Protokoll der Sitzung vom 27.10.2005

Eine Nachfrage des Kollegen von Lüdeke gibt es nicht.

Dann geht es weiter mit dem Kollegen Thiel von der Fraktion der FDP. – Bitte!

Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Herrn Wirtschaftssenator. – Herr Senator Wolf! Sind Sie in der Presse richtig zitiert worden, dass Sie sich für eine Aufsplittung des Wasserpreises in einen Grund- und einen Verbrauchspreis in Verbindung mit einer Absenkung des Investitionsvolumens um 50 Millionen € einsetzen?

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Ich weiß nicht, ob Sie richtig wiedergegeben haben, was in der Zeitung stand. Manchmal stehen in Zeitungen ja auch Halbwahrheiten.

Die Frage des Investitionsniveaus hat mit dem Grund- und Arbeitspreis nichts zu tun. Insofern weiß ich nicht, wie das in der Zeitung miteinander in Zusammenhang gebracht wurde. Richtig ist, dass wir bei den Berliner Wasserbetrieben – im Übrigen gemeinsam mit den Fachverbänden der Bauindustrie – eine Diskussion darüber führen, welches Investitionsniveau notwendig ist, um eine Instandhaltung der Anlagen, der Netze auf qualitativ hochwertigem Niveau aufrechtzuerhalten. Es wäre ein Fehler, wenn wir bei den Berliner Wasserbetrieben einerseits Kosten reduzierten und damit die gleiche Investition – also z. B. die gleiche Menge an Kilometererneuerung von Netzen – billiger herstellen können und diese Einsparungen nicht nutzten, um die Gebührenstabilität herzustellen oder Gebühren auch zu senken, sondern stattdessen noch mehr verbauten, weil wir etwas eingespart haben. Mein Kriterium ist die nachhaltige Sanierung und Instandhaltung des Leitungsnetzes und Investition dort, wo es notwendig ist, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Danke schön! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Thiel, und er erhält auch das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Wann ist von Ihrer Seite mit einer Senatsvorlage zu

rechnen, in der diese Veränderungen des Teilprivatisierungsgesetzes geregelt werden? Welche Auswirkungen müssen bei einem gesplitteten Wassertarif kleinere Einzelverbraucher, sprich: Hausbesitzer, Datschenbesitzer usw., in Kauf nehmen?

Herr Senator Wolf, bitte!

Das Thema Grund- und Arbeitspreis ist keines, das einer Novellierung des Teilprivatisierungsgesetztes bedarf, weil das Teilprivatisierungsgesetz diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht. Wir werden – das kann ich im Vorgriff auf die nächste Aufsichtsratsitzung sagen – für das Jahr 2006 eine solche Trennung nicht vornehmen.

Danke schön, Herr Senator! – Die Fragestunde hat wegen Zeitablaufs ihr Ende gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Aufklärung statt Panikmache – Berlins Vorbereitung auf eventuelle Fälle von Vogelgrippe

Antrag der Linkspartei.PDS und der SPD

in Verbindung mit

lfd. Nr. 19:

Antrag

Vogelgrippe nicht dramatisieren! Information und Prävention müssen jetzt Priorität haben

Antrag der FDP Drs 15/4327

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Einfuhrverbot für Wildvögel

Antrag der Grünen Drs 15/4351

Der Dringlichkeit wird ersichtlich nicht widersprochen.

Jeder Fraktion steht eine Redezeit von bis zu 10 Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. In der ersten Rederunde beginnt Frau Simon von der Linkspartei.PDS. – Bitte schön, Frau Simon!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 22 Graugänse, die in RheinlandPfalz verendeten, machten gestern Schlagzeilen. Sie lösten angesichts der bestehenden Seuchenangst Probealarm aus. Seit heute wissen wir, dass sich der öffentlich geäußerte Verdacht nicht bewahrheitet hat, und die Botschaft,

die heute zur Entwarnung kam, wird in dieser emotional angeheizten Stimmung öffentlich kaum zur Kenntnis genommen.

