Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Frau Kollegin! Wir haben schon zwei Minuten zugegeben.

Das stimmt nicht ganz. – Sie haben jetzt noch eine Chance, diesem Antrag zuzustimmen. Es wäre ein gutes Signal, wenn er mit einer großen Mehrheit angenommen und nicht abgelehnt würde.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Frau Kollegin Klotz! – Die falsche Uhr hat die falsche Zeit gezeigt, aber wir haben die richtige Uhr hier. – Für eine Kurzintervention hat jetzt der Kollege Lederer das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Dr. Klotz! Ich hätte es gut gefunden, wenn Sie sich nicht einen Absatz aus dieser Erklärung herausgegriffen, sondern im Kontext und vollständig zitiert hätten. Auf solche Dinge kommt es manchmal an, wenn man die Zurechnungskonstruktion, die Sie vorhin aufgemacht haben, vermeiden will – pauschal festzustellen, dass unsere Fraktion ein Hort der Stasi ist, und letztlich zu versuchen, uns nachzuweisen, dass dieses Ganze von uns organisiert wird, dass hier eine verschwörerische Rückendeckung existiert.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Das habe ich nicht gemacht!]

Herr Lederer! Ich will nur zwei Dinge sagen. – Erstens: Ich habe nicht die gesamte Linkspartei.PDS pauschal verurteilt, sondern versucht, differenziert zu argumentieren. Ich hätte erwartet – auch

nach dem, was ich in den letzten Tagen gelernt habe –, dass Sie zu den Schnittstellen – um es auf Neudeutsch zu sagen – oder auch den Verbindungen etwas sagen, die sich zwischen der Linkspartei.PDS und diesen Truppenteilen zeigen, die wieder aufmarschiert sind mit einer Haltung, die da lautet: Wir sind wieder wer! – Und das, Herr Lederer, ist neu, das wäre vor zehn Jahren nicht passiert! Ich hätte erwartet, dass Sie dazu stehen und sich damit auch öffentlich auseinander setzen.

Sie haben es selbst gesagt: wegakklamieren. Im Grunde fordern Sie genau das von uns, anstatt uns zuzugestehen, dass wir diese Auseinandersetzung führen, was nicht ohne Konflikte und Widersprüche abgeht. Es hätte mir gut gefallen, wenn Sie das zur Kenntnis genommen hätten. Keine Partei hatte in den letzten Jahren über diese Fragen so viele interne Auseinandersetzungen wie die Linkspartei.PDS. Der Kollege Liebich hat darauf verwiesen, dass andere Parteien es sich mit ihrer eigenen Geschichte und dem Rest der eigenen Geschichte relativ einfach gemacht haben.

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Ich zitiere den Abschnitt meiner gestrigen Erklärung vollständig:

Zu dem Bruch mit dem Stalinismus als System gehört auch eine kritische und selbstkritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Realsozialismus, mit der DDR, mit dem Führungsanspruch der SED und mit ihrem Repressionsapparat,

[Zurufe von der CDU]

insbesondere dem MfS. Die SED/PDS hatte sich beim Volk der DDR entschuldigt. Daraus erwächst für die Linkspartei.PDS eine anhaltende Verpflichtung gegenüber allen, deren Menschen- und Bürgerrechte verletzt wurden.

[Hoffmann (CDU): Solch einen Beschluss hätten Sie bei der PDS in Lichtenberg niemals gefasst!]

Nur dadurch kann die Linkspartei.PDS auch für sich beanspruchen, Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen anderer Systeme oder Staaten zu kritisieren, so wie auch nur eine sachliche und zugleich kritische Debatte rechtfertigt, ungerechtfertige Angriffe oder gar eine Dämonisierung der DDR souverän zurückzuweisen.

Das war der Inhalt der Formulierung. Angesichts der Tatsache, dass Sie selbst erklärt haben, dass die Gleichsetzung von DDR und Nationalsozialismus in ihrer Pauschalität verantwortungsvollem historischem Umgang nicht Rechnung trägt,

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

hätte ich mir gewünscht, dass Sie diesen Abschnitt vollständig vorgelesen hätten, denn das ist der Hintergrund der Erklärung, die sich insbesondere an diejenigen richtet, die meinen, man könne sich zur Frage von Menschenrechtsverletzungen durch das MfS ein taktisches Verhältnis leisten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Herr Kollege Lederer! – Jetzt hat Frau Klotz das Wort zur Replik.

[Zurufe von der Linkspartei.PDS und der CDU]

