Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Verkäufe ihres Wohnungsbestandes, durch Entlassungen ihrer Mitarbeiter, indem die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden, und durch Mieterhöhungen in den Bereichen, wo dies möglich ist. Damit wird der rot-rote Senat zum Preistreiber in der Mietenpolitik.

So, meine Damen und Herren, sieht der konsequente

Subventionsabbau, so sieht die Vermeidung von sozialen Härten für die Mieterinnen und Mieter aus! Dieses Verhalten ist eine schallende Ohrfeige für die Mieterinnen und Mieter dieser Stadt.

Die Grünen haben noch zwei Minuten Redezeit, die möchte Kollege Eßer ausnutzen. – Bitte schön, Herr Kollege Eßer, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Er ist noch mal rechtzeitig gegangen, obwohl ich ihm eigentlich sagen wollte, dass wir uns darin einig sind, dass man die Bürger und Verbraucher vor der Erpressung von Monopolen auch in der Daseinsvorsorge schützen muss. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir uns darüber einig sind, dass man total faule Kompromisse mit Investoren und Anlegern im Bereich der Wohnungsbauförderung machen muss.

[Beifall bei den Grünen]

Ich wundere mich, das ausgerechnet von der FDP zu hören, die sich sonst nicht dick genug tun kann zu sagen, wir brauchen den Subventionsabbau, und zwar breitestens und radikalstens. Wenn Sie aus Subventionen aussteigen, werden Sie immer gewisse Verwerfungen haben. Hier hat es sich um eine Subvention gehandelt, über die es noch nicht mal Verträge gibt, sondern die einfach nur auf – wie sich jetzt vor Gericht zeigte – unverbindlichen mündlichen Bemühenszusagen beruht hat. Und wenn Sie es noch nicht einmal fertig bringen – aus lauter Klientelismus –, aus solchen Subventionen auszusteigen, sage ich Ihnen: Die Rede vom Subventionsabbau ist nicht glaubwürdig.

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe dafür auch noch einen zweiten Grund. Ich habe hier gestanden mit der manchmal bei mir üblichen Wut in der Haushaltsberatung 2002 und gesagt: Sie können sich diese ganzen Sparmaßnahmen, die schwere Einschnitte für die Bürger waren, wirklich schenken, wenn Sie nicht gleichzeitig an diese Wohnungsbauförderung und auch an andere Klientel herangehen. Ich bin sehr froh, Herr Sarrazin, ich sage Ihnen das noch einmal, dass Sie danach zu mir kamen und gesagt haben: Da haben Sie Recht; ich habe mir das auch angeguckt, und das machen wir. – Da war ich sehr zufrieden. Denn das war vorher mit der SPD, die sich vorhin so gefreut hat, zur Zeit von Herrn Strieder, aber auch mit der FDP in den Ampelkoalitionsverhandlungen nicht so. Als wir dort standen und gesagt haben, wir müssen uns ernsthaft darüber unterhalten, wie wir aus dieser Wohnungsbauförderung herauskommen, gab es weder bei der SPD noch bei der FDP wirklich ein offenes Ohr.

[Niedergesäß (CDU): Hört, hört!]

Erst Herr Sarrazin ist es gewesen, der dann in der Tat ähnlich wie wir den moralischen Ohnmachtsanfall hatte und daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen hat. Sie wollten das damals mit uns nicht ernsthaft diskutieren. Sie wollten damals nicht – wozu wir allein nicht in der Lage waren – genau rechnen. Ich sage Ihnen noch eins: Zwischen dem faulen Kompromiss, den Herr Lindner heute noch anmahnt, Herr Kaczmarek übrigens auch, und dem, was Herr Strieder damals mit seiner Expertenkommission gegenüber dem radikalen Ausstieg anstrebte, zwischen diesen faulen Kompromissen gab es gar keinen Unterschied. Insofern sollten auch Sie von der SPD einmal in sich gehen und froh sein, dass jemand das dann anders gesehen hat, aber nicht so tun, als wären Sie immer auf der Seite derer gewesen, die sagten: Schluss mit der Anschlussförderung!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Eßer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3 A:

a) Dringliche II. Lesung

Achtes Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 15/5130 Antrag der SPD, der CDU, der Linkspartei.PDS, der Grünen und der FDP Drs 15/5038

b) Dringliche II. Lesung

Gesetz über die Durchführung der Volksabstimmung nach Artikel 100 Satz 2 der Verfassung von Berlin am 17. September 2006

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 15/5131 Antrag der SPD, der CDU, der Linkspartei.PDS, der Grünen und der FDP Drs 15/5039

Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widersprochen.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die zwei Artikel bzw. 8 Paragraphen in den Einzelberatungen miteinander zu verbinden, wozu ich keinen Widerspruch höre. – Ich rufe auf die Artikel I und II sowie die Paragraphen 1 bis 8 gemäß den Drucksachen 15/5038 und 15/5039. Eine weitere Beratung ist nicht vorgesehen. Wir können abstimmen. Die Ausschüsse empfehlen jeweils einstimmig die Annahme des Fünffraktionenantrags.

