Protokoll der Sitzung vom 09.03.2006

[Beifall bei der SPD]

Das waren genau fünf Minuten – sehr ordentlich, Kollege Radebold! – Jetzt ist der Kollege Lehmann-Brauns für die Fraktion der CDU dran und hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Vorlage zu diesem so genannten Masterplan liest, trifft man immer wieder auf den Namen Scharoun, man beruft sich auf ihn – Scharoun hinten, Scharoun vorn –, aber herausgekommen ist nur Wortgeklingel. Wenn man sich den Begriff „Lustgarten der Moderne“ ansieht und ihn mit dem vergleicht, was Herr Stimmann vorgestellt hat, fühlt man sich fast veralbert. Dieses Kulturforum hat immerhin fünf wirkliche Solitäre – drei von Scharoun, eines von Mies und eines von Stüler, diese wunderbare kleine Kirche –, und wenn man sieht, was Herr Stimmann damit anfangen will, muss man sagen: Das ist makaber. Die Koalition – wenn man das genau beobachtet – ist weder mit dem Herzen noch mit dem Kopf dabei. Frau Junge-Reyer hat sich sehr höflich dazu geäußert, ohne auf die Probleme einzugehen. Ich glaube, diese Pläne sind es wert, dort zu verschwinden, wohin sie gehören, nämlich im Papierkorb.

[Beifall bei der CDU]

So, wie es uns jetzt vorgestellt wird, indem diese Solitäre verbaut und verschattet werden, wäre es eine Blamage für Berlin und seine Mitte. Deshalb bitte ich: Wenn Sie heute über diesen Masterplan abstimmen, lassen Sie ihn möglichst schnell im Papierkorb verschwinden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – [Vereinzelter Beifall bei der FDP]

[Dr. Heide (CDU): Das Ding heißt Kulturforum!]

[Dr. Heide (CDU): Haben Sie nichts Besseres zu tun?]

Unangenehm an der Debatte – das schwingt hier mit – war die Art, wie man – insbesondere Architekten – miteinander umgeht. Der Kampf um Computersimulationen führte irgendwann dazu, dass es keine rationale Debatte mehr gab, wie man mit diesem in der Tat wichtigen Ort für Berlin umgeht.

[Beifall des Abg. Over (Linkspartei.PDS)]

Ich glaube, dass eine Vollendung des Kulturforums keine so einfache Lösung ist.

[Frau Ströver (Grüne): Hat keiner behauptet!]

Die neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe und die Philharmonie allein schon zusammenzubringen, ist ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen. In all den Debatten, die ich dazu gehört habe, gab es kaum Vorschläge, was man tun soll. Wie man es nicht tun soll, habe ich oft gehört. Heute hat auch Frau Ströver darauf verzichtet, ihre eigenen Vorstellungen zu unterbreiten, sondern hat nur andere kritisiert.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Aber wenn es darum ging, wie man es machen soll, gab es immer nur eine solide vorgetragene Lösung: Wir errichten das Haus der Mitte von Scharoun/Wisniewski. Aber in den Debatten war in diesem Haus in Wirklichkeit mit Ausnahme der FDP keine einzige Partei für dieses Haus der Mitte als Schlussstein. Dann hat man es in der Debatte nicht so einfach. Frau Ströver z. B. hatte vorge

Deshalb unser Ansatz, die Baufelder einzeln zu betrachten, dann jeweils auf einzelne Wettbewerbe auszuschreiben, Stück für Stück behutsam zu entwickeln, aber endlich auf die städtebaulichen Defizite zu reagieren. Wir haben zig Jahre Debatten, mehrere Wettbewerbe und etliche Streitereien und Verletzungen hinter uns. Es gab auch die

Idee, noch einen neuen Wettbewerb zu machen. Das wäre aus meiner Sicht die größte Katastrophe gewesen: ein Wettbewerb mit einem Ergebnis, mit dem dann auch keiner umgehen will, und mit den Gewinnern des neuen Wettbewerbs noch ein paar Akteure mehr, die sich mit den Gewinnern aller vorangegangener Wettbewerbe streiten. Das wäre keine Lösung gewesen, deshalb kommt die behutsame Ergänzung.

