Natürlich steht die Vogelgrippe nicht unmittelbar vor der Tür. Frau Simon hat es gesagt. Die Ansteckungsgefahr der echten Vogelgrippe mit der Virusbezeichnung H5N1 auf den Menschen ist äußerst kompliziert, auch medizinisch nicht einfach darzustellen. Deshalb begegnen wir dem heutigen Thema mit Ruhe und Besonnenheit, aber auch im Vertrauen darauf, Frau Senatorin KnakeWerner, dass Sie uns nachher verraten, welche Maßnahmen Sie im Rahmen der Vorsorge und Fürsorge für die Bevölkerung Berlins getroffen haben. Wir haben in der letzten Zeit eine Reihe von Meldungen auch von Ihnen gelesen, Erstaunliches oder weniger Erstaunliches, aber den Eindruck gewonnen, dass das, was Sie veranlasst haben, bislang nicht ausreichend und genügend ist, um die Bevölkerung zu informieren und keine Panik zu erzeugen. Das will ich hier ausdrücklich bemerken.
Wir wissen von der Weltgesundheitsorganisation – das möchte ich hier ausdrücklich anmerken –, dass wir in den letzten hundert Jahren drei Pandemien mit vielen Hunderttausend toten Menschen hatten. Interessant dabei ist der Hinweis, dass bei den letzten beiden Pandemien in den Jahren 1957 und 1968 nicht nur ältere Menschen betroffen waren, sondern viele Hunderttausend Menschen jeder Altersklasse verstorben sind. Insoweit ist das bemerkenswert und ein Thema, das unbedingt besprochen werden muss.
Frau Simon hat Recht, wenn sie erwähnt – ich hätte das auch getan, deshalb kann ich nur empfehlen, sich einer normalen Influenzaimpfung zu unterziehen –, dass jährlich etwa 10 000 Menschen – das entspricht der Größe einer deutschen Kleinstadt – an Influenza sterben. Eine Influenzaimpfung ist mit Sicherheit zu empfehlen, denn 10 000 Menschen, die jährlich an Grippe versterben, sind schon bemerkenswert. Im Rahmen unserer Gesundheitspolitik, Frau Senatorin, sollten wir immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig gerade diese Impfung ist.
Zugvögel, um die es heute geht – Vogelgrippe ist das Thema –, kennen keine Grenzen. Insofern sind wir da ein wenig machtlos. Ich möchte aber in Ihre Richtung die
Frage stellen, was wir mit den vielen Tauben in Berlin, die weder Bezirks- noch Landesgrenzen kennen und auch als Überträger von Viren hier in Betracht kommen, machen sollen. Das ist eine Frage, die in den letzten Tagen – soweit ich das verfolgen konnte – noch nicht beantwortet worden ist, die auch insbesondere Brandenburg interessiert. Ich komme nachher noch einmal auf andere im Land Brandenburg vorhandene Ängste zurück.
Die Ängste, die in den Medien geschürt wurden, sind aus meiner Sicht überzogen. Ich halte es auch für wichtig – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –, die Gelegenheit zu nutzen, zwei Schachteln hochzuhalten und – auch zur Bevölkerung – zu sagen: Gehen Sie nicht in die Apotheke und kaufen sich die Medikamente! Es ist völlig sinnlos! Erst einmal bekommen Sie sie nicht mehr.
Zweitens hat es gar keinen Sinn, diese Medikamente zu nehmen. Sie sind zum jetzigen Zeitpunkt unwirksam, wenn Sie sie einnehmen. Sie sollten nur davon Gebrauch machen, wenn Ihnen Ihr Hausarzt sagt, dass Sie sich infiziert haben, und Ihnen diese Medikamente verordnet. Nur dann können sie wirken. Im Moment helfen Sie nur der Pharmaindustrie. Und darauf können wir verzichten.