Zweitens: Herr Flierl hat dort nicht als Parteifunktionär gesessen, sondern als einer der höchsten Repräsentanten, der Regierung des Landes Berlin. Insofern ist er mit den anderen auf dem Podium nicht vergleichbar, die sich – wie wir heute in der Fragestunde gehört haben – auch nicht verhalten haben. Ich erwarte, dass Herr Flierl sich als einer der obersten Repräsentanten dieses Landes dort entsprechend verhält. Darauf kommt es mir an. Das muss man noch einmal in aller Deutlichkeit sagen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Frau Kollegin Klotz! – Jetzt hat für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Lindner das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR mit seinen offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen und staatlichen Terror, der von der DDR-Staatsführung und der SED verordnet war und der dazu geführt hat, dass Menschen physisch und psychisch zerstört wurden und ihnen die Zukunft genommen wurde. Das sind klare Worte, wie sie alle anderen Parteien und alle anderen Fraktionen zu diesem Thema verwenden. Deswegen, Herr Kollege Lederer, gibt es in anderen Parteien und in anderen Fraktionen nicht diese Diskussion. Im Unterschied zu Ihrer Partei haben wir klare Positionen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Umso erstaunlicher ist es, dass 16 Jahre nach Ende der SED-Diktatur immer noch Kräfte mobilisiert werden können, die das in einer solchen Massivität wie in Hohenschönhausen leugnen und die die Opfer anpöbeln, die dort anwesend sind. In der Talkrunde heute hat ein Teilnehmer dieser Veranstaltung, Herr Röllig, der damals als junger Mann in Hohenschönhausen inhaftiert war, erzählt, wie schlimm das für ihn war, mit welcher Massivität vorgegangen wurde. Als besonders verletzend empfand er, dass der Vertreter der Regierung, der Vertreter des Senats, nicht in der erforderlichen Weise aufgestanden ist und sich dagegen zur Wehr gesetzt hat. Darum geht es heute.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Es ist richtig: Die Veranstaltung hätte nicht abgebrochen werden dürfen. Sie hätte auch nicht abgebrochen werden müssen, wenn sich Senator Flierl klar gegen das menschenverachtende, niederträchtige Zeug verwahrt hätte, das von den ehemaligen Folterknechten geäußert wurde. Das ist der entscheidende Punkt.

Vielleicht machen Sie das ja einmal. Die Vertreter der Gedenkstätte und die Opfer haben uns ganz klar erklärt, wie lange das als Folterkeller genutzt wurde und wie lan

ge es ein Materiallager war. Dadurch, dass Sie diesen Unsinn, der von den ehemaligen Folterknechten gestreut wird, in so einem Interview übernehmen, machen Sie sich gemein mit diesen Leuten, und ich glaube, dass Sie das auch wollen.

Einerseits fordert der jugendliche Parteichef, der immer jünger wird, einen differenzierten offenen Umgang, ohne die Sachen klar beim Namen zu nennen, dass die Folterknechte Folterknechte waren. Auch Sie fordern stets diesen offenen und ehrlichen Umgang, nennen die Sachen dann aber selbst nicht beim Namen. Durch Ihre vage Haltung, mit der man Sie nicht festnageln kann, suggerieren Sie, was Sie damit wollen. Es ist Ihre Klientel, die sich dort aufgehalten hat, und insoweit setzen Sie sich natürlich dem Verdacht aus, in diesem Senat als Patron der Staatssicherheit zu fungieren.

Wir erwarten von jedem Reisenden in einer S-Bahn, von jedem Schüler in einem Jugendclub, dass er dort, wo radikale Kräfte massiv gegen Mitbürger, gegen Ausländer, gegen wen auch immer, vorgehen, aufsteht und klare Position ergreift. Das erwarte ich von jedem Mitbürger.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Es ist eine Unkultur, wenn dieses nicht geschieht. Umso mehr ist es eine Unkultur, wenn ein Senatsmitglied es nicht macht. Sie sind ein Senator für Unkultur und nicht für Kultur, Herr Flierl!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Da stehen Sie persönlich in einer Kette von Indifferenzen und Merkwürdigkeiten. Das ist das, was mit Ihrem Namen verbunden ist. Das liegt schon daran, dass Sie für Ihre Partei eine besondere Stellung im Senat einnehmen. Dank Ihrer Vita, dank Ihrer Herkunft haben Sie eine andere Magnetwirkung auf diese Kräfte, diese unseligen, als eine Westlinke und als dieser etwas spröde ebenfalls Westlinke aus Offenbach. Es ist klar, es ist Ihre Funktion, auf diese Kräfte in der Weise einzuwirken, wie Sie es tun.

[Zuruf des Abg. Liebich (Linkspartei.PDS)]

Aus dieser Stellung – man braucht gar nicht darum herumzureden – entwickeln sich diese Merkwürdigkeiten und Indifferenzen. Da gibt es – der Kollege Zimmer sprach es an – einen Artikel in Ihrer Parteizeitung „Neues Deutschland“. Darin steht:

Viele Geschichten von Misshandlungen, die die Museumsführer vor staunendem Publikum verbreiten, sind frei erfunden.

Der Leiter der Gedenkstätte Herr Knabe versuchte, dagegen eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Und wer war es, der es ihm über die Staatssekretärin Kisseler untersagt hat? – Das war der Herr Senator Flierl. Da gingen diese komischen Indifferenzen und Merkwürdigkeiten doch los!

Und das geht bis heute so: Vom gestrigen Tage gibt es ein Interview in der „Welt“ und „Morgenpost“, in dem Sie ausführen:

Durch historische Ungenauigkeiten macht sich die Gedenkstätte in ihren zentralen, richtigen Aussagen angreifbar, z. B. wenn das so genannte U-Boot so dargestellt wird, als sei es in den letzten Jahren der DDR eine Folterzelle gewesen, obwohl es für viele Jahre ein Materiallager war.

[Lehmann (FDP): Unglaublich!]

Lieber Herr Flierl! Meine Fraktion hat – offenkundig im Unterschied zu Ihnen – an so einer Führung teilgenommen. Ich habe gehört, Sie haben noch nie an dieser Führung teilgenommen.

[Doering (Linkspartei.PDS): Stimmt nicht!]

[Beifall bei der FDP und der CDU]