Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

[Krüger (Linkspartei.PDS): Was hat er zu den Finanzen gesagt?]

Es ist nicht so utopisch. In diesem Haushalt gibt es allein im IT-Bereich bei den Ersatz- und Neubeschaffungen „Luft“, wovon man dies finanzieren könnte. Ich meine, es ist wichtiger, in die Bildung, die frühe Bildung der Kinder zu investieren als in Technik für die Verwaltung.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Frau Senftleben repliziert. – Bitte, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Verehrte Kollegin Jantzen! Ich habe genau das gesagt, was Sie soeben vorgetragen haben. Ich habe gesagt:

Die Erhöhung der Kitakostensätze haben Sie nicht mitgetragen, genauso wenig wie Sie die Absenkung der Standards mitgetragen haben. Was Sie mitgetragen haben, ist die Abschaffung der Vorklassen. Genau so habe ich es vorgetragen, und das können Sie gern im Protokoll nachlesen.

Nun noch einmal zur S-Klasse. Es geht bei der Startklasse und ihrer Verbindlichkeit nicht um die Vorwegnahme von Schule. Es geht nicht darum, die Kinder in irgend einer Weise schulisch zu trimmen. Es geht um die Erkenntnis – Frau Dr. Barth hat richtig darauf hingewiesen –, dass die Kinder in den ersten Jahren am meisten, liebsten und schnellsten lernen, dass diese Motivation endlich aufgenommen wird. Es geht auch darum, dass die Startchancen in diesem Land besser verteilt werden. Denn dies hat uns PISA hinter die Ohren geschrieben, und diese ersten Jahre müssen wir nutzen. Wir sollten sie nutzen, indem wir eine Verbindlichkeit im Jahr vor der Einschulung einführen. – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Bevor ich zur Abstimmung komme, komme ich zurück auf

lfd. Nr. 4 b:

a) Dringliche Beschlussempfehlung

Änderung der Verfassung von Berlin – Wahlrecht auf Bezirksebene schon mit 16 Jahren

Beschlussempfehlung Recht Drs 15/4254 Antrag der SPD, der PDS, der Grünen und der FDP, Drucksache 15/4068

b) Dringliche II. Lesung

Änderung des Gesetzes über die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen (Landeswahlgesetz)

Beschlussempfehlung Recht Drs 15/4255 Antrag der SPD, der PDS, der Grünen und der FDP, Drucksache 15/4069

Hierzu möchte ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt geben. Es sind 98 Stimmen abgegeben worden, davon 97 mit Ja und eine Enthaltung. Damit ist die erforderliche verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit erreicht worden.

[Beifall]

Wir haben dann noch die Änderung des Gesetzes über die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen, Drs 15/4069, zu beschließen. Hierzu empfiehlt der Rechtsausschuss ebenfalls mehrheit

lich gegen die Fraktion der CDU die Annahme. Wer so beschließen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! – Das sind alle anwesenden Fraktionen. – Gegenprobe! Ich sehe keine Handzeichen. Enthaltungen gibt es auch keine. Dann ist dies mit den Stimmen der FDP, der SPD, den Grünen und der Linkspartei so angenommen.

Ich komme damit zurück zu

lfd. Nr. 4 c:

I. Lesung

Letztes Kindergartenjahr für Eltern kostenfrei – Gesetz zur Änderung des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes – TKBG

Antrag der Grünen Drs 15/4241

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun auf die Priorität der Fraktion der FDP unter der

lfd. Nr. 4 d:

Antrag

Wowereits Ankündigung einer Radikalisierung der Agenda 2010 Taten folgen lassen!

Antrag der FDP Drs 15/4230

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnen die Antragsteller, die darum gebeten haben, zu warten, bis der Herr Regierende Bürgermeister im Raum ist. – Ich sehe, er betritt soeben den Raum. Dann hat die antragstellende Fraktion das Wort, und zwar in Person von Herrn Dr. Lindner. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Dieser Antrag lässt sich auch mit einem anderen Satz überschreiben. Das Thema lautet: Reden und Handeln in Einklang bringen! – In dieser Frage sieht es beim Senat, wie wir ihn kennen, nicht besonders gut aus. Ich hatte es heute schon erwähnt: Da haben wir Senator Flierl, der sich regelmäßig weigert, nach außen Beschlüsse zu vertreten, die dieser Senat im Inneren fasst. Das war bei der Finanzierung der Hochschulen so. Da hat er sich vor die Studenten gestellt und ihnen erklärt: Ich war nicht der Böse. Sarrazin war der Böse. Ihr müsst euch bei dem beschweren! Ich war immer an eurer Seite! – Beim Palast der Republik – das haben wir schon zu früherer Stunde gehört – und bei der Charité hat sich das Gleiche gezeigt: Ein Mensch, der nicht bereit ist, das, was dieser Senat auf der einen Seite beschließt, dann auch öffentlich zu vertreten! – Das hat Züge von Schizophrenie. Das sage ich Ihnen ganz klar.

