Protokoll der Sitzung vom 16.06.2005

Wir wollen nicht erst dann, wenn in der Kita mehr als 40 % Migrantenkinder sind, verstärkt fördern. Wir wollen jedes Kind, das Unterstützung braucht, von Anfang an individuell fördern.

Trotz Haushaltsnotlage dürfen wir nicht an der Bildung und Betreuung der Kleinsten sparen. Wir könntensparen bei der Übertragung von Kitas an freie Träger

Frau Kollegin Pop hat eben darauf hingewiesen. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich sage nur, Sie haben gerade eben noch die Kurve gekriegt. Mehr sage ich nicht. Aber wie Sie dann mit der Opposition umgesprungen sind – – Herr Nolte, ich finde es geradezu niedlich, wenn Sie sagen: Heute wollen wir darüber diskutieren. – Heute liegt das Gesetz zur Abstimmung vor. Wenn Sie die Opposition in diesen Diskurs, in diese Diskussion einbeziehen wollen, dann hätten Sie das anders machen müssen.

Ich finde das ein etwas merkwürdiges Verständnis von parlamentarischer Arbeit.

Nun soll dieses Gesetz implementiert werden, und zwar auch in Windeseile. Ob das am Ende gelingen wird – große Zweifel! Ich will Ihnen fünf Gründe nennen, warum ich das bezweifle:

Hier hat die Verwaltung mächtig gepennt. Wenn sie nicht bald aufwacht, fährt die gesamte, hier hoch gelobte Kitakonzeption des Senats mit großem Kawuppdich an die Wand. Wir wollen das nicht. Es war ja richtig, es war geradezu notwendig, die existierenden Strukturen bei der Tagesbetreuung, insbesondere im Hinblick auf die kommunalen Kitaeinrichtungen, zu überarbeiten. Es war richtig, die Kitacard einzuführen, also die so genannte Gutscheinfinanzierung, endlich von der Objektförderung weg und hin zur Subjektförderung zu kommen. Das war und das ist uns ein Anliegen. Insofern ist das ein richtiger Ansatz. Wir haben uns bereits – Herr Böger, Sie werden sich erinnern – in den Koalitionsverhandlungen für diese Neustrukturierung der Kitalandschaft ausgesprochen. Allerdings wollen wir keine halben Sachen machen. Wir treten für eine radikale Entstaatlichung der Kindertagesbetreuung ein: Übertragen wir so viele kommunale Kitas wie möglich so schnell wie möglich an freie Träger!

und indem wir öffentliche Kitas genauso finanzieren wie die Kitas der freien Träger. Da müssen Sie aber auf die Tube drücken, Frau Barth. Ihre „Heldentaten“ in der Übertragung sind gar nicht so groß wie angekündigt. Da müssen Sie in die Puschen kommen, denn Sie sind schließlich zwei Jahre im Verzug mit den Zahlen. Sie haben erst vorletztes Jahr angefangen, die Fragen der Übertragung zu klären, und sind jetzt langsam dabei, etwas umzusetzen. Sie sind zwei Jahre im Verzug. Gucken Sie sich Ihre eigenen Planungen an!

[Zurufe von der PDS]

Schreien Sie doch nicht so! – Lösen Sie die Probleme bei der Kitaübertragung und Gründung der Eigenbetriebe! Sorgen Sie für eine zuverlässige Ganztagsgrundschule! Sparen Sie nicht an der Bildung und Betreuung der Kleinsten, auch nicht durch die Hintertür, denn an diesen Maßstäben werden Sie in der Stadt und von uns gemessen werden!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr Frau Kollegin Senftleben das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Vorab, Herr Senator Böger, sage ich deutlich, dass ich die modularisierte Hortbetreuung richtig finde. Aber ich frage: Ist das nicht ein Prinzip, wer mehr Leistung verlangt, bezahlt mehr, wer weniger verlangt, zahlt weniger? Ist das nicht das Normalste von der Welt? – Genau! Wir sind im Augenblick so weit, wir müssen alles loben, denn in Berlin scheint alles in bester Ordnung zu sein. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich bin hier im falschen Film.

