Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Dann fahren Sie bitte fort!

Meines Wissens ist auch der Rat der Bürgermeister keine Geheimorganisation. Die Informationen liegen uns also vor. Wir wissen alle im Parlament, dass dieses Problem keine Einbahnstraße ist – es gilt vielmehr, eine ganze Reihe von sachlichen, fachlichen Problemen abzuklären. Das muss stets im gegenseitigen Einvernehmen von Bezirk und Land geschehen. Ich halte es für gut und richtig, dass sich die Bezirke – und zwar nicht nur die Stadträte, die für diesen Bereich zuständig sind, sondern sich auch die Bezirksämter – in diesen Prozess eingeschaltet haben, damit wir gut funktionierende Eigenbetriebe im Land haben.

Herr Steuer! Ihren Antrag können wir gerne noch im Ausschuss diskutieren, aber für die PDS-Fraktion kann ich heute schon sagen, dass wir ihn ablehnen, da er uns an keiner Stelle weiterhilft. – Danke schön!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Barth! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Dr. Augstin das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Augstin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Nolte! Angesichts des bisher

Herr Steuer! Die unter Ziffer 3 geforderte Darlegung ist allerdings nicht erfüllbar, denn egal, ob es künftig Ei

genbetriebe oder Kitas in bezirklicher bzw. in freier Trägerschaft geben wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass, wenn es schon nicht zu Mehrbelastungen kommt, so doch jedwede Trägerschaft mit Risiken für den Landeshaushalt verbunden sein wird. Wir interpretieren Ihren Antrag bei dieser Vorgabe allerdings in dem Sinn, dass dargelegt werden soll, inwieweit ausgeschlossen oder auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass es durch die Gründung kommunaler Eigenbetriebe zu Mehrbelastungen oder Risiken für den Landeshaushalt gegenüber dem Status quo kommt. – Ich danke!

Die Fraktion der Fraktion der CDU bittet um die sofortige Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 15/3724 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CDU, die Fraktion der FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind SPD und PDS. Letzteres war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich keine.

stockenden Prozesses der Übertragung der Kitas in freie Trägerschaft ist es wohl sehr gewagt, wenn Sie sagen, dass das alles noch terminlich hinkommt. So sollten ja bis zum Ende 2004 10 000 Plätze übertragen werden, und darüber hinaus müssten noch weitere 35 Kitas übertragen werden, um die beabsichtigte Einsparung von 80 bzw. 100 Millionen € zu erreichen. Bei dem bisherigen Tempo ist das wohl kaum zu schaffen. Ich bin gespannt, wie das ausgeht.

Anfang 2006 sollen aber die kommunalen Eigenbetriebe ihren Betrieb aufnehmen. Die noch nicht übertragenen Kitas werden dann vermutlich wohl in den Eigenbetrieben – und ich vermute: leider mit Schrecken – auf Dauer landen. Die erhofften Einsparungen wären damit grundsätzlich in Frage gestellt. Nach einer Übergangsphase wird der Hortbereich nun nur noch im Rahmen des Schulbetriebes stattfinden. Ein erheblicher Teil der bewährten Schülerläden und der Horte wird schließen müssen, und das Wahlrecht der Eltern wird dadurch auf Dauer eingeschränkt.

[Frau Dr. Barth (PDS): Das hat doch nichts mit den Eigenbetrieben zu tun!]

Es läge nun eigentlich nahe, wenigstens die Bildungs- und Erziehungsaufgabe des vorschulischen Bereichs in die Hand freier Träger zu legen und damit den Qualitätswettbewerb der freien Träger unter öffentlicher Kontrolle zu ermöglichen. Stattdessen sollen Eigenbetriebe unter kommunaler Trägerschaft entstehen, ohne dass abschließend geklärt und dargelegt ist, welche Vorteile bei bereits jetzt bekannten großen Risiken von der Gründung dieser Eigenbetriebe ausgehen sollen.