Wie Sie, Herr Pape, habe ich mich umgeschaut. Das „Ärzteblatt“ hat sich dazu mehrfach geäußert und zu den Medikamenten gesagt, es sei Unsinn, diese im Rahmen von präventiven Maßnahmen einzunehmen. Wenn jemand nachher zu mir käme – ich würde sie nicht einmal verschenken, geschweige denn verkaufen.
Jetzt aber zu Ihnen, Frau Knake-Werner. Frau Simon hat gesagt, Sie hätten alles getan, was hätte getan werden müssen. Da gibt es nicht nur bei mir, sondern bei der CDU-Fraktion insgesamt Zweifel. Zum Abschluss gebe ich Ihnen einige Fragen auf. Frau Simon hat angekündigt, dass Sie uns nachher alle notwendigen Informationen geben werden, worauf auch die Berliner Bevölkerung einen Anspruch hat. Wir wüssten gern: Wie werden Sie in der Situation einer möglichen Katastrophe – die wir nicht herbeireden wollen, die aber irgendwann, in 10, 20 Jahren eintreten kann – umgehen mit der Berliner Feuerwehr, mit der Polizei, mit Rettungs- und Hilfsorganisationen? Wie werden Sie die Krankenhäuser organisieren? Welche Aufgaben wird die Bundeswehr haben? Welche Aufgaben werden die Ministerien in Berlin wahrnehmen? Wie werden Sie mit Betrieben der Daseinsvorsorge umgehen – für mich ein ganz wichtiger Punkt? Was werden die Katastrophenschutzbehörden in Berlin tun? Und wer wird überhaupt die Federführung für eine solche Katastrophe übernehmen? Das konnten wir in Ihren Beiträgen bisher überhaupt nicht feststellen.
Letztlich – das hat heute Mittag auch die CDUFraktion im Land Brandenburg eingefordert – ist es an der Zeit, dass wir die Personenkontrollen auf allen Reisewegen aus gefährdeten Ländern ab sofort nicht nur stichpro
benartig, sondern grundsätzlich bei allen nach Berlin Einreisenden durchführen. Ansonsten können wir uns diese Kontrollen schenken, weil sie keinen Sinn haben.
Wir müssen auch wissen, wie Sie im Ernstfall die Verteilung von Medikamenten organisieren wollen. Wird es Rangfolgen geben? Wie viele Medikamente sind vorrätig? Wie wird die Verteilung koordiniert? Wer wird letztlich für den Katastrophenschutz, insbesondere für die Unterbringung der Menschen in Krankenhäusern, für die Versorgung der Menschen in Berlin verantwortlich sein? – Das wollen wir heute von Ihnen wissen, diese Informationen werden Sie uns sicherlich geben.
Ich erwähne abschließend Ihren Staatssekretär, Frau Knake-Werner, der auch zu den Katastrophenzeichnern und Panikmachern gehört. Er hat in einem Interview gesagt: Wir werden demnächst wahrscheinlich empfehlen müssen, dass die Bevölkerung mit Schutzmasken vor den Atmungsorganen herumlaufen muss. – Darauf freuen wir uns schon, denn wir wollen die Vogelgrippe gar nicht hier haben, Herr Staatssekretär! Aber Sie sind ein erfahrener Facharzt, insofern glaube ich Ihnen das. Sie haben auch gefordert, dass Großveranstaltungen abgesagt werden müssen. Ich bin gespannt. Auf diese Empfehlungen hätten wir an dieser Stelle verzichten können. Es wäre besser gewesen, wenn Sie der Berliner Bevölkerung beruhigende Informationen vermittelt hätten, damit sie wüsste, dass die Vogelgrippe nicht vor der Tür steht, sondern irgendwann eintreffen kann. Und wenn der Fall X einträte, wüssten die Berliner, was sie zu tun hätten und dass sie durch die Landesregierung Verantwortung erführen. – Danke schön!
Danke schön, Herr Kollege Brinsa! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat nunmehr der Kollege Pape! – Bitte schön, Herr Pape! Sie haben das Wort!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Brinsa, Sie haben mich falsch verstanden, ich weiß nur nicht, ob bewusst oder unbewusst.