Nach über 50 Jahren Unklarheit auf dem Gebiet – das war auch für Herrn Wisniewski kein fairer Umgang – hat der Senat gehandelt, hat beraten, hat sich beraten lassen, hat Planungswerkstätten und etliche Debatten durchgeführt, hat mit allen Anrainern geredet, hat die Anrainerwünsche dort eingebaut, hat Internetforen gemacht und legt jetzt einen Vorschlag, einen Masterplan, vor, der dem Ort eine Chance gibt. Rot-Rot hat auch hier gehandelt, im Gegensatz zu einigen Regierungen jahrzehnte davor. Das ist keine Katastrophe, keine Verhunzung von Scharoun, sondern ein guter Umgang mit dem Ort, mit dem Thema. Deshalb, Frau Ströver, verstehe ich nicht, warum Sie mangelnde Begeisterung sehen. Ich als dafür Zuständiger in meiner Fraktion bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das Teil kann sich sehen lassen. Dem kann und muss man heute zustimmen.

Danke schön, Herr Kollege Klemm! – Jetzt hat der Kollege von Lüdeke für die FDPFraktion das Wort. – Bitte schön, Herr von Lüdeke!

schlagen, das Haus der Mitte umzudrehen. Herr Lehmann-Brauns wollte, um die Stülerkirche nicht zu verstellen, das Haus der Mitte mit der Laubsäge oben im Modell ein Stück absägen

[Beifall des Abg. Over (Linkspartei.PDS)]

Mit anderen Worten: Das ist auch eine Verhunzung von Scharoun, die uns nicht ansteht.

Die Frage ist, ob das Haus der Mitte, 50 Jahre, nachdem der Plan entwickelt wurde, die adäquate Lösung ist. Frau Ströver, dass die Potsdamer Straße davor liegt, liegt auch daran, dass dort vor 50 Jahren die autogerechte Stadt geplant war.

[Frau Ströver (Grüne): Ja, weiß ich doch!]

Hinter der Stabi sollte die Autobahn kommen. Die Potsdamer Straße sollte ein Autobahnzubringer sein.

[Frau Ströver (Grüne): Ja, ich habe gegen die Westtangente gekämpft!]

Diese Probleme sind in den Planungen der Zeit der autogerechten Stadt enthalten. Aus meiner Sicht ist das Haus der Mitte keine Lösung. Außer der FDP fordert das hier niemand seriös. Nur wenn man bei der ScharounGesellschaft ist, dann drückt man sich mit seiner Kritik am Haus der Mitte etwas vorsichtiger aus.

Ich ging nie davon aus, dass an dieser Stelle ein riesengroßer Wurf gelingt.

[Beifall des Abg. Over (Linkspartei.PDS)]

Ein neuer Solitär ist nicht mehr die adäquate Lösung, um mit dem Ort und den Bauten umzugehen. Deshalb bin ich froh, dass der Masterplan jetzt so ist, wie er ist, und nicht so, wie er vor über zwei Jahren aus dem Haus Stimmann vorgelegt wurde. Denn im Gegensatz zu vielen Behauptungen hier, dass der Masterplan und die Beschlussfassung darüber ausgerechnet ein Geburtstagsgeschenk für Herrn Stimmann seien – den ich sehr schätze und dem ich von hier aus auch herzlich gratuliere –, kann man, wenn man auf die Pläne guckt, feststellen: Das ist es nicht. Seine Pläne orientierten sich noch am alten Stadtgrundriss. Dazu hatten wir noch die Eingangstürme. Das ist verändert worden. Wir haben auch den großen Stimmanschen Wurf nicht zugelassen, sondern haben auf behutsame Ergänzung gesetzt.

Genau das tut der Masterplan. Er beschreibt den Rahmen, wo man ergänzen kann und versucht auf die städtebaulichen Defizite zu reagieren. Das ist, glaube ich, die adäquate Lösung, 50 Jahre nach Hans Scharoun mit diesem Ort vernünftig umzugehen.

[Beifall des Abg. Radebold (SPD)]

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD – Frau Ströver (Grüne): Die höchste Form der Empathie!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Wunsch einer einzelnen Abgeordneten, Frau Ströver – –

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Haben sich noch mehr dafür ausgesprochen? Ich hatte den Eindruck, niemand wolle reden. Und von Ihnen hatte ich gehört, Sie wollten reden. Deshalb bringen wir auf Ihren Wunsch hin unser Geburtstagsständchen zum 65. Geburtstag von Herrn Stimmann, um den es eigentlich heute bei seinem Masterplan geht. Anwesend ist er nicht; kann man sich vorstellen, dass er heute seinen Geburtstag begeht. Feiern tut er auch nicht, jedenfalls nicht offiziell. Ich habe nicht gehört, dass es irgendetwas gibt. Er hätte aber allen Grund dazu. Er hat wahrhaft Zeichen in Berlin gesetzt. Ob sie positiv oder negativ sind, dazu möchte ich mich nicht äußern. Herr Radebold war vorhin euphorisch, was die Zeichensetzung von Herrn Stimmann betraf.

