Gregor Hoffmann

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ist es nicht Realsatire, wenn die ehemalige rote Sozialsenatorin in ihrer Leib- und Magenpresse unter der Rubrik „Fragwürdig“ die Bundespolitik für einen beklagenswerten Zustand
verantwortlich macht, den sie selbst in ihrer Amtszeit verschuldet hat?
Worum geht es? – Es geht um die Mobilitätshilfedienste, die Menschen mit Behinderungen unterstützen, aus ihren Wohnungen zu kommen, um am täglichen Leben teilhaben zu können. Mit ihren Schiebediensten bringen sie die Betroffenen zum Einkaufen, zum Arzt, zu Behörden, zum Treff mit Freunden oder fahren sie einfach nur spazieren. Diese Dienste wurden über den Ligavertrag finanziert, den es nicht mehr geben wird, weil die Nachfolgesenatorin harte Kante gegen die Treberhilfe zeigen wollte und deshalb gleich alle anderen Träger mit in die Haftung genommen hat.
Das heißt, niemand weiß, ob und wie die im Vertrag vereinbarten Leistungen weiter finanziert werden. Dabei stecken die Mobilitätshilfedienste in einem doppelten Dilemma. Auf der einen Seite mussten sie Kürzungen von über 300 000 Euro verkraften, indem feste Stellen reduziert und ganze Dienste eingedampft wurden, auf der anderen Seite wurde ihnen falsche Sicherheit durch RotRot suggeriert, indem das Verfahren gewählt wurde, die eigentlichen Basisdienstleistungen an den Menschen über Arbeitsmarktfördermittel zu gewährleisten. Das war ein kapitaler Fehler!
Schon bei der Einführung dieser Hilfskonstruktion haben Experten davor gewarnt, dass es ein Desaster geben könnte, wenn sich der Arbeitsmarkt einmal erholt und die erforderlichen MAE-Kräfte nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Zustand ist jetzt eingetreten. Es fehlen 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und was macht die ehemalige Sozialsenatorin? – Sie hat nichts Besseres zu tun, als ihr Schwarzer-Peter-Spiel weiter zu betreiben.
Nun könnte es ja sein, dass die zuständige Senatsverwaltung, die nun auch den Ligavertrag mit seinen Aufgaben an sich gezogen hat, bereits über ein Zukunfts- und Finanzierungskonzept für die Mobilitätshilfedienste verfügt. Doch angesichts der letzten Nachfragen im Sozialausschuss kann davon keine Rede sein. Das ist wieder ein Skandal von Rot-Rot in der Sozialwirtschaft in Berlin!
Dieser Senat ist aber in der Pflicht, die Mobilität behinderter Menschen zu unterstützen. Das ist gesetzlich in vielen Vorschriften geregelt, und das ist gut so, dass es gesetzlich geregelt ist.
Deshalb dringen wir darauf, dass er die Mobilitätshilfedienste ausreichend finanziell absichert und dabei seinen eigenen Zielvorgaben folgt. Ich zitiere aus der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU-Fraktion:
Das Leitziel in der in 2007 durchgeführten Strukturreform ist weiterhin der Aufbau eines bestandsfähigen Systems.
Dieser eigenen Forderung müssten Sie mal nachkommen. Es ist erschreckend, dass Sie das nicht tun!
Deshalb ist es nicht nur ein Aufruf, es ist eine Forderung an Sie, an die Regierungskoalitionen: Werden Sie nicht wortbrüchig! Handeln Sie nach den gesetzlichen Vorgaben, und nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung wahr und sparen nicht bei denen, die dringend der Hilfe bedürfen, nämlich bei den Behinderten! – Vielen Dank!
Werte Kollegin! Sie rechnen hier ein Beispiel vor, das überhaupt nicht in einem Zusammenhang zu sehen ist. Sie müssen Ihre Verantwortung für das Angebot sehen. Wir haben das Angebot in Berlin gehabt. Wir haben es im Landeshaushalt über die sozialen Liga-Verträge finanziert. Ihr Senat hat die Liga-Verträge aufgekündigt, Ihr Senat hat damals die Kürzungen vorgenommen, und heute beklagt derselbe Senat, oder besser noch die alte Senatorin, dass der Bund schuld sei an der Entscheidung, die Sie selbst getroffen haben. Wer hier die Leute in die Irre führt, das sind Sie!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut geht anders – wir haben das Thema des Sonderfahrdienstes heute zur Priorität gemacht, um deutlich zu machen, das Behindertenpolitik hier in Berlin mehr in den Fokus gehört.
