den islamischen Religionsunterricht erarbeitet werden.
Zu einer vernünftigen Integrationspolitik gehört auch der Kampf gegen Diskriminierung. Deshalb wollen wir eine Antidiskriminierungsleitstelle einrichten, und zwar im Vorgriff auf bundesgesetzliche Regelungen.
Meine Redezeit geht zu Ende. – Wir können in den Ausschüssen über dieses Thema noch fleißig weiter diskutieren. Ich möchte abschließend festhalten: Dieses Gesamtpaket stellt für uns einen ausgewogenen Kompromiss dar, der auch einer weltoffenen und multikulturellen Metropole so, wie wir sie uns wünschen, dienen kann. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über das so genannte Kopftuchverbot ist in der Öffentlichkeit und in den Parteien lange und kontrovers diskutiert worden. Das ist auch richtig so, weil in dieser Angelegenheit Schnellschüsse nicht angebracht sind. Die Kopftuchdebatte hat viele Emotionen aufgewühlt, weil sie in Teilen eine Stellvertreterdebatte für andere Debatten war, die in der Zuwanderungsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland längst hätten geführt werden müssen.
Wir haben in der Koalition über einen Kompromiss verhandelt, und es haben vernünftige Leute zusammengesessen und Argumente ausgetauscht. Wer jetzt diesen Gesetzentwurf und den Antrag liest, der muss feststellen, dass entgegen der oft verkürzten Darstellung in der Öffentlichkeit der gefundene Kompromiss kein Kopftuchgesetz, sondern ein Neutralitätsgesetz ist. Er gilt auch nicht für große Teile des öffentlichen Dienstes, sondern das Gegenteil ist der Fall. Gleichbehandlung aller Glaubensrichtungen ist oberstes Prinzip. Was für Muslime gilt, gilt gleichermaßen für Christen, Juden, Buddhisten, Hinduisten usw., und der betroffene Personenkreis im öffentlichen Dienst ist stark eingeschränkt. Es geht um Beamtinnen und Beamte und Angestellte, die im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzuges und der Polizei beschäftigt sind – also hoheitliche Aufgaben erfüllen – sowie um Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in öffentlichen Schulen. Die anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – und das sind bekanntlich nicht wenige – sind davon nicht betroffen.
Schon mit der Veröffentlichung des Koalitionskompromisses kam die Frage auf, warum wir die Regel nicht 1 : 1 auf die Kitas übertragen. Herr Kleineidam hat dazu bereits etwas gesagt. Ich möchte noch ein weiteres Argument hinzufügen – neben den rechtlichen und praktischen Konsequenzen. Es ist auch noch einmal zu prüfen, ob dieser diskursive Ansatz, der versucht, das, was an Konflikten entsteht, erst einmal zivilgesellschaftlich zu regeln, dazu führt, Vorurteile im Alltagsleben abzubauen, und damit dem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen dienen kann.
Aber ich möchte auch deutlich sagen, dass dieser Kompromiss für uns nur deshalb tragfähig ist, weil wir gleichzeitig dieses Maßnahmepaket für Integration und Antidiskriminierung eingebracht haben. Es gibt die Alltagsprobleme, aber wer Integration will – und nicht Assimilierung, wie es die CDU immer wieder fordert –,
der muss auch seitens der Mehrheitsgesellschaft Angebote zur Integration bieten und Aufklärung leisten. Bei diesem Maßnahmepaket geht es an das Eingemachte, denn es geht um die Probleme von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund, die besonders von Konflikten zwischen ihrem familiären und kulturellen Hintergrund und der Mehrheitsgesellschaft betroffen sind. Der Aktionsplan soll in besonderem Maße beitragen, bei diesen Konflikten zu helfen, und er soll den jungen Frauen und Mädchen bei der Sicherung gleicher Lebenschancen helfen.
Erschwert wurde die Debatte durch die mangelnde Differenzierung zwischen Islam und Islamismus. Wir haben es heute wieder einmal von unserem Kollegen von der CDU gehört: Die Differenzierung scheint auch da nicht vorhanden zu sein.
Im Zentrum steht die Frage, wie die Neutralität des Staates, die Religionsfreiheit, die Gleichberechtigung und die interkulturelle Integration am besten in Übereinstimmung zu bringen sind. Unsere Fraktion ist der Meinung, dass nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch in Berlin eine Regelung dringend erforderlich ist. Die religiöse Neutralität des Staates ist gerade in unserer Stadt mit über 100 unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften und Konfessionen eine Voraussetzung für ein freies, gerechtes und friedliches Zusammenleben. Die CDU-regierten Bundesländer glauben dagegen offenbar, das Bundesverfassungsgerichtsurteil austricksen zu können. Sie suggerieren, es entspreche dem Verfassungsgerichtsurteil, wenn ihre Gesetze nur diejenigen Kleidungsstücke betreffen, die im Zusammenhang mit dem Islam stehen. Wir haben das heute vom Kollegen Apelt wieder gehört. Das Verfassungsgericht hat dagegen den Ländern deutlich mit auf den Weg gegeben: Entweder ihr lasst alle
zu wie bisher, oder ihr schafft Regelungen und Gesetze, die alle reglementieren – Gleichbehandlung aller Religionen!