Panik und Hysterie herrschen allerorten und werden häufig zu Auslösern irrationaler Handlungsweisen. Sie florieren immer dann und dort, wo es an ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt, die die Voraussetzung für begründetes und gezieltes Handeln liefern. Natürlich wissen wir schon eine ganze Menge über das H5N1-Virus. Wir wissen seit 1997, dass es eine Ansteckungsgefahr für den Menschen gibt, und wir wissen auch, dass diese Gefahr insbesondere dort groß ist, wo Menschen mit Tieren, mit Geflügel auf sehr engem Raum zusammenleben. Wenn wir uns aber einmal vor Augen führen, dass im asiatischen Raum ca. 100 Millionen Geflügeltiere infiziert sind, und das mit der Bilanz, die die WHO gerade gestern veröffentlicht hat, vergleichen, nach der 121 Menschen weltweit erkrankt und davon 62 Menschen gestorben sind, dann sieht man, dass selbst in Asien das Risiko, von diesem Virus infiziert zu werden, in einer Größenordnung eins zu einer Million besteht. Das PaulEhrlich-Institut hat für unseren Raum festgestellt, dass das Infektionsrisiko ausgesprochen gering ist. Das heißt natürlich nicht, dass wir nun die Hände in den Schoß legen und nichts tun und uns mit einer solchen Information zufrieden geben. Wir wissen bereits einiges über dieses Virus; das, was die Menschen in dieser Stadt ganz besonders interessiert, nämlich die Größe des Risikos, das die hier lebenden Menschen eingehen, kennen wir jedoch nicht. Wir wissen heute, dass das Virus von Mensch zu Mensch bisher nicht übertragbar ist. Es existiert deswegen derzeit weder ein Impfstoff, noch können wir eine kausale antivirale Therapie beginnen. Das geht erst, wenn man das Prinzip der Verursachung, in diesem Fall also das Virus in seiner Struktur, kennt. In dieser Verunsicherung und in dem Bedürfnis, Sicherheit zu gewinnen, liegt das wesentliche Moment der bevölkerungsweiten Beunruhigung, das auch durch noch so viele sachliche Kommentare nicht ausgehebelt werden kann.

Dennoch müssen wir uns auf diese unsichere Situation einlassen. Wir haben uns auf den Ernstfall einzurichten. Wir sind gut vorbereitet, das konnten Sie vielen Pressemitteilungen und Interviews aus der Senatsverwaltung entnehmen. Ich gehe davon aus, dass die Senatorin sehr ausführlich darauf eingehen wird und ich mir dieses deshalb ersparen kann. Wir wissen, dass – ohne dass die Öffentlichkeit es wahrnimmt – Heerscharen von Menschen, Experten und Expertinnen, unterwegs sind, um im Vorfeld der Gefahrenabwehr tätig zu sein. Man sollte an dieser Stelle – und das tue ich sicher im Namen aller, die heute hier versammelt sind – all denjenigen Dank aussprechen, die seit Wochen tätig sind, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, und die alles unternehmen, um die Sicherheit, soweit das unter den gegebenen und von mir geschilderten Rahmenbedingungen möglich ist, optimal zu gestalten.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Da ist wirklich Beifall angesagt.

