Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Dann hätte ich mir gewünscht, dass sich wenigstens ein Experte von Ihnen mit diesem Antrag beschäftigt hätte. Ich kann nur hoffen, dass er Ihnen nicht von der Finanzverwaltung aufgeschrieben wurde, denn das, was Sie dort geleistet haben, ist ausgesprochen schwach und entspricht nicht dem, was uns der Finanzsenator bis heute bedauerlicherweise nicht gesagt hat.

Denn – das ist auch Tatsache, Sie haben es zitiert – auf den Antrag meiner Fraktion hin gab es bereits eine Auseinandersetzung zu den Zielen bei den Föderalismus-IIVerhandlungen, die das Land hat. Der Senat glänzte durch große Sprachlosigkeit. Bis auf Beleidigungen einzelner Parteien oder Fraktionsangehöriger und dem, was andere gesagt haben, haben wir von Ihnen heute nichts Konkretes gehört. Wir haben nicht gehört, wie Sie es schaffen wollen, Geberländer mit ins Boot zu bringen. Die Maximalposition, die Sie vertreten, Ihre Kompetenz im Geldausgeben, wird nicht reichen, um in den Verhandlungen mit den 15 anderen Bundesländern zu bestehen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Marion Seelig (Linksfraktion): Das sagt der Richtige!]

Ich erinnere Sie daran, dass Sie sich neuerdings auch als eine gesamtdeutsche Partei sehen, die auch im Westen den Bürgern ihre Politik zu erklären hat. Da müssen Sie den hessischen Bürgern erklären, wie Sie dazu kommen, dass der hessische Landeshaushalt nur durch Kreditaufnahme in der Lage ist, die Zahlungen von Hessen als Geberland zu finanzieren, und warum die Hessen um die Früchte ihrer eigenen Steuereinnahmen bzw. ihrer Arbeit gebracht werden. Ganz so einfach wird es künftig nicht mehr sein. Die Rede, die Sie hier eben gehalten haben, im

Hessischen Landtag zitiert, wird sicher nicht dazu beitragen, dass Ihre Partei da nennenswert an Stimmen gewinnt.

[Evrim Baba (Linksfraktion): Werden wir ja sehen!]

Zu den einzelnen Punkten des Antrags möchte ich trotzdem Stellung nehmen. In Ziffer 1 sagen Sie, der Solidarpakt II solle erhalten bleiben. Was meinen Sie damit? Meinen Sie den ursprünglichen Solidarpakt in seiner ursprünglichen Höhe oder das Abschmelzen des Solidarpakts? – Wenn Sie Letzteres meinen, sind wir uns sicherlich einig. Alles andere ist einfach finanzpolitisches Harakiri, hat keine Chance zur Durchsetzung, auch nicht bei den ostdeutschen Ministerpräsidenten. Deswegen ist dieser Antrag hier missverständlich. Sie müssen sich dazu erklären.

Sie haben in Ziffer 2 zu den Schuldenständen der Länder Ausführungen gemacht. Sie vergessen dabei, dass Ihre Haushalte, die Sie uns hier seit 2002 vorgelegt haben, durchgehend verfassungswidrig waren, schreiben aber, dass Sie diese Situation beibehalten wollen. Ich glaube, Sie können mit dieser Position nicht ernsthaft in die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern gehen. Es wird Ihnen nicht gelingen, diese absurde Position, die durch das Verfassungsgerichtsurteil festgehalten ist, in irgendeiner Form erfolgreich auszuhandeln. Weichen Sie davon schnellstmöglich ab, wenn Sie einen Rest an Glaubwürdigkeit behalten wollen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie führen aus, dass Sie einen Altschuldentilgungsfonds einrichten wollen. Sie vergessen und vernachlässigen dabei komplett, dass Sie dann auch eine Verschuldungsgrenze mit Sanktionen benennen müssen. Sie werden doch nicht im Ernst glauben, dass die anderen Bundesländer in diesen Schuldenfonds einzahlen, die Altschulden Berlins anfangen zu tilgen und Sie könnten hier die Haushalte genauso weiterbauen wie in den vergangenen Jahren. Das wird es nicht geben. Die konjunkturelle Entwicklung erfreut uns derzeit alle, aber wir kennen alle die Konjunkturverläufe. Schauen Sie sich die Kurven einmal an. Jedem Aufschwung folgt irgendwann ein Abschwung.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Seien Sie nicht so pessimistisch!]

Dann haben diese Verschuldungsgrenzen und die Sanktionen ihre Berechtigung. Dann sind sie wichtig. Im Moment haben wir keine Sanktionen, das ist Ihr Glück, weil Ihre Senatoren und Sie als Fraktion unbehelligt und ohne Sanktion verfassungswidrige Haushalte präsentieren können. Das wird es künftig nicht mehr geben. Das können Sie sich abschminken.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Das stimmt, das gibt es künftig nicht mehr!]