Meine Damen und Herren von der CDU, manche in Ihren Reihen träumen scheinbar weiter ihren Traum von einem exklusiven Christenclub Deutschland, in dem der Muselman zwar als Bedienung geduldet wird, aber nie als Gleicher dazugehören soll.
Nein, Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Es geht nicht um eine Hervorkehrung christlicher Tradition, auf der unser öffentliches Schulsystem angeblich beruht. Entscheidend ist viel mehr, dass religiöse Symbole, religiös-ideologische Propaganda in der staatlichen Schule grundsätzlich nichts zu suchen haben, weder eine islamische noch eine andere.
Wir sollten uns von keiner Seite einen Kampf der Kulturen oder die Vorherrschaft einer Religion herbeireden lassen. Die Basis für unser Zusammenleben ist das Grundgesetz. Das kennt keine Staatskirche und ist in gleicher Weise offen für alle Religionen und Weltanschauungen, und das ist auch gut so.
Die Befürchtung, ein Kopftuchverbot könne sich ungewollt als Wasser auf die islamistischen Mühlen erweisen, teile ich nicht. Dem Argument, ein Kopftuchverbot könnte von Islamisten propagandistisch ausgeschlachtet werden, kann begegnet werden, und zwar in der Weise, dass alle Religionen gleichbehandelt werden. Der Ansatz der beiden heute zur Debatte stehenden Anträge ist daher völlig richtig. Staatliche Neutralität, Nichtdiskriminierung, Frauen und Integrationsförderung gehören auch unserer Meinung nach zusammen.
Wir freuen uns, dass der Entwurf für das Neutralitätsgesetz in seiner grundsätzlichen Richtung den Forderungen unserer Fraktion entspricht, die wir schon vor einem Jahr aufgestellt haben. Die gesetzliche Sicherstellung eines religiösen, neutralen Auftretens von Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen im staatlichen Dienst, Regelungen für Richterinnen, Staatsanwältinnen und Polizistinnen als Beamtinnen, die Bürgerinnen in Kernbereichen hoheitlicher Tätigkeit gegenübertreten, konsequente Gleichbehandlung aller äußerlich sichtbaren Symbole mit religiösem und weltanschaulichem Bezug. Deshalb werden wir diese beiden Anträge nach den Debatten in den jeweiligen Ausschüssen auch, sofern bestimmte Fragen, die noch offen sind und ausstehen, geklärt sind, unterstützen.
Soweit sich Vorstellungen der Grünen in den Entwürfen wiederfinden, werden wir sie auf jeden Fall unterstützen. Die Formulierungen im Detail werden wir aber noch einmal in den Ausschüssen genauer diskutieren. Ein paar Fragen haben wir nämlich: Warum sind beispielsweise für den Kinderbetreuungsbereich andere, und zwar weniger strikte Regelungen vorgesehen als für den schulischen
Bereich? – Herr Kleineidam, was Sie gesagt haben, überzeugt nicht. Wären nicht kleine Kinder mindestens in der gleichen Weise vor problematischen Einflussnahmen zu schützen wie Schüler? – Ich meine ja. Ist es tatsächlich notwendig und überhaupt zulässig, mit der Regelung auch diejenigen Verwaltungsmitarbeiter bei der Polizei und bei der Justiz zu erfassen, mit den die Bürger gar nicht direkt in Kontakt treten? – Das Gesetz lässt dies offen. Stellt die konkrete Gesetzesformulierung tatsächlich sicher, dass im Ergebnis nicht doch wieder eine reine Lex Kopftuch herauskommt? – Diese Fragen sind aus unserer Sicht noch zu klären. Es muss klar sein, dass sie keine Hintertüren für eine Bevorzugung bestimmter Glaubensbekundungen offen lässt. Klarheit tut auch deshalb Not, damit wir zukünftig derartige Fragen nicht immer wieder den Gerichten überlassen, sondern als Parlament entsprechende Regelungen finden, damit es auch für alle eine Gleichbehandlung gibt. – Danke!
Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu! – Der Kollege Apelt hat jetzt um Gelegenheit für eine Kurzintervention gebeten und erhält das Wort dafür. – Bitte schön!
Danke, Herr Präsident! – Herr Mutlu! Es ist unredlich, uns oder irgendjemandem im Haus zu unterstellen, gegen Muslime in dieser Stadt zu sein. Toleranz ist für uns ein hohes Gut und sollte für alle, die hier sitzen, ein hohes Gut auch im Umgang mit anderen Weltanschauungen und Religionen sein. Wir dürfen aber auch einmal vor Entwicklungen warnen, von denen wir fürchten, dass sie den gesellschaftlichen Konsens in Frage stellen. Die Re-Islamisierung stellt einen gesellschaftlichen Konsens in Frage. Das sollten Sie einfach zur Kenntnis nehmen.