[Beifall bei der FDP]

Auch wenn ich meine Kolleginnen und Kollegen von RotRot anhöre: es jubelt alles. Das Kitareformgesetz wird heute in der Aktuellen Stunde gewürdigt. Die Aktualität will ich gar nicht in Frage stellen. Was ich aber in Frage stelle, ist die Euphorie, mit der das alles vorgetragen wird, denn die Bewährungsprobe steht bevor. Ich prophezeie, so wahr ich hier stehe, diese Bewährungsprobe wird misslingen. Das Gesetz ist im Hauruckverfahren durch das Parlament gehievt worden. Sämtliche Bedenken und Einwände der Opposition wurden in den Wind geschlagen. Sie haben zwar gerade eben noch die Kurve gekriegt und die Macken aus dem Gesetz herausgenommen – –

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Barth (PDS) – Brauer (PDS): Na also, was wollen Sie mehr?]

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

1. Die Umsetzung der Schulrahmenvereinbarung überfordert die Verwaltung völlig.

2. Es gibt Jugendstadträte in Mitte und Pankow, die das Gesetz offensichtlich noch nicht gelesen haben, denn Sie behaupten, dass die Bezirke mit der Finanzierung der Kooperation gar nichts zu tun hätten.

3. Sechs Wochen vor Schulbeginn ist noch nicht geklärt, wie mit dem überstellten Personal umzugehen ist.

4. Sechs Wochen vor Schulanfang gibt es noch keine Verträge über die Hortbetreuung. Träger und Eltern sind verunsichert.

5. Sechs Wochen vor Schulbeginn ist die Essensversorgung noch nicht eindeutig geregelt.

Geschätzte Frau Dr. Barth! Wenn ich mir Ihre lächerlichen Zahlen von 26 000 Plätzen, die in Ihrer Regierungszeit überführt wurden, anhören muss – das ist eine Lachnummer.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Barth (PDS)]

Solange jede überführte Kita noch in der „Morgenpost“ auf der Bezirksseite zu sehen ist, ist was faul! Nach wie vor ist dieser Prozess schleppend. 26 000 Plätze haben Sie gerade selbst gesagt. Sie wissen doch, wie viele Plätze wir insgesamt haben.

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Barth (PDS)]

Richtig, das Ziel! – Die große Koalition hat sich eine Überführung nicht zum Ziel gesetzt, Rot-Rot hat sich das

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter

Tag, Herr Steuer! Wir haben vom Regierenden Bürgermeister für eine Infrastruktureinrichtung, nämlich die BVG, einen Vorschlag, einen Streik abzuwenden und einen neuen Tarifvertrag zu begründen. Und wir reden jetzt über das, was vielleicht noch wichtiger ist als Infrastruktur und Zukunftseinrichtungen dieser Stadt, nämlich über Bildungseinrichtungen, und verabschieden heute ein Gesetz, das für die Kitas, für die Schulen wichtige Neuerungen bringt. Darüber bin ich froh.

Ich danke auch dem Parlament, dass es seine Rolle als Gesetzgeber ernst nimmt, dies sehr konkret. Ich verhehle nicht, dass mir die Akzentuierungen durchaus bei meinem bildungspolitischen Impetus entgegenkommen. Ich bin auch sehr froh, dass wir jetzt eine stabile Grundlage haben. Danach wird und muss sich der Senat mit seiner Finanzierung richten.

(D

Was ist das Wichtige an diesem Gesetz? – Erstens, Herr Steuer, danke ich für die Leihgabe. Es ist aus meinem Haus. Ich habe daran mitgearbeitet. Das Erste ist: Wir orientieren die Kita als Bildungseinrichtung. Dazu braucht man ein Programm. Das Programm – sagt Herr Steuer auch – ist schön. Bei den Diskussionen, die man allenthalben vor allem mit Bildungspolitikern, manchmal auch mit Eltern, Lehrern und Erziehern hat, kann einen hier und da die Tristesse überkommen. Wenn man aber nicht nur Bilder, sondern vor allem das, wofür wir da sind, nämlich die Kinder sieht und anguckt, dann weiß man, lieber Herr Steuer, es lohnt sich doch. Es ist ein ganz wichtiges Politikfeld, das wir hier bearbeiten, denn dies ist wirklich Zukunftspolitik für unsere Stadt, und hier muss man es auch einordnen..

zum Ziel gesetzt. Dieses Ziel haben Sie mit der Zweidrittelforderung lange nicht erreicht.

