Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Herr Ratzmann – bitte!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt sind wir gespannt! – Zuruf: Zweimal drei Minuten?]

Ich brauche auch nur drei Minuten, weil die Antwort ganz einfach ist: Die Bundessteuern sind einheitliche Steuern, die im Grundsatz in allen Ländern einheitlich zu gelten haben. – Punkt! Daneben gibt es Landessteuern, und wir werden auch darüber reden müssen, welche Steuern zukünftig Landessteuern sind. Es ist in einigen Bereichen, aber nicht in den großen Bereichen – nicht bei der Einkommensteuer, nicht bei der Körperschaftsteuer und schon gar nicht bei der Lohnsteuer – die Rede davon, eine Umschichtung vorzunehmen. Aber da, wo wir Landessteuern haben, wo wir selbst Gestaltungsrechte haben und damit umgehen müssen, bin ich sehr wohl dafür, darüber nachzudenken, inwieweit das zur Finanzierung von landesspezifischen Aufgaben stärker herangezogen werden kann als bisher.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Das ist doch jetzt schon so!]

Nein! Das ist in vielen Bereichen noch nicht so, und das wissen Sie auch, Herr Liebich! Sie wissen auch, dass genau dieser Schritt, nämlich darüber in der Bundesrepublik überhaupt zu diskutieren, schon eine wegweisende Diskussion und eine wegweisend Entscheidung ist. Wir wissen, wie schwierig es war, allein bei der Grundsteuer diese Diskussion zu führen.

Sie wissen genau, dass die Landessteuern in ihrem Antrag den Ländern zustehen, aber nicht ihre Ausgestaltung.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Bundessteuern!]

Wenn es einheitliche Regeln für Bundessteuern gibt, sie in den Ländern mit Aufschlags- und Zuschlagsrechten versehen zu können, dann ist das ein Weg, den man diskutieren muss, lieber Herr Liebich! Darum werden Sie nicht herumkommen, wenn Sie ernstlich über Schuldenbremsen reden wollen. Das eine wird zumindest nicht ohne den anderen Schritt zu haben sein.

Ihr Satz, den Sie in den Antrag hineingeschrieben haben, ist ziemlich eindeutig:

Wettbewerbsmomente im föderalen System sind unter diesen Voraussetzungen z. B. auch im Bereich der Kommunal- und Landessteuern möglich.

So wird er auch verstanden. In diesem Bereich müssen die einzelnen Länder mehr Gestaltungsspielraum bekommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen – Stefan Liebich (Linksfraktion): Das gibt es doch schon! – Weitere Zurufe]

Für die Fraktion der FPD hat jetzt der Abgeordnete Dragowski das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Liebich! Bei Jamaika hätte es solche Anträge nicht gegeben.

[Beifall bei der FDP – Stefan Liebich (Linksfraktion): Das stimmt!]

Der Antrag entspricht einer Zusammenfassung der Sitzung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2007 mit den Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters. Kein Wunder, dass vor lauter copy und paste keine Zeit mehr für eine Begründung war.

[Beifall bei der FDP]

Das kann man so machen – vorausgesetzt, man setzt dadurch neue Akzente oder liefert die längst überfällige strategische Ausrichtung für die Berliner Verhandlungen in der Föderalismuskommission. Das versäumt allerdings der Antrag. Er beschränkt sich auf die Wiedergabe allgemeiner und unstrittiger Aussagen wie das Festhalten am Solidarpakt II

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Das ist total strittig!]

oder auf vage Formulierungen und Prüfaufträge. Indem versucht wird, möglichst viele Themen aufzuzählen, mangelt es dem Antrag völlig an der notwendigen Tiefe und Präzision. Schade eigentlich!

[Beifall bei der FDP]

Wenn das der Fahr- und Zeitplan Berlins sein soll – und der Regierende Bürgermeister hat im Ausschuss selbst darauf hingewiesen, dass aufgrund der anstehenden Wahlkämpfe nur bis Mitte bzw. Ende 2008 Zeit für eine erfolgreiche Realisierung ist –, wird Berlin wohl keine zentrale Rolle in den Verhandlungen spielen.