Um so etwas zu ermöglichen, ist es aber auch unabdingbar, dass die personellen und finanziellen Voraussetzungen vorliegen. Darüber wird in der Öffentlichkeit überhaupt nicht gesprochen. Es werden umfassende Forderungen nach mehr Sicherheit erhoben, aber die Frage der Finanzierbarkeit und der personellen Ausstattung ist bisher nicht thematisiert worden. Ich möchte die Gelegenheit nutzen – das richtet sich insbesondere an die Adresse unserer Haushälter und Haushälterinnen und an die des Finanzsenators –, um deutlich zu machen, dass Vorhaltekosten erforderlich sind und personelle Voraussetzungen geschaffen sein müssen, die vielleicht im Augenblick und schon gar nicht unter haushalterischen Gesichtspunkten erklärbar sind, weil man nicht weiß, ob eine solche Pandemie heute, morgen, übermorgen, vielleicht in zehn Jahren oder überhaupt nicht auftritt. Trotzdem müssen wir gewappnet sein, und das bedeutet, dass in jeder Sekunde, in jeder Situation die dafür Verantwortlichen in der Lage sein müssen, sofort und in angemessener Weise zu handeln, wenn es notwendig wird.

Ich glaube, dass die Verantwortlichen in dieser Stadt im Wesentlichen das, was man tun konnte, getan haben. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch jeder einzelne Bürger Verantwortung in dieser Stadt wahrzunehmen hat und das Seine dazu beizutragen hat, um eine mögliche Ausweitung dieser Tierseuche zu unterbinden und alles zu tun, um das Risiko in diesem Bereich so klein wie möglich zu halten. Entsprechende Anweisungen müssen befolgt und Aufforderungen wahrgenommen werden. Die Bürger müssen sich an die Vorschriften halten.

Es geht auch darum, die vorhandenen und zur Verfügung gestellten Ressourcen sinnvoll zu nutzen. Die Ressourcen sind, wie wir wissen, nicht für jeden Bürger verfügbar. Ich rede insbesondere über Grippeimpfstoffe und bestimmte antivirale Medikamente. Der Grippeimpfstoff ist nicht für die Vogelseuchenepidemie gedacht, sondern selbstverständlich für die jährlich wiederkehrenden Virusgrippen.

Vielleicht interessiert die Tatsache, dass jedes Jahr rd. 10 000 Menschen – ich beziehe mich hierbei auf eine Zahl des Mikrobiologen Professor Kekulé – an der sogenannten normalen Grippe versterben. Hier sind insbesondere Risikogruppen betroffen, zu denen ältere und behinderte Menschen zählen. Wenn jetzt vor dem Hintergrund der Panikstimmung alle Menschen glauben – und die mobilen sind dann immer schneller –, sie müssten sich eine solche Grippeimpfung leisten und beim Arzt abholen, kann es passieren, dass die Menschen, die bei uns vorrangig eine solche Impfung brauchen, nicht in den Genuss dieser Impfung kommen. Wir wissen, dass weitere Impfstoffe bestellt sind; das geht nicht ganz so schnell. Ich möchte hier an die Verantwortung eines jeden einzelnen von uns appellieren und deutlich machen, dass es bestimmte Gruppen in der Gesellschaft gibt, die Vorrang haben, diesen Grippeimpfstoff nutzen zu können. Deshalb

ist es wichtig und notwendig, darüber Kenntnisse zu verbreiten, dass dieser Impfstoff für das, was wir heute thematisieren, nicht geeignet ist, und auch die antiviralen Medikamente keine Wirkung bei einer möglichen Infektion des Menschen durch das Virus H5N1 haben.

Ich möchte noch kurz auf den FDP-Antrag eingehen, der an uns appelliert, auch in den Bildungsstätten und Schulen aufklärend tätig zu werden. Ich gehe davon aus, dass es nicht notwendig sein wird, Initiativen dieser Art zu starten, weil unser Bildungsprogramm in der Kita, unsere Unterrichtseinheiten in den Schulen jederzeit die Möglichkeit eröffnen, diese Thematik anzusprechen. Es bedarf nicht unbedingt einer Aufforderung von oben, weil die Verantwortlichen schon lange begriffen haben, dass sie hier im Rahmen des Möglichen ihre Arbeit tun müssen. Kindergärten sind ein besonders sensibler Bereich. Wir dürfen nicht mehr Panik erzeugen, sondern müssen aufklärend tätig sein. Unsere Fraktion wird diesem Antrag, der heute zur Abstimmung steht, nicht zustimmen.