Zu 3 haben Sie noch – damit komme ich langsam zum Schluss – ausgeführt, dass Sie offensichtlich an der Theorie von Keynes festhalten und die konjunkturellen Zyklen berücksichtigt und die Möglichkeit haben wollen, den Staatshaushalt zur Steuerung volkswirtschaftlicher Ab-

und Aufschwünge entsprechend zu verändern und auch in die Neuverschuldung hineinzugehen. Eine solche Aussage als Programm für die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern aufzuführen, obwohl in den letzten 40 Jahren empirisch nachweisbar ist, dass diese volkswirtschaftliche Theorie nichts mit der Realität zu tun hat,

[Zuruf von Carl Wechselberg (Linksfraktion)]

und vollständig gescheitert ist und angesichts der Tatsache, dass der Staat mit dieser volkswirtschaftlichen Theorie 1,5 Milliarden € Schulden angehäuft hat, finde ich schon ziemlich absurd.

Entschuldigung, Herr Goetze! – Sie wissen, dass Ihre Redezeit längst beendet ist. Bitte kommen Sie jetzt wirklich zum Schluss!

Das finde ich absurd. In Verbindung mit der nicht vorhandenen Sanktionierung der Verschuldung ist das etwas, was Sie hier in den Haushaltsberatungen vielleicht beruhigen wird, aber ernsthaft keine Chance hat, in den Verhandlungen mit den anderen Bundesländern berücksichtigt zu werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die SPDFraktion hat jetzt der Abgeordnete Zimmermann das Wort. – Bitte sehr!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Sag’ mal, worum es wirklich geht!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Föderalismusreform I hat Berlin sehr erfolgreich an der Erarbeitung der Ergebnisse mitgewirkt. Klaus Wowereit hat dort eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die, wie Sie wissen, gewirkt haben. Ich bin sicher, auch in der Föderalismusreform II, in der zweiten Kommission, wird Berlin mit seinen Vertretern höchst aktiv mitwirken und zum Erfolg beitragen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Berlin hat bereits jetzt Vorschläge unterbreitet und ist nicht sprachlos geblieben, Herr Goetze, wie Sie behaupten. Wir haben bereits eine Reihe von Vorschlägen, die der Regierende, die auch der Finanzsenator unterbreitet hat: zur Steuerverteilung, zum Primärsteueraufkommen, zur Steuerverwaltung. Sie sind in die Diskussion eingeflossen. Vielleicht habe ich Zeit genug, auf einzelne Vorschläge noch einzugehen. Sie sind jedenfalls in Runden,

in denen nahezu alle wichtigen Beteiligten zugehört haben, vorgetragen worden.

[Uwe Goetze (CDU): Nicht im Hauptausschuss!]

Also: Der Senat ist hier aktiv. Wir wollen auf parlamentarischer Ebene mit unserem Antrag einige Leitplanken einziehen für diese Debatte, damit das auch in unserer Diskussion deutlich wird.

Aber, Herr Goetze, wenn man die Kommission wirklich zum Erfolg führen will, dann darf man keine allzu starren Festlegungen machen. Man muss offen sein für die Debatte. Man muss auch die Sachverständigen hören und die Vorschläge prüfen, bevor man zu allzu frühen Festlegungen kommt.

[Uwe Goetze (CDU): Dann hätte ich den Antrag nicht gestellt!]

Doch! Wir haben genügend Offenheit drin. Es gibt einige Leitplanken. Sie fordern bestimmte Bekenntnisse, und diese Bekenntnisse sind falsch, wenn man die Sache zum Erfolg führen will.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Was sind unsere Ziele, die wir haben? – Wir wollen erstens die langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen sichern. Da sind wir sicherlich einer Meinung. Wir wollen einen handlungsfähigen Staat, wir wollen keinen, der sich auf seine Kernfunktionen zurückzieht, sondern er soll in den Leistungsbereichen leistungsfähig bleiben.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Überall!]

Wir wollen zweitens eine aufgabengerechte Verteilung der Steuereinnahmen. Das ist die entscheidende Frage, die wir diskutieren müssen. Es geht um die primäre Steuerverteilung und um die Strukturgerechtigkeit. Und da bitte ich darum, etwas zur Kenntnis zu nehmen, was z. B. Professor Schneider dort eingeführt hat. Ich will einen Satz von dem, was Herr Schneider ausführlich dargestellt hat, zitieren. Das beschreibt das, worum es uns im Kern geht, dass nämlich:

Angesichts erheblicher Strukturunterschiede zwischen den einzelnen Ländern reicht es allein nicht aus, eine nach den Aufgaben orientierte Bemessung zur Erfüllung der erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen, sondern es geht darum, das Verfassungsgebot einer hinreichenden Finanzausstattung der Länder nach dem Prinzip der Aufgaben- und der Funktionsgerechtigkeit durch den Grundsatz der Strukturgerechtigkeit zu ergänzen.

