Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

wir sind dazu bereit. – Lindner hat glänzende Kontakte in seine Bundespartei hinein, und darüber sollten Sie wirklich nicht lachen. Sie werden jeden einzelnen Partner benötigen, wenn Sie Berlin von den 61 Milliarden € Schulden herunterbringen wollen.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Würden Sie zum Schluss kommen, Herr Kollege?

Ja, ich komme zum Schluss. – Kommen Sie endlich aus dieser Ecke heraus! Sie haben zwei Stimmen Mehrheit in diesem Parlament, und Sie wissen, wie nervös die Linke ist, von der zwei Drittel mit der Arbeit des Senats nicht zufrieden sind.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Zwei Drittel der Wähler der PDS in Berlin sagen, sie seien mit der Arbeit des rot-roten Senats nicht zufrieden. Sie

wissen selbst, auf welch eine brüchige Mehrheit Sie sich stützen!

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Kennen Sie Ihre eigenen Umfrageergebnisse?]

Deshalb appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns alle zusammenarbeiten, eine Strategie erarbeiten, wie wir Berlin aus dieser Situation herausführen können, und nehmen Sie das Angebot von Oettinger und Wulff als ein Gesprächsangebot endlich ernst, Herr Regierender Bürgermeister! Das ist Ihre Verantwortung in dieser Stunde, und der sind Sie bisher noch nicht im Entferntesten gerecht geworden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Dr. Pflüger! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Pop das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Anfang ein Satz zu Herrn Ratzmann, weil Stimmen laut wurden, wo er denn sei: Herr Ratzmann trifft sich mit anderen Landtagsvertreterinnen und -vertretern,

[Oh! von der SPD – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

um das Thema Föderalismuskommission zu besprechen und selbstverständlich für einen Entschuldungspakt für Berlin zu werben. Herr Ratzmann ist nun einmal der einzige Vertreter des Abgeordnetenhauses in dieser Kommission,

[Zuruf von der Linksfraktion: Donnerwetter!]

und darüber sollten wir uns freuen. Dass sich die Koalition darüber ärgert, kann man verstehen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Wir beantragen, über das Thema „Kinderrechten international Geltung verschaffen“ zu diskutieren. Am 1. Juni wurde bereits der Internationale Kindertag gefeiert. Wenn ich Frau Harant richtig verstanden habe, werden wir heute über Kinderschutz und Kinderrechte debattieren. Leider hat es letztes Mal nicht dazu gereicht, denn obwohl die Koalition das Thema beantragt hatte, hat sie ein anderes vorgezogen.

Dass Kinder – das hat Frau Harant bereits gesagt – im Mittelpunkt politischer Debatten stehen, ist auch in diesem Haus selten. Dass Kinder überhaupt als eigenständige Menschen und nicht nur als Anhängsel ihrer Eltern wahrgenommen werden, ist neu. Hier hat sich jedoch in den letzten Jahren etwas getan, und die Grünen haben Einiges dazu getan, dass sich die Stellung der Kinder ändert.

[Beifall bei den Grünen]

Doch manchmal geht es einen Schritt vorwärts und leider wieder zwei zurück. Aktuell streitet die Bundesregierung beim Thema Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren erbittert um Familien- und Rollenbilder. Das Wohl der Kinder hat in dieser großen Koalition wohl keiner mehr im Blick. Da haben wir noch viel zu tun, bis Kinder von Politik und Gesellschaft tatsächlich als eigenständige Menschen mit individuellen Interessen wahrgenommen werden – denn das ist unser Ziel. Auf diesem Weg möchten wir heute einen großen Schritt vorankommen. Unsere Fraktion möchte die Rechte von Kindern in unserer Berliner Verfassung verankern.

Nicht allein die Grünen wollen die Kinderrechte stärken, im Bundestag gibt es schon seit längerem eine Kinderkommission, die an diesem Thema arbeitet. Die FDP macht den Vorschlag heute auch für Berlin, und vor einigen Tagen hat sich das Europäische Forum für die Rechte der Kinder gegründet. Die Europäischen Verfassung, die leider nicht angenommen worden ist, ist kinderfreundlicher als unsere. In ihr stehen Kinderrechte explizit.

Auch der Link zum G-8-Gipfel muss erlaubt sein: Auf globaler Ebene kämpft die UN schon lange für die Rechte von Kindern. Die UN-Kinderrechtskonvention ist bereits von 190 Staaten ratifiziert worden. Der G-8-Gipfel in Heiligendamm beschäftigt sich nicht nur mit dem Thema Klima, sondern verhandelt auch über Verbesserungen für Kinder, und dies hoffentlich erfolgreicher als in der Klimapolitik. Denn die Hauptleidtragenden der Globalisierung sind nicht zuletzt die Kinder dieser Welt. Nach wie vor haben viele Kinder nicht einmal ausreichend Wasser oder Nahrung. In manchen Teilen dieser Welt ist die Kindersterblichkeit dreimal so hoch wie bei uns. Viele Kinder, insbesondere Mädchen, haben keinen Zugang zu Bildung.

Doch nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland, auch hier in Berlin wachsen Kinder in schwierigen Lebensumständen auf. Zum Beispiel gilt die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland nur mit Einschränkungen. Deswegen haben auch bei uns Kinder keinen uneingeschränkten Zugang zu Bildung, weil sie Flüchtlingskinder sind. Auch hier bekommen Kinder keine präventive medizinische Versorgung oder Hilfe vom Jugendamt, weil sie Flüchtlingskinder sind. Manche Kinder werden auch vor ihrem 18. Lebensjahr – auch in Berlin, wenn sie also noch Kinder sind – aus Deutschland abgeschoben. Wer das nicht will, muss dafür eintreten, dass die UNKinderrechtskonvention auch in Deutschland ohne Vorbehalte endlich umgesetzt wird.

