Mit Schreiben vom April diesen Jahres hat die Charitéleitung die Koalitionsfraktionen gebeten, bestimmte Dinge einzuhalten. Ich möchte mit der Genehmigung des Präsidenten daraus vorlesen:
4. Verzicht auf rechtliche Verselbständigung, wobei keine Präjudizierung zum Abschluss einer späteren Lösung erfolgen darf.
Bis auf den Wunsch nach einer Dienststelle und damit, einen Personalrat einzurichten, sind wir dem Vorschlag gefolgt. Der Forderung der Gewerkschaft nach 5 bis 17 lokalen Personalräten sind wir auch nicht gefolgt. Mit einem Gesamtpersonalrat und jeweils einem für die Beschäftigen der Fakultät und des Klinikums haben wir eine praktikable Lösung gefunden. Wir haben von den 37 Änderungsanträgen, die wir dazu eingebracht haben, die meisten bei der Anhörung übernommen. An vielen Stellen haben wir Anregungen zusammengefasst. Die Einbindung der Charité in die Forschung und Wissenschaft muss erhalten und muss auch universitär bleiben. Deswegen bekommt der Medizinsenat, das gemeinsame Gremium beider Universitäten, zusätzliche Rechte bei der Struktur- und Rahmenplanung der Charité. Mit den Stellungnahmen zu den Berufungen wird das wissenschaftliche Profil beider Universitäten und der Charité abgestimmt und verschränkt. Dem Wunsch der Präsidenten entsprechend, für den Krankenhausbetrieb keine Verantwortung zu übernehmen und die finanzielle Lage der Fakultät und die Gewährträgerhaftung nicht tragen zu wollen, sind wir in diesem Zusammenhang auf den Vorschlag des Senats eingegangen, den Aufsichtsrat neu zu strukturieren.
Wie alle Universitätskliniken in Deutschland befindet sich auch die Charité in einem notwendigen Reformpro
zess. Dieser ist durch die Fusionen in Berlin sicher nicht leichter. Dieser Reformprozess wird von Menschen gemacht, das heißt, vom Vorstand und den Mitarbeitern, von den Studenten, den Professoren und Ärzten, und nicht vom Gesetzgeber. Das Gesetz bildet nur einen Rahmen dazu. Gesetze sind nicht für die Ewigkeit gedacht – auch das müssen wir klar sagen.
Eins kommt noch hinzu: Die momentanen Tarifauseinandersetzungen sollten so schnell wie möglich beendet werden, damit die Charité ein Erfolg wird und wir eine erfolgreiche wissenschaftliche Einrichtung in Berlin behalten. – Ich danke Ihnen!
Schönen Dank, Herr Dr. Flemming! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Frau Paus das Wort. – Bitte schön, Frau Paus!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem in der Koalition klar war, dass man die Grundzüge des Vorschaltgesetzes unverändert lassen wollte, insbesondere zwei Punkte, nämlich zum einen, dass Forschung, Lehre und Krankenversorgung in einer Körperschaft bleiben sollen, und zum Zweiten, dass die Anbindung der Charité als Gliedkörperschaft an beide Universitäten erhalten bleiben soll – als diese Grundzüge bestätigt waren, hätte man eigentlich davon ausgehen können, dass noch das normale Handwerkszeug angebracht werden muss und wir dann ein vernünftiges Universitätsmedizingesetz haben.
Aber es kam anders. Es gebührt der Koalition die Ehre, uns wieder einmal eines Besseren zu belehren. Keiner ist glücklich mit diesem Gesetz. Auch die Koalition hat gestern im Wissenschaftsausschuss gesagt, es ist ein Kompromiss. Ich sage, der Kompromiss ist gescheitert. Am klarsten hat eigentlich Senator Flierl im Rahmen der Anhörung formuliert, wohin die Reise gehen soll – nämlich hin zu einem Konzern Charité. Die CDU würde wahrscheinlich – weil sie jetzt auch einen in diese Richtung orientierten Antrag vorgelegt hat – bei dem Koalitionsantrag eher sagen, es ist weniger ein Konzern oder Unternehmen, es geht mehr um eine Kombinatslösung. Sei es, wie es sei. Wir jedenfalls lehnen sowohl das eine als auch das andere ab.
Denn erstens macht man einen schwer manövrierbaren Tanker nicht dadurch flotter, dass man noch einen zweiten Tanker direkt daran anbindet. Zweitens – darauf ist Herr Flemming schon leicht eingegangen – hat auch das von Ihrer Fraktion in Auftrag gegebene WPD-Gutachten zu dem Universitätsmedizingesetz noch einmal eindeutig bestätigt, dass man einer wissenschaftlichen Institution nicht einfach eine Unternehmensorganisation überstülpen darf. Die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Wissenschaft und Forschung schließt das Recht auf eine akademische Selbstverwaltung mit ein, und zwar auch in der Hochschulmedizin.
