Ein weiterer schwerwiegender Fehler ist aus meiner Sicht, dass Sie zu wenig mit den betroffenen Menschen sprechen. Andernfalls wüssten Sie, dass die Verbitterung und Resignation bei denen weiter um sich gegriffen hat. So wird mir in Briefen und Bürgergesprächen immer wieder deutlich gemacht, dass es keinen Zweck habe, sich zu beschweren, denn es ändere sich ohnehin nichts. Es ist erschreckend, wenn – wie am Runden Tisch der Opposition zum Sonderfahrdienst geschehen – gesagt wird: Wir Betroffenen fühlen uns, als ob mit uns ein Experiment am lebenden Objekt durchgeführt wird.
Auch diese Äußerung, dass die Vertragsverlängerung mit dem jetzigen Betreiber Ängste bei den Fahrberechtigten auslöst, brauche ich nicht weiter zu kommentieren, denn sie spricht für sich. Ich stelle fest: Es bedarf dringend einer Veränderung und zwar einer politischen, die dann dafür sorgt, dass ein System, das wesentlich besser funktio
nieren kann und mit besserem Controlling auch besser funktionieren wird, für Veränderung im Sinne der Betroffenen sorgt. – Vielen Dank!
[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Bei Sozialfragen ist Jamaika vereint!]
Danke schön, Herr Kollege Hoffmann! – Für die Linksfraktion spricht nunmehr die Kollegin Breitenbach. – Bitte schön, Frau Breitenbach, Sie haben das Wort!
Wenn ich Ihre Anträge lese und feststelle, dass sie auf der Behauptung fußen, es gebe massive Probleme beim Sonderfahrdienst, frage ich mich, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in den letzten Monaten gemacht haben, als wir mehrmals über dieses Thema diskutiert haben.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): Diskutieren? – Machen!]
Wir hatten beispielsweise eine Anhörung. Dort wurden uns eine ganze Reihe von Zahlen genannt, und dort gab es Bewertungen. Das kann man als Grundlage nehmen. Herr Hoffmann, ich verstehe nicht, weshalb Sie das alles ignorieren. Für mich ist die Anzahl der Beschwerden eine Messlatte für Probleme. Frau Monteiro hat die Zahlen genannt, ich muss sie nicht wiederholen.
Wenn wir im August 14 000 Fahrten hatten und es zehn Beschwerden gab, dann ist das nicht viel. Aber man kann natürlich auch sagen: Es sind immerhin zehn Beschwerden zu viel.
Für mich sind die Zahlen ein Zeichen dafür, dass sich das System des Sonderfahrdienstes stabilisiert hat. Darüber bin ich froh. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und sich davon zu verabschieden, alles immer schlechtzureden. Wenn Sie behaupten, wir kennten die Beschwerdestatistik nicht, ist das Unsinn. Natürlich kennen wir sie. Wir haben uns mit ihr auseinandergesetzt. Um die Beschwerden und die Gründe dafür haben sich alle Debatten gedreht, die wir in den letzten Jahren geführt haben. Der Vorwurf – Herr Lehmann!, Herr Hoffmann! –, dass der Senat Verträge abschließt, sich dann aber nicht um deren Einhaltung kümmert, ist hart, aber Sie haben nichts dafür getan, um diesen Vorwurf zu untermauern. Hier stehen Sie in der Pflicht.
Trotz der Stabilisierung des Systems sind Verbesserungsvorschläge immer gut und richtig. Richtig ist es auch, die Erfahrungen anderer Regionen einzubeziehen, was Sie einklagen. Das haben wir übrigens gemacht. Deshalb hat Berlin beispielsweise einen Sonderfahrdienst – und zwar im Gegensatz zu anderen Städten – als ein System des Nachteilausgleichs. Ich bin mit nicht sicher, ob Sie mit Ihren Anträgen diese Grundsatzentscheidung in Frage stellen. Ich sage Ihnen: Wir als Koalition stehen zu dieser Grundsatzentscheidung.
Unter den Nutzerinnen und Nutzern des Sonderfahrdienstes gibt es Menschen, die theoretisch öffentliche Verkehrsmittel nutzen könnten, dies aber nicht tun, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Eine Nutzung des ÖPNV kann und darf nicht erzwungen werden, sondern muss nach dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen. Eine verstärkte ÖPNV-Nutzung, Herr Lehmann – hier sind wir uns möglicherweise einig – durch Menschen mit Behinderungen möchten auch wir. Das ist auch unser Anliegen.
Herr Lindner! Sie sind ein ganz großer Experte bei diesem Thema, vor allem, was soziale Fragen angeht. Vielleicht hören Sie einfach nur zu.
[Henner Schmidt (FDP): Sie reden immer nur von Statistik, nie von den Menschen! – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]
Erstens rede ich mit den Menschen. Auch ich könnte noch einige schöne Geschichten erzählen. Zweitens geht es aber nicht darum, über Einzelfälle zu sprechen. Das ist keine seriöse Auseinandersetzung. Es geht vielmehr darum, sich die Gründe für eine Beschwerde anzusehen und anschließend Abhilfe zu schaffen. Das haben wir gemacht. Wir möchten weitere Verbesserungen. Dazu haben wir im Juni einen Antrag vorgelegt. Frau Monteiro hat dazu bereits etwas gesagt. Wir wollen das Mobilitätskonzept verbessern,
wir haben dazu Vorschläge unterbreitet. Der Senat wird uns bis Ende des Monats ein Konzept vorlegen. Darüber können wir dann diskutieren. Unsere Vorschläge erscheinen mir viel besser als Ihre Anträge, die komplett realitätsfern sind. Deshalb gibt es für uns keinen Grund, Ihren Anträgen zuzustimmen.
