Jetzt kommen wir noch einmal zu den Grundwahrheiten, die in Zahlen von der Schulverwaltung und von der Wissenschaftsverwaltung auch nicht bestritten werden, denen aber keine Handlungen folgen. Zu den Grundwahrheiten gehört – die Schulverwaltung hat es heute auch noch einmal bestätigt –, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein Generationswechsel innerhalb der Berliner Lehrerschaft stattfindet. Das ist deutlich. Damit geht einher, dass das Land Berlin in den nächsten 10 Jahren bis zu 1 400 Lehrer jährlich zusätzlich neu einstellen muss.
Jetzt sagt Herr Böger, dass Berlin früher immer über Bedarf ausgebildet hat. Das mag für die Vergangenheit stimmen. Die aktuelle Situation ist aber eine drastisch andere. Momentan haben wir die Situation, dass der Senat 800 bis 850 Absolventen für ausreichend hält. Angesichts eines Bedarfs von 1 400 ist das eine deutliche Unterausstattung. Man kann argumentieren, dass es vielleicht noch mehr Lehrer aus anderen Bundesländern gebe, die das irgendwie ausgleichen. Es ist aber Tatsache, dass diese noch nicht einmal die Hälfte dessen sind, was wir brauchen.
Und nun gibt es neue Zahlen, die noch dramatischer sind, die Studienanfängerzahlen für den Lehrerbereich.
Ein bisschen Unterstützung ist immer ganz gut, Frau Senftleben, das sehe ich auch so. Aber es gibt auch Anlässe. Ich diesem Fall ist es der in Steglitz gewesen. Wir alle kennen die Geschichte, die dort passiert ist. Jeder hat sie ein wenig ausgeschmückt.
Der Ausfall liegt nach allen Unterlagen, die uns zur Verfügung stehen, bei 3 Prozent – nicht bei 11 Prozent, wie Frau Paus es hier dargestellt hat. Man sollte ehrlicherweise zugeben, dass dies gleichwohl noch zuviel ist. Man muss Maßnahmen auf allen Ebenen ergreifen, um den Ausfall so niedrig wie möglich zu halten. Frau Paus sagt, 11 Prozent Unterrichtsausfall seien furchtbar. Wir haben seit vielen Jahren einen Rückgang beim Unterrichtsausfall zu verzeichnen.
Frau Paus nennt weitere Zahlen und behauptet: Wir brauchen 1 300 grundständige Studienplätze, weil wir 1 400 Lehrer benötigen. Sie kennen die Zahlen in Berlin. Wenn in Berlin ein Lehramtsstudium begonnen wird, wird es nur in 30 Prozent der Fälle beendet. Wir haben 70 Prozent Ausfall.
Hier ist es so, dass selbst bei freundlicher Rechnung nur Studienanfängerzahlen von 600 zu verzeichnen sind. Wie Herr Böger und Herr Flierl aus 600 Studienanfängern 850 Absolventen machen wollen, konnten sie bislang nicht erklären. Es interessiert aber auch nicht. Argumente sind nicht mehr gefragt. Man setzt voll darauf, dass man das Problem auf die Zeit verschiebt, in der die beiden dann nicht mehr im Amt sind. Wir werden es dann erleben.
Ich komme zum Schluss. – Ein besonders dramatisches Beispiel möchte ich Ihnen allerdings nicht vorenthalten. Konkret im Grundschulbereich ist es so – wir alle wissen, dass die frühkindliche Erziehung im Grundschulbereich entscheidend für eine Verbesserung auch in den PISA-Werten für Berlin ist –, dass 430 Lehrer gebraucht werden. Es gibt in ganz Berlin nicht mehr als 188 Studienplätze in diesem Bereich. Wir laufen in einen dramatischen Mangel hinein. Angesichts dieser Fakten und vor diesem Hintergrund kann ich zu Herrn Flierl und Herrn Böger nur sagen, dass ich dieses Handeln nicht nur grob fahrlässig finde, sondern es mich zutiefst innerlich und moralisch empört.
Deswegen sage ich, dass Sie nicht unserem Antrag zustimmen müssen, aber das Problem des Lehrer(innen)mangels müssen Sie trotzdem lösen. Zumindest das steht Ihnen nach dem heutigen Tage offen. Tun Sie es bitte für die Kinder in unserer Stadt!
Vielen Dank! – Es folgt die Fraktion der SPD, Dr. Flemming hat das Wort. – Ich bitte aber zuvor die Kolleginnen und Kollegen diese wunderbare, neue Uhr ernst zu nehmen, sonst kommen wir in eine unangenehme dauerpädagogische Auseinandersetzung. Die Zeit ist der Gerechtigkeit halber so aufgeteilt, nicht zur Beschneidung der Meinung. – Bitte schön, Herr Dr. Flemming!
Herr Präsident! Ich werde mich an Ihre pädagogischen Weisungen halten. – So lange ich diesem Parlament angehöre, findet das pädagogische Spiel namens „Lehrer zählen“ statt. Diese Woche ist es besonders spannend gewesen. Herr Sarrazin hat Herrn Böger angeboten, ihm beim Zählen zu helfen. Am nächsten Tag wollte Frau Senftleben Herrn Bögen gegenüber Herrn Sarrazin unterstützen. Heute hat Herr Böger dargestellt, dass er zählen kann. Ich gehe davon aus, dass Herr Böger tatsächlich zählen kann, seine Lehrer kennt und weiß, wo sie sind.
