Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Was bedeutet das für die Sicherheit in dieser Stadt? – Aktuell sind rund um die Uhr 62 Löschfahrzeuge im Dienst, zukünftig werden es nur noch 50 und in den Nachstunden nur noch 45 sein. Aktuell im Dienst sind 32 Drehleitern, zukünftig werden es nur noch 25 sein. Aktuell sind rund um die Uhr 91 Rettungswagen im Dienst, zukünftig werden es am Tag nur noch 87 sein, und in den Nachstunden wird noch einmal abgesenkt, sodass nur noch 71 Rettungswagen im Dienst sind. Bis man jedoch dieses Einsatzkonzept evtl. im Jahr 2008 in die Praxis umsetzen kann, müssen die Berliner Feuerwehrleute weiterhin zwangsweise 55 Stunden pro Woche Dienst versehen. Jedoch hat der weise Hauptausschuss dieses Risiko erkannt und das Verfalldatum dieses Gesetzes um ein weiteres Jahr verschoben, nämlich auf den 31. Dezember 2008. – So viel zum Vertrauen der rot-roten Regierungsfraktionen in die zeitgerechte Umsetzung des Einsatzkonzeptes 06 durch den rot-roten Senat.

Die 55-Stunden-Woche bei der Berliner Feuerwehr bedeutet, dass pro Woche und Mann sieben Überstunden und damit im Jahr 2007 insgesamt 720 000 Überstunden anfallen. In einer Sitzung des Innenausschusses am 18. Juni stellte Innensenator Körting klar: Ein Freizeitausgleich für Mehrarbeit ist unter keinen Umständen möglich. – Müssen diese Feuerwehrleute dann ohne Bezahlung die Überstunden leisten? Oder müssen sie die Bezahlung der Überstunden vielleicht vor Gericht einklagen? All das sind ungelöste Fragen.

Allerdings hat der rot-rote Senat eine andere Lösung. Damit die Klageflut vermieden wird, versucht man, die Feuerwehrleute mit einer Zulage von sage und schreibe 20 € pro Schicht zu besänftigen.

[Anja Hertel (SPD): War ihr eigener Vorschlag!]

Sie müssten vielleicht noch einmal nachlesen, was Nordrhein-Westfalen entschieden hat. Dort dürfen die Feuerwehrleute wählen, ob sie die 55 Stunden arbeiten wollen oder nicht. Nicht nur immer das lesen, was man gern lesen will, sondern das, was drinsteht!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Auf die Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen bzw. Gewerkschaften legt Rot-Rot ja immer besonderen Wert. Allerdings war im vorliegenden Fall die Frist so knapp

bemessen, dass Gewerkschaften nicht in der Lage waren, ihre Organisationen und Gremien in die Diskussion mit einzubeziehen, und somit wurde auf eine Stellungnahme verzichtet. – So viel zur guten Zusammenarbeit von RotRot mit den Gewerkschaften, und dazu, welchen Wert Rot-Rot auf die Meinung der Beschäftigten und Beschäftigtenvertretungen legt.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Eine akzeptable Lösung wäre nach Meinung der CDUFraktion die Bezahlung der Überstunden nach der Mehrarbeitsvergütungsordnung, zwischen 11 und 15 € pro Stunde, je nach Dienstgrad. Doch so viel sind dem rotroten Senat die Berliner Feuerwehrleute nicht wert.

Allerdings gibt es noch eine andere Lösung – schade, dass Frau Grosse nicht da ist! –: Wie wäre es, wenn man den vom rot-roten Senat geforderten Mindestlohn von 7,50 € zahlen würde, wie es eine Bundesratsinitiative vorsieht?

[Beifall bei der CDU]

Auch dies ist vom rot-roten Senat nicht geplant.

Nun stellt sich mir die Frage, was eine populistische Bundesratsinitiative des rot-roten Senats auf Einführung eines Mindestlohns wert ist, wenn man selbst als Arbeitgeber nicht bereit ist, den Feuerwehrleuten diesen Mindestlohn von 7,50 € zu zahlen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Nach Auskunft der Beschäftigtenvertretung werden in diesem Gesetz den Feuerwehrleuten eine Vergütung von 2,86 € pro Überstunde in Aussicht gestellt.

