Wir von Bündnis 90/Die Grünen wünschen uns eigentlich mehr, viel mehr, als das, was hier zur Verabschiedung vorliegt. Aber Demokratie bedeutet eben auch, Kompromisse einzugehen und zurückzustecken. Das ist dieses Mal passiert, aber das ist der erste Versuch. Ich hoffe, dass wir in Zukunft an diesem Gesetz weitere Verbesserungen vornehmen können. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist nicht nur ein Kompromiss zwischen Grün und Rot, sondern enthält Forderungen zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen, unter anderem aber auch Forderungen der CDU/CSU. Unsere Kollegen und Kolleginnen im Bundestag sind den Christdemokraten wirklich entgegengekommen. Jetzt ist aber das Ende der Fahnenstange erreicht, weil das, was die CDU/CSU jetzt vorhat, nichts anderes ist als ein Wahlkampfmanöver. Dafür geben wir uns nicht her.
Der politische und gesellschaftliche Hintergrund eines Zuwanderungsgesetzes ist die grundsätzliche Bejahung der Tatsache, dass Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland kommen. Die Umpolung dieses Gesetzes zu einem Zuwanderungsbegrenzungsgesetz, also möglichst der Verhinderung der Einwanderung, macht die ganze Sache völlig widersinnig, und dafür sind wir nicht zu haben.
Es geht bei diesem Gesetz um die Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes, das geben wir zu. Aber es geht auch um grundsätzliche humanitäre Notwendigkeiten. Nach wie vor stehen wir vor der brutalen Tatsache, dass viele Menschen Schutz vor sogenannter nichtstaatlicher oder geschlechtsspezifischer Verfolgung suchen müssen. Diesen Menschen muss der Aufenthalt gewährt werden. Es ist geradezu aberwitzig, wenn beispielsweise Flüchtlinge aus Afghanistan, Frauen aus Afghanistan keine Anerkennung fanden, weil ihre Verfolger, die Taliban, nicht als Regierung anerkannt waren. Oder, wenn Frauen, die vor der Gefahr entsetzlicher Genitalverstümmelungen fliehen müssen, hier keine Aufnahme finden, weil ihre Verfolgung nicht im engen Sinne politisch ist. Es darf nicht angehen, dass ein
Gesetz, das dafür da ist, die Einwanderungs- und Ausländerpolitik dieses Landes zu modernisieren und zu humanisieren, den Rechtsstatus solcher Flüchtlinge noch weiter verschlechtert anstatt ihn zu verbessern.
Wenn die CDU/CSU dieses Gesetz jetzt ablehnt, handelt sie völlig entgegen aller Vernunft und stellt ihre kurzsichtigen, wahltaktischen Erwägungen über die Interessen des Landes. Das wollen wir nicht.
Ich komme jetzt zu dem Änderungsantrag. Wie Sie sicher wissen, hat das halbe Kabinett Kohl den Gesetzesentwurf unterstützt und steht dahinter. Das ist ein Zeichen, an dem Sie sich orientieren sollten. Wir appellieren deshalb an den Senat, wie in unserem Ursprungsantrag gefordert, am 22. März die Anrufung des Vermittlungsausschusses abzulehnen. Tun Sie das nicht, kommt – wenn überhaupt – mit Sicherheit ein noch weiter verwässertes Gesetz heraus. Dies wäre nicht einmal mehr eine Reformruine, sondern es wäre ein Rohrkrepierer, der in seiner einwanderungspolitischen Wirkung voll nach hinten losgehen würde. Wir appellieren an die PDS, sich dieser Blockade- und Verhinderungstaktik zu verweigern. Wir begrüßen die vorliegende Beschlussempfehlung und unterstützen diese auch, wenn wir sie jedoch unserem Ursprungsantrag gegenüberstellen, dann entspricht sie nicht unserer Intention.
Ich komme zum Schluss! – Wir haben die Zustimmung des Senats an Bedingungen geknüpft. Wir haben ein unsinniges Vermittlungsverfahren abgelehnt. Das, was jetzt hier kommt, betrifft das Ausnutzen der länderspezifischen Ermessensspielräume.
Deshalb frage ich, weshalb man nicht beides zusammenlegen konnte, weshalb man sich nicht ganz klar zu der Frage Vermittlungsausschuss, Ja oder Nein, und Zustimmung, Ja oder Nein, geäußert hat. Wir hoffen, dass Herr Gysi zu seinem Wort steht und dass die rot-rote Koalition morgen dem Gesetz zustimmt und einen Vermittlungsausschuss ablehnt.
Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu! – Für die SPD-Fraktion hat das Wort Herr Kollege Kleineidam – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich darf zunächst dem Kollegen Mutlu ausdrücklich bestätigen, dass wir als SPD-Fraktion in diesem Haus das Zuwanderungsgesetz als eine große Leistung der rot-grünen Bundesregierung betrachten.
Es geht ein gut zweijähriger Diskussionsprozess zu Ende, der durch Bundeskanzlerr Schröder im Februar 2000 in Gang gesetzt worden ist. Ich kann mir Wiederholungen ersparen, der Kollege Mutlu hat bereits darauf hingewiesen. Wir beenden eine jahrzehntealte Lebenslüge in unserem Land, wenn wir jetzt endlich akzeptieren, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und wir nun beginnen, vernünftige Regelungen für die Zuwanderung aufzustellen.
