Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Als Drittes: Die Gelegenheit nehme ich gern wahr. Ich habe nämlich bewusst jetzt nichts ausführlich zu der Gefährdung von BBI gesagt. Das sehen wir genauso wie die Koalition – das ist auch in dem aktuellen Kurzgutachten von Geulen wieder bestätigt worden. Wir halten das Steinbrück-Gutachten nicht für so tragfähig, dass auf dieser Grundlage eine Infragestellung des Planfeststellungsverfahrens legitim ist.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Aha!]

Da unterstützen wir voll die Position von Rot-Rot, dass diese Gefährdung nicht eingegangen werden darf. Insofern sind wir vollkommen auf Ihrer Seite.

Der vierte Punkt ist Linienverkehr oder Sonderlandeplatz. Ich habe vorhin in meiner Rede sehr deutlich gesagt, dass wir beides ablehnen, und wir sind intelligent genug, auch beides zu unterscheiden. Sie können sich auf unsere verkehrspolitische Kompetenz an dieser Stelle verlassen.

Der fünfte Punkt, wir ließen die Bürger zu wenig zu Wort kommen: Ich kann Ihnen sagen, ich habe gerade vorgestern zu diesem Thema in Mariendorf eine wunderbare Bürgerversammlung mit den Schöneberg-Tempelhofer Grünen durchgeführt. Meine Kollegin Claudia Hämmerling wird am 14. Mai eine weitere Veranstaltung dazu machen. Wir sind aktiv dabei, in den Stadtteilen die Diskussion mit den Bürgern über genau die Frage zu führen, was an neuer Lebensqualität geschaffen werden kann, wenn man den Flughafen stilllegt.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wollen die Bürger den Flughafen?]

Dies geschieht nicht so rechthaberisch wie Sie, sondern inhaltlich kreativ, und die Bürger stimmen uns zu, insbesondere die, die im Einzugsbereich des Flughafens leben und die bisher unter dem Lärm und den Immissionen ständig leiden. – Herzlichen Dank! Ich denke, wir sollten die Tagesordnung nun weiterführen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Eichstädt-Bohlig! – Wir fahren fort. Jetzt hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Dr. Lindner das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Auch ich versäume es nicht, zu Beginn darauf hinzuweisen, dass es ebenfalls für die FDP-Fraktion von zentraler Bedeutung ist, dass BBI in Schönefeld wächst, dass der Flughafen eine große Zukunft hat. Das ist der wichtige Verkehrsflughafen Berlins für die Zukunft. Das bleibt auch so, und hinter dieser Aussage stehen wir auch vollkommen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Aber...!]

Ich finde es nur in dem Zusammenhang amüsant, was für einen flammendes Plädoyer die Kollegin Bluhm heute für Schönefeld gehalten hat. Da wäre es interessant, die Redebeiträge von Frau Matuschek, die heute so gern ihre Rede gehalten hätte, in den Protokollen der Zeit vor 2001 nachzulesen, ob sie da auch ein so flammender Schönefeld-Freund gewesen ist. Das wage ich zu bezweifeln.

[Mario Czaja (CDU): Schönefeld als Wiese! – Uwe Doering (Linksfraktion): Das hat Frau Bluhm auch eingeräumt!]

Tempelhof, da muss man unterscheiden in die Zeit bis zur Eröffnung von BBI in voller Kapazität und danach. Da sagen wir: In diesem Zeitraum, bevor die volle Kapazität erreicht ist, muss der Flughafen Tempelhof als Verkehrsflughafen offen bleiben. Es wäre sträflich und unsinnig, wenn man Kapazitäten, die man jetzt hat und schafft, abbauen und verknappen muss, bevor BBI offen ist. Wir müssen vielmehr alle Kapazitäten hochfahren, um eine maximale Auslastung von BBI Schönefeld nach seiner Gründung sicherzustellen.

[Beifall bei der FDP]

Das Zweite ist die Frage, was mit Tempelhof nach der Eröffnung von BBI passiert.

Wir müssen nur eine kurzen Blick auf dieses Areal werfen, um zu erkennen, dass das eine komplizierte Angelegenheit ist. Es handelt sich um ein riesiges Areal, das aus stadtklimatischen Gründen nicht bebaut werden kann. Dort steht ein gigantisches Gebäude. Es ist eines der größten Bürogebäude der Welt. Es steht unter Denkmalschutz. Der Boden ist kontaminiert. Deswegen haben wir dort eine extrem schwierige Lage hinsichtlich der Verwertung dieses Gebäudes.

Welche Vorschläge macht uns der Senat? – Seit über fünf Jahren sind Sie in der Regierung, und seit über fünf Jahren predigen Sie gebetsmühlenartig die Schließung von Tempelhof. Dieser Zeitraum ist allerdings lang genug gewesen, damit Sie sich vielleicht ein paar substantiiertere Gedanken hätten machen können, was Sie nach der von Ihnen beabsichtigten Schließung vorhaben. Wir haben auch heute von beiden Rednern der Koalition nichts darüber gehört, was sie in Tempelhof machen wollen. Es war nichts außer Vagem und Unkonkretem zu hören. Die Einzige, die etwas vorgetragen hat, war Kollegin EichstädtBohlig mit dem Vorschlag, dort so eine Art ewigen Woodstock-Platz für Alt-68er zu machen.