Bemerkenswert ist dabei, dass die freien Träger in der Vergangenheit einen 9-prozentigen Eigenanteil bei der Finanzierung der Kitaplätze erwirtschaftet haben. Es ist deshalb mehr als gewagt, nunmehr davon auszugehen, dass die Eigenbetriebe, wie es auch das Finanzierungsmodell gleicher Kostensätze vorsieht, diesen Eigenanteil erbringen können. Wir erwarten eher, dass die Gründung der Eigenbetriebe zu Mehrbelastungen oder Risiken für den Landeshaushalt führen wird, wie dies auch nach der Gründung des Jugendaufbauwerks der Fall war – selbstverständlich wieder zu Lasten des Landeshaushalts in Millionenhöhe.

[Zurufe von der PDS]

Deshalb unterstützen wir Liberalen den Antrag der CDU-Fraktion, zur Vorbereitung des parlamentarischen Entscheidungsprozesses über die weitere Zukunft der bezirklichen Kitas unverzüglich eine Detailplanung über die einzelnen Phasen der Gründung kommunaler Eigenbetriebe vorzunehmen, dabei die Gutachten zur Gründung kommunaler Eigenbetriebe zu berücksichtigen und Stellung zu ihnen zu nehmen.

[Frau Dr. Barth (PDS): Das wird schon lange gemacht!]

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich rufe auf die Priorität der Fraktion der PDS unter

lfd. Nr. 4 e:

a) I. Lesung

Mehr Demokratie für Berlinerinnen und Berliner (I) – hier: Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der SPD, der PDS, der Grünen und der FDP Drs 15/3707

b) I. Lesung

Mehr Demokratie für Berlinerinnen und Berliner (II) – hier: Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes

Antrag der SPD, der PDS, der Grünen und der FDP Drs 15/3708

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Starke Bezirke – starke Demokratie vor Ort

Antrag der CDU Drs 15/3776

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der PDS, und Herr Dr. Zotl hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach intensiver Zusammenarbeit habe die vier genannten Fraktionen zwei Gesetzesanträge eingebracht, um endlich bezirkliche Bürgerentscheide in

wird auch für dieses Gesetz gelten, was wir hier

Das ist aber mitnichten der Fall. In 15 der 16 Bundesländer gibt es die kommunalen Bürgerentscheide und zumeist zu moderaten Bedingungen. Wir sind nicht die Ersten, wir sind die Letzten. Alle Einwände, die auch die CDU in der Begründung ihres dringlichen Antrags wiederkäut, hat es bereits 15 Mal in 15 Bundesländern jeweils vor Einführung gegeben, übrigens immer von den gleichen Interessengruppen. Aber in jedem einzelnen Fall haben sie sich als vollkommen gegenstandslos erwiesen.

Vor allem konzentrieren sich Ihre Unkenrufe darauf, dass sich direkte Demokratie als Investitionshemmnis und Entscheidungsbremse für die bezirklichen Selbstverwaltungsorgane erweisen würde. Kleine, gut organisierte Einzelinteressen, warnen Sie, könnten die Entscheidungsprozesse okkupieren. Nach dieser Logik müssten Berlin an der Spitze der Investitionstätigkeit und schneller Entscheidungen stehen, denn hier gibt es als einzigem Bundesland zurzeit noch keine direkte Demokratie auf bezirklicher Ebene. Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, alles Länder mit zum Teil noch moderateren Regelungen und zum Teil sogar niedrigeren Quoren, müssten am Ende der Investitionskette liegen. So ist es aber nicht. Es ist genau umgekehrt. Und noch nie in der Geschichte der direkten Demokratie in der Bundesrepublik haben separierte Einzelinteressen die entsprechenden Mehrheiten erringen können. Denn der Souverän, meine Damen und Herren von der CDU, ist nicht heimtückisch, wie man Ihrem Antrag entnehmen könnte, nein, er ist souverän.

Berlin zu ermöglichen. Alle unsere Vorschläge haben wir mit der Praxis in den anderen Bundesländern abgeglichen und mehrfach Expertisen und Stellungnahmen eingeholt – darunter auch vom bundesweiten Verein „Mehr Demokratie e. V.“, dem ich an dieser Stelle namens meiner Fraktion für sein Engagement und seine Unterstützung besonders herzlich danke.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]

Trotz mancher Kompromisse war unsere Arbeit immer von einem gemeinsamen Willen geprägt: Wir wollen, dass sich Einwohnerinnen und Einwohner aktiv in die Politik einmischen und, wenn sie es denn fordern, auch selbst entscheiden können. Wir wollen, dass dieses zivilgesellschaftliche Engagement durch moderate Bedingungen befördert und nicht gebremst wird. – Anders ist ernst gemeinte direkte Demokratie nicht zu haben, und anders ist auch der weit verbreiteten Politikverdrossenheit nicht entgegenzuwirken.

