Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Ich frage den Senat:

1. Warum beschränkt sich der Senat seit Wochen auf Ankündigungen, die in Vorbereitung befindlichen Initiativen anderer Bundesländer zu verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder unterstützen zu wollen, anstatt sofort eine eigene Bundesratsinitiative zu ergreifen?

2. Treffen Pressemeldungen zu, dass bis jetzt nur verwaltungsinterne Arbeitsgruppen zur Verbesserung des Kinderschutzes tagen, oder hat der Senat eventuell doch bereits greifbare Ergebnisse und Sofortmaßnahmen zum besseren Schutz von Kindern in Berlin vorzuweisen?

Wer antwortet? Der Bildungssenator? – Ja! Das Wort zur Beantwortung hat der Senator für Bildung, Jugend und Sport. – Bitte schön, Herr Böger!

Herr Präsident! Das ist so entschieden worden, und ich füge mich.

Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete RichterKotowski! Zur Frage 1: Der Senat hat nicht die Absicht, in einen Schreibwettbewerb einzutreten, wer am schnellsten eine Bundesratsinitiative startet. Der Senat hat vielmehr die Absicht, bei diesem wichtigen und komplizierten Thema – nämlich einen besseren Kinderschutz in der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen – seine Anstrengungen mit anderen Bundesländern, die vergleichbare Problemlagen und Ideen haben, zu koordinieren. Mir liegt – noch ohne Drucksache – der Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg vor. Zu diesem Antrag kann ich, ohne dass der Senat bisher darüber beraten hat, vom Grundsatz her sagen, dass sich der Senat von Berlin dieser Aufforderung an die Bundesregierung – mehr ist das im Kern nicht – anschließen können wird, denn die Freie und Hansestadt Hamburg thematisiert die Frage, ob und wie es uns gelingen kann, bei den Vorsorgeuntersuchungen ein höheres Maß an Verbindlichkeit zu erreichen, und zwar nicht durch eine Pflichtuntersuchung – es wird gesagt, dagegen sprächen juristische Gründe –, sondern durch eine Mitteilung, falls Eltern nicht daran teilnehmen, um auf diesem Weg ein Gespräch bzw. Initiativen des Jugendamtes auszulösen. Das finde ich gut.

Als Zweites sieht die Initiative der Freien und Hansestadt Hamburg vor, dass der gemeinsame Bundesausschuss, den es bereits gibt und der die inhaltlichen Fragen, was in den Vorsorgeuntersuchungen gemacht wird, spezifiziert, zusammentritt, um noch einige besondere Spezifikationen hinzuzufügen. Das werden wir unterstützen, und wir benötigen keine weitere Bundesratsinitiative dazu. Wir werden unsere Interessen einbringen und uns darum bemühen, dass der Bundesrat möglichst mit großer Mehrheit in dieser Frage handeln kann.

Zu Ihrer Frage 2: Ich habe in der letzten Plenarsitzung im Rahmen einer Großen Anfrage bzw. einer Aktuellen Stunde und eines Antrags Ihrer Fraktion – Sofortprogramm für ein Netzwerk Kinderschutz und Prävention – Ihnen gegenüber gesagt, dass ich diese Initiativen der CDU-Fraktion inhaltlich u. a. schon deshalb begrüße, weil sie den Initiativen anderer Fraktionen und meines Hauses sehr entgegenkommen. Ich versichere Ihnen nochmals, dass wir intensiv an der Umsetzung dieser Initiativen arbeiten, ohne dass wir damit bereits am Ende und fertig wären.