Ich werde in meiner Rede noch einmal darauf eingehen. Mir ging es nicht darum, irgendjemandem in diesem Hause einen schwarzen Peter anzukleben, wenn es um Panikmache geht. Mit den vielen Zeitungsausschnitten haben ich bereits deutlich gemacht, an wen meine Kritik gerichtet war.
„Aufklärung statt Panikmache“ – die Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde. Und: „Vogelgrippe nicht dramatisieren!“ – Antrag der FDP. Der Antrag der Grünen zur Einfuhr von Wildvögeln hat sich nach meinen Informationen schon erledigt, weil die EU inzwischen so weit ist, dass sie es beschlossen hat. Sie sollten sich das noch einmal genau angucken.
Ich glaube, dass der Einfluss der Berliner Grünen noch nicht so weit geht, dass er so schnell bis nach Brüssel reicht. – Ich finde es lobenswert, wie schnell und flexibel die EU-Staaten auf diese Situation reagieren und eingehen.
Wer macht hier eigentlich Panik? Gibt es Panik in der Berliner Bevölkerung? Wenn ja – wer verursacht sie? Gibt es überhaupt einen Grund zur Panik? Und was kann der Senat dagegen tun? – Zur Beantwortung dieser Fragen habe ich bereits die Zeitungsausschnitte hochgehoben. – Herr Brinsa, Sie sind auch schon auf das Interview des Staatssekretärs Schulte-Sasse eingegangen, aber Sie tun genau das, was man nicht tun darf. Wenn man sich nämlich anschaut, wozu der Staatssekretär in diesem Interview befragt wurde – Was tut der Senat, wenn es eine Grippe-Pandemie gibt? –
Er kennt sein eigenes Interview. Ich spreche jetzt mit Herrn Brinsa darüber. –, stellt man fest, dass er sehr abgewogen und sachlich geantwortet hat. Dass dann die Überschrift über solch einem abgewogenen und sachlichen Interview heißt: Wir werden der Bevölkerung Schutzmasken empfehlen! –, was gar nichts mit dem augenblicklichen Zustand zu tun hat, zeigt, dass die Presse offensichtlich nach dem alten Motto vorgeht: Only bad news are good news. – Auch die von Frau Simon bereits erwähnten 22 verendeten Graugänse aus einem rheinlandpfälzischen Weiher, die tagelang durch die Medien der Republik „geschleift“ worden seien, sind ein Beispiel dafür. Es hat sich heraus gestellt, sie sind an Rattengift gestorben. Es gibt Verdachtsmomente, sie könnten bewusst vergiftet worden sein, um den Eindruck zu erwecken, die Vogelgrippe sei in Deutschland angekommen. Das zeigt, wer in diesem Lande ein Interesse daran hat, Panik zu verbreiten – nach dem Motto: Katastrophen verkaufen sich immer gut.
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Ich bin dem Kollegen Brinsa für seinen Wortbeitrag eigentlich dankbar. Dieses Thema ist zur parteipolitischen Profilierung überhaupt nicht geeignet.
Deswegen weiß ich gar nicht, warum Sie sich so aufregen, wenn ich jetzt das Gleiche erzähle. Also: Immer ganz ruhig, sonst kommen wir wieder zu der Frage: Wer verbreitet hier Panik? –
Kein Wunder also, dass einige Bürgerinnen und Bürger – auch in Berlin – verunsichert reagieren und nach Wegen suchen, sich vor dieser undefinierbaren Gefahr, die sich mit dem Wort Vogelgrippe verbindet, zu schützen.
Die Bürgerinnen und Bürger kommen offenbar auf den Gedanken, sich für den Fall der Fälle mit Medikamenten einzudecken. Herr Brinsa hat sie schon gezeigt. – In welcher Apotheke waren Sie denn, in der Sie noch das Medikament bekommen haben? –
Das Mittel hat dem Hersteller gegenüber dem Vorjahr inzwischen einen Umsatzzuwachs von 1 200 % beschert.