Meine Zeit ist um. Ich möchte deswegen nur noch ganz kurz auf eine Tagung hinweisen, die am Wochenende in Ottawa stattgefunden hat, bei der es vor allem darum ging, wie man unterentwickelte Länder, die besonders von einer Ausbreitung des Virus H5N1 und einer möglichen Übertragung auf den Menschen betroffen sind, mit Impfstoffen und antiviralen Medikamenten bevorraten kann. Das ist abgelehnt worden. Es ist nicht gelungen, einen vorsorgenden Schutz für die Menschen zu schaffen, die auf Grund von Armut und schlechten gesundheitlichen Rahmenbedingungen die gefährdetsten in unserer Gesellschaft sind.

Ich glaube, dass es eine falsche Entscheidung war. Ich fürchte, dass es auch eine sehr kurzsichtige Entscheidung war, weil wir damit rechnen müssen, dass die Zugvögel, die zurzeit insbesondere in den afrikanischen Ländern eintreffen, im Frühjahr 2006 zurückkehren, also dann aus Gebieten kommen, die mit einem sehr hohen Infektionsrisiko belastet sind.

Ich glaube, dass es eine falsche Entscheidung war, Schwerpunkte nicht auch hier zu setzen und finanzielle Mittel und wissenschaftliches Know-how nicht vor allem in diese Länder zu transferieren. Vielleicht erhalten wir die Quittung für dieses kurzsichtige und wenig solidarische Verhalten der Völkergemeinschaft schon bald präsentiert. – Danke!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Simon. – Das Wort für die CDU-Fraktion hat nunmehr der Kollege Brinsa. – Bitte schön, Herr Brinsa, ergreifen Sie das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute ein Thema, das mit großem Ernst zu erörtern ist. Ist der Kollege Pape noch anwesend?

Frau Simon

[Pape (SPD): Hier vorn! Ich höre Ihnen zu!]

Entschuldigung! Ich hatte Sie auf Ihrem ursprünglichen Platz gesucht. – Der Kollege Pape hat natürlich ganz bewusst vor meinem gedanklichen Auge diese Dringlichkeit begründet, damit Ihre Senatorin nachher auch die Möglichkeit hat, uns in epischer Breite die Maßnahmen gegen die Vogelgrippe darzulegen. Natürlich begrüßen wir das auch.

Sie haben, Herr Kollege Pape – das hat mich ein wenig überrascht –, den Eindruck erweckt, als würde die Panikmache von diesem Parlament ausgehen, es sei denn, ich habe Sie falsch verstanden. – Der Kollege nickt! – Sie haben eine Vielzahl von Zeitungen mitgebracht. Das ist sicherlich lobens- und begrüßenswert. Sie haben deutlich gemacht, von wem hier die Panikmache ausgeht, die Sie heute hier zu Recht ansprechen wollen.

Natürlich steht die Vogelgrippe nicht unmittelbar vor der Tür. Frau Simon hat es gesagt. Die Ansteckungsgefahr der echten Vogelgrippe mit der Virusbezeichnung H5N1 auf den Menschen ist äußerst kompliziert, auch medizinisch nicht einfach darzustellen. Deshalb begegnen wir dem heutigen Thema mit Ruhe und Besonnenheit, aber auch im Vertrauen darauf, Frau Senatorin KnakeWerner, dass Sie uns nachher verraten, welche Maßnahmen Sie im Rahmen der Vorsorge und Fürsorge für die Bevölkerung Berlins getroffen haben. Wir haben in der letzten Zeit eine Reihe von Meldungen auch von Ihnen gelesen, Erstaunliches oder weniger Erstaunliches, aber den Eindruck gewonnen, dass das, was Sie veranlasst haben, bislang nicht ausreichend und genügend ist, um die Bevölkerung zu informieren und keine Panik zu erzeugen. Das will ich hier ausdrücklich bemerken.