[Oh! von der CDU]

Was gelten eigentlich Wahlversprechen der Linkspartei zum Mindestlohn, wenn man in der Regierungsverantwortung diese Versprechen nicht umsetzt? – Ich nenne diese Politik heuchlerisch, das ist Wind um die Ecke schaufeln und den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen streuen. Die CDU-Fraktion wird diesem Gesetz nicht zustimmen.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Trapp! – Für die SPDFraktion hat Herr Abgeordneter Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!

Danke sehr, Frau Präsidentin! – Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Kollege Trapp! Das war ja der ganz große Rundumschlag vom Mindestlohn bis zur EU-Richtlinie.

[Jawohl! von der CDU]

Da wurde vieles so genommen, wie es gerade in die eigene Argumentation passt – ob das sachlich stimmt, ist eine andere Frage.

[Beifall bei der SPD]

Vielleicht muss man als Opposition so arbeiten,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Nein, muss man nicht!]

ich konnte nicht ganz nachvollziehen, was Sie da ausgeführt haben. Worum geht es denn tatsächlich bei diesem Gesetz? – Sie haben auf die Geschichte hingewiesen, Sie haben auf die EU-Richtlinie hingewiesen, Sie haben unterschlagen, dass es lange Zeit Rechtsunsicherheit gab, wie weit diese auch für den Bereich der Feuerwehr anwendbar ist. Nachdem klar war, sie ist anwendbar, waren einige Probleme im Land Berlin zu lösen. Diesen Problemen hat sich der Senat gestellt. Wenn man aber ein so großes Unternehmen wie die Feuerwehr umsteuern will – das sollten Sie am besten wissen –, dann ist das so ähnlich wie mit einem großen Tanker: Den kann man nicht mal einfach stoppen und umdrehen, sondern man muss allmählich in die Kurve gehen. Genau das ist hier gemacht worden. In einem langen Diskussionsprozess ist ein neues Einsatzkonzept entwickelt worden, das zum 1. Januar 2008 umgesetzt werden soll. Ich gehe davon aus, dass das auch gelingen wird. Als Übergangsregelung sieht das Gesetz eine zusätzliche Honorierung für die Mehrarbeit vor, die die Feuerwehrbeamten leisten. Ich weiß nicht, was es daran zu kritisieren gibt.

Wenn Sie vorbringen, es sei fehlerhaft, dass der Hauptausschuss die geplante Geltungsdauer des Gesetzes – geplant war bis 31. Dezember 2007 – um ein Jahr verlängert, dann verstehe ich auch diese Kritik nicht. Es ist aus dem Bereich der Gewerkschaften, der Mitarbeiter der Feuerwehr die Sorge geäußert worden, was denn am 1. Januar 2008 passiert, falls die Umsetzung des neuen Konzepts bis dahin nicht gelingt. Wir alle, die wir bereits eine Weile mit der Verwaltung zu tun haben, wissen, dass man manchmal nicht punktgenau landet. Um diesen Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rechnung zu tragen, hat der Hauptausschuss sich dafür entschieden, die Geltungsdauer um ein Jahr zu verlängern. Wenn Sie das kritisieren, dann bleibt es Ihr Geheimnis, warum Sie die Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wahrnehmen wollen. Wir wollen das, und deshalb werden wir diesem Gesetz – auch mit der Veränderung im Hauptausschuss – zustimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kleineidam! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte sehr!

Meine sehr verehrte Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Berufstraum vieler

Kinder ernst nehmen würde, die für die Sicherheit und Ordnung dieser Stadt sorgen und Feuerwehrbeamtin oder Feuerwehrbeamter werden wollen, und man denen dann sagt, ihr habt im Jahr 2007 insgesamt 720 000 Stunden Mehrarbeit zu leisten, und damit habt ihr keine Zeit mehr für Familie und für die sonstigen Freuden dieses Lebens, vielleicht wäre dieser Traum der Kinder schon früher zerplatzt. Vielleicht haben Sie, Herr Kleineidam, ja zugehört bei den Gesprächen mit Feuerwehrbeamten, die monatlich auf 100 bis 120 Stunden Mehrarbeit kommen.