Ich finde es bemerkenswert, dass in diesem Zusammenhang aus der CDU-Fraktion Kritik an der Pharmaindustrie geäußert wird. Das ist ein ganz neuer Zug, den ich sehr begrüße. Die Menschen fühlen sich in ihrem Verhalten auch durch Apothekervertreter bestärkt, die in den Medien zur Bevorratung mit Grippemitteln aufrufen. Das ist ein Geschäft mit der Angst, das dazu führt, dass inzwischen verantwortungsvolle Apotheker, die versuchen, mit ihren Kunden Aufklärungsgespräche zu führen, dazu nicht mehr kommen, weil die Kunden ihnen vorwerfen, sie wollten ihnen das kostbare Wundermittel vorenthalten.
Was ist dran an der Gefahr von Vogelgrippe? – Halten wir uns an den Webespruch des Chefredakteurs eines großen deutschen Nachrichtenmagazins: Fakten, Fakten, Fakten. Fakt Nr. 1 – Frau Simon hat bereits darauf hingewiesen –: Die Vogelgrippe ist eine Tierseuche. Sie ist vor allem gefährlich für Hausgeflügel wie Hühner, Enten und Gänse. Das Virus grassiert besonders in Südostasien, kann aber – das wissen wir mittlerweile – durch Vogelzug bis nach Europa kommen. Deshalb ist es richtig, das hiesige Geflügel zu schützten. Deshalb wurde die Stallpflicht eingeführt. Sie dient dem Schutz vor wirtschaftlichen Verlusten der Geflügelbetriebe.
Fakt Nr. 2: Als Tierseuche ist das Virus für den Menschen praktisch ungefährlich. Allerdings lesen wir in der Presse immer wieder im Zusammenhang mit dem H5N1Virus, dieses sei auch für Menschen gefährlich. Frau Simon hat bereits darauf hingewiesen, dass es durchaus Übertragungswege gibt. Aber nur bei sehr intensivem Kontakt mit infiziertem Geflügel haben sich bislang Menschen mit dem Virus angesteckt. Solchen Kontakt gibt es häufig in südostasiatischen Bauerndörfern, wo die Menschen buchstäblich unter einem Dach mit ihrem Geflügel leben und wo „mit den Hühnern zu Bett gehen“ nicht nur eine Redensart ist. Seit etwa 1997 ist die Virusvariante bekannt, und seitdem sind – Frau Simon hat es gesagt – rund 60 Menschen an dem Virus gestorben. Allein in Deutschland sterben jährlich mehrere Tausend Menschen
an der normalen Grippe. Nur wer also in seiner Wohnung Hühner oder Enten hält, befindet sich theoretisch in der Gefahr, sich mit Vogelgrippe zu infizieren. Aber welcher mitteleuropäischer Großstadtbewohner tut das schon? Im Übrigen hat es auch in Europa bereits Todesfälle auf Grund der Vogelgrippe gegeben. Ein holländischer Veterinär hat sich vor einigen Jahren beim Ausbruch des H7N7-Virus in den Niederlanden angesteckt und ist daran gestorben. Aber auch dieser Mann hatte so engen Kontakt zu infiziertem Geflügel, wie ihn 99,99 % der Berliner Bevölkerung nie in ihrem Leben haben werden.
Fakt Nr. 3: Normale Stadtvögel wie Tauben oder Spatzen gelten als so gut wie immun gegen das Virus. Deshalb ist eine Ansteckung nicht zu befürchten, auch Katzen und Hunde sind nicht gefährdet. Aber das sind alles Aspekte, die von der Bevölkerung an die Experten herangetragen werden.
Herr Präsident! Es ist ein wenig Unruhe hier im Haus. Vielleicht sollte man sich mehr auf den Redner kaprizieren anstatt auf die Besetzung der Senatsbänke. Die zuständige Senatorin ist anwesend.