Ich lasse zuerst über die Verfassungsänderung abstimmen. Hierzu bedarf es der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Hauses. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Die Gegenprobe! – Eine Gegenstimme des Kolle

Als Zweites werden durch die Verfassungsänderung die Möglichkeiten direkter Demokratie für die Berlinerinnen und Berliner ausgeweitet. Wir wollen die Quoren für Volksabstimmungen und Volksentscheide senken, auch um der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Den

Bürgerinnen und Bürgern Berlins wird es dadurch wesentlich erleichtert, politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse unmittelbar mitzugestalten oder Gesetze auf den Weg zu bringen, so dass die repräsentative Demokratie um das plebiszitäre Element sinnvoll ergänzt wird. Wir wissen, dass in unserer Verfassung aus historischen Gründen Mitwirkungsrechte des Volkes nur sehr eng oder schmal ausgestaltet waren. Heute gehen wir mit dieser Änderung einen wichtigen Schritt voran und unterbreiten diese Änderung einer Volksabstimmung am Wahltag, am 17. September 2006. Schon heute rufe ich alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich an der Wahl zu beteiligen und auch für diese bedeutende Erweiterung bürgerschaftlicher Mitbestimmung die Stimme abzugeben.

(D

Zum Dritten werden in der Verfassungsänderung die Rechte des einzelnen Abgeordneten oder der einzelnen Abgeordneten gestärkt. Das Informationsrecht der Abgeordneten wird verbessert. Der neue Absatz des Artikels 45 verankert das Individualrecht jedes einzelnen Abgeordneten auf Einsichtnahme in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung. Außerdem legitimiert der neue Artikel 49 a die Vertreter des Landes Berlin, die Mitglieder in Aufsichtsräten privatrechtlich organisierter, landeseigener oder teilweise landeseigener Firmen sind, dem Parlament die notwendigen Auskünfte über die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu geben. Das stärkt die Kontrollrechte des einzelnen Abgeordneten, des Parlaments im Ganzen und auch der einzelnen Fraktionen über diesen wichtiger werdenden wirtschaftlichen Sektor.

gen Hahn. Gibt es Enthaltungen? – Dann ist das so beschlossen. Die erforderliche Mehrheit ist erreicht.

[Allgemeiner Beifall]

Nun lasse ich über das Gesetz über die Durchführung der Volksabstimmung abstimmen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? – Auch keine Enthaltungen! Dann ist das einstimmig so beschlossen.

[Allgemeiner Beifall]

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute zwei Gesetze verabschiedet, die von allen fünf Fraktionen dieses Hauses eingebracht und fast einstimmig beschlossen wurden, was nicht so häufig vorkommt. Mit der Beschlussfassung über das Achte Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin und das Gesetz über die Durchführung der Volksabstimmung nach Artikel 100 Satz 2 der Verfassung von Berlin am 17. September 2006 hat das Abgeordnetenhaus wohl die wichtigste verfassungsrechtliche Strukturentscheidung seit 1946 und seit der Vereinigung Berlins 1990 getroffen. Dieses Parlament und wir alle können stolz sein, dass es gelungen ist, ein Paket zu schnüren, das alle Fraktionen mittragen und in dem sich durchaus auch die besonderen Ziele der einzelnen Fraktionen wiederfinden. Ich danke deshalb zuerst herzlich den Kolleginnen und Kollegen der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe für die Erstellung des Entwurfs und die Arbeit an der Änderung der Landesverfassung.

[Allgemeiner Beifall]

Auf Grund intensiver Diskussionen und mit dem Willen zum Kompromiss, der immer dazu gehört, ist es gelungen, eine Änderung zu formulieren, die unsere Verfassung entscheidend modernisiert.

Der erste Punkt der Verfassungsänderung ist die Stärkung der Verantwortlichkeit des Regierenden Bürgermeisters gegenüber dem Abgeordnetenhaus. Die Einzelverantwortung der Senatoren gegenüber dem Parlament wird eingeschränkt. Der Regierende Bürgermeister erhält die Richtlinienkompetenz gegenüber den Mitgliedern des Senats. Außerdem wird der Regierende Bürgermeister der nächsten Legislaturperiode nicht mehr Primus inter Pares sein, sondern er wird – wie in fast allen anderen Bundesländern die Ministerpräsidenten und im Bund die Kanzlerin – allein die Senatorinnen und Senatoren ernennen und entlassen. Das ist eine Stärkung des Amtes des Regierenden Bürgermeisters in der Regierung und in unserem Staatswesen insgesamt, zugleich bedeutet es aber auch eine höhere Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters ganz persönlich gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit.

Wenn wir die Veränderung der Artikel 62 und 63 wollen, werden wir alle, jede und jeder Einzelne von Ihnen und auch die politischen Parteien im Wahlkampf ab morgen intensiv dafür werden müssen. Da kommt nichts von allein.