Unsere Überlegungen gingen von vier Prämissen aus – erstens: Wenn Bürgerinnen und Bürger auf bezirklicher Ebene selbst Entscheidungen treffen können, dann erwächst der Zwang, die Qualität der „normalen“ bezirkspolitischen Entscheidungsprozesse deutlich zu verbessern. Wie insbesondere Bezirksamtsmitglieder von PDS und Bündnis 90/Die Grünen betonen, muss jetzt im Bezirk noch mehr vor den Entscheidungen mit der Öffentlichkeit um optimale Lösungen und Akzeptanz gerungen werden. Dass das eine außerordentlich positive Auswirkung unseres Gesetzes ist, kann doch nur negieren, wer statt demokratischer Verfahren Kungelrunden und Entscheidungsprozesse favorisiert, die hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Zweitens: Will man ernsthafte direkte Demokratie, dann müssen die Bürgerinnen und Bürger auch über entsprechende Entscheidungsmöglichkeiten verfügen. Deshalb haben wir die ausschließlichen Kompetenzen für die BVV und damit für bezirkliche Bürgerentscheide erweitert.

Drittens: Meint man es ernst mit der direkten Demokratie, dann müssen die Quoren moderat sein. Deshalb haben wir grundsätzlich auf gesonderte Zustimmungsquoren verzichtet. Die einfache Mehrheit entscheidet. Die Beteiligungsquoren haben wir, wie wir meinen, moderat gestaltet. Wir wollen, dass diejenigen, die hingehen, entscheiden und nicht jene, die nicht hingehen, weil damit hohe Beteiligungsquoren nicht erfüllt werden.

Viertens haben wir die direkte Demokratie in ein Paket mit weiteren Maßnahmen gepackt, die insgesamt zu mehr Transparenz, Teilhabe und bürgerschaftlichem Einfluss führen wie den Einwohnerantrag, die Einwohnerversammlung und die Einwohnerfragestunde als Teil der BVV und die Erweiterung der BVV-Rechte.

Bei einigen kritischen Debatten könnte man den Eindruck gewinnen, dass Berlin das erste Bundesland sei, das

kommunale Bürgerentscheide einführt, und dass wir jetzt alle Risiken und Negativeffekte quasi als Experiment am lebendigen Körper als Erste zu tragen hätten.

[Gram (CDU): Vivisektion!]

[Beifall bei der PDS]

Sie tragen längst widerlegte Vermutungen vor. Auf unserer Seite ist aber der Vorzug der faktischen Beweiskraft.

Im Antrag der CDU stehen viele Dinge, die es entweder schon gibt oder die selbst schon einmal durch den Rat der Bürgermeister gefallen sind. Anderes ist rechtlich höchst fragwürdig. Vor allem aber wollen Sie die im Grundsatz gute Idee ehrenamtlicher Ortsteilbeiräte zu einem zahnlosen Tiger verkommen lassen. Wenn Sie wirklich die demokratischen Rechte der bezirklichen Selbstverwaltungsorgane stärken wollen, dann müssen Sie diesen Beiräten Entscheidungsrechte geben. In Ihrer Version aber sollen diese Beiräte zwar gehört werden, Verfahren verlängern, aber sie sollen nichts zu entscheiden haben. Das ist aber ein Weg – und genau das wollen Sie offensichtlich –, um direkte Demokratie zu verzögern oder gar zu verhindern. Das ist mit uns nicht zu machen.

[Beifall bei der PDS]

In den Debatten gab es aber auch die Kritik, dass die Quoren zu hoch, die hier lebenden Migrantinnen und Migranten benachteiligt sowie Möglichkeiten für Plebiszite auf Ortsteilebene nicht vorgesehen sind. All das muss im Gesetzgebungsverfahren gründlich überprüft werden. Auf jeden Fall – das gilt auch für die Warnungen