Es geht darum, mit der Frau Kollegin Knake-Werner ein Netzwerk Kinderschutz zu erarbeiten. Dabei verfolgen wir das Ziel, die Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendgesundheitsdiensten, Jugendämtern, Kitas, Schulen, Kinderärzten, Kliniken sowie der Polizei zu verbessern

Die Frau Justizsenatorin hat sich mehrfach bemüht, hierbei Auskunft zu geben und Rechtsklarheit zu schaf

fen. Aber das sind – und da können wir räsonieren, so viel wir wollen – rechtlich sehr komplizierte Fragen, und die Auskunft aller Verfassungsrechtler ist klar, dass ausschließlich aus Gründen der Prävention – so sehe ich das – eine Pflichtuntersuchung verfassungsrechtlich nicht durchgehen wird. Wir können Resolutionen beschließen, aber damit müssen wir uns auseinander setzen. Deshalb sage ich noch einmal: Wir sind an dieser Bundesratsinitiative aus Hamburg sehr interessiert. Wir werden unsere Auffassung einbringen, und wir hoffen sehr, dass wir im Bundesrat, der ja nicht von diesen beiden Stadtstaaten dominiert wird, eine Mehrheit bekommen, um etwas in der Richtung zu unternehmen, wie ich es Ihnen dargestellt habe. Ich kann auch nicht erkennen, dass ich medial etwas anderes gesagt hätte. Wenn Sie die heutige „Süddeutsche Zeitung“ anschauen, dann ist da ein Punkt falsch, den ich dementiere: Ich bin nicht der Berliner Gesundheitssenator.

Ich frage Sie zu den Maßnahmen, die rechtlich nicht so schwierig sind, Herr Böger: Wie haben Sie darauf reagiert, dass offensichtlich alle Fälle von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung, die publik wurden, bereits bei den Jugendämtern aktenkundig waren, aber den Kindern nicht früh genug geholfen wurde?

und verlässlicher zu regeln. Es geht insbesondere auch darum, indiziert an einzelnen Fällen möglichst früh verbindliche Hausbesuche und Erstkontakte herzustellen. Sie kennen das Stichwort „Düsseldorfer Modell“. Ich bitte Sie, bei allem Respekt und allem Verständnis dafür, dass Ihnen diese Fragen am Herzen liegen – mir liegen sie auch am Herzen – und Sie erwarten, dass man zügig vorankommt, auch zu respektieren, dass es kein Verschieben, sondern ein engagiertes Arbeiten ist, wenn wir uns im Dezember getroffen und für Februar die Vorlage eines Konzepts angekündigt haben.

Das geschieht auch nicht ausschließlich verwaltungsintern; wir sind sehr wohl bereit, auch andere Interessenverbände oder Gruppierungen, die sich um diese Frage kümmern, einzuladen und zu berücksichtigen. Allerdings halten wir es für notwendig, dass wir erst einmal ein Konzept vorlegen, und dieses Konzept kann man dann sinnvollerweise noch ergänzen.

Das Wort zu einer Nachfrage hat Frau Richter-Kotowski. – Bitte schön!

Herr Böger! Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Eintritt für Pflichtuntersuchungen – so, wie Sie es propagiert haben – bislang Ihre Privatmeinung war? Handelt es sich nicht um eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn Sie dann gegenüber Zeitungen verkünden, Berlin würde sich einer entsprechenden Bundesratsinitiative anschließen?

Herr Senator Böger – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Richter-Kotowski! Meine Privatmeinung teile ich Ihnen, wenn Sie das wünschen, in Privatgesprächen mit. Wenn ich hier spreche, spreche ich als Person und als Senator für diesen Senat. Ich sage Ihnen noch einmal: Es scheint einen Unterschied zwischen uns zu geben, der darin besteht, dass ich das kenne, worüber ich rede, nämlich die Initiative des Bundeslandes Hamburg. Im Land Hamburg wird keine Pflichtuntersuchung gefordert, auch wenn Sie in der letzten Sitzung hier ständig behauptet haben, es sei so. Es ist nicht so.

Das Land Hamburg fordert dazu auf – ich will das jetzt nicht im Einzelnen vorlesen, aber Sie können sich das aus dem Internet herunterladen –, einerseits zu prüfen und andererseits einen speziellen Fall anzugeben, der auch wichtig ist. Ich glaube, das müsste auch ihre Zustimmung finden Wenn in den meisten Fällen eine Teilnahme von über 90 % gegeben ist, dann ist es doch sinnvoll, zu überlegen, ob es bei Anerkennung des Datenschutzes eine Möglichkeit gibt, diejenigen zu erreichen, die nicht teilnehmen, um die dann konzentriert anzusprechen, statt flächendeckend eine Verpflichtung einzuführen, die für die meisten gar nicht nötig ist.

