Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

In den Berliner Schulen findet unter großem Einsatz von Lehrkräften – Sie wissen doch nicht, was Klippert ist, Sie kennen Einheitswerte, aber Klippert kennen Sie nicht, das sind Unterrichtsmethoden, das fehlt Ihnen doch ganz, also seien Sie da zurückhaltend –,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Mutlu (Grüne)]

Schließlich noch ein Punkt zum Stichwort Chancengerechtigkeit.

[Dr. Lindner (FDP): Erzählen Sie mal zu Ende!]

Wir, die Bildungsfachleute, wissen – und das kann man genau belegen –, wo die Schwächen sind. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass in den Regionen und Stadtteilen bildungsferne Schichten und Migranten, die wir in der Stadt haben und auch brauchen, mehr Chancen bekommen. Da müssen wir in der vorschulischen Erziehung, im Kindergarten besser werden. Wir beginnen ein halbes Jahr früher mit der Schule. Wir bauen die Ganztagsgrundschule aus. Wir wollen mehr Sprachunterricht. Das wird uns weiterhelfen. In diesem Sinne ist die Bildungspolitik des Senats auf einem richtigen Weg. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Vielen Dank, Herr Senator Böger! – Wir haben jetzt noch verbleibende Redeminuten und Redemeldungen. Als nächste erhält Frau Kollegin Senftleben das Wort für die FDP. Sie hat noch fünf Minuten. – Bitte schön!

[Wansner (CDU): Peinlich, Herr Böger!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Böger! Sie haben eben mit vielen Worten wenig gesagt.

[Zuruf von der CDU: Nichts!]

Ich freue mich auf das nächste Jahr, das zu einer Profilschärfung zwischen diesem und jenem Lager führt. Diese Profilschärfung werden wir nutzen, und das werden die

Berliner Wählerinnen und Wähler genau mit ihrem Kreuzchen anmerken.

Frau Dr. Tesch kündigte bereits in der Sitzung am 24. Februar 2005 im Plenum an, dass auf dem Landesparteitag entschieden wird – jetzt kommt das Zitat –,

ob die Religionsgemeinschaften und andere bekenntnisorientierte Gruppierungen vollständig aus dem Unterricht gedrängt werden.

Frau Dr. Tesch, ich habe es heute noch nachgelesen! Lesen Sie es nach, bevor Sie jetzt behaupten, dass Sie es nicht gesagt haben!

Zu konstatieren ist, dass die Berliner Schulen ihrem Bildungsauftrag nicht nachkommen. Die Schulabbrecherquote ist zu hoch, die Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler ist miserabel, die Anzahl der qualifizierten Schulabgänger zu niedrig. In einem sind wir alle einer Meinung: Die Berliner Schulen müssen qualitativ besser werden.

Hier gibt es jetzt ein Rezept, wie wir heute gehört haben, vertreten von SPD, PDS und den Grünen. Das Rezept lautet Einheitsschule,

[Frau Dr. Barth (PDS): So ein Quatsch!]

ein gemeinsames Lernen bis zur 10. Klasse. Das sind alte Rezepte, die in Berlin nicht zur Qualitätsverbesserung, sondern dahin geführt haben, wo Berliner Schulen heute stehen.

[Beifall bei der FDP]

Chefideologen sind wieder dran, allein die Privatschulen als Fluchtort zu bezeichnen. Das zeigt, wes Geistes Kind die Damen und Herren der SPD sind, und das ist ein Zeichen von Ignoranz und Intoleranz. Mit der Forderung nach der Einheitsschule scheint die SPD unbeirrbar zu sein. Sie sieht nicht, dass weder das OECD-Gutachten noch PISA eine Strukturdebatte begründen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mutlu?

Nein! – Es gibt keine wissenschaftlich ernst zu nehmende Aussage darüber, ob Dreigliedrigkeit oder Einheitlichkeit zu mehr Qualität und Leistung führen, und genau darüber müssen wir reden, denn da müssen wir hin. Sie wollen mit ollen Kamellen die Bildungssituation verbessern, wir dagegen wollen das auch, setzen allerdings andere Akzente:

[Zurufe der Abgn. Frau Dr. Barth (PDS) und Frau Abg. Schaub (PDS)]

ein fairer Wettbewerb zwischen allen Schulformen und Schultypen – Frau Schaub, hören Sie einfach einmal zu! Da können Sie etwas lernen! –, eine hohe Eigenständigkeit der einzelnen Schule, verbindliche Zielsetzungen sowie fortlaufende Evaluation und Qualitätskontrolle. Es gilt das Motto: Nicht der Weg, sondern die Resultate zählen!

[Beifall bei der FDP]

Hier liegen zwei grundsätzlich verschiedene Konzepte vor: auf der einen Seite Vielfalt und Eigenverantwortung, auf der anderen Seite Einheit und Bevormundung. Sie träumen den Traum von Gleichheit. Wir träumen nicht, sondern setzen darauf, jeden nach seinen Begabungen optimal zu fördern.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Eine weitere Frage, die im nächsten Jahr ganz oben auf der Agenda steht, ist folgende: Soll in Berlin nach guter alter Tradition jeder nach seiner Fasson selig werden oder nicht? – Wir halten es mit dem Alten Fritz: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Wer Religionsunterricht wünscht, geht hin, wer nicht, geht zu LER. So wird keiner diskriminiert. Wir wollen ein Fach Ethik/Philosophie mit der Alternative Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht.

[Frau Dr. Tesch (SPD): Das habe ich überhaupt nicht gesagt!]

