Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich jedenfalls bin davon überzeugt, dass sich die Mehrzahl der Berliner Juristen von Äußerungen wie sie in dem „Spiegel“-Interview zu lesen waren, distanziert.

[Beifall von Canan Bayram (SPD)]

Ich stehe auch gerne für Diskussionen und Änderungsvorschläge zur Verfügung. Das wissen Sie. Diskutieren können wir hier im Plenum, im Rechtsausschuss und intern in der Verwaltung, mit der Staatsanwaltschaft und mit den Richtern. Selbstverständlich verkenne ich nicht, dass es viele Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Über die Intensivtäterbekämpfung und vor allem über die Notwendigkeit, sie als gesellschaftliches Problem zu begreifen und nicht als alleiniges Problem der Justiz, haben wir bereits mehrfach im Parlament diskutiert. Wir haben Maßnahmen ergriffen. Wir werden weiter daran arbeiten.

In der letzten Plenarsitzung haben wir das Thema Strafvollzug erörtert. Aber was höre ich in dieser Diskussion von der Opposition? – Vorschläge, die mit sehr viel Wohlwollen allenfalls als hilflos bezeichnet werden können.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wohl wahr!]

Die Antwort der CDU auf Schwierigkeiten in dieser Stadt ist wieder einmal: mehr Personal. – Natürlich wäre es schön, wir hätten mehr Personal. Aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben sich immer noch nicht von dem Geist verabschiedet, der diese Stadt an den Rand des finanziellen Ruins gebracht hat.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Sebastian Kluckert (FDP)]

Es gibt – jedenfalls für diejenigen, die verantwortlich für die Zukunft der Stadt handeln – keine Alternative zur Haushaltskonsolidierung. Ja, im Land Berlin, ja, in der Justiz, ja, im Justizvollzug musste Personal eingespart werden. Aber zur ganzen Wahrheit gehört auch – und das wiederhole ich für die CDU gerne –, dass der Berliner Justizvollzug vor einigen Jahren noch mit deutlich mehr Personal gearbeitet hat als die meisten anderen Länder. Es besteht kein Anlass, nunmehr willkürlich gleich Hunderte von zusätzlichen Stellen zu fordern. Im Übrigen – das habe ich auch bereits ausgeführt – ist es keinesfalls so, dass mehr Personal zwangsläufig zu mehr Sicherheit führt. Dies belegen Fakten, meine Damen und Herren von der

Opposition, die Sie so gerne ignorieren. Sie verbreiten mittlerweile wohl schon vorsätzlich den falschen Eindruck, die Berliner Vollzugsanstalten seien nicht sicher. – Ich will aber nicht weiter wiederholen, was ich vor 14 Tagen an dieser Stelle ausgeführt habe. Das Thema wird uns ohnehin künftig noch begleiten. Wir werden daher Gelegenheit haben, uns darüber weiter auszutauschen, insbesondere, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, auch zu den Maßnahmen, die bereits ergriffen worden sind.

[Benedikt Lux (Grüne): Was denn?]

An dieser Stelle möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Sie alle zu einem frühen Zeitpunkt, nämlich im Januar, den Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetz zugeleitet bekommen haben. Die Verwaltung und ich selbst standen zur Diskussion und für Fragen zur Verfügung.

[Benedikt Lux (Grüne): Da haben Sie schon einmal etwas ganz anderes gesagt! – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Dann ist der Gesetzentwurf völlig korrekt an die Verbände zur Stellungnahme gegangen. Er befindet sich derzeit ordnungsgemäß und völlig im Zeitplan in der Mitzeichnung, sodass wir davon ausgehen können, dass dieser Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause eingebracht werden kann.

Ich komme zum Schluss. Von meinen Äußerungen habe ich nichts zurückzunehmen. Ich hoffe, die bestehenden Missverständnisse ausgeräumt zu haben und würde es sehr begrüßen, wenn wir in rechtspolitischen Debatten wieder zu einer sachlichen und vernünftigen Umgehensweise zurückkehren könnten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von den Grünen: Sehr gut vorgelesen!]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Gram das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Senatorin! Die Fragen der Personalausstattung und Ähnliches werden wir an anderer Stelle diskutieren. Heute geht es um einen aus meiner Sicht einmaligen Vorfall in der Berliner Justizgeschichte. Teile der Justizbehörden tragen ihre Konflikte in der Öffentlichkeit in nie dagewesener Härte aus. Man gewinnt den Eindruck, es herrscht tiefes Misstrauen, und die Kommunikation untereinander ist gestört. Ich will hier nicht bewerten, ob das seine Ursache in der jahrelangen SDP-Vorherrschaft im Justizressort mit all ihren Negativerscheinungen hat

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Eberhard Diepgen!]

oder ob es lediglich die Enttäuschung der SPD über die Entlassung des Staatssekretärs Flügge ist. Entladen hat es

sich jedenfalls durch die bewusste öffentliche Missdeutung der Äußerungen von Oberstaatsanwalt Reusch,

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Haben Sie nicht zugehört?]

was sowohl inhaltlich als auch vom Stil her unsäglich war, weil Herr Reusch sich nicht wehren konnte.