Denn selten hat sich ein Thema so hartnäckig durch die Parlamentsarbeit dieser Legislaturperiode gezogen wie das des Sonderfahrdienstes für Menschen mit Behinderungen. Das ist jedoch kein Ruhmesblatt für die rot-rote Regierung, denn die Probleme von 2007 sind noch immer die Probleme von 2011. Trotz der vielen Beschwerden Betroffener, trotz der darauf fußenden Beschlüsse des Landesbehindertenbeirats und trotz der andauernden Kritik von Mitgliedern des Fahrgastbeirates haben SPD und Linke die realen Probleme der behinderten Nutzerinnen
und Nutzer des Sonderfahrdienstes kleingeredet, abgewehrt und ignoriert.
Diese Einschätzung deckt sich mit der vieler behinderter Menschen, die sich an das Parlament wendeten, sei es in persönlichen Briefen oder Petitionen. So ist in einem Brief einer Betroffenen an die Frau Vorsitzende des Sozialausschusses, der auch uns zur Kenntnis gegeben wurde, nachzulesen:
Ständig habe ich Ihnen und der politischen Leitung in der Vergangenheit konkrete Hinweise auf Mängel, Fakten und Kritik beim Sonderfahrdienst gegeben, aber ich hätte nicht erwartet, dass alle Probleme öffentlich geleugnet werden.
Das, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Skandal, dass die Sorgen und Nöte der Betroffenen nicht ernst genommen werden, weder von den Regierungsfraktionen – sonst sähe die Beschlusslage anders aus – noch von der Spitze der Verwaltung.
Diese verschanzt sich hinter fadenscheinigen Argumenten. Die praktische Problembewältigung hat sie sozusagen an das Landesamt delegiert oder outgesourct.
Ergebnis: Die Probleme werden seit Jahren verwaltet, aber nicht gelöst. Zu den Nutznießern dieses Systems gehört die vorherige Sozialsenatorin und der jetzige verantwortliche Staatssekretär. Bezugnehmend auf dessen Äußerung in der Ausschusssitzung am 24. März dieses Jahres, dass nun mal eine hundertprozentige Fehlerfreiheit eines solchen Systems nicht machbar sei, sage ich: Ja, Herr Fritsch, das stimmt sogar, das erwartet aber auch niemand von Ihnen, denn Sie sind ja nicht der liebe Gott! – Herr Fritsch! Frau Bluhm! Aber machbar ist, dass man aus Fehlern lernt. Machbar ist ein ordentliches Beschwerdemanagement. Machbar ist, die Betroffenen nicht mit 08/15-Schreiben abzuwimmeln, sondern persönliche Gespräche zu führen, eine bessere Erreichbarkeit der Telefonzentrale zu organisieren und eine freundlichen Umgangston zu pflegen. Machbar ist vor allem, dass die Sozialverwaltung endlich ihre Verantwortung wahrnimmt und gegenüber dem Dienstleister die notwendigen Vertragsstrafen ausspricht. Darauf kommt es an.
Anstatt hier deutlich Kante zu zeigen, will die Sozialverwaltung ohne Auflagen, ohne Vertragsänderung einfach in die Verlängerung gehen. Das lässt die Betroffenen nichts Gutes ahnen. Deshalb wird es wohl weiter Artikel über die unhaltbaren Zustände beim Sonderfahrdienst in der Behindertenzeitung und weitere Beschlüsse des Landesbeirats für Behinderte geben müssen.
Doch noch gibt es eine Möglichkeit für die Koalitionsfraktionen, das Ruder für die Betroffenen herumzureißen. Springen Sie heute über Ihren Schatten, und beschließen Sie unseren Antrag! Ergreifen Sie Partei für Menschen mit Behinderung! Stimmen Sie unserem Antrag zu, und
haben Sie Schneid, Ihre Fehler einzugestehen! Es geht hier schließlich um Menschen, die der Unterstützung bedürfen, und nicht um reine Machthaberei. Sie sind als Dienstleister für das Volk gewählt. Zeigen Sie sich als solcher!
Die Geschichte um den Bahnhof Karlshorst ist älter als das Jahr 2005. Dennoch möchte ich darauf Bezug nehmen. Dort heißt es in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage Drucksache 15/12874 von mir:
Unter der Voraussetzung des Regionalbahnhalts in Köpenick und Ostkreuz wird der Senat auf den Halt in Karlshorst verzichten.
