Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

Die Tatsache, dass wir ein Gemeinwesen regieren, das seine Ausgaben aus eigener Kraft finanziert, ohne durch Kredite, ohne Anleihen bei künftigen Generationen machen zu müssen, ist doch ein historischer Glücksfall für die Stadt, Ergebnis harter Arbeit und im republikweiten Vergleich eine beispiellose Leistung.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Dass Sie die nicht anzuerkennen vermögen, macht Ihre Kritik so klein und so kleinlich, das ist das Problem. Sie entwertet sich dadurch auch.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Wenn Ihnen eine Landesregierung und eine Regierungskoalition einen Etatentwurf vorlegen, der keine Neuverschuldung enthält – ein Umstand, den ansonsten nur die Bayern erreichen –, kann man sich doch als Opposition nicht hinstellen und so über diese Regierungsleistung reden, wie Sie das getan haben, Herr Pflüger!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Christoph Meyer (FDP): Sie sind die CSU des Ostens!]

Wir haben der Stadt noch ein anderes Versprechen gegeben; 2001 haben wir es gegeben und 2006 erneuert. Es lautete: Wir werden alles mögliche tun, um diese Finanzkrise zu bewältigen und zwar zu Bedingungen und Konditionen für die Stadt, die die grundlegende soziale, wirtschaftspolitische Infrastruktur und Leistungsfähigkeit unseres Gemeinwesen erhalten, die sich darum bemühen, Potenziale, die wir für die wirtschaftliche Erneuerung Berlins brauchen, ebenso wenig zu verschütten, wie wir die soziale Spaltung Berlins nicht vertiefen wollen. Das war das, was Rot-Rot konstituiert hat, und das haben wir eingehalten. Wenn man sich heute die öffentlichen Strukturen in Berlin anschaut, wenn man sich fragt, was die Berlinerinnen und Berliner eigentlich von ihrem Land geboten bekommen, dann stellen wir fest, dass wir im republikweiten Vergleich immer noch eine ganz hervorragende Ausstattung mit Kultur, mit Wissenschaft, auch mit innerer Sicherheit haben, dass wir über eine soziale Infrastruktur verfügen, die sich in der Republik wirklich sehen lassen kann, um die uns viele beneiden und die wir jetzt endlich aus eigener Kraft aufrechterhalten.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Das ist doch eine wirklich gute Nachricht für diese Stadt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir reden über einen Etatentwurf, Herr Kollege Esser, der natürlich in keiner Weise frei von Politik ist. Ich frage, ob wir denselben Haushalt lesen, ob wir über dieselben Dinge reden. Ein Etatentwurf, der 185 Millionen € an Mehrausgaben im Bereich Wissenschaft und Forschung vorsieht, ist doch nicht politikfrei, Herr Kollege, sondern der setzt einen klaren Akzent in einem der existenziellen Bereiche unserer Stadt. Da können Sie sich doch nicht an dieses Pult stellen und sagen, das sei nichts.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

In der Finanzpolitik kann es nicht schaden, wenn man das, was man an politischen Akzenten setzt, auch in eine Strategie einzuordnen vermag, daher sage ich Ihnen auch noch, welcher Strategie das folgt. Wie ich vorhin versucht habe, Ihnen darzulegen, wie unsere Sanierungsstrategie in den letzten fünf Jahren ausgesehen hat und was ihre Rahmenbedingungen sind, nenne ich Ihnen die Perspektiven der Stadt für die nächsten fünf Jahre. Die zentrale Aufgabe dieser Legislaturperiode, in die sich einzelne Maßnahmen auch in diesem Landeshaushalt einordnen, besteht aus zwei Teilen: Die ökonomische Erneuerung Berlins ist voranzutreiben,

[Mieke Senftleben (FDP): Ökonomische?]

die Erneuerung unserer wirtschaftlichen Basis.

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Das interessiert die FDP nicht!]

Nach dem Verlust von 300 000 Industriearbeitsplätzen, nach der Wiedervereinigung Berlins, Frau Kollegin Senftleben, sollte auch bei Ihnen angekommen sein, dass die Ökonomie dieser Stadt einer gewissen Erneuerung bedarf.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wohl wahr!]