Danke schön, Frau Breitenbach! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nunmehr Frau Villbrandt. – Bitte schön, Frau Villbrandt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ruhe soll einkehren, endlich Ruhe bei diesem leidigen Problem des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen, das hat die Senatorin im Ausschuss gesagt. Dafür haben Sie dann aber die Anforderungen an Mindeststandards, die sonst für Projekte in anderen Bereichen gelten, komplett über Bord geworfen. Anderen hätten Sie den Geldhahn schon längst zugedreht.
Dem jetzigen Regieleister für die Sonderfahrdienste haben Sie trotz gravierender Mängel, Kritik und Klagen den Vertrag sogar vor Ablauf der Frist verlängert, weil Sie wollten, dass endlich Ruhe einkehrt.
Es scheint, je größer das Finanzvolumen, desto mehr Nachsicht mit Mängeln. Wenn sich etwas gebessert hat, wie Kolleginnen von den Koalitionsfraktionen das gesagt haben, dann kann man sagen: Gott sei Dank! Aber wesentlich hat sich das nicht gebessert.
Ein guter Rat an die Frau Senatorin: Zwar ist die Politik der ruhigen Hand in der letzten Zeit sehr modern geworden, aber wirklich erfolgreich muss sie nicht sein, wie die Beispiele Schröder oder auch Stoiber zeigen.
Nun haben Sie sich für die einjährige Verlängerung des Vertrages mit dem jetzigen Regieleister entschieden, aber Ruhe wird nur dann einkehren, wenn man aus Fehlern der Vergangenheit lernt und Menschen mit Behinderungen eine bessere Mobilität als in den letzten Jahren ermöglicht. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie die im Vertrag festgelegten Aufgaben und Dienstleistungen, deren Qualität und Quantität durchsetzen und entsprechende Angebote auch für hochfrequentierte Zeiten sichern.
Für Menschen mit Behinderungen dürfen sich entwürdigende und traurige Situationen der Vorjahre nicht wiederholen. Dazu muss einfach häufiger und mit Konsequenzen kontrolliert werden.
Wir haben jetzt ein Jahr Zeit, um herauszufinden, wie die Mobilität der Menschen mit Behinderungen künftig effektiver sein könnte und wie besser auf Bedarfe der Einzelnen, aber auch bestimmter Gruppen eingegangen werden kann, z. B. junger Rollstuhlfahrerinnen.
Natürlich muss das Ganze von Anfang an eng verzahnt mit dem ÖPNV gedacht und geplant werden. Denn uns geht es nicht darum, dass eine kleine Gruppe besser versorgt ist, sondern dass die Mobilität aller besser wird. Ein neues Konzept ohne feste Einbindung des ÖPNV wäre einfach schwachsinnig.
Fast jedes neuere Auto ist heute mit einem Navigationssystem ausgestattet, das dem Nutzer genau sagt, wo z. B. die Baustellen sind, wie man an einem Stau vorbeikommen kann, wie man besser zu seinem Ziel kommen kann. Offensichtlich ist man nicht in der Lage, einer Rollstuhlfahrerin mitzuteilen, dass sie ihr Ziel nicht mit der S-Bahn erreichen kann, weil ein Fahrstuhl seit zwei Tagen defekt ist oder eine Baustelle verhindert, dass sie einen Bahnhof verlassen kann. Das dürfen wir nicht hinnehmen! Ist das nicht eigentlich eine klare Muss-Leistung des öffentlichen Nahverkehrs? – Ich glaube, ja.
Frau Senatorin! Diesen Anforderungen an einen zuverlässigen Fahrdienst werden Sie weder mit ruhiger Hand noch mit der Hoffnung, dass es sich schon von allein regelt, gerecht. Ein wirksames und belastbares Flottenmanagementsystem werden wir nur dann bekommen, wenn wir das Wissen von Experten aus der Wissenschaft und aus dem Verkehrsmanagement – meine Kollegen haben das schon gesagt – einbeziehen, aber auch die positive und negative Erfahrung bis jetzt mit einfließen lassen.
Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Beschäftigen Sie sich bitte fair mit unserem Antrag! Nehmen Sie die Anforderungen engagiert an! Sorgen Sie für eine bessere Mobilität, die letztlich auch Familien und Kindern und älteren Bürgern, d. h. der ganzen Stadt zugute kommen kann! – Danke schön!
Danke schön, Frau Kollegin Villbrandt! – Die Ausschussüberweisung wird gewünscht, und zwar an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales sowie an den Hauptausschuss. Wer diesen Ausschussüberweisungen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen außer den Grünen. Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bündnis 90 enthält sich in Teilen. Ersteres war die Mehrheit, dann ist das so beschlossen.
Zu Drucksache 16/0823 – also Tagesordnungspunkt 19 b – empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Widerspruch höre. Dann ist das so beschlossen.