In der Verfassung haben sich die Verfassungsgeber auf das Kriterium Alter geeinigt. Somit sind vor dem Gesetz alle mit gleichem Alter gleich. Wir haben nach der Verfassung zu entscheiden, ob das Kriterium 18 Jahre als Wahlrechtsalter weiter gelten soll oder nicht. Vor dieser Frage stehen wir.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie stehen jetzt auch vor der Entscheidung, entweder sich mit uns anzulegen oder zu akzeptieren, dass Ihre Redezeit bereits überschritten ist.
Ich bin fast am Ende meines Redebeitrags und fasse deshalb zusammen: Der Entwicklungsprozess zur politischen Eigenverantwortungsfähigkeit findet aufgrund des Entwicklungsprozesses des Jugendlichen in unserer Gesellschaft frühestens im Alter von 18 Jahren oder vielleicht knapp davor eine hinreichende Ausprägung. Wir Liberalen halten eine Änderung des Wahlalters daher, wie in dem Antrag ausgeführt, für nicht verantwortungsvoll. Meine Fraktion – und damit auch ich – geht davon aus, dass Freiheit und insbesondere politische Freiheit ohne Verantwortung nicht möglich ist. Freiheit würde zur Beliebigkeit. Die Freiheit zur Wahl würde nicht zur Demokratie, sondern in die Anarchie führen.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider Gesetzesänderungen federführend an den Rechtsausschuss sowie mitberatend an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport. – Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Stimmenthaltungen? – Das sehe ich nicht. Damit haben wir das so überwiesen.
Ich eröffne die I. Lesung. Die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion geeinigt. – Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zimmer!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute steht ein Haushaltsteilgesetz, ein Vorschaltgesetz, in der I. Lesung zur Debatte, was aus verschiedenen Gründen einer näheren Betrachtung bedarf, auch wenn wir das noch einmal detaillierter im Hauptausschuss zu beraten haben.
Erstens ist darin eine Steuererhöhung – hinsichtlich der Grundsteuer – enthalten. Nun kann man natürlich sagen: Wir sind grundsätzlich gegen Abgabensteigerung, weil das immer
etwas Kontraproduktives ist. – An dieser Stelle will ich mich auf diese Diskussion gar nicht einlassen, denn wenn man sich die besondere Situation in Berlin ansieht – gerade, was die Einheitswerte angeht –, so kann man darüber trefflich streiten, ob diese Erhöhung dem Standort nachhaltig schadet.
Aber was steckt hinter diesem Gesetz? – Die Steuererhöhung wird als Vehikel verwandt, um auf diese Art und Weise auf einen anderen Umstand zu sprechen zu kommen und um sich zu einem anderen Umstand zu begeben, der auf der Tatsache beruht, dass wir uns im Augenblick in Zeiten des Artikels 89 der Verfassung von Berlin befinden, nämlich der vorläufigen Haushaltswirtschaftsführung.
Alle meine lieben Freunde aus dem Hauptausschuss wissen schon, was jetzt kommt, weil ich mir da mittlerweile den – jedenfalls aus Sicht einiger der Beteiligten – zweifelhaften Ruf zugelegt habe, als Lordsiegelbewahrer der Verfassung von Berlin jedes Mal den Artikel 89 heraus zu zaubern,
wenn wir uns über Vorlagen unterhalten, die uns die Senatsverwaltungen vorlegen, um Mittel bewilligt zu bekommen, die an sich nicht von Artikel 89 der Verfassung von Berlin gedeckt sind. Denn dieser hat zwei Absätze: Absatz 1 hat etwas mit den Ausgaben zu tun. Da geht es darum, dass sie die Ausgaben als Verwaltung tätigen können, um die ordnungsgemäße Verwaltung aufrechtzuerhalten. – So weit, so gut! Das muss jede Verwaltung für sich selber entscheiden, ob es denn tatsächlich diesen Kriterien genügt, was sie da auszugeben vorhaben.
Dann gibt es noch die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen. Auch das ist einsichtig. In dem Augenblick, wo ein Vertrag oder der Anspruch eines Dritten besteht, kann man ihn nicht einfach darauf verweisen, dass das Land Berlin im Moment keinen beschlossenen Haushaltsplan hat, denn auch dort gilt der alte Grundsatz: Geld hat man zu haben. – Das rettet keinen Schuldner.