Wenn Sie wissen, dass in der Türkei schon einmal eine ähnliche Diskussion an den dortigen Hochschulen geführt worden ist, mit dem Ergebnis, dass nun in der Türkei, einem nun wirklich nicht christlichen Staat, Kopftücher verboten worden sind, dann können Sie vielleicht auch wenig den Ansatz verstehen, den wir hier versuchen, in die Diskussion zu bringen. – Danke!
Danke schön! – Wir fahren fort in der Rednerliste. – Entschuldigung! Herr Mutlu, selbstverständlich können Sie erwidern! – Bitte schön!
Dass ich das erlebe, dass Sie die Türkei als Vorbild nehmen! Aber Sie sind auch lernfähig! Ich sage Ihnen aber noch eines, Herr Apelt: Die ReIslamisierung, von der Sie reden, die Gefahren, die Sie heraufbeschwören – wenn man Ihrem Redebeitrag genau zugehört hat, muss man befürchten, dass das Abendland bald zusammenbricht und die Islamisten kommen und uns überrollen. Nein, Herr Kollege! Sie waren über 16 Jahre lang in diesem Land in der Regierung. Sie waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass in diesem Land keine In
Das ist eine Pflicht. Jetzt wurde die Türkei von der CDU wieder einmal als Referenz genommen. In der Türkei dürfen Polizisten und Soldaten keine Bärte tragen. Das ist Teil der Neutralität in der Türkei. Was machen wir denn
Im November letzten Jahres gab es den traurigen Höhepunkt in dieser Debatte, als von Seiten des Senats der ehemalige Senator Strieder, der Herr Böger und der Herr Körting, natürlich ganz vorn die Kollegen von der CDU formuliert haben, dass man aus dem Kopftuch eine verfassungsfeindliche Gesinnung ableiten könne. Das ist im Einzelfall sicherlich der Fall. Wir müssen uns aber die Mühe bei der Einschränkung von Grundrechten machen, genau hinzuschauen. Das war undifferenziert und unverantwortlich und hat damit auch Vorurteile gegenüber Muslimen geschürt. Vertreter der CDU wollen sogar die Kopftücher von Schülerinnen verbieten, also überhaupt keine Kopftücher zulassen.
tegrationsmaßnahmen, weder für Muslime, noch für andere Migranten, die in diesem Land leben, durchgeführt wurden. Sie haben das behindert und nicht nur blockiert. Sie haben die Schraube zurückgedreht, statt nach vorn zu gehen. Wir haben es jüngst bei der Debatte um das Zuwanderungsgesetz erlebt. Wir haben es erlebt bei der Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie sind es, die es behindern. Sie sind es, die verhindern, dass der Islam eingebürgert wird, dass der Islam in unserer Gesellschaft ankommt. Erzählen Sie mir jetzt nicht, dass Sie etwas Anderes wollen!
Danke schön! – Wir fahren fort in der Rednerliste. Die FDP hat mit dem Kollegen Ritzmann das Wort. – Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Die Debatte hat gezeigt, dass der Kopftuchstreit sehr vielschichtig ist. Allein im Bereich Schule gilt es, verschiedene Rechte abzuwägen. Wir haben die Glaubensfreiheit der Lehre auf der einen Seite, die Neutralitätspflicht des Staates ist da, das Erziehungsrecht der Eltern und natürlich der Schutz der Kinder. Neutralitätspflicht heißt, dass alle Religionen gleich behandelt werden müssen.
Was ist das Kopftuch? – Für die einen – das haben wir gerade wieder gehört – ist es das klare Zeichen für politischen Extremismus und auch ganz klares Zeichen für die Unterdrückung der Frau. Für andere kann es auch ein Zeichen für selbstbewusste Frauen sein, die islamgläubig sind. Oder ist es vielleicht auch einfach nur ein religiöses Bekenntnis? – Fakt ist, dass wir es nicht wissen. Man kann dem Kopftuch nicht eine allgemein verbindliche Funktion zuweisen. Darin besteht ein Teil des Problem. Der Islam ist eine Religion. Er ist aber auch eine Kultur, eine fremde Kultur. Einer fremden Kultur kann man verschieden begegnen. Man kann ihr mit Offenheit begegnen, mit Skepsis oder mit Angst.
Fremde – das ist auch fast menschlich – machen sich natürlich auch verdächtig. Man weiß nicht, was sie denken, was sie tun, woher sie kommen. Da man nicht in den Kopf hineinschauen kann, ist die Freude auch bei manchem deshalb so groß, dass man jetzt etwas auf dem Kopf anschauen und daraus angeblich die richtigen Schlüsse ziehen kann. Das ist problematisch.
Ich möchte es einmal zuspitzen: Moslems müssen Bärte tragen. Der Koran sagt, dass der gläubige Moslem einen Bart zu tragen hat, und zwar einen Vollbart.