Das ist die Aufgabe, der wir uns in dieser Legislaturperiode in besonderem Maße stellen – herzlichen Glückwunsch, dass dies auch in der FDP angekommen ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die Verhinderung einer vertieften sozialen Spaltung – das ist die zweite Kernaufgabe. Schauen Sie sich andere internationalen Metropolen an, oder blicken Sie in Städte wie Frankfurt und Hamburg. Überall finden Sie eine Stadtgesellschaft, in der soziale Polarisation und Segregation zu einem ernormen Problem geworden sind. Berlin steht vor der Aufgabe, diese Entwicklung verhindern zu müssen. Es ist die Verbindung aus beiden Zielen – ökonomischer Aufbau und die Verhinderung tiefer sozialer Spaltungsprozesse –, die von uns in den nächsten Jahren bewältigt werden muss. Da setzt dieser Landeshaushalt, da setzt diese Landesregierung, da setzt diese Koalition glasklare Akzente. Wir schaffen Schwerpunkte, mit denen wir diese Ziele erreichen wollen. Darin ordnet sich die besondere Förderung von Wissenschaft, wie wir Sie mit über 185 Millionen € leisten, ein. Weil Sie es so geringschätzen, meine Damen und Herren, ist es Ihnen vielleicht

gar nicht bewusst: Wir unterhalten die am besten finanzierte Universitätsstruktur in der gesamten Republik. So ist es doch nicht vermessen, darauf auch Hoffnung in die ökonomische Erneuerung, in die zusätzliche Schaffung von Arbeitsplätzen zu setzen. Wir zumindest tun das und arbeiten mit großer Intensität daran, dass hieraus ein Aufbau entsteht.

Es ist auch bemerkenswert, was wir im Bereich der Wirtschaftsförderung tun. Die Tatsache, dass 35 Millionen € in Fonds gesteckt werden, mit denen die Kreativwirtschaft besonders gefördert wird, ist für eine Metropole wie Berlin eine nennenswerte Leistung. Wir bemühen uns um ökonomischen Aufbau in genau den Bereichen, die von besonderer Bedeutung sind.

Ich habe die Förderung des sozialen Zusammenhalts der Stadt als zweites wesentliches Ziel unserer Regierung genannt, und es lassen sich in unserem Landeshaushalt auch dafür klar ausgewiesene Schwerpunkte finden, mit denen wir diesem Ziel dienen wollen. Als Land Berlin finanzieren wir über 50 Millionen € im Bereich der öffentlichen Beschäftigung und versuchen, mit diesem Geld einen öffentlichen Beschäftigungssektor aufzubauen.

[Ramona Pop (Grüne): Früher war das drei Mal so viel!]

Es ist keine Kleinigkeit, dass das Land Berlin so viel Geld in die Hand nimmt, um im Bereich der öffentlichen Beschäftigung 10 000 Stellen zu schaffen. Dass Sie das so geringschätzen, meine Damen und Herren von den Grünen, scheint zu belegen, dass Sie gar nicht verstanden haben, welche Hoffnungen und Erwartungen vorhanden sind, modellhaft belegen zu können, dass es eine Zukunft hat, Menschen so zu fördern.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Christoph Meyer (FDP): Das ist Ihre ökonomische Erneuerung der Stadt, nicht? – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Es scheint Ihnen bei der ganzen Hartz-IV-Debatte völlig entglitten zu sein, dass man sich darum in besonderem Maße bemühen muss.

Die Ausgaben, die wir im Bereich Integration tätigen und die auf verschiedenen Ebenen nicht unerheblich sind – in den Berliner Schulen ebenso wie in den Stadtteilzentren oder in den Tätigkeitsbereichen von Frau Junge-Reyer – , sind wesentliche Ausgaben, mit denen wir versuchen, sozialen Spaltungsprozessen entgegenzuwirken und die soziale Integration zu fördern. Sie können sich doch nicht ernsthaft hinstellen, Kollege Esser, und sagen, dass seien politikfreie Bereiche.

Diese Politik hat Erfolg – nicht nur in der Art und Weise, wie die Stadt Mut zu sich selbst fasst. Wenn man in diesem Sommer durch Berlin gegangen ist, dann war das zum Greifen nah, wie Berlin Gefallen an sich selbst findet,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja, wer es schon hat!]

wie wir hier in bestimmten Bereichen auch boomen, wie Touristen in die Stadt kommen. Ja, Berlin hat Stärke aus sich selbst heraus, dafür braucht es nicht unbedingt uns, aber es schadet auch nicht, was wir hier machen, Herr Kollege Lindner. Das ist vielleicht ein Unterschied, dass wir es bewusst befördern, dass es Menschen gefällt, in Berlin zu sein, hier Touristen zu sein, sich die Stadt anzugucken, dass sie das Lebensgefühl mitnehmen wollen, das wir hier haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir verpflichten uns dem Ziel, dies auf allen Ebenen, die uns zur Verfügung stehen, zu befördern.

Sodann haben wir insbesondere noch den Bereich der Kultur – hier hätte ich mir von der Bundesregierung weit mehr gewünscht, als sie offensichtlich zu leisten bereit ist. Es wird aber auch nicht an Berliner Geld scheitern, dass wir einen vernünftigen Berliner Anteil für die Sanierung und Unterhaltung der Staatsoper in die Hand nehmen, wenn es denn gefordert ist. Das wird vielleicht an der Bundesregierung scheitern, aber ganz sicher nicht an uns.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir fühlen uns verpflichtet, etwas zu tun und das Haus nicht einfach verfallen zu lassen, es auch im nationalen Interesse nicht verfallen zu lassen.