[Beifall bei den Grünen]

Hier könnte auch die Koalition klatschen!

Nicht nur Deutschland, auch Berlin schneidet in puncto Kinderfreundlichkeit leider nicht besonders gut ab. Die Kinderarmut in Berlin ist hoch. Dass hier jedes dritte Kind in einem armen Haushalt aufwachsen muss, darf niemanden kalt lassen.

Wir schützen unsere Kinder auch nicht gut genug. Die Anzahl der Kinderschutzfälle steigt dramatisch. Immer wenn die erschreckenden Meldungen über Misshandlungen oder Vernachlässigungen von Kindern in der Öffentlichkeit auftauchen, heißt es: Warum ist das nicht früher aufgefallen? Warum hat keiner früh genug interveniert? – Wie können Sie, die rot-rote Koalition, in dieser Situation trotzdem weiter Millionen in der Jugendhilfe kürzen? Das ist mir und meiner Fraktion unbegreiflich.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Mirco Dragowski (FDP)]

Wir glauben, dass wir alle in der Pflicht sind, unseren Fokus stärker auf die Probleme und die Interessen und Rechte von Kindern zu richten. Weil sich das Bekenntnis zur Familien- und Kinderpolitik durch alle Lager zieht, möchten wir mit Ihnen gemeinsam heute ein erstes Signal setzen und die Kinderrechte in der Berliner Verfassung verankern, um endlich einen Schritte weiter zu kommen und endlich eine gute Kinderpolitik zu machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Fraktionsvorsitzende Dr. Lindner. – Bitte schön!

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Der Mann mit den Kontakten!]

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Zum Thema Entschuldung haben Sie sich am vergangenen Wochenende als Zeitungsschreiber betätigt. Das Schreiben dieses Namensartikels zeigt aus meiner Sicht Dreierlei:

Erstens: Sie haben überhaupt keinen Respekt mehr vor diesem Hause.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Das sagt Herr Lindner!]

Wir hatten bereits vor vier Wochen beantragt, dass hier im Parlament darüber geredet wird. Das haben Sie mit Ihren Mehrheiten abgelehnt, stattdessen setzen Sie sich lieber in eine Redaktionsstube und schreiben. Das ist eine Missachtung des Abgeordnetenhauses von Berlin!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Ramona Pop (Grüne)]

Es fügt sich übrigens auch in die Art und Weise, wie Ihr Senat Kleine und Große Anfragen in einer Schlampigkeit und Liederlichkeit beantwortet. Ich hatte zum Thema Finanzen eine Anfrage gestellt. Da wird mit einer Zeile pro Frage geantwortet. Gestern im Ältestenrat hat die Vertreterin des Senats gesagt, dass wider die Geschäftsordnung

des Abgeordnetenhauses der Senat gar nicht daran dächte, Große Anfragen schriftlich zu beantworten.

[Rainer-Michael Lehmann (FDP): Das ist unglaublich!]

Das zeigt Ihre Despektierlichkeit gegenüber dem Parlament. Für Sie hat dieses Parlament keine Bedeutung. Wundern Sie sich nicht, dass es umgekehrt langsam genauso kommt!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen]

Dieser Zeitungsartikel zeigt vor allem auch, dass Sie überhaupt keine Ideen haben. Er besteht aus „njet“ – kein Wettbewerb –, man fragt sich, wieso es überhaupt Länder geben soll. Wollen Sie nicht vielleicht lieber eine Einheitsverwaltung haben? Dann haben Sie keinen Wettbewerb, dann ist es überall gleich! Keine Steuerhoheit – zum Wohle der Berliner Bürger kann ich nur sagen: Gott sei Dank haben Sie im Moment nicht noch mehr Instrumente in der Hand, die Bürger zu quälen. Das haben Sie mit der Grundsteuer gemacht, was nun die Mieter ausbaden. Im Moment bin ich ganz froh, dass Sie nicht noch mehr steuerpolitische Instrumente in der Hand haben. Das hat jedoch nichts damit zu tun, dass dies grundsätzlich vernünftig wäre! Und schließlich: keine Änderung der Lebensverhältnisse. Sie sagen: Njet, njet, njet! Alles bleibt, wie es ist, aber Geld wollen wir von den reichen Ländern trotzdem haben. So lässt sich Ihr Artikel zusammenfassen – keine Ideen außer Njets.

Das Wichtigste ist aber, dass Sie auch keinen Dialog mit den Ministerpräsidenten, den Kräften wollen, die auf Berlin zugehen, einen Schritt in unsere Richtung machen, Berlin helfen wollen. Das ist das Sträflichste an der ganzen Veranstaltung.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Sie teilen die Welt in finanzpolitische Freunde und Feinde ein. Das haben Sie hier bereits zum Besten gegeben. Sie haben gesagt, die natürlichen Verbündeten Berlins seien das Saarland und Bremen und andere. Lassen Sie sich gesagt sein: Wenn zwei Bettler heiraten, wird keine reiche Gesellschaft daraus! Wir müssen Allianzen mit denjenigen eingehen, die auch in der Lage sind, uns zu helfen, und nicht mit Bremen und dem Saarland.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg hat einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Er ist Vorsitzender der Föderalismuskommission. Die Opposition im Abgeordnetenhaus redet mit Herrn Oettinger. Wir nehmen die Verantwortung für Berlin wahr.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Vielen Dank!]

Wir tun das im Übrigen nicht nur in der Weise, dass wir mit Herrn Oettinger reden, sondern – Kollege Pflüger hat dies bereits gesagt – jeder tut dies, wo er kann. Ich war gestern in Düsseldorf und habe mit meinen Kollegen Papcke von der FDP-Fraktion gesprochen.