Protokoll der Sitzung vom 12.01.2006

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war ganz überrascht, dass Sie mich doch noch aufgerufen haben. Ich war mir gar nicht sicher, ob wir hier weiterhin zur Sache sprechen wollen, oder ob wir uns selbst noch ein wenig beweihräuchern, wer am nächsten dran bei den Bühnen steht und wer der bessere Mensch ist. Ich bin mir im Moment nicht ganz sicher, ob das vorangegangene Schauspiel, das wir uns geleistet haben, den Bühnen wirklich etwas genutzt hat. Gut, dass es keiner mehr mitbekommen hat.

Ich möchte noch einmal meinen Blick darauf lenken, worum es eigentlich geht. – Klar ist, dass es um zwei Theater geht, die im Moment von einer Schließung bedroht sind, an denen nicht nur wir, sondern auch sehr viele Berliner sehr hängen,. Man weiß noch nicht genau, was passiert. Wir alle wünschen uns – hier gibt es Konsens –, dass diese Bühnen weiterhin existieren und dass eine Komödie am Ku’damm – wie der Name sagt – am besten am Ku’damm existieren sollte, ist irgendwie nahe liegend. Eine Komödie am Ku’damm, die im Prenzlauer Berg liegt, ist nicht so richtig überzeugend. Und es ist sicher auch nicht überzeugend, dass sich die Zahl der Kultureinrichtungen im Westteil von Berlin mit einer Geschwindigkeit Null annähert, bei der man gar nicht mehr zugucken kann. Insofern sind wir alle miteinander im Konsens. Es scheint aber so ungewohnt zu sein, dass wir einer Meinung sind, dass wir gar nicht damit umgehen können.

Was wir dabei immer vergessen, ist, dass wir mit dem Standort, an dem sich die beiden Bühnen befinden, mit dem Ku’damm-Karree, ein Gebäude haben, das im Internet mit den wunderschönen Worten charakterisiert wird:

Wenig gelungener Grundriss, additive Anhäufung der Baukörper statt eines konzeptionell einheitlichen Gesamtentwurfes, unzureichende Erschließung durch Passagen und Galerien machten bereits ein Jahr nach Fertigstellung kostspielige Umbauten, in den Folgejahren hohe Zuschüsse durch das Land notwendig.

Wo waren wir denn alle, als das Ku’damm-Karree gebaut wurde? Wo waren alle, als die Millionen DM im Sand versenkt wurden und ein Karree gebaut wurde, wo vorn und hinten sich nie jemand hat ansiedeln oder halten können?

[Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Es ist schön, wenn man einmal in die Geschichte einsteigt. Es kommen immer wieder dieselben Namen vor. Von derselben Dame haben wir auch noch andere Bauruinen in Berlin stehen. Sie kosten uns heute auch trefflich viel Geld. Das ist alles misslich gelaufen. Vielleicht sollten wir in Zukunft einmal vorher nachsehen, wohin wir unsere öffentlichen Mittel schmeißen.

Aber zurück zu den Ku’damm-Bühnen! Ich teile das, was Herr Wowereit heute Mittag hierzu ausgeführt hat. Ich stimme zu, dass es hier erst einmal um ein Geschäft zwischen Privat und Privat geht. So ist es leider. Alles andere, was Sie erzählen oder behaupten, ist purer Populismus. Das ist einfach Quatsch. Ich weiß nicht, wer in der Stadt glauben soll, dass wir Arbeitsplätze an den Bühnen erhalten. Das ist genauso schwachsinnig, als wenn wir erzählten, wir erhielten Arbeitsplätze bei Samsung. Das ist doch bescheuert. Als ob das wirklich noch einer glaubt! Wir erzeugen hier etwas, was der Sache eventuell gar nicht dient. Es ist richtig, dass Herr Wowereit ein Gespräch mit Herrn Ackermann führt. Man kann über die Deutsche Bank alles Mögliche denken, aber wir wissen, dass die Deutsche Bank in Berlin 3 Millionen € für die Berliner Philharmoniker aufbringt. Und wir wissen auch, dass die Deutsche Bank sich bei der Komischen Oper sehr engagiert. Es ist Quatsch, dass wir dann davon ausgehen, dass die Deutsche Bank kein Interesse daran hat, dass die Ku’damm-Bühnen überleben. Das ist nicht zielführend. Es ist richtig, Gespräche zu führen. Es ist auch richtig, Gespräche im Hintergrund zu führen und nicht öffentlich.