Ich sehe aber, dass Herr Böger zunächst einmal feststellen muss, wie hoch der subjektive und objektive Unterrichtsausfall ist. Das ist die Frage.
das durchschnittliche Eintrittsalter in den Schuldienst liegt bei 31 Jahren. Das ist das eigentliche Problem. Wir müssen nicht immer nur über Zahlen, sondern endlich über Inhalte sprechen.
Die Unzufriedenheit der Lehramtsstudenten richtet sich vor allem gegen die Universitäten und Hochschulen. Alle Fachleute sind sich weitgehend darüber einig, was nicht in Ordnung ist. Die Lehrerbildung hat innerhalb der Universität keinen eigenen Ort, kaum jemand fühlt sich für sie zuständig, die Lehramtskandidaten laufen den Fachwissenschaften und häufig auch den Erziehungswissenschaften hinterher wie das fünfte Rad am Wagen. Sie werden aus stellentaktischen Gründen nicht ungern gesehen, aber mehr als notwendiges Übel begriffen. Für die Mehrzahl jedenfalls ist dieses Studium weder professionell noch pädagogisch untermauert. Woran liegt das? – Als Ursache kommen verschiedene Faktoren in Betracht. Die meis
dann haben wir einen ganz anderen Bedarf. Sie machen eine Momentaufnahme und sagen: 1 300 Studienplätze, nicht Absolventen. Wir möchten gern Absolventen sichern. Wir wissen aber, dass die Planungen im Vorfeld sehr schwierig sind. Ich stimme Ihnen zu, dass wir die Inhalte verbessern und die Hochschulen anhalten müssen, eine bessere Absolventenquote zu erzielen. Wenn uns dies gelingt, werden wir keinen Lehrermangel haben. Momentan haben wir keinen Lehrermangel, dieser wird lediglich postuliert auf Grund eines subjektiven Gefühls bei Unterrichtsausfall.
Wie Sie wissen, waren in Steglitz 40 Lehrer bereit, den Posten zu übernehmen. Eine rechtzeitige Besetzung konnte aber deshalb nicht erfolgen, weil aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, nicht rechtzeitig der entsprechende Antrag gestellt worden ist. Ich plädiere deshalb dafür realistisch zu bleiben. Wir sollten Schulplanung nicht über das Knie brechen und Lehrer seriös zählen. – Ich danke Ihnen!
Die meisten Hochschulangehörigen, die in der Lehrerausbildung tätig sind, sehen sich in erster Linie als Wissenschaftler und nicht als Lehrerbildner. Entsprechend ist die Ausbildung.
Das ist seit vielen Jahrzehnten die Diagnose. Wir möchten daran etwas ändern. Ich hoffe, dass Sie dabei mithelfen, dass die Lehrer in den Hochschulen endlich wieder einen Ort bekommen, dass sie professionell ausgebildet werden, damit wir nicht diese Abbrecherquoten haben und mehr Absolventen bekommen. Das ist der wichtigste Punkt. Darüber sollten wir uns inhaltlich auseinandersetzen. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. In den Universitäten sind die Fachwissenschaftler weiterhin dabei, Physiker als Lehrer zu verkaufen. Das müssen wir verändern.
Herr Flemming! Sie wissen, dass wir uns immer gern über Inhalte streiten können. Wir warten sehnlichst auf Ihren Antrag zum Lehrerbildungszentrum, der ewig auf sich warten lässt.
Weil Sie nur über Qualitäten und nicht Quantitäten sprechen wollen, bitte ich Sie zumindest zu erklären, wie Sie die 550 Studienanfänger mit den 850 Absolventenzahlen zusammen bekommen.
Woher haben Sie die Zahl 550? – Sie wissen ganz genau, dass es momentan schwierig ist festzustellen, wer ein Lehramtsstudium aufgenommen hat. Die Nachfragen sind noch nicht abgeschlossen. Wir werden sehen, wie die Realität aussieht.
Ich will noch etwas zu den Planungen sagen. Sie wissen genau, dass der Schulsenator die Einstellung von 400 Lehrern geplant hatte. Plötzlich hat es eine andere Pensionierungsregelung gegeben und wir hatten 400 Lehrer zuviel an Bord. Sie kennen im Lehrerbereich den so genannten Schweinezyklus an verschiedenen Punkten. Wenn wir uns einigen – was ich vermute –, dass wir LER einführen,
Danke schön, Herr Kollege! – Nun folgt die Fraktion der CDU. Das Wort hat die Frau Kollegin Schultze-Berndt. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion sieht einen Handlungsbedarf und befürchtet, dass uns ein Lehrermangel in das Haus steht. Wir müssen dringend darauf achten, dass uns nicht die noch vorhandenen Lehrer von den anderen Bundesländern abgejagt werden und wir nicht wissen, wie unsere Kinder beschult werden sollen.
Die Lehrer haben schlechte Arbeitsbedingungen, was sich daran zeigt, dass die Stundenzahl immer wieder erhöht wird. Wenn Sie nur das Thema „andere Berechnung der Lehrerarbeitszeit“ in einer Diskussion ansprechen, treffen Sie auf größte Ablehnung, weil die Lehrer Angst davor haben, dass ihnen noch mehr aufgebürdet wird. Man kann nicht mehr inhaltlich diskutieren. Die Erfahrungen der Lehrer bestehen nämlich darin, dass alle Veränderungen nur dem einen Ziel dienen, dass sie noch mehr tun sollen.
Darüber hinaus haben die Lehrer mit dem neuen Schulgesetz eine Reihe von Veränderungen aufgegeben bekommen. Es fehlt jedoch die Unterfütterung dieser Reformvorschläge,