Es ist heute viel über andere Bereiche diskutiert worden, insbesondere über die Justizpolitik. Es mag ja einem Linken nicht leicht fallen, ein neues Gefängnis zu bauen, aber auch das werden wir selbstverständlich absichern. Die Wirklichkeit kann man sich nur schön wünschen, sie ist so aber nicht.

[Christoph Meyer (FDP): Sie machen ja alles mit, was die SPD will!]

Wir brauchen ein neues Gefängnis, und das werden wir auch bauen, und zwar zu dem Preis, den es hat.

Und dann, Herr Kollege Pflüger, haben Sie etwas gesagt, was mich sehr verwundert hat. Ihren kleinkrämerischen Tempelhof-Patriotismus haben wir alle schon, als wir diesen Plenarsaal betreten haben, erwartet, zum siebten oder achten Mal. Aber so, wie Sie sich über den BBI geäußert haben, über eine der wesentlichen notwendigen Aufbauschritte für die Region Berlin-Brandenburg, finde ich, kann man sich über so ein Projekt nicht unterhalten. Wir haben da eine Ausschreibung laufen – Sie sind doch Marktwirtschaftler –, da entsteht ein Preis. Und da sage ich Ihnen: Den werden wir nach Durchlaufen dieser Ausschreibung als Land Berlin eben bezahlen müssen, weil wir den Aufbau des BBI wollen und weil wir uns die Preise nicht verordnen können, sondern weil wir Angebote von Baufirmen einholen und weil sich daraus dann der Preis ergibt, den Berlin, Brandenburg und der Bund für dieses Projekt bezahlen müssen.

[Zuruf von der FDP: Unseriös!]

Und da finde ich es unseriös und ein bisschen anmaßend, wie Sie darüber lamentieren, dass dabei möglicherweise – wir wissen es ja gar nicht – Mehrkosten entstehen.

[Mario Czaja (CDU): Wer hat denn die Kalkulation genannt, Herr Wechselberg?]

Das ist das Problem, dass Sie offensichtlich gar kein Verständnis für das haben, was dort geschieht. Und ich sage Ihnen: Wir werden BBI bauen, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, und zwar einen leistungsfähigen Standort für die Entwicklung des Flugwesens in Berlin. Und Ihr Tempelhof-Patriotismus sollte bitte sehr nicht so weit gehen, dass Sie dabei völlig ignorieren, unter welchen Bedingungen das funktioniert. Da sage ich Ihnen als Finanzpolitiker: Wir bezahlen das. Wir bezahlen den geforderten Preis, damit dieser leistungsfähige Standort dort entsteht.

[Oliver Schruoffeneger (Grüne): Du hast in den letzten zwei Minuten 500 Millionen ausgegeben!]

Weil ich gar nicht anders kann an dieser Stelle. Wer BBI will so wie wir, der muss bereit sein, dafür das Geld in die Hand zu nehmen. Das ist der entscheidende Unterschied.

Und dann haben wir es auch mit einem Haushalt zu tun, der sich Ausgaben leisten kann. Es ist nicht so – das ist von Ihnen auch beschrieben worden, Kollege Esser, der Finanzsenator hat es auch gesagt, ich bekräftige das –, dass wir einen Haushaltsentwurf hätten, der, weil die Zahlen besser werden, anfängt, mit dem Geld herumzuwerfen. Das ist völliger Quatsch. Wir haben eine Konstanz in der Ausgabenlinie, und wir verpflichten uns weiterhin zu Konsolidierung und Sparsamkeit. Aber wir haben eben auch einen Haushaltsentwurf und eine Finanzplanung, die auf wachsende Erträge hoffen kann, die Überschüsse generiert. Deshalb können wir insbesondere im investiven Bereich bestimmte Belastungen tragen. Wir werden am Ende dazu gelangen müssen, eine Haftanstalt zu bauen. Wir werden die Staatsoper sanieren müssen, und wir werden Geld für BBI in die Hand nehmen müssen. Ich sage Ihnen: Ich will das auch, weil ich weiß, dass das Fortschritt für Berlin bedeutet. Deshalb sage ich: Wir gehen mit großer Zuversicht in die anstehenden Beratungen mit Ihnen. Vor allen Dingen tun wir es mit der gelassenen Gewissheit, dass am Ende die Zahlen für Rot-Rot stimmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Frau Pop hat um eine Kurzintervention gebeten. – Bitte schön, Frau Pop!

Auch wenn das jetzt in die Untiefen der Arbeitsmarktpolitik geht – zwei Dinge kann ich mir leider nicht verkneifen, weil es mir reicht mit den rot-roten Märchen in der Arbeitsmarktpolitik.