Ich fordere die Bürgerinnen und Bürger Berlins noch einmal auf: Ergreifen Sie die Chance, am 17. September das Angebot des Parlaments anzunehmen! Demokratie braucht aktive, engagierte Bürgerinnen und Bürger. Beteiligen Sie sich an der Wahl und auch an der Volksabstimmung!

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen allen nochmals für die konstruktive Zusammenarbeit in dieser für unser Gemeinwesen so wichtigen Frage.

[Allgemeiner Beifall]

Nun hat der Kollege Hahn das Wort zur Abgabe einer persönlichen Erklärung nach § 72 unserer Geschäftsordnung. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich in der Abstimmung allein geblieben bin, bin ich, so denke ich, auch verpflichtet, mit einigen Worten zu erklären, warum ich mich der Mehrheit nicht anschließen konnte.

Es wird künftig Volksabstimmungen ohne Themenausschluss geben. Ich halte das insbesondere vor dem Hintergrund der finanziellen Notlage Berlins für problematisch. Ich hatte in dieser Legislaturperiode die Gelegenheit, mit der Checkpoint-Charlie-Stiftung nach Kalifornien zu reisen und das politische System dort kennen zu lernen. Ich bin dorthin als Befürworter von Volksabstimmungen gefahren und mit großen Zweifeln heimgekehrt. Der Bundesstaat Kalifornien ist teilweise durch

Volksabstimmungen, die er viel länger kennt als wir, an den Rand seiner Regierungs- Handlungs- und Zahlungsfähigkeit gekommen. Ich möchte nicht, dass in dem schwierigen Land Berlin eine ähnliche Situation eintritt.

Deshalb meine ich, dass bei Volksabstimmungen eine Themenbegrenzung bestehen sollte. Ich halte es auch für wichtig, dass die Quoren hoch gelegt werden: Ich möchte, dass Volksabstimmungen als ein Instrument zur Aufhebung von politischen Blockaden im Parlament und bei Grundsatzentscheidungen genutzt werden. Ich halte die Volksabstimmung also für ein wichtiges Instrument, aber sie muss stets von großen Mehrheiten im Volk getragen sein.

Der Abgeordnete als Volksvertreter ist frei und nur seinem Gewissen unterworfen. Er ist freigestellt für die politische Arbeit, damit er ausreichend Zeit hat, mögliche Auswirkungen seiner Entscheidungen zu durchdenken. Gerade wegen der Komplexität der politischen Entscheidungen war die Professionalisierung der Politik notwendig und gerechtfertigt. Das ist kein genereller Einwand gegen Volksabstimmungen, aber er zeigt, dass wir Parlamentarier anders als der Bürger bei jeder Entscheidung in einer höheren Verantwortung, in der Gesamtverantwortung stehen.

[Doering (Linkspartei.PDS): Nein, sind Sie nicht! – Zuruf von der SPD: Muss nicht sein!]

Ich hebe zunächst hervor, dass ich die Verfassungsänderung in Bezug auf die Auskunftsregeln für die Abgeordneten ausdrücklich gutheiße. Aber die Abstimmung war mit der Einführung der Richtlinienkompetenz, der Abschaffung der Senatswahl und den Volksabstimmungen ohne Themenausschluss verknüpft. Diese beiden Aspekte haben es mir nicht möglich gemacht, dieser Verfassungsänderung zuzustimmen.

Zur Richtlinienkompetenz: Das ist ein eigenartig unbestimmtes Instrument. Es gibt wenige Verfassungsbegriffe, die so unklar sind wie die Richtlinienkompetenz. Die Grundzüge der Regierungspolitik werden vom Parlament in einer Abstimmung gebilligt. Als die Richtlinienkompetenz ins Grundgesetz aufgenommen wurde, kannte man zudem die Koalitionsvereinbarungen noch nicht, die eine Politik bis ins Kleinste und für vier oder fünf Jahre durch Vertrag festlegen. Kurt Biedenkopf sagte einmal, die Richtlinienkompetenz gelte im Grunde so nur für die Regierungsmitglieder der Partei des Regierungschefs, nicht jedoch für die der Koalitionspartner. Das wissen alle in diesem Land, auch wir. Ich finde es daher nicht redlich, dass wir im Wissen darum, dass so eine Kompetenz im Grunde gar nicht angewandt werden kann, diese in die Verfassung neu einrücken.

Das Argument, wir bekämen in Berlin durch die Verfassungsänderung nun endlich einen richtigen Regierungschef, überzeugt mich auch nicht. Wir haben mit der alten Berliner Verfassung über vierzig und fünfzig Jahre Regierende Bürgermeister wie Ernst Reuter, Willy Brandt, Klaus Schütz und Richard von Weizsäcker in der Stadt gehabt. Sie haben mit dieser Verfassung regiert, und es ist wohl niemandem in den Sinn gekommen, dass sie die Politik des Senats nicht nachdrücklich geprägt hätten. Es hat ihrer Autorität nie geschadet, dass ihre Senatoren einzeln gewählt werden mussten.