Der diesem Beratungspunkt zu Grunde liegende Antrag der Grünen aus der letzten Plenarsitzung hat das Ziel, unserem Berliner Senat Handlungsvorgaben für die Verhandlungen im
Bundesrat zu geben. Wir sind hier nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern eher aus verhandlungstaktischen Gründen der Ansicht, dass das kontraproduktiv sein kann.
Wir sind völlig in Übereinstimmung, dass wir uns wünschen, dass morgen im Bundesrat das Zuwanderungsgesetz eine Mehrheit findet. Aber wir wissen auch alle, dass es ein breiter Diskussionsprozess ist, dass heute Nacht noch Gespräche stattfinden. Wir halten es für taktisch falsch, dem eigenen Senat den Handlungsspielraum einzuschränken. Deshalb konnten wir als SPDFraktion dem ursprünglichen Antrag der Grünen unsere Zustimmung nicht geben – wohlgemerkt auf Grund taktischer Erwägungen, nicht auf Grund inhaltlicher Bedenken. Wir haben im Innenausschuss nun einen Änderungsantrag eingebracht, der zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses geworden ist und uns als Land Berlin verpflichten soll, das Zuwanderungsgesetz – das hoffentlich morgen beschlossen wird – im Sinne einer humanen Migrationspolitik auszufüllen. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Ich bitte deshalb heute um die Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses!
Vielen Dank, Herr Kollege Kleineidam! – Für die Fraktion der CDU hat das Wort Herr Roland Gewalt – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer Emnid-Umfrage aus der letzten Woche sagen 76 Prozent der Bürger in der Bundesrepublik: Deutschland braucht nicht mehr Zuwanderung. Dies ist nicht durch diffuse Ängste begründet, sondern durch die nachvollziehbare Furcht, Deutschland könnte sich mit diesem Gesetz, das von Rot-Grün vorgelegt wird, übernehmen. Schaut man sich die Zahlen der Ausländerarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik an, dann ist diese Furcht und sind diese Ängste durchaus begründet.
Als Bundeskanzler Willy Brandt vor 30 Jahren den Anwerbestopp erklärte, hatten wir eine Ausländerarbeitslosigkeit von 0,8 Prozent. Heute, wo Rot-Grün diesen Anwerbestopp aufheben will, liegt die Ausländerarbeitslosigkeit bundesweit bei über 20 Prozent. Wenn ein bestimmter Arbeitsplatz zu besetzen ist – das hat der Herr Bundesinnenminister mehrfach erklärt, zweifelsohne, bevor er das Gesetz vorgelegt hat –, kann bereits heute ein Ausländer zur konkreten Arbeitsaufnahme ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik erhalten. Warum soll dann der Anwerbestopp generell aufgehoben werden? – Das können Sie dem Bürger wirklich nicht mehr glaubhaft erklären. Dies führt nur zu einer Zuwanderung in das Sozialsystem und nicht in den Arbeitsmarkt.
Und Herr Kollege Mutlu, geradezu absurd ist Ihr Vorwurf, die Union grenze sich hier von ausländischen Mitbürgern ab. Diejenigen, die als erste eine Zuwanderung von gering Qualifizierten auszubaden haben, sind die ungelernten Arbeitnehmer. Wo ist der Anteil von Ungelernten am höchsten? – Bei den ausländischen Mitbürgern, die vor Jahrzehnten als Gastarbeiter in unsere Stadt gekommen sind! Ihre Arbeitsplätze sind doch als erstes durch das Gesetz bedroht.
Stichwort kleines Asyl: Gerade hier hat der Bundesinnenminister, Otto Schily, den kapitalen Fehler begangen, dass er offensichtlich gegen seine eigene Überzeugung dem Koalitions
partner, den Grünen, an Stellen Zugeständnisse gemacht hat, wo ein Konsens mit der CDU/CSU, aber auch mit der Mehrheit der Bevölkerung nicht denkbar ist. Noch am 15. November 1998 erklärte Schily in einem Interview im „Tagesspiegel“ – ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren:
Der Wegfall des Erfordernisses der Staatlichkeit durch Gesetzesänderungen ließe erheblichen Zuwandungsdruck erwarten.
Ich kann dieser Einschätzung voll und ganz zustimmen. Bedauerlicherweise hat der Bundesinnenminister in den letzten zwei Jahren seine Meinung um 180 Grad gedreht, um den Grünen hier entgegenzukommen.
Im Rechtsausschuss, Herr Kollege Wieland, früher, und jetzt im Innenausschuss haben wir diese Forderung von Ihnen immer wieder gehört, dass die nichtstaatliche Verfolgung als Asylgrund, als sogenanntes kleines Asyl aufgenommen werden muss. Das war Ihre zentrale Forderung, und Sie haben sich gegenüber dem Bundesinnenminister durchgesetzt, der 1998 offensichtlich noch eine ganz andere Auffassung zu diesem Thema hatte. Das ist die Wahrheit.
Nicht bei fünf Minuten Redezeit! – Meine Damen und Herren von der SPD, Sie erwarten doch nicht ernsthaft von uns, dass wir einem Gesetzentwurf zustimmen, den Ihr eigener Bundesinnenminister hinsichtlich des Inhalts vor zwei Jahren noch kategorisch abgelehnt hat! Das ist zu viel verlangt!