[Beifall bei der CDU]

Das auch hier heute in einigen Redebeiträgen geführte öffentliche Kesseltreiben gegen einen leitenden Staatsanwalt des Landes Berlin ist unerträglich und wird von uns nicht hingenommen. Wir stehen an der Seite von Herrn Reusch.

[Beifall bei der CDU]

Wahrscheinlich hat der Vorgang viele Ursachen, die wir an anderer Stelle klären werden.

[Michael Müller (SPD): Sagen Sie etwas zu seinen Äußerungen! – Zuruf von Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Ich will, lieber Kollege Felgentreu, da ich Sie ansonsten als vernunftbegabten Menschen kenne, hier meiner tiefen Sorge über die Handlungsfähigkeit der Justiz Ausdruck verleihen. Darüber ist heute noch gar nicht gesprochen worden. Die Situation ist bedrohlich. Die Justiz ist in den Augen der Menschen eine starke Säule ihrer Sicherheit.

Herr Gram! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke, das werde ich mit Kollege Felgentreu in kollegialem Gespräch klären.

Nichts ist schädlicher als der Eindruck, Teile der Justiz seien gespalten und eingeschüchtert und nur mit sich selbst beschäftigt und damit auf lange Sicht nicht handlungsfähig.

Aber genau das wird derzeitig so wahrgenommen, und das ist verheerend.

Ich mahne alle Beteiligten, auch Sie, Frau Senatorin, diese unhaltbare Situation unverzüglich in den Griff zu kriegen. Sie müssen versuchen, nachhaltige Verletzungen wieder zu heilen. Dies gebietet die heute so oft zitierte Fürsorgepflicht nicht nur den vielen Mitarbeitern in der Justiz gegenüber, sondern auch den Menschen draußen gegenüber, die ein Anrecht auf eine funktionierende Justiz haben, und insbesondere auf deren Schutz, und die auch ein Anrecht auf eine Strafverfolgungsbehörde haben, die ohne politischen Druck arbeiten soll.

[Beifall bei der CDU]

Ich biete allen Beteiligten – da gehe ich auf das Angebot der Frau Senatorin ein – die Mithilfe des zuständigen Parlamentsausschusses bei der Bewältigung der anstehenden

Problematiken an. Das haben wir in der Vergangenheit so gehalten, das werden wir auch in Zukunft so machen. Wir sollten lieber dort den Diskurs über den richtigen Weg führen als über die Mittel der öffentlichen Disziplinierung oder über Medien.

Es liegen wichtige Aufgaben in der Zukunft an: das Strafvollzugsgesetz, die verfassungsgemäße Unterbringung von Gefangenen und auch die personalmäßige Ausstattung. Das wird nicht gelingen, wenn nicht alle in der Justiz und im Parlament Verantwortlichen zielorientiert arbeiten und ihre Konzentration nicht mehr ihrer eigentlichen Arbeit widmen, nämlich dem Schutz vor Kriminalität und dem Ziel eines effektiven Strafvollzugs. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Gram! – Für die Linksfraktion hat Dr. Lederer das Wort – bitte!

Herr Kollege Lindner! Meine letzte Minute Redezeit kommt jetzt...

Das ist dann schon ein absurdes Theater. Teile der Opposition delektieren sich daran, wenn öffentliche Auseinandersetzungen stattfinden. Teile der Opposition freuen sich, laden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ausschuss vor, skandalisieren, wenn diese an diesem Tag nicht können, und stellen jetzt fest, dass in der von ihnen betriebenen öffentlichen Auseinandersetzung Debatten innerhalb der Berliner Justiz nach außen getragen werden. Das ist schon ziemlich absurd.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wer hat denn hier die Ursachen dafür gesetzt, dass genau das in Berlin derzeit stattfindet? – Sie! – Das als Erstes.

Als Zweites: Sie haben völlig recht, Herr Gram, Skandalisieren hilft nicht weiter. Aber genau deshalb kann ich nur fragen: Warum tun Sie es dann? – Wer hat die Aktuelle Stunde heute beantragt?

[Mario Czaja (CDU): Wer hat sie beschlossen?]

Wer hat zu den, wie ich finde, ziemlich hilflosen Anträgen die Debatte in diesem Haus in den letzten Wochen beantragt? Wer nimmt nicht wahr, dass es Debatten im Rechtsausschuss gibt, und tut hier so, als ob wir jedes Mal wieder bei null anfangen? – Sie, meine Damen und Herren, insbesondere von der Opposition auf der rechten, ein wenig leider auch von der Opposition auf der von mir gesehen halblinken Seite – was schade ist angesichts des bürgerrechtlichen Grundanspruchs.

Drittens: Lieber Herr Kollege Gram! Offenbar machen Sie sich ja die Sichten von Herrn Reusch zu eigen. Und das ist dann schon ein justizpolitischer Skandal. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen, möchte Herr Statzkowski eine persönliche Erklärung abgeben. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie nach § 65 der Geschäftsordnung nur persönliche Angriffe zurückweisen oder eigene Ausführungen berichtigen dürfen. – Bitte!