[Beifall der Frau Abg. Seidel-Kalmutzki (SPD)]

Dann ist jetzt Frau Pop mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön!

Bitte, Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Pop! Sie wissen, dass ich keine Dienst- und Fachaufsicht über die Jugendämter habe. Ich habe nur die Möglichkeit, die Jugendämter anzusprechen und Handlungswege vorzuschlagen. Das haben wir schon getan, bevor diese Fälle bekannt wurden. Ich habe in den Fällen, die Sie nannten – den jüngsten Fall gab es in Treptow –, Gespräche mit den Jugendämtern geführt bzw. führen lassen. Wir haben die Jugendämter ermutigt, das gegenwärtige Recht auszuschöpfen, das beispielsweise die Möglichkeit bietet, eine Wohnung auch dann zu besuchen, wenn die Eltern das nicht wollen. Wir sind auch dabei, mit den Familienrichtern das Gespräch zu suchen, um die Intensität der Beratung zu verstärken.

Im Übrigen merke ich kritisch an, Frau Pop, dass die mediale Begleitung dieser Fälle häufig nicht risikolos ist. Sie wissen, dass die Jugendämter auch in solchen Fällen das Elternrecht sehr hoch einschätzen. Es macht wenig Sinn, das plakativ in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir sind uns sicher darüber einig, dass das Elternrecht, wenn es dem Kindeswohl entspricht, die absolute Priorität haben muss. Es muss darum gehen, Eltern zu helfen. Das hat das Jugendamt getan.

Zudem begrüße ich außerordentlich, dass viele Lehrerinnen und Lehrer intensiver als früher Mitteilung an Jugendämter machen. Ich unterstütze das und erwarte, dass diesen Mitteilungen nachgegangen wird.

Herr Senator! Ist Ihnen bekannt, dass der zentrale Punkt, um den es für den Medienstandort geht, nämlich der denkmalgeschützte Bereich, inzwischen an eine Nalepa-Projekt-GmbH in Gründung weiterveräußert wurde? Ich – und das geht auch anderen so – weiß nicht, wer hinter dieser Gesellschaft steckt. Der Käufer ist mir unbekannt. Sehen Sie vor diesem Hintergrund nicht doch die Notwendigkeit, dass sich der Senat gegenüber den anderen Ländern bereiterklärt, im Zweifelsfall in den Vertrag einzusteigen? Ich habe gehört, dass Herr Wolf das in der letzten Senatssitzung angesprochen hat.

Wir sind keine Eigentümer mehr. Es gibt einen Eigentümer, und der kann mit seinem Eigentum verfahren, wie er möchte, wenn er sich im rechtlichen Rahmen bewegt. Mir ist nicht bekannt, dass er Teile weiterveräußert hat. Wir sind nicht die, die den Fall betreuen. Das macht für uns das Land Sachsen-Anhalt mit seinem Liegenschaftsmanagement. Wir sollten uns als einer der Teileigentümer daran halten, dass diejenigen, die jetzt damit betraut sind und es besitzen, es auch betreiben. Wenn sich am Ende ergeben sollte, dass die ganze Liegenschaft zurückwandert, dann ist der Punkt erreicht, an dem wir uns unter Umständen engagieren.

Jetzt kommen wir zur vierten Frage. Sie ist von der Abgeordneten Paus von der Fraktion der Grünen über

Tricksen, tarnen und täuschen – wird die besondere Unternehmensphilosophie eines Baumaschinenhändlers aus Jessen die ostdeutschen Länder teuer zu stehen kommen?

Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Ist der Senat bereit, das Rundfunkgelände Nalepastraße zu übernehmen, nachdem das Gelände an unbekannte Käufer veräußert worden ist, deren Bonität nicht gesichert ist, so dass die Rückabwicklung des Kaufvertrages im Raum steht?