Wenn wir wirklich für die Sache arbeiten wollen – und das müssten wir in diesem Punkt, wenn wir schon einmal alle einer Meinung sind, auch wenn es ungewohnt ist –, dann bitte ich alle Beteiligten, darüber nachzudenken, was wir mit den Ku’damm-Bühnen am Ku’damm machen, wenn das Ku’damm-Karree wirklich nicht zu retten ist. Wie könnte ein Plan B aussehen? Welcher Alternativstandort käme in Frage, um zumindest einem der Theater für die nächste Zeit das Überleben zu garantieren? Wie können wir die Ku’damm-Bühnen unterstützen,

Wir waren heute schon einmal weiter. Herr Jahnke hat im Rahmen der Mündlichen Anfrage Nr. 6 zwei sehr vernünftige Fragen gestellt. Und der Regierende Bürgermeister hat daraufhin sehr diplomatisch die Gratwanderung zwischen Eigeneinsatz und der Anerkennung versucht, dass es sich hier um ein Privatgeschäft handelt.

Es wurde vorhin die Frage gestellt, was man denn machen solle, wenn man als politische Kraft eingreife. Selbstverständlich kann man etwas machen, sehr viel sogar. Es fügt sich, dass das zusammenkommt. Wir hatten vorhin den Kulturwirtschaftsbericht. Ich habe vorhin – darüber bin ich jetzt sehr froh – das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Modell von London zitiert. Gerade das Private wurde dort hervorgehoben – hier geht es um private Bühnenbetreiber –, und wir können das kulturwirtschaftliche Entwicklungsmodell, das London entworfen hat, übernehmen. – Sie haben den Begriff „verödet“ benutzt, Herr Brauer. Sie haben das Pech, dass Sie den Ku’damm erst nach 1989 kennengelernt haben. Er war nie Boulevard. Er war 20, 30 Jahre lang nicht Boulevard und fängt jetzt allmählich, allmählich, allmählich an – Herr Wowereit wies darauf hin –, sich zu berappeln. – Die Frage der politischen Unterstützung dieser Bühnen und des Privaten liegt darin, dass sich hier zwei Vektoren überschneiden, nämlich das private Interesse – die Deutsche Bank oder Anleger und die Immobilie – und das öffentliche Interesse, das kulturelle Pfund, mit dem der Kurfürstendamm noch wuchern kann. Wenn wir dieses öffentliche Interesse nicht wahrnehmen, muss man sich damit auseinander setzen, dass das Private in seiner Verantwortlichkeit an seine Grenzen kommt. Oder umgekehrt: Das Private wird aus seiner Verantwortlichkeit nicht entlassen, auch dann nicht, wenn das Land Berlin eine ganze Reihe ähnlicher Fehler gemacht hat. – Das ist eine ganz andere Sache. Vielleicht läuft im Hintergrund mit, dass man das eine oder andere nicht ideal gelöst hat. Aber es ist im Grunde nicht schwierig, den Anlegern im Rahmen der kulturwirtschaftlichen Überlegungen Modelle vorzubereiten und schmackhaft zu machen, bei denen sie sowohl zu ihrem Vorteil kommen als auch die Bühnen erhalten bleiben. Die Frage ist von Ihnen, Herr Wechselberg, wenn ich es richtig gehört habe, gestellt worden. Das ist leicht möglich, dass man diese beiden Theater zur Potenzierung von Gewinnen aufbauen kann. Man muss bloß die Gedankengänge der Kulturwirtschaft wirklich verstanden haben. Ich empfehle Ihnen an der Stelle nochmals: Lesen Sie, wenn schon nicht über das Londoner Modell, dann das von der Industrie- und Handelskammer beauftragte Werk des Deutschen Instituts für Wirtschaftshilfe. – Ich danke Ihnen!

und zwar ernsthaft unterstützen, und die Bühnen und nicht uns in den Mittelpunkt stellen? – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete LehmannBrauns.