Für die Verhandlungen sind klare Forderungen und Vorstellungen entscheidend, Herr Liebich! Teilweise haben Sie sie schon vorgetragen. Ich will die Punkte nennen: Wir Liberale fordern, dass die Länder im Bereich der Finanzverfassung einen eigenen Handlungsspielraum zugestanden bekommen, sodass diese beispielsweise Erhebung und Höhe der Erbschaftssteuer autonom bestimmen können.

[Beifall bei der FDP]

Entsprechend ist den Ländern dort, wo sie Ertragshoheit besitzen, auch die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz zu übertragen.

Um gewisse Wettbewerbselemente auf kommunaler Ebene einzuführen, sollen Gemeinden und Kommunen zukünftig das Zuschlagsrecht auf Einkommens- und Körperschaftssteuer erhalten.

[Beifall bei der FDP – Stefan Liebich (Linksfraktion): Das ist total strittig, Herr Dragowski!]

Das macht die einzelnen Standorte interessanter und innovativer, sind die Gemeinden und Kommunen doch dann ihres eigenen Glückes Schmied. Wir Liberalen fordern hier die Freiheit für eigene und innovative Wege. Wir wollen den Wettbewerb, damit die Berliner sehen, was sie für ihr Geld bekommen. Davor haben Sie anscheinend Angst.

[Beifall bei der FDP]

Das Konnexitätsprinzip muss verbindlicher Bestandteil der neustrukturierten Finanzbeziehungen sein. Wir regen daher die Verankerung des Konnexitätsprinzips in die Finanzverfassungen der Länder an. Im Zuge des Länderfinanzausgleichs müssen die Bundesländer mehr Steuermittel behalten können, um einen Anreiz zu solider Haushaltspolitik zu erhalten. Dies kann auch durch stärkere Berücksichtigung bzw. Gegenrechnung von wirtschaftsfördernden und arbeitsplatzschaffenden Investitionen erfolgen.

[Beifall bei der FDP]

Die Verschuldung der Länder muss durch eiserne Haushaltsdisziplin der Länder abgebaut werden. Dazu zählen auch ein Netto-Neuverschuldungsverbot und eine Kreditaufnahmebegrenzung. Im Falle einer Nichteinhaltung bzw. Überschreitung müssten nach einer Kulanzzeit bzw. je nach Höhe der Verschuldung Sanktionen greifen, um den Haushalt im Interesse der Länder schnellstmöglich stabilisieren zu können.

Abschließend plädieren wir für die Einführung einer Verschuldensfolgenordnung. Gleichzeitig ist zu prüfen, inwieweit ein Insolvenzverfahren für Bundesländer etabliert werden kann.

[Beifall bei der FDP]

Noch ein Wort zum Berlin-Bonn-Gesetz: Ihr Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linksfraktion, steht im Gegensatz zu den Empfehlungen des Regierenden Bürgermeisters, die Hauptstadtfrage von den Verhandlungen um die Föderalismusreform II zu lösen. Sie wollen unter Punkt 12 Ihres Antrags das Berlin-BonnGesetz auf den Prüfstand stellen. Das wollen wir Liberale auch. Gestern jedoch wollte der Haushaltsausschuss des Bundestags beschließen, wie es mit Berlin und Bonn weitergeht. Er wollte an das Berlin-Bonn-Gesetz heran, wonach u. a. der größte Teil der Arbeitsplätze in den Ministerien in Bonn bleiben muss. Aber im Haushaltsausschuss des Bundestags ist das Thema von den Regierungsfrakti

onen von CDU/CSU und SPD von der Tagesordnung genommen worden. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Bevor Sie irgendetwas auf den Prüfstand stellen, hätten Sie lieber verhindern sollen, dass diese wichtige Entscheidung für Berlin im Haushaltsausschuss des Bundestages von der Tagesordnung verschwindet!