2. Drohen den neuen Bundesländern und Berlin Schadensersatzforderungen durch die Mieter, weil die elektrotechnische Versorgung nicht gewährleistet ist und dadurch geplante Produktionen gefährdet sind?

Danke schön, Frau Abgeordnete! – Zur Beantwortung hat der Finanzsenator hat Wort.

Zunächst einmal: Der Käufer ist unwillkommen, aber er ist nicht unbekannt. Wir haben uns mit ihm schon seit vielen Monaten befasst. Er konnte bisher – wenn auch zögerlich – alle Auflagen erfüllen, so dass es gegenwärtig keinen rechtlichen Anlass gibt, von dem Vertrag zurückzutreten.

Im Übrigen müssen wir sehen, dass wir nicht mehr Eigentümer sind und an der Liegenschaft nur einen Anteil von 8,5 % hatten. Gemeinsam mit den anderen wurde die letzten neun Jahre lang ein Verkauf versucht. Er ist mit dem vorliegenden Ergebnis gelungen.

Wenn sich im Weiteren zeigen sollte, dass die Länder die Liegenschaft wieder zurücknehmen müssen, weil es mit diesem Eigentümer nicht geht, dann – und erst dann – wird sich der Senat fragen, ob es sinnvoll ist, das durch das Land zu übernehmen.

Zur Frage nach der Medienversorgung: Auf dem Gelände ist mittlerweile sichergestellt, dass es keine Unterbrechungen gibt. Damit hat die veraltete Versorgung, die neu nicht mehr ans Netz gehen könnte, einen Bestandsschutz. Das hat uns die Berufsgenossenschaft gesagt.

Zusammenfassend: Wir müssen abwarten. Wir haben derzeit keinen Anlass, tätig zu werden. Wenn die ganze Liegenschaft letztlich wieder an die ehemaligen Eigentümer fällt, werden wir über eine Übernahme nachdenken.

Frau Kollegin Paus hat eine Nachfrage. – Bitte, Sie haben das Wort!

Bitte, Herr Senator Dr. Sarrazin!

Ich persönlich sage Ihnen, Frau Paus: Wir haben derartig viele Liegenschaften in Berlin, dass es nicht nötig ist, dass sie alle in unserem Eigentum sind.

[Frau Ströver (Grüne): Sie wollen aber den Medienstandort fördern!]

Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Dr. Hiller. – Bitte schön, Frau Hiller!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Sarrazin! Mutet es angesichts der Tatsache, dass es Auflagen beim Verkauf des Grundstückes hinsichtlich des Denkmalschutzes gab, nicht eigentümlich an, dass ein Verkauf an nicht zahlungsfähige Käufer erfolgt? Die neuen Käufer mussten ihre Bonität nicht nachweisen. Wenn ein Investitionsbedarf in Höhe von 35 Millionen € für das denkmalgeschützte Gebäude notwendig ist, wäre der Nachweis der Bonität aus meiner Sicht notwendig. Teilen Sie die Auffassung, dass dieser Verkauf suspekt und deshalb auch angreifbar ist?

Bitte, Herr Dr. Sarrazin!

Frau Abgeordnete Hiller! Es gibt viele suspekte Sachverhalte in Berlin, aber ich äußere mich zu ihnen nur, wenn sie in der Zuständigkeit des Senats liegen. Das ist hier nicht der Fall.

Nun ist die Frage fünf des Kollegen Lehmann von der FDP an der Reihe, und zwar über

Die Ursache für die Nichtausschöpfung ist grundsätzlich darin zu sehen, dass wir es mit der Zusammenlegung von Sozialämtern und Arbeitsämtern zu neuen Behörden mit einer extrem schwierigen organisatorischen Umstellung zu tun gehabt haben. Wir haben das ja auch im Parlament ausführlich diskutiert: die Personalprobleme, teilweise noch erheblicher Qualifizierungsbedarf bei dem

Personal, das neu in den Jobcentern eingesetzt wurde, einschließlich der Tatsache, dass die Jobcenter teilweise noch in ungeeigneten Immobilien untergebracht waren und dann auch erst später umgezogen sind.