[Zurufe von der PDS]

Eine Überführung an freie Träger ist Voraussetzung dafür, dass Berliner Bürgerinnen und Bürger eine hohe Qualität erhalten, und das zu einem guten Preis, was im Übrigen die Steuerzahler in dieser Stadt, aber auch den fehlenden Finanzsenator interessieren müsste.

Doch was sieht das Gesetz vor? – Hier wird eine kommunale Betreuung in volkseigenen, in Eigenbetrieben zusammengefügt.

[Gelächter des Abg. Brauer (PDS) – Krestel (FDP): Da kommt bei der PDS Freude auf!]

Sechs gigantische staatliche Träger will der Senat zusammenführen. Allein durch den Größenzuwachs und so genannte Synergieeffekte sollen aus maroden und unwirtschaftlichen Tagesstätten blühende Bildungslandschaften entstehen. Aus 40 Jahren Planwirtschaft und Kombinatswahn haben Sie offensichtlich nichts gelernt.

[Brauer (PDS): VEB Kita in Reinickendorf – das ist schrecklich!]

Die Kitacard versprach – Herr Brauer, hören Sie genau zu! – gleiches Geld für gleiche Leistung. Die Eltern sollten die Kita auswählen können. Außerdem sollten öffentliche und freie Träger gleichbehandelt werden. Genau dieses Prinzip wird in dieser Gesetzesvorlage konterkariert, denn die Bezirke bekommen alle Fäden in die Hand. Die Bezirke bestimmen über Finanzierung und Aufsicht. Gleichzeitig verfolgen die Bezirke als Kitaunternehmen eigene Ziele. Es kann dazu führen, dass bei der Standardprüfung der Kitas im Eigenbetrieb beide Augen zugedrückt werden. Das hatten wir auch schon. Aber es wird mit Sicherheit dazu führen, dass die öffentlichen Defizite, die die Kitas automatisch „erwirtschaften“, wieder von der öffentlichen Hand übernommen werden. Hier entsteht ein riesiges neues schwarzes Schuldenloch. Anstelle dieser sozialistischen Experimente sollten Sie etwas mehr Marktwirtschaft wagen. Eine vollständige Übertragung der öffentlichen Kitas wäre richtig gewesen, nicht dieses hirnrissige Festhalten an dieser Zweidrittel-/Eindrittelquote, wobei die zwei Drittel noch in den Sternen stehen. Ihre Euphorie ist heute fehl am Platze. Sie müssen erst einmal beweisen, dass Sie es überhaupt können. – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Nun hat Herr Senator Böger das Wort. – Bitte schön!

[Frau Dr. Barth (PDS): Jetzt muss Herr Böger erst einmal aufklären, was eine volkseigene Kita ist!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der PDS]

Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass Berlin im Jahr 2040 – ich werde es vermutlich nicht mehr erleben – schrumpft und Köln und München angeblich wachsen. Nun ist Wachstum per se nicht gut und Schrumpfung per se auch nicht schlecht. Aber ich meine, wir sollten gerade bei diesem Thema die Entwicklung der Gesellschaft, der Fähigkeit, dass die Menschen ihr generatives Verhalten wieder ändern und Mut zu sowie Freude an Kindern haben, immer im Blick haben. Das ist eine riesige Zukunftsaufgabe.

Niemand ist so naiv – ich schon gar nicht –, zu glauben, mit verbesserten Betreuungs- und Bildungseinrichtungen das generative Verhalten zu verändern. Klar ist aber auch, dass ohne bessere Bildungseinrichtungen, gerade bei den Kitas, die Bundesrepublik Deutschland nicht den Anschluss an wachsende Gesellschaften wie Schweden und Frankreich finden wird. Diese haben nämlich andere Einrichtungen, als wir sie haben.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Nolte (SPD)]

Das ist die eigentliche Messlatte, die hier vorhanden ist.