Aber wir haben in der Vergangenheit in einem großen Umfang Anträge der Senatsverwaltungen bekommen, wo in dreistelliger Millionenhöhe für bestimmte Projekte und Vorhaben Mittel in diesem Haushalt gebunden werden sollen. Nun kann man sagen, dass es sich dabei teilweise um Projekte handelt, die politisch erwünscht, richtig und sinnvoll sind. Ich denke dabei z. B. an die AB-Maßnahmen. Da gibt es durchaus einen politischen Konsens, dass man sagt: Diese Mittel müssten vom Prinzip her bereitgestellt werden. – Aber ist es denn im Rahmen der Verfassung möglich, dieses so zu tun? – Die Antwort lautet an dieser Stelle ganz eindeutig: Nach dem Buchstaben der Verfassung ist es nicht möglich, dieses zu tun. Deswegen hat man sich nach längerem Hin und Her darauf geeinigt, dass man nun immer unter die Vorlagen schreibt: Wir machen das über Artikel 89 VvB hinaus. Das ist ein sehr zweifelhaftes Verfahren, das nun offensichtlich auch auf die Kreditermächtigung angewandt werden soll, denn Artikel 89 regelt in seinem Absatz 2, wie viel Geld im Wege der Kreditermächtigung in Zeiten der vorläufigen Haushaltswirtschaft aufgenommen werden darf. Da gibt es eine klare Grenze: 25 % der Endsumme der Einnahmen im abgelaufenen Haushaltsjahr darf man als Kredit aufnehmen – aber begrenzt durch Artikel 87 Abs. 2. – Das soll jetzt kein verfassungsrechtliches Kolloquium werden, es ist aber wichtig, um die Systematik zu verstehen. – Und Artikel 87 Abs. 2 kennt zwei Grenzen. Es kennt einmal die Grenze der Investitionen, die getätigt werden sollen. Das ist in Berlin sowieso ein Thema, über das vertieft zu reden sich lohnen würde, ob es in der Vergangenheit richtig gehandhabt worden ist und wie man es in der Zukunft handhaben möchte. Aber nun kennen wir den Beschluss des Senats zu seinem Doppelhaushalt, und wir wissen auch, das dieser Senat vorhat, mit den Investitionen deutlich hinter der 2-MilliardenMarke zurückzubleiben. Das bedeutet: Da ist Schluss. Mehr Geld gibt es nicht.
Ja, dieser Satz geht weiter, und da geht es darum, dass zur Abwendung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts noch mehr Kredite aufgenommen werden kön
nen. Das ist zum einen interessant, weil nun offensichtlich der Senat konstatiert, dass es nämlich – was die Bundesregierung seit geraumer Zeit vehement bestreitet – eine Störung dieses Gleichgewichts gibt, sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Berlin. Nun gut, ich lasse mal so stehen, ob es denn so ist oder nicht; das ist eher eine Frage, die unsere Freunde der Finanzwirtschaftslehre zu beantworten haben. Aber wenn diese Mittel im Rahmen eines Kredites aufgenommen werden, dann nur, wenn man sich darauf beruft, dass man eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abwenden will. Dieses Geld müsste also eingesetzt werden, um diese Störung zu beseitigen. Davon liest man in dieser Vorlage leider nichts. Tatsächlich ist es nur ein Vehikel, um Liquiditätsschwierigkeiten zu begegnen, die man ganz offensichtlich hat. Jeder, der die Ausschöpfung der Kredite kennt, weiß, das es so ist, dass das Land Berlin vom Prinzip her große Schwierigkeiten hat, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln seine Verpflichtungen bis zum Beschluss eines Haushalts zu erfüllen. Deswegen sollten wir das im Hauptausschuss intensiv diskutieren, vor allem in Hinblick darauf, was eigentlich für die Erhöhung der Kreditermächtigung eine tragfähige Begründung wäre. In der Sache selber kann man sicherlich nicht den Staatsbankrott anstreben, die Illiquidität des Landes Berlin. Aber das muss auf einem Weg erfolgen, der mit Recht und Gesetz vereinbar ist. Das werden wir im Fachausschuss zu diskutieren haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Zimmer, Sie wussten, dass ich noch einmal darauf eingehe.
Sie warten darauf, und ich werde es auch tun, weil Sie regelmäßig im Hauptausschuss die Verfassung zitieren. Aber Sie können in der Sache sicher sein, dass die Regierung verfassungsgemäß handeln wird.
Da wir Ende Juni dieses Jahres, wie Ihnen auch bekannt ist, einen Beschluss zum Haushaltsgesetz fassen werden, ist es sicherlich erforderlich, Dinge zu regeln, die nicht aufgeschoben werden können. Deshalb sollten wir Verständnis dafür haben, dass wir dieses Gesetz heute in I. Lesung behandeln.
Zunächst sollen mit der Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer dringend erforderliche Einnahmen noch für dieses Jahr gesichert werden – ein Vorgang, der bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes nicht warten kann. Das vorliegende Vorschaltgesetz ist aber auch notwendig, um bis zum Zeitpunkt des Haushaltsbeschlusses Liquiditätsprobleme, die nicht auszuschließen sind, zu vermeiden.