[Dr. Arndt (SPD): Wir gratulieren zum Geburtstag!]

Ich bringe mit Herrn Stimmann immer Begriffe wie „Traufhöhe“ und „Blockrand“ in Verbindung, diese festen Raster, die uns vorgegeben worden sind. Weiter war wichtig, welche Architekten zum Zuge kamen, welche Leute in der Jury saßen und darüber befunden haben, welche Architektur durchgesetzt wurde. Man kann über seine Tätigkeit viel diskutieren. Über sein Lebenswerk entscheiden sicherlich spätere Generationen.

eit!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Ach, möchte ich beinahe sagen, Herr Radebold und Herr Klemm, wie ist das Leben als Parlamentarier doch schön. Noch schöner aber wäre es, wenn man etwas realistischer an das Thema heranginge. Ich wünsche mir von Herzen, dass Frau Senatorin JungeReyer, die ich sehr wegen ihrer Bereitschaft schätze, schnell zu entscheiden, schnell entscheidet, dieses Elaborat vom Tisch zu fegen.

[Frau Senftleben (FDP): Richtig!]

Wir wissen allerdings, dass es zwischen Herrn Stimmann und dem Erbe Scharouns einen Dauerkonflikt gab. Jemand hatte vorhin schon gesagt, Nachkriegsarchitektur mag er nicht so besonders. Darüber kann man geteilter Ansicht sein. Ich selbst habe lange Zeit dafür auch nicht allzu viel übrig gehabt. Seit längerer Zeit schätze ich sie wieder. Es gibt sehr gute Beispiele der 50er-JahreArchitektur. Wir wissen, dass aus aller Welt ScharounFans nach Berlin strömen, extra um sich das ScharounErbe anzusehen. Wie gut, dass es die gibt! Es muss einen Grund haben, wenn sich so viele dafür interessieren.

Deshalb war die Frage, warum man ein einzigartiges Ensemble, wie es das von Scharoun ist, zerstören muss. Wenn „Scharoun“ draufsteht, ist nicht „Scharoun“ drin. Der vorgelegte Masterplan hat mit dem Erbe Scharouns überhaupt nichts zu tun, im Gegenteil ist das ein Anschlag auf das Erbe Scharouns. So ist er wohl auch gemeint. Wir sind der Meinung, dass man das städtebauliche Leitbild von Herrn Scharoun vollenden sollte. Wir können nicht verstehen, was alles aufgeboten wurde, um dieses Erbe zu zerstören. Wenn ich allein an die Anhörung denke, die man uns hier geboten hat, in der jede Menge Anlieger gehört wurden.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Das waren nicht jede Menge, das waren diejenigen, die es betraf!]

Nein, die Anlieger, die es betraf, von denen ich rede, sind alle im Staatsdienst. Sie werden den Teufel tun und gegen das reden, was hier vorgegeben wird. Aber was Sie völlig ignoriert haben, ist, dass die gesamte Fachwelt in Berlin gegen diesen Masterplan steht, den Sie hier heute verabschieden wollen.

[Beifall bei der FDP]

In der Tat, wir sind der Meinung, dass das Haus der Mitte dieses Ensemble schließen würde. Dazu stehen wir. Diese öde Fläche, die wir zwischen Philharmonie und Nationalgalerie haben – wir alle haben während der MoMA erlebt, wie es war, als die Menschen dort entlang laufen mussten –, kann kein Dauerzustand sein. Dort stehen eine Currywurstbude und ein Zelt, das schon vor Jahrzehnten verschwinden sollte, dann aber wieder aufgetaucht ist, weil Ihnen einfach nichts anderes einfällt.

Wir stellen fest – Frau Ströver hat es schon benannt –: Es fehlt ein Verkehrskonzept. Das Durchschneiden des Areals durch diese autobahnähnliche Straße ist eine einzige Katastrophe. Die von uns dagegen vorgebrachten Vorschläge– bereits im Jahr 2001 haben wir sie im Rahmen der Ampel-Koalitionsverhandlungen vorgetragen – wiederhole ich – Sie werden gleich aufschreien –: Unsere Idee einer Stadtstraße über das Gleisdreieck hätte für die Potsdamer Straße erhebliche Entlastung gebracht. Dadurch hätte die Potsdamer Straße die Chance gehabt, wieder zu einer vernünftigen, ordentlichen Straße zu werden.

[Beifall bei der FDP]