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Tesch (SPD)]

Regen Sie sich nicht so auf, lesen Sie lieber nach! – Das wollen wir nicht! Nun stellen wir uns Folgendes vor: Eine Lehrerin, 50 Jahre alt, steht vor der Klasse in Neukölln, hat im Schnellverfahren gelernt, wie man welche Werte vermitteln soll. Der Migrantenanteil in der Klasse liegt bei 75 %, größtenteils Muslime. Thema Islam. Die Lehrerin vermittelt das. Reaktion: müdes Lächeln, wahrscheinlich breites Grinsen. Eines steht jedenfalls fest: Dass die Lehrerin hier ernst genommen wird, ist zu bezweifeln. Warum? – Es fehlt an Authentizität. Hier steht eine Lehrerin vor den Jugendlichen, die ausschließlich Wissensvermittlerin ist. Das genau reicht nicht aus, wenn es um Fragen der Religion bzw. um Glaubensfragen geht.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Tesch?

Nein, ich habe jetzt noch ein bisschen etwas zu sagen, nämlich insbesondere Herrn Müller möchte ich etwas auf den Weg geben.

[Brauer (PDS): Dann sagen Sie doch endlich mal was, Frau Senftleben!]

Nachdem der Kanzler Sie gestern abgekanzelt hat, beklagen Sie öffentlich, dass auf Bundesebene die Genossen die Diskussion nicht begriffen hätten, und Sie beklagen heute auch die gewisse Schärfe. Jetzt frage ich Sie: Was ist eigentlich daran nicht zu verstehen? Was ist daran missverständlich, wenn der Grüne Herr Ratzmann die Mittel für den Religionsunterricht zur Disposition stellt? Was ist daran missverständlich, wenn Frau Bluhm die Herkunftsreligion relativieren möchte? Und was ist daran missverständlich, wenn Frau Buttgereit die Auffassung

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Frau Senftleben! Es ist richtig, dass ich in der letzten Sitzung aufgezählt habe, was nach rechtlichen Möglichkeiten möglich ist, nämlich – das habe ich fast wörtlich dabei gesagt, nur nicht so ausführlich, wie ich es beim letzten Mal gesagt habe –: Wir sind relativ frei in unseren Entscheidungen. Das hat im Übrigen auch der Verfassungsrechtler Schlink, der das eine Gutachten geschrieben hat, so mitgeteilt, und da waren sich alle Gutachter einig. Wir können demnach Folgendes machen: Wir können ein ordentliches Lehrfach einführen, wie Sie und die CDU das wollen. Wir können das tun, was wir jetzt machen wollen, ein Wertefach ohne Abwahlmöglichkeit einführen. Wir können einen Wahlpflichtbereich einführen, oder wir können den jetzigen Stand beibehalten ohne jegliche Änderungen, und letztens habe ich gesagt, wir könnten die vollständige Verbannung der Religionsgemeinschaften und anderer bekenntnisorientierten Gruppierungen aus dem Unterricht beschließen. – Wir könnten! Aber niemand will das. Wenn Sie Presse, Radio und Fernsehen verfolgt haben, wo Herr Müller, ich und andere Bildungsvertreter in der Stadt gesprochen haben, haben wir immer gesagt: Niemand will den Religi

onsunterricht aus den Schulen verbannen. Wir wollen keinen Kirchenkrieg. – Die Evangelische Kirche ist gerade für die SPD auf vielen Ebenen immer ein Bündnispartner gewesen. Wir haben überhaupt nicht diese Absicht. Ich halte Sie gar nicht für so dumm, dass Sie das nicht verstehen, Frau Senftleben.

Sie wollen unsere Äußerungen missverstehen, anders kann ich das nicht begreifen.

Herr Präsident! Verehrte Frau Kollegin Dr. Tesch! Über Dummheit ließe sich trefflich streiten, es ist aber jetzt nicht der richtige Ort. Sie haben die Aufzählung vorgenommen, richtig, aber es ist genau das eingetreten, was Sie mit Punkt 4 gesagt haben.

vertritt, es gebe sicherlich katholische Werte, die würden sich jedoch nicht zur Erörterung in der Schule eignen? – Diese Botschaft ist eindeutig. Hier wird die geistige Haltung klar. Die Haltung ist borniert, intolerant und ignorant,

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Werte, die es nicht zu vermitteln gilt. Es zeigt, wes Geistes Kind Sie sind. Und diese Geister sollen zukünftig bestimmen, welche Werte unseren Kindern und meinen Enkelkindern vermittelt werden? – Herzlichen Dank!

Frau Kollegin! Kommen Sie zum Schluss – bitte!

Ich komme zum Schluss. – Herr Böger! Zum letzten Punkt: Sie haben mit großer Verve Ihre Position dargelegt. Es gab einmal die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie stand vor dem Dilemma, einen Beschluss umsetzen zu müssen, den sie partout nicht mittragen konnte. Ihre Konsequenz: Rücktritt. Sie konnte und wollte sich nicht verbiegen. Mit dieser Haltung hat Frau Schnarrenberger sich bis heute ihre Glaubwürdigkeit bewahrt, und zwar nicht nur bei uns in der Partei.

[Beifall bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Richtig, bravo!]

Herr Böger! In Zeiten der Politikverdrossenheit ist Glaubwürdigkeit ein hoher Wert, den es zu vermitteln gilt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Frau Kollegin Senftleben! – Die letzte Wortmeldung – – Nein, wir haben jetzt eine Kurzintervention von Frau Dr. Tesch. – Bitte schön! Sie haben das Wort.

[Heiterkeit bei der PDS]