[Beifall bei den Grünen]

Aber von Ihnen, die Regierungsverantwortung tragen, kam überhaupt nichts.

[Heidi Kosche (Grüne): Woodstock war erfolgreich!]

Das Einzige, was von Ihnen kommt, ist die Ablehnung von seriösen Angeboten, die vorliegen. Das sind Angebote von Langhammer, von Lauder und von der Deutschen Bahn. Da kann selbst ein „notorious business basher“ wie unser Regierender Bürgermeister nicht sagen, dass das unseriöse Leute oder fadenscheinige Typen seien. Das sind die größten Unternehmer, und es sind auch die größten Unternehmen in der Stadt – wie z. B. die Deutsche Bahn. Das Einzige, was Sie wieder gemacht haben, war, diese Leute als „reiche Onkels“ zu diffamieren. Mehrere Hundert Millionen Investition, tausend Arbeitsplätze, Übernahme des Flugbetriebes durch die Deutsche Bahn – das sind die Sachen, die auf dem Tisch liegen. Das ist das Einzige, was konkret ist, und das begrüßen wir ausdrücklich.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Ich habe mit Herrn Mehdorn über die Sache gesprochen. Er hat es Ihnen zwei Mal angeboten – vor der Wahl und nach der Wahl. Er hat auch Kontakt mit den USInvestoren aufgenommen, die bereit sind, zusammenzuarbeiten und dort etwas hinzustellen. Die einzige Reaktion, die dann wieder vom Senat – von Frau Junge-Reyer – kam, war die Diffamierung, es gehe um eine Landebahn für Millionäre. Diffamieren, Ablehnen, Absagen – das ist das Einzige, was dieser Senat beherrscht. Aber es gibt keine Gespräche mit den Investoren, und das ist ärgerlich. Während Sie bei dem Projekt Tempelhof versagen, setzen Sie sich gleichzeitig vor Bayer-Schering hin und bejammern und beklagen den Abbau von Arbeitsplätzen. Sie verhindern mit Ihrer eigenen Politik den Aufbau von Arbeitsplätzen in der genau gleichen Größenordnung. Das ist eine schäbige Politik.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Hinzu kommt – und Sie können an dieser Umfrage verdrehen, was Sie wollen –, dass 75 Prozent der Berlinerinnen und Berlin wollen, dass dort der Flugbetrieb weiter stattfindet. Ein Teil sagt, das solle in größerer Form, und ein anderer Teil sagt, das solle in kleinerer Form geschehen. Das Volk will es, die Wirtschaft will es, und die Bundesregierung als Eigentümer will es. Sie sind wieder – genauso wie in einigen Bildungsfragen – eine isolierte Sekte in dieser Veranstaltung. Sie blockieren.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wenn Sie heute behaupten, die Bundesregierung achte nicht auf die möglichen Risiken für Schönefeld, so entgegne ich Ihnen: Das ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Die Bundesregierung als diejenige, die hauptsächlich die Zeche in Schönefeld zu bezahlen hat, ist zwangsläufig doch die Allererste, die Risiken für Schönefeld extrem gut abzuwägen hat, wenn es um das aus Bundessicht verhältnismäßig kleine verkehrspolitische Projekt in Tempelhof geht. Die Bundesregierung wäre doch die Allererste, die auf der Zinne wäre, wenn es ein so gewaltiges Risiko gäbe, wie Sie heute zu suggerieren trachten. Die Bundesregierung würde doch als Erste sagen: Lasst das! Das geht nicht. Das gefährdet unser Investment. – Es ist doch nicht Ihr Investment, sondern es ist das Investment der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen ist es ganz unglaubwürdig, wenn Sie auch heute wieder dieses Ammenmärchen von der rechtlichen Gefahr erzählen.

Die Bundesregierung hat bei einer sehr seriösen und sachkundigen Kanzlei – Lenz und Johlen – ein umfangreiches Gutachten in Auftrag gegeben. In der Zeitung lese ich heute, die SPD-Fraktion habe bei der Ex-SchilyKanzlei – aus der Kanzlei selbst hören wir, dass es der Senat gewesen sei – um eine gutachterliche Gegenstellungnahme von sechs Seiten gebeten. Da fragt man sich, ob die Mittel in Berlin mittlerweile so knapp geworden sind, dass Sie sich keine seriöse und vernünftige Befassung mit diesem Thema leisten können. Also, das ist nicht ernstzunehmen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Ah! von der SPD]

Die gutachterliche Stellungnahme, die nicht von der FDP, von ICAT, von der CDU oder von der IHK in Auftrag gegeben wurde, sondern vom SPD-geführten Bundesfinanzministerium, sagt, dass es möglich sei, in Tempelhof weiterhin einen Geschäftsfliegerbetrieb zu haben. Wenn Sie jammern und sagen, es gebe rechtliche Risiken und da sei noch ein klitzekleines Risiko – Herr Pflüger, in der Frage habe ich auch gegenüber Ihnen eine leicht unterschiedliche Auffassung –, so sage ich: Risiken gehören zum Leben. Man muss als Senat auch einmal etwas wagen.