Dann haben wir den Senator Sarrazin: Der hat 1996 einen Artikel unter folgender Überschrift verfasst: „Mit Mut ist eine gute Steuerreform möglich!“ – Daraus zitiere ich Ihnen folgende Passage:

Nun ist Flat Rate Tax für viele Steuerpolitiker, insbesondere aber Sozialpolitiker so etwas wie ein verteilungspolitischer Gottseibeiuns. Typische Argumentation: Es geht doch nicht an, dass Arm und Reich – der müßiggehende Millionenerbe ebenso wie der Großkonzern Daimler-Chrysler, ein dort tätiger Facharbeiter oder die arme Rentnerin – einheitlich 20,5 % auf ihr Gesamteinkommen bezahlen. – Doch Vorsicht bei voreiligen Urteilen: Eine Flat Rate Tax mag ungerecht sein, aber in Verbindung mit einem angemessen hohen steuerfreien Existenzminimum würde der Arbeitnehmer, der keine besonderen Steuervergünstigungen geltend machen kann, in allen Einkommensgruppen niedriger besteuert als im heutigen System.

Jetzt erklärt er aber, die Universitäten seien nicht mehr finanzierbar, und mit großem Getöse fällt man über Herrn Kirchhof her. Das passt alles nicht zusammen.

Der hat in der letzten Plenarsitzung auf meine Mündliche Anfrage, was er denn tue, um Hartz IV, wie bei einem Auftritt vor der IHK verkündet, zu radikalisieren und fortzusetzen, mir nur geantwortet, es würde mir wohl nicht passen und mich ärgern, wenn er vor der IHK auftritt. – Herr Regierender Bürgermeister! Ich freue mich, wenn Sie vor der IHK und vor allen Wirtschaftsverbänden auftreten. Das ist eine wunderbare Sache. Aber mich ärgert es in der Tat, wenn man dort so spricht, aber gleichzeitig dem kein entsprechendes Handeln folgen lässt oder sogar gegenteilig handelt.

[Beifall bei der FDP]

Sie sitzen einem Senat vor, wo das Senatsmitglied Knake-Werner durch die Stadt läuft und erklärt, man werde Hartz IV gar nicht oder nur teilweise vollziehen, man werde z. B. keinen Menschen aus seiner Wohnung ausweisen. Sie macht genau das Gegenteil von Radikalisieren und propagiert im Grunde die Aussetzung von Hartz IV.

[Beifall des Abg. Klemm (Linkspartei.PDS)]

Das können Sie gut finden, aber was letztlich unter dem Strich übrig bleibt, ist eine vollkommene Beliebigkeit von Politik. Das ist mir ein ernstes Anliegen. Wir haben in dem zurückliegenden Wahlkampf wahrscheinlich alle – oder jedenfalls viele von uns – verschiedene Podiumsdiskussionen besucht und immer wieder diskutiert. Wir werden immer mit dem Vorwurf konfrontiert – und niemand wird abstreiten, dass das bei allen passiert ist –, dass man Politikern sowieso nicht trauen könne. Politik macht man heute so und morgen so, heißt es. Dieser Vorwurf resultiert aus einem solchen Verhalten.

Ich weiß, dass es manchmal schwer ist, einer Linie zu folgen. Wenn ich vor der BSR stehe und den Mitarbeitern

dort erkläre, dass wir für Privatisierung sind, dann ist das nicht lustig. Es kommen auch Unternehmer zu mir, die möchten, dass ich mich für eine Abschottung oder eine Marktabgrenzung für sie einsetze. Denen muss ich genauso sagen, dass das nicht funktioniert. Denn für die Politik und für die Glaubwürdigkeit der Politik ist es unerlässlich, Reden und Handeln in Einklang zu bringen.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie es also Ernst damit meinen, Hartz IV zu radikalisieren oder alle Ausnahmetatbestände bei der Steuer zu streichen, dann legen Sie etwas vor! Aber nur vor den IHK-Vertretern den guten Onkel zu machen und gleichzeitig die Sozialsenatorin durch das Land laufen und bei anderen die gute Tante machen zu lassen, das ist billig und unglaubwürdig, und das diskreditiert nicht nur Ihren Senat und Sie als Person, sondern es diskreditiert die Politik allgemein. Das ist schädlich für uns alle. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der SPD hat nunmehr Kollege Matz das Wort. – Bitte schön!

[Heiterkeit bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Jetzt darf er mal was sagen – nach einem dreiviertel Jahr! – Frau Senftleben (FDP): Das ist ja wunderbar!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Respekt verdient bei diesem Antrag in erster Linie der Mut, aus dem Nichts heraus eine Debatte aufzublasen und sie als Priorität für das Plenum anzumelden.

[Beifall bei der SPD, der Linkspartei.PDS und den Grünen]