[Beifall bei der FDP]

Wir lehnen diesen Antrag ab. Er ist zu spät, zu unkonkret und zu unsystematisch. Wir brauchen keine Zusammenfassung von Ausschusssitzungen. Wir brauchen endlich eine klare Position des Berliner Senats in der Föderalismusdiskussion. Abwarten und zuhören reicht nicht. Nur wer eigene Ideen und Konzepte hat, kann hier gestalten. Gestalten Sie endlich, Herr Regierender Bürgermeister! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Die Vorabüberweisung an den Fachausschuss hatten Sie bereits bestätigt. Zusätzlich soll dieser Antrag zur Beratung auch an den Hauptausschuss überwiesen werden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 5:

II. Lesung

Gesetz über die Gewährung einer Zulage bei erhöhter wöchentlicher Regelarbeitszeit im feuerwehrtechnischen Dienst des Landes Berlin

Beschlussempfehlungen InnSichO und Haupt Drs 16/0657 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0599

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragrafen miteinander zu verbinden. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift und die Einleitung sowie die zwei Paragrafen Drucksache 16/0599 auf. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU, und es hat das Wort der Herr Abgeordnete Trapp. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 16/0599 lautet: „Gesetz über die Gewährung einer Zulage bei erhöhter wöchentlicher Regelarbeitszeit im feuerwehrtechnischen Dienst des Landes Berlin“. Die Drucksache müsste allerdings nach meiner Meinung lauten: „Gesetz über die Zahlung von 20 € für die zwangsweise zu leistenden Überstunden entgegen der EUArbeitszeitrichtlinie bei der Berliner Feuerwehr“.

[Beifall bei der CDU]

Die europäische Arbeitszeitrichtlinie ist eindeutig und hat zu einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes zum 1. Januar

2004 geführt. Drei Jahre hatte der rot-rote Senat Zeit, um eine Regelung herbeizuführen, die dieser europäischen Arbeitszeitrichtlinie entspricht und damit den rechtswidrigen Zustand der 55-Stunden-Woche bei der Berliner Feuerwehr zu beenden. Diese Zeit hat der rot-rote Senat jedoch nicht genutzt, und plötzlich – so ein Zufall! – hat man gemerkt, dass die Übergangsfrist am 1. Januar 2007 ausgelaufen ist. Jetzt muss schnell gehandelt werden. Es beginnt ein Aktionismus. Ein neues Einsatzkonzept muss herhalten, das Einsatzkonzept 06. Wesentliche Bestandteile sind eine 48-Stunden-Woche für alle Feuerwehrleute, sieben unterschiedliche Dienstplanvorschläge, Nachtabsenkung der Einsatzkräfte und Absenkung der Einsatzfahrzeuge. Es wird kein zusätzliches Personal benötigt.

Was bedeutet das für die Sicherheit in dieser Stadt? – Aktuell sind rund um die Uhr 62 Löschfahrzeuge im Dienst, zukünftig werden es nur noch 50 und in den Nachstunden nur noch 45 sein. Aktuell im Dienst sind 32 Drehleitern, zukünftig werden es nur noch 25 sein. Aktuell sind rund um die Uhr 91 Rettungswagen im Dienst, zukünftig werden es am Tag nur noch 87 sein, und in den Nachstunden wird noch einmal abgesenkt, sodass nur noch 71 Rettungswagen im Dienst sind. Bis man jedoch dieses Einsatzkonzept evtl. im Jahr 2008 in die Praxis umsetzen kann, müssen die Berliner Feuerwehrleute weiterhin zwangsweise 55 Stunden pro Woche Dienst versehen. Jedoch hat der weise Hauptausschuss dieses Risiko erkannt und das Verfalldatum dieses Gesetzes um ein weiteres Jahr verschoben, nämlich auf den 31. Dezember 2008. – So viel zum Vertrauen der rot-roten Regierungsfraktionen in die zeitgerechte Umsetzung des Einsatzkonzeptes 06 durch den rot-roten Senat.