[Heiterkeit bei den Grünen – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Wir sprechen heute alle vom Humboldt-Forum. Wenn aber Alexander von Humboldt und andere unserer Vorfahren ebensolche Schisser gewesen wären, die gleichzeitig mit Hosenträgern und Gürtel durch das Leben laufen, so wäre in dieser Stadt überhaupt nichts entstanden. Man muss etwas wagen im Leben, und dazu gehört auch, dieses Investment anzunehmen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Ha! von der SPD – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Die Einzigen, die ein berechtigtes Interesse an der Schließung des Flughafens Tempelhof haben, sind die Brandenburger. Das Land Brandenburg hat klare Investitionen am Flugplatz Finow. Das Infrastrukturministerium prüft eine Erweiterung für Maschinen bis zu 85 Tonnen. Der Flughafen Cottbus-Drewitz soll auch ausgebaut werden, und zwar auf das Niveau von Hahn. Dann gibt es noch kleinere wie in Fürstenwalde und Schönhagen. Die Brandenburger haben selbstverständlich ein Interesse an der Schließung von Tempelhof. Die freuen sich erst einmal, dass der große Flughafen auf ihrem Territorium liegt. Die Gewerbesteuer und alles andere landet in Brandenburger Budgets. Und zum Zweiten wollen Sie uns jetzt auch noch Tempelhof schließen. Aus Brandenburger Sicht verstehe ich das. Wenn Herr Platzeck durch das Land läuft und sagt: „Tempelhof muss geschlossen werden.“, ist das für mich eine klare Sache. Sie sind aber kein Brandenburger Bürgermeister. Wenn Sie Seite an Seite mit Herrn Platzeck die Schließung von Tempelhof fordern, dann ist das nichts als Verrat an den Interessen dieser Stadt, an den Interessen Berlins.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Unglaublich!]

Dafür hat kein Mensch Verständnis – kein Redakteur, mit dem man sich unterhält, und niemand in der Bundesregierung. In der letzten Legislaturperiode hat der Staatssekretär Rezzo Schlauch – Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen – zu mir einmal gesagt: Das versteht bei uns niemand. – In der Bundesregierung versteht es niemand. In der Wirtschaft versteht es niemand. In der Bevölkerung versteht es niemand. Sie sind isoliert.

[Zuruf von der Linksfraktion]

Ich hatte Ihnen das noch zugute gehalten. Ich sagte auch meiner Fraktion am Dienstag: Ihr werdet sehen. Durch dieses Gutachten ist jetzt für Wowereit der Punkt ge

kommen, diese alberne, isolierte Auffassung abzulegen und im Interesse Berlins umzudrehen. – Ich sagte: Ihr werdet schon sehen, wie er die roten Bändchen durchschneidet, mit Herrn Langhammer und Herrn Lauder durch die Tore läuft und sich das dann auch noch auf die eigenen Fahnen schreibt.

[Zuruf von Burgunde Grosse (SPD)]

Das wäre auch eine gewisse politische Größe gewesen. Es ist doch völlig richtig, was Kollege Pflüger gesagt hat. Wenn man in der Ecke sitzt, so unterscheidet sich ein Staatsmann von einem trotzköpfigen, kleinen Kind dadurch, dass er erkennt, dass er auf dem falschen Weg war.

Herr Abgeordneter Dr. Lindner! Ihre Redezeit ist zu Ende.

Dann geht man heraus aus der Ecke, ergreift so eine Möglichkeit und macht wieder vernünftige Politik. Diese Chance haben Sie wieder vertan.

Frau Präsidentin! Deswegen zum Schluss: Ich appelliere an die vernünftigen Kräfte auch in der Bundesregierung, diesem Senat die Instrumente zu zeigen. Wenn es nicht so geht, dann muss es mit Druck aus der Bundesregierung gemacht werden. Dann muss in anderen Finanzierungsfragen ein klarer Zusammenhang hergestellt werden und so lange Druck auf diesen Senat ausgeübt werden, bis er zur Räson kommt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Für den Senat hat jetzt der Regierende Bürgermeister das Wort. – Bitte, Herr Wowereit!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lindner! Ihre Rede hat erneut unter Beweis gestellt, was der Unterschied zwischen verantwortungsvollem Handeln für diese Stadt und unverantwortungsvollem Oppositionsgerede und -geschwätz ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Deshalb liegen in der von Ihnen zitierten Umfrage zum Offenhalten von Tempelhof die Werte der FDP bei acht Prozent, und bei der Frage, ob man Ihnen etwas zutraut, liegen Ihre Werte unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. So wäre diese Umfrage dann auch gleich richtig zitiert.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]