Es kommt nicht von ungefähr, dass wir heute mit einer vorab überwiesenen Vorlage holterdiepolter beschließen sollen, dass es 2,87 € pro zuviel geleisteter Stunde geben soll und man dabei die Mehrarbeitszeitvergütungsordnung umgeht. Ich wundere mich da schon: Die EUArbeitszeitrichtlinie gibt es seit 1993, das Problem ist also nicht erst seit 2003 bekannt. Wenn man die öffentlich Beschäftigten ernst nehmen würde, hätte man sich schon seit 1993 ein gescheites Konzept dafür einfallen lassen können.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Björn Jotzo (FDP)]

2003 gab es die Klarstellung des EuGH und mehreren deutschen Gerichten. Auch unser ehemaliger Branddirektor Broemme hat mehrfach darauf hingewiesen, dass wir 300 Stellen mehr brauchen. Der Innensenator entdeckt dieses Problem nun kurz vor der Sommerpause. Positiv interpretiert kann man Ihnen und Ihnen, Herr Senator, bescheinigen, dass es Ihnen selbst peinlich ist, dass Sie erst so spät darauf kommen, und meiner Einschätzung nach muss Ihnen das auch peinlich sein.

[Beifall bei den Grünen]

Seit dem Jahr 2000 haben Sie 15 Prozent bei der Feuerwehr gekürzt; das sind 450 Stellen, und das, obwohl es in unserer schönen Stadt Berlin eine Prognose gibt, dass Notfallrettungseinsätze um ungefähr 40 Prozent steigen werden. Wir haben jetzt einen Hauptbahnhof, bei dem vielleicht öfter mal ein Dachteil abfällt, wir haben einen Großflughafen Schönefeld, und deswegen brauchen wir auch eine gut ausgestattete Feuerwehr.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Sie haben hingegen nichts anderes gemacht, als dort Einsparungen vorzunehmen.

Ihr Konzept ist zudem rechnerisch unseriös. Sie sehen vor, dass ein Feuerwehrbeamter, wenn er eine Vergütung haben will, einen Antrag stellt und darin bekräftigt, dass er die Mehrarbeit freiwillig geleistet hat. So gehen Sie mit öffentlichen Beschäftigten um. Das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Was machen Sie eigentlich, wenn jemand Freizeitausgleich statt Vergütung der Mehrarbeit haben will? Was ist denn dann mit den geleisteten 720 000 Überstunden? – Dann kommen Sie ganz schnell in eine üble Bedrouille. Wenn die Leute dann auch noch durchfechten, dass sie nach der Mehrarbeitvergütungsordnung vergütet werden, dann haben wir Probleme mit

ganz anderen Dimensionen, und die haben Sie zu verantworten!

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Herr Trapp hat es ja gerade ausführlich dargestellt: Es passiert nichts anderes, als dass sich vor den Problemen weggeduckt wird. Hier ist in der üblichen Gutsherrenart des Herrn Innensenator ein handwerklicher Fehler gemacht worden. Mit der Variante: Ich Staat, du Feuerwehrmann werden die Mitarbeiter abgekanzelt. Dieser Dornröschenschlaf in der Klosterstraße können wir nicht mehr länger hinnehmen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Wir haben bereits mit der Linken darüber diskutiert, die sich vehement für einen Mindestlohn einsetzt. Sie können ja mal durchrechnen: 20 € für 7 Stunden, das machen 2,86 € pro Stunde – mies bezahlte Überstunden statt neue Arbeitsplätze. Wo kann man im Übrigen bei 55 Stunden Arbeit pro Woche von einer gerechten Verteilung der Arbeit sprechen?

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Das ist ein klassisches Beispiel für die praktische Umsetzung von Mindestlöhnen und gerechter Verteilung von Arbeit, das ist super sozial, da ist Trotzki rückwärts in einen Eispickel gelaufen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Was die Beteiligung der Gewerkschaften angeht, kommt auf eine Nachfrage des Herrn Ratzmann die Antwort: Die hatten drei Tage Zeit, um Stellung zu nehmen. – Das ist übrigens beamtenrechtlich vorgesehen nach § 60 des Landesbeamtengesetzes. Drei Tage Zeit für eine Stellungnahme – dazu treiben Sie die Gewerkschaften, die zwingen Sie also auch zu Akkordarbeit. In Ihrem Koalitionsvertrag sprechen Sie von einer breiten Anerkennung, die der Feuerwehr zuteil wird, und von einer angemessenen Ausstattung, die Sie ihr zur Verfügung stellen. In Wahrheit haben Sie nur eine untaugliche Notrufsäule zum Innensenator hergestellt, das ist der Kern dieses Problems. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lux! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Seelig das Wort. – Bitte sehr!