Deswegen ist die Wirtschaftlichkeit der Charité nicht irrelevant – im Gegenteil, ihr Überleben hängt davon ab. Aber nur eine klare Trennung der Aufgabenbereiche und nicht die Unterordnung der Wissenschaft unter die Krankenversorgung kann hier die richtige Lösung sein.
Egal, wie das mit dem Vor und Zurück bei den Zentren letztlich ausgegangen ist – nicht nur die geplanten zusätzlichen Leitungsebenen sind zu teuer, sondern die Zentren verstoßen – so, wie sie konzipiert sind – in ihrer Intention gegen die Rechte der akademischen Selbstverwaltung. Deswegen lehnen wir sie ab.
Deswegen haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Zum Thema „Rausschmiss der Präsidenten“ hat Herr Zimmer das Relevante, das man dazu sagen kann, bereits gesagt. Wir finden das auch völlig absurd. Ich widme mich einem anderen Punkt intensiver, der bisher noch nicht zur Sprache kam, was eigentlich unverständlich ist, weil er gerade angesichts der – zumindest drohenden – finanziellen Schieflage der Charité von erheblicher Bedeutung ist.
Herr Gaebler, Sie sitzen jetzt hier. Wir hatten heute in Bezug auf einen anderen Antrag schon einmal das Vergnügen miteinander; er steht später noch einmal auf der Tagesordnung. Sie haben gesagt, den Antrag können wir heute nicht sofort abstimmen, da gibt es eine Haushaltsrelevanz; er muss zunächst im Hauptausschuss und im Vermögensausschuss behandelt werden. Aber Sie sind derselbe, der gestern im Wissenschaftsausschuss dem Änderungsantrag zugestimmt hat, und der heute mit dabei ist, das Universitätsmedizingesetz verabschieden zu wollen, ohne dass der Hauptausschuss darüber beraten hat. Sie haben kein Problem damit, obwohl Sie von der Koalition mit dem Gesetz der Charité gestern die Möglichkeit einräumen wollten, Kredite aufzunehmen und obwohl Sie gestern die Regelung zur Gewährträgerhaftung geändert haben, nämlich so, dass das Land bei Problemen in der Charité alleinig und direkt haftet. Das ist finanzrelevant. Der Hauptausschuss hätte darüber beraten müssen. Aber zumindest sollte das Gesetz in Zukunft entsprechende Regelungen enthalten, die gewährleisten, dass das Parlament, dass der Hauptausschuss mit finanzrelevanten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung befasst werden muss.
Dazu hatten wir gestern im Wissenschaftsausschuss einen Änderungsantrag eingebracht, Aber diesen haben Sie ebenfalls abgelehnt. Wenn Sie uns schon nicht glauben, weise ich zumindest darauf hin, dass es in dieser Woche auch noch ein Urteil zum Bürgerbegehren gegen die Risi
koabschirmung des Landesverfassungsgerichts gegeben hat. Der Verfassungsgerichtshof hat darin klar formuliert, dass es überall dort, wo das Land voll haftet, einen Parlamentsvorbehalt geben muss. Deswegen bitte ich Sie – wenn Sie auch unserem gesamten Änderungsantrag nicht zustimmen wollen –: Schauen Sie sich die Formulierung unseres Änderungsantrags zumindest in den Punkten 4 und 11 noch einmal an und übernehmen Sie sie, denn dann sind Sie – zumindest, was die Grundformalitäten angeht – auf der sicheren Seite! Ansonsten sind Sie es definitiv nicht. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Paus! – Für die Linkspartei.PDS hat nunmehr der Fraktionsvorsitzende Liebich das Wort. – Bitte schön, Herr Liebich!
Lesen kann ich auch. Das ist eine der Grundvoraussetzungen, um wissenschaftspolitischer Sprecher zu werden: Man sollte mindestens lesen können. –
Die Strukturfragen bei der Universitätsmedizin begleiten unsere Koalition von Anfang an. Das war von Beginn an ein kontroverses Thema, Herr Zimmer wies darauf hin. Wir von der – damals noch – PDS haben das bei dem Parteitag gespürt, als wir unsere Koalitionsvereinbarung diskutiert und beschlossen haben, als wir durch Reihen von Demonstrantinnen und Demonstranten des Universitätsklinikums Benjamin Franklin gehen mussten. Wir haben gemerkt, wie schwierig es ist, sich unangenehmen Fragen zu stellen. Aber, Herr Zimmer, wir haben uns diesen Fragen gestellt. Wir haben gesagt, es muss Änderungen geben, es müssen Entscheidungen getroffen werden, und dabei kann es auch zu harten und schwierigen Debatten kommen. Das ist der Unterschied zwischen der rot-roten Koalition und der großen Koalition, und das ist ein sehr guter Unterschied.