Ich appelliere noch einmal an die FDP-Fraktion beziehungsweise frage: Sind Sie eigentlich auch der Meinung, Herr Lindner, Frau Meister, dass man in dieser Problematik, die Sie als solche auch anerkannt haben, abwarten sollte, wie Vermieter und Mieter sich einigen?

[Dr. Lindner (FDP): Ja!]

Und wenn die Sache schief geht, dann ist es das gewesen? Oder sollte man Druck aufbauen, zum Beispiel auch an die kulturelle Verantwortung der Deutschen Bank appellieren, die eine Menge in dieser Stadt und auch in diesem Land getan hat? Sollte man Druck aufbauen und dann versuchen, im Wege der direkten Verhandlung – nicht nur netter Briefe hin und her – zu erreichen, dass diese Kulturbarbarei in der Stadt verhindert wird? Es gibt Beispiele, wo Privattheater gerettet worden sind, indem ein solcher Druck aufgebaut wurde – die Tribüne, das Kleine Theater –, auch mit Ihrer Hilfe. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Frau Meister! Wollen Sie darauf antworten?

Lieber Herr Lehmann-Brauns! Bringen Sie mit dem Kleinen Theater und der Tribüne nichts durcheinander! Wir wollen nichts vermischen. Kultursubvention oder Kulturinvestition – wie immer Sie das sehen wollen, auch wenn wir sehr dafür sind – gibt es nicht für immer und lebenslang. Das wollen wir einmal festhalten. Hier geht es aber gar nicht um subventionierte Bühnen. Hier geht es um private Bühnen, Herr LehmannBrauns!

[Dr. Lehmann-Brauns (CDU): Umso schlimmer!]

Ich weiß nicht, wovon Sie ausgehen. Glauben Sie, dass Herr Ackermann zitternd hinter seinem Schreibtisch sitzt und darauf wartet, dass Herr Flierl und Herr Lehmann-Brauns gemeinsam ankommen und ihm drohen? – So läuft es nicht. In welcher Welt leben Sie denn? – Lassen Sie Herrn Wowereit ein vernünftiges Gespräch führen – darauf hoffen wir alle. Vielleicht kommt etwas dabei heraus. Alles andere ist Irrwitz. Damit schaden wir den Bühnen mehr, als dass es nutzt.

[Beifall bei der FDP, der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön! – Das Wort hat jetzt der fraktionslose Abgeordnete Jungnickel. Ich sage auch gleich – es ist sehr lebhaft heute –:

[Brauer (Linkspartei.PDS): Privattheater!]

Für diese Runde ist die Möglichkeit der Kurzintervention erschöpft. – Bitte!

Frau Vorsitzende! Vielen Dank! – Ich bin Herrn Lehmann-Brauns sehr dankbar, dass er die Debatte wieder auf den Punkt gebracht hat.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Hat er nicht! – Brauer (Linkspartei.PDS): Er hat sich Mühe gegeben!]

Herr Senator! Weil Sie Ihre gemeinsame Position mit Herrn Wowereit erwähnt haben: Hat der Senat eventuell gemeinsam mit dem Bezirk geprüft, welche Möglichkeiten das Bauplanungsrecht – Stichwort Milieuschutz-, Erhaltung- und Gestaltungssatzungen und Denkmalschutz oder Bebauungsplan – zur Sicherung eines Kulturstandortes bietet?

Ich bin mit der Angelegenheit seit dem Spätherbst befasst, als Herr Woelffer in die Kulturverwaltung kam und wir miteinander verabredet haben, dass wir nach Maßgabe der Interessenlage und der Verhandlungsoption der Woelffer-Bühnen miteinander kooperieren. Im Senat hat die Frage bisher keine Rolle gespielt. Aber ich werde Ihnen gleich berichten, inwiefern die Woelffer-Bühnen zu Zeiten des rot-roten Senats schon einmal eine Rolle gespielt haben. Ich nehme an, dass die hier anwesenden Fachzuständigen dieses möglicherweise kennen, beantworten können oder begleiten.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn von Lüdeke? – Sie haben noch Redezeit.

Ja, bitte, gerne!

Bitte!

Dr. Jungnickel! Ist Ihnen bekannt, dass es sich hier um einen Immobilienfonds handelt, an dem etwa 300 000 Zeichner beteiligt sind? Können Sie sich vorstellen, dass man ihnen das, was Sie eben gesagt haben, in irgendeiner Form klarmachen kann?