Wir können nicht allein nach den Aufgaben gehen, die haben alle Länder. Wir müssen die unterschiedlichen Voraussetzungen, die die unterschiedlichen Länder haben, bei der primären Steuerverteilung vermutlich schon berücksichtigen. Das ist ein interessanter Vorschlag, den wir auch dort näher verfolgen können.

Ein weiteres Ziel ist eine neue Schuldenregel. Es ist wohl unumstritten, dass der alte § 115 so nicht funktioniert. Da ist aber die Diskussion in vollem Gange, da kann man

keine Festlegung treffen. Wir können nur sagen: Ein absolutes Schuldenverbot für die Länder kann es nicht geben. Eine absolute, starre Schuldengrenze kann es nicht geben. Es müssen auch künftig Spielräume für die Länder existieren, konjunkturell zu reagieren und auch mit fiskalischen Mitteln zu agieren.

Also: Aufgabengerechte Verteilung der Steuern, Gestaltungsspielräume der Länder sichern, eine Reform des § 115, der eine neue Schuldenregel beinhaltet, der aber keine allzu starre, sondern wie Steinbrück sagen würde, eine „atmende Regel“ enthält. Und alles Weitere, ob es einen Stabilisierungsfonds gibt, ob es ein Frühwarnsystem geben muss, das kann man jetzt überhaupt nicht bis ins letzte Detail festlegen. Das muss den Debatten überantwortet bleiben. Ich bin sicher, dass dort eine Lösung gefunden wird.

Ich will zum Schluss eine entscheidende Position für uns – ich glaube gemeinsam für die Koalition, Herr Liebich hat das auch gesagt – festhalten. Wir müssen sicherstellen, dass am Prinzip des solidarischen Föderalismus festgehalten wird und dass es keinen ruinösen Wettbewerb gibt, keine Steueroasen. Ich will nicht wiederholen, was Herr Liebich gesagt hat, das unterstreichen wir. Wir werden dafür Sorge tragen, dass diese Verfassungsprinzipien auch künftig erhalten bleiben, jedenfalls aus Berliner Sicht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Als Letztes zum Solidarpakt, Herr Goetze, weil Sie mit komischen Bemerkungen insinuiert haben, dass wir den Solidarpakt II nicht richtig würdigen. Der Solidarpakt II ist mit dem jetzigen Finanzausgleich in seinen wesentlichen Zügen bis 2019 festgeschrieben. Es wird vermutlich am Länderfinanzausgleich und auch am Solidarpakt II keine Änderung geben. Ich kann nur sagen, aus Berliner Sicht ist das die richtige Herangehensweise. Wir müssen an den Strukturen arbeiten, am primären Steueraufkommen. Daran werden unsere Vertreter in der Kommission mitwirken. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmermann! – Für die Grünen hat der Abgeordnete Ratzmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Zimmermann! – Das war ein ausgewogener Beitrag, der die Probleme der Föderalismuskommission II hinreichend gewürdigt hat. Ich dachte schon, die gesamte Regierungskoalition würde jetzt versuchen, ein neues ideologisches Kampffeld aufzumachen, wie Herr Liebich das versucht hat. Aber Herr Liebich, Sie scheinen sich zum Föderalismusexperten aufspielen zu wollen. Ich habe schon Angst gehabt, dass Sie versuchen wollen, Ihrem

Kollegen Hoff, der als Sachverständiger in der Kommission sitzt, das Feld streitig zu machen. Aber Sie wählen den falschen Ansatz, wenn Sie suggerieren, es gäbe eine allein seligmachende Lösung: der Stein des Weisen, der schon gefunden ist. Den gibt es nicht.

Wenn Sie sich die Anhörung, die wir gehabt haben – einige aus dem Hause waren da, Herrn Zackenfels habe ich gesehen, der hat sich mal angehört, was die Sachverständigen zu den Problemaufrissen gesagt haben –, dann werden Sie feststellen, dass die Spannbreite riesig ist, was die Sachverständigen dazu sagen, zu den Problemen, die allenthalben auf dem Tisch liegen. Wir stehen vor einer der schwierigsten Aufgaben, vor einer der schwierigsten Strukturreformen, die diese Bundesrepublik je gesehen hat. Und da meinen Sie, das Ganze mit ein paar witzigen Bemerkungen zu unserem Treffen mit Oettinger in die Tonne treten zu können. Das ist kein ernsthafter Umgang mit dem Problem, Herr Liebich. So sollte das Land Berlin in dieser Diskussion wirklich nicht auftreten.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Herr Abgeordneter Ratzmann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Zackenfels?

Ja aber gern doch! Natürlich! – Der Volkstribun aus Kreuzberg.