Wir waren in dem ganzen Prozess allerdings auch offen für Argumente und bereit, unsere eigenen Ansichten zu revidieren und unsere Positionen zu verändern. Deshalb gab es gleich zu Beginn die Entscheidung, eine Expertenkommission einzuberufen. Nach deren Hinweisen haben wir noch einmal deutliche Änderungen an unserer Position vorgenommen. Wir haben uns für ein Vorschaltgesetz entschieden. Das waren wichtige Etappen auf dem Weg zu dem Ziel, an dem wir jetzt angekommen sind.
Die Verabschiedung des Universitätsmedizingesetzes gibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dem Vorstand der Charité die Sicherheit, die sie für ihre wichtige Arbeit im Interesse der Stadt brauchen. Die Erarbeitung dieses Gesetzes war von Beginn an ein kontroverser Prozess. Es war nicht so, Herr Zimmer, dass alle unisono die
selbe Position vertreten haben und das zufällig auch die Position der CDU-Fraktion war, sondern logischerweise haben der Vorstand, die Personalräte, die Frauenbeauftragten, die AOK und die Industrie- und Handelskammer ganz unterschiedliche Anforderungen gehabt und das Gesetz in unterschiedliche Richtungen ändern wollen. Ich kann sogar noch weiter gehen: Auch die Finanzverwaltung, die Gesundheitsverwaltung und die Wissenschaftsverwaltung im Senat haben divergierende Interessen vertreten und unterschiedliche Anforderungen an solch ein Gesetz gestellt. Das ist auch klar. Auch hier merkt man die Differenzen in der Debatte: Während die eine Oppositionspartei, die CDU, sagt, das sei alles ganz schwerfällig, so könne man ein Unternehmen nicht mehr führen, es sei zu unternehmensfern, sagt die andere, Bündnis 90/Die Grünen, wir hätten die Charité geradezu in ein Unternehmen verwandelt. Das zeigt also, dass es – natürlich, Frau Paus! – ein sehr schwieriger Prozess war, hier einen Kompromiss zu schließen.
Es ist auch ein Kompromiss zwischen den beiden Fraktionen, die dieses Gesetz hier einbringen werden, denn ich denke, wenn die SPD allein ein Universitätsmedizingesetz gemacht hätte, würde es anders aussehen. Wenn die Linkspartei.PDS eines gemacht hätte, würde es auch anders aussehen. Aber der Kompromiss ist ein guter und deshalb auch ein für uns ein vertretbarer Kompromiss geworden.
Die Neustrukturierung in Zentren ist der richtige Weg. Die Arbeit der Zentrumsleitungen – und das ist uns sehr wichtig – wird künftig begleitet werden von Zentrumskonferenzen, in denen Klinikumsleitung bzw. Institutsleitung, akademische Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiter und Studierende die Arbeit paritätisch begleiten werden. Es ist uns auch wichtig, dass für die Arbeit der Charité festgehalten wird, dass sie sich am Corporate-GovernanceKodex ausrichtet. Es ist uns ebenso wichtig – das sage ich in Richtung von Frau Paus, weil sie kritisiert hat, dass die Frauenbeauftragten zu wenig mitreden dürften –, dass die zentrale Frauenbeauftragte der Charité im Fakultätsrat, im Medizinsenat und im Aufsichtsrat mit beratender Stimme dabei ist. Die Interessen der Beschäftigten werden über den künftig zu bildenden Gesamtpersonalrat vertreten werden.
Alles in allem sind damit allen wichtigen Interessen im Wege eines Kompromisses Genüge getan worden. Ob der Kompromiss dann in der Praxis funktioniert, das weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Ich denke, wir sollten auch so offen sein – ich werbe auch dafür –, dass wir dieses Gesetz heute auf den Weg bringen und vielleicht in einem Jahr schauen, wo es sich bewährt und wo es sich nicht bewährt hat. Da bricht auch einem Gesetzgeber kein Zacken aus der Krone, wenn man sich so etwas vornimmt und sagt, man sei bereit, immer noch Verbesserungen vorzunehmen.