Die bereits angekündigte Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer soll nunmehr vorgenommen werden.
Diese Erhöhung hat die Koalition vereinbart, um die Einnahmesituation des Landes Berlin zu verbessern. Diese Entscheidung muss noch in der ersten Hälfte des Jahres getroffen und umgesetzt werden. Da der Hebesatz allein nicht über die absolute Höhe der zu entrichtenden Grundsteuer entscheidet, sondern dies auch vom Grundstückwert abhängig ist, ist diese Maßnahme sicherlich nicht unbedingt zu bejubeln, erscheint uns aber im Vergleich mit der Betrachtung der absoluten Höhe der Grundsteuer in anderen Bundesländern als möglich.
Das Gesetz enthält als Zweites neben der Festschreibung der Höhe der Deckungskredite auch die Festlegung der Höhe der Kassenverstärkungskredite, die zur Vermeidung von akuten Liquiditätsproblemen benötigt werden. Die im Gesetzentwurf hierzu genannten Margen sind in Hinblick auf eine weit gehende
Reduzierung der Kassenverstärkungskredite auf die zur Beibehaltung der Liquidität des Landes Berlin notwendige Höhe begrüßenswert. Dies sollte in der Regel auch einziger Zweck von Kassenverstärkungskrediten sein. Das hat das Haus mehrfach festgestellt. Die Möglichkeit, ergänzende Vereinbarungen zur Steuerung von Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken sowie der Erzielung günstiger Konditionen bei neuen Krediten und bestehenden Schulden zu treffen, muss im Rahmen der Beratung des Gesetzes sicherlich noch eingehend besprochen werden. Wenn dargestellt wird, dass das Land durch intelligentes Zins- und Schuldenmanagement Einsparungen erzielen kann, wird sich die SPD-Fraktion solchen Regelungen nicht verschließen. – Danke schön!
Danke sehr! – Von der FDP wurde mir signalisiert, dass Dr. Lindner das Wort wünscht. Dann soll er es auch bekommen. Bitte schön!
Sehr freundlich, Frau Präsidentin! – „Noch 2 Minuten“ – das kann nicht stimmen, ich habe noch nicht angefangen.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Die Grundsteuererhöhung als dringliches Gesetz einzubringen, ist schon für sich ein bemerkenswerter Vorgang. Dass es Ihnen eilig damit ist, mag sein. Aber dass es so eilig ist, dass Sie uns damit erst wenige Stunden vor der heutigen Debatte konfrontieren, das ist ein äußerst unerfreulicher und unfreundlicher Akt.
Es ist nämlich nicht so, dass diese Grundsteuer erst vor wenigen Stunden auf Ihrer Senatsklausur vom Himmel gefallen ist. Diese „Erleuchtung“ ist Ihnen schon länger gekommen. Zumindest in den Gesprächen mit uns und den Grünen in der Koalitionsverhandlung zur Bildung einer Ampelkoalition wurde uns auch schon diese Grundsteuererhöhung hauptsächlich als sozialpolitische Maßnahme verkauft. Da wurde gesagt, dass Getränkesteuer, Motorbootsteuer und Grundsteuererhöhung Maßnahmen seien, von den Besserverdienenden in dieser Stadt einen angemessenen Beitrag zur Sanierung der Kasse zu erwirken, und dass die FDP hier springen müsse; es sei ihre Klientel. Na ja, all diese Steuern, die ich gerade aufgezählt habe, haben vor allem ein gemeinsames Merkmal: Sie werden auf die kleinen Leute umgelegt. Die Getränkesteuer zahlen die kleinen Leute in der Kneipe, und die Grundsteuer – das wissen Sie ganz genau, Herr Wolf – wird nach der Zweiten Berechnungsverordnung auf die Mieter umgelegt. Sie berühmen sich immer und freuen sich, dass Berlin eine Mieterstadt ist und dass das auch so bleiben soll. Aber die Grundsteuer wird eben in erster Linie durch die Mieter in dieser Stadt getragen. Also, sozialpolitisch wertvoll ist die aus linker Sicht keinesfalls.
Vermögensteuer, ja, das können Sie ja mal versuchen. Aber wir sind seit einigen Jahren in der Europäischen Union, und da gibt es einfach ein Problem, eine Vermögensteuer einzuführen. Vielleicht sollten wir dann eher austreten, und dann könnten wir Ihre Vermögensteuer einführen.
Das wollen Sie auch nicht. Dann lassen wir das mit der Vermögensteuer und kommen zur Sinnhaftigkeit von Steuererhöhungen ganz allgemein.