Das ist eine Frage der Diplomatie, das zu machen, selbstverständlich. Sie sollen auch über Herrn Ackermann versuchen, ihnen das klarzumachen.

[Dr. Lindner (FDP): Ackermann sagt: Auf, Jungs!]

Selbstverständlich sind diejenigen zu überzeugen, die daran interessiert sind. Man würde ja das Private diskriminieren, wenn man sich einbildete, dass sämtliche Anleger dort vor der Tür stehen würden. Sie wissen ganz genau, dass das verhältnismäßig wenige Büros sind, die diese Anleger vertreten. Selbstverständlich kann man das machen, Herr Lüdeke.

Danke schön, Herr Dr. Jungnickel! – Jetzt hat sich der Senator für Kultur gemeldet. – Bitte schön, Herr Dr. Flierl, jetzt haben Sie das Wort!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich die Gelegenheit nutze, hier für den Senat klarzustellen, dass es zwischen dem Regierenden Bürgermeister und dem Kultursenator in der Frage des Engagements für die Woelffer-Bühnen keinerlei Differenz gibt.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Ich verfolge Ihre Diskussion mit großem Interesse und staune darüber, wie man den Kulturkampf ausruft, indem man seine Beendigung fordert oder meint, dass man die Probleme durch Projektion auf den Senat oder die Deutsche Bank lösen könne. Ich danke für die realitätsnahe Darstellung der FDP-Fraktion.

In der Tat geht es darum, dass wir nun die Verhandlungsoption voll ausschöpfen, denn es gibt sowohl meinerseits als auch von Seiten des Regierenden Bürgermeisters Briefe an die Deutsche Bank und an den Fonds. Sowohl der Regierende Bürgermeister als auch ich haben uns sehr schnell öffentlich zu Wort gemeldet und treten dafür ein, dass es zu einer Übereinkunft der beiden Parteien kommt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, was in der Frage von Herrn von Lüdeke deutlich wurde, dass nicht die Deutsche Bank in unmittelbarer Vollkommenheit und zentralistischer Manier entscheidet, sondern dass sie eine Fondsverwaltung hat. Erst heute habe ich mit Herrn Gutte

telefoniert, der den Fonds verwaltet. Er hat das Problem, wie man die Interessen von zerstreuten kleinteiligen Anlegern koordinieren kann. Dennoch habe ich die Hoffnung, dass wir das in den Gesprächen hinbekommen.

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schruoffeneger?

Aber natürlich, gerne!

Bitte schön, Herr Schruoffeneger!

[Thiel (FDP): Oh!]

Mir ist nur wichtig klarzumachen, dass wir an der Seite der Woelffer-Bühnen stehen. Wir können aber die Verhandlungen nicht ersetzen. Wir können uns auch nicht zu einer Verhandlungspartei machen. Wir werden uns nach Maßgabe und Wunsch der Woelffer-Bühnen einbringen. Das haben sowohl der Regierende Bürgermeister als auch ich getan. Wir haben ein Treffen mit der Deutschen Bank verabredet, um bei den laufenden Vertragsverhandlungen zu assistieren.

Herr Senator, ich habe noch eine Zwischenfrage, jetzt von Herrn LehmannBrauns!

Die beantworte ich etwas später, weil ich erst einmal zu Ende reden möchte. – Es geht darum, dass wir einen Plan A aushandeln wollen. Ich lehne es zu dieser Stunde und Gelegenheit ab, über einen Plan B nachzudenken. Die Vorstellung, dass wir jetzt quasi selbst in freundlicher Auslegung, Herr Jungnickel, von Kulturwirtschaftsinitiativen aller Art in die Verhandlungsoption eine Subventionsoption einführen, halte ich für völlig kontraproduktiv. Es geht darum, dass die Rahmenbedingungen von Privattheatern am Ku’damm erhalten werden. Da

Ich finde, das Argument, das am Montag im Kulturausschuss gekommen ist, dass man zwar moralisch an der Seite der Woelffer-Bühnen stehe, darüber hinaus aber Schwierigkeiten habe sich einzubringen, finde ich an der Stelle falsch.