In der Beantwortung einer bezirklichen Nachfrage im Jahre 2010 heißt es nunmehr:
Mein Haus hat zur Anbindung des Flughafens einen Halb-Stunden-Takt mit den Linien RE 7 und RB 14 bestellt. Mit Ihnen bin ich der Meinung, dass diese Linien am Bahnhof Karlshorst halten müssen. Daher habe ich im Regionalbahnhof Karlshorst Verkehrshalte vorgesehen, solange die DB AG diesen Bahnhof betreibt. Die von der DB AG angekündigte vorgezogene Schließung Ende 2012 des Regionalbahnhofes Karlshorst entspricht nicht den bisherigen Abstimmungen – REHalt bis 2014. – Dr. Kunst, SenStadt
Aus der Anfrage Drucksache 16/14337 ergeben sich zeitliche Bezüge und ein Zusammenhang mit dem Neubau des Regionalbahnhofs Köpenick – Eröffnung 2014 – und des Bahnhofs Ostkreuz mit Regionalbahnhalt 2015/2016. Ergänzend wurde festgehalten, dass die verkehrliche Anbindung der näheren Umgebung an den S-Bahnhof Karlshorst durch die mit GVFG-Bundesmitteln und Landesmitteln sanierte Straßenbahntangente – Linien M17/27/37 – sowohl aus Richtung U-Bahnhof Tierpark als auch aus Richtung Schöneweide gewährleistet sei. Darüber hinaus besteht eine Straßenbahnverbindung zum Bahnhof Ostkreuz mit der Linie 21. Des Weiteren verkehren unmittelbar im Einzugsbereich des Bahnhofs Karlshorst die Buslinien 296 und 396, die nicht nur die Anbindung des S-Bahnhofs und seiner Umgebung sichern, sondern auch Verbindungen zum U- und S-Bahnhof Lichtenberg sowie zum Bahnhof Nöldnerplatz herstellen.
In der Beantwortung der Anfrage Drucksache 16/14418 erklärte der Senat, dass die Offenhaltung des Regiohalts in Karlshorst nur bis zur Inbetriebnahme des Regiobahnhofs Ostkreuz unterstützt wird.
In der Anfrage Drucksache 16/14789 muss der Senat eingestehen, dass auch er nach mehrmaliger Aufforderung keine Unterlagen zur Planung der Regionalbahnhöfe Köpenick und Karlshorst erhalten hat. Auch in der Anfrage Drucksache 16/15026 aus dem Dezember 2010 ergibt sich kein klarer Planungskurs.
Nunmehr ist klar: Der Neubau des Regionalbahnhofs Köpenick ist gestorben. Ein Plan des Senats liegt nicht vor. Die ursprüngliche Zusage, neben dem Halt des Regio am Ostkreuz einen weiteren Haltepunkt der Regionalzüge im Ostteil unserer Stadt zu erreichen, scheint ohne erneute Anstrengung und einer klaren Bestellung durch den Senat völlig illusorisch zu sein. Neben dem S-Bahnchaos soll
auch noch ein Regiochaos entstehen. Doch wie soll dann die Mobilität der Berliner in diesem Teil der Stadt gewährleistet sein?
Bereits heute haben wir am bestehenden Bahnhof Karlshorst eine stetig steigende Nutzerzahl, inzwischen 1 900 Fahrgäste pro Tag – sicher auch durch das S-Bahnchaos. Aber das Vorhalten von Infrastruktur für MIV oder ÖPNV ist nun mal eine ureigenste Aufgabe des Gemeinwesens. Es ist erbärmlich, dass der Senat nicht in der Lage ist, eine vernünftige Infrastrukturpolitik in Berlin zu verfolgen. Bevor der Totalausfall im ÖPNV droht, braucht es mindestens den Erhalt des Status quo. Dazu bedarf es einer neuen Bestellung des Regionalbahnhalts am Bahnhof Karlshorst und der Sanierung desselben. Der Bahn ist zu verdeutlichen, dass dieser Halt zwingend einzuplanen ist. Vor Ort wurden durch Initiativen bereits mehr als 2 160 Unterschriften innerhalb von zwei Wochen gesammelt. Da bahnt sich etwas an.
Für Fahrgäste aus Richtung Erkner ist es übrigens die erste Umsteigemöglichkeit zum Flughafen, ohne ein sonst notwendiges Ergänzungsticket für den Tarifbereich A kaufen zu müssen. In Ostkreuz wäre dieses erforderlich. Darüber hinaus nutzen auch viele Studenten der nahegelegenen Hochschule für Technik und Wirtschaft den Regionalzug als tägliche Pendler oder Wochenendheimfahrer.
Wer mehr wissen will, kann dies gerne auf der Internetseite www.proregio-karlshorst.de erfahren.
Lassen Sie sich also nicht von unwirklichen Geschwindigkeitsargumentationen ablenken, die nicht der Wahrheit entsprechen, sondern fahren Sie einen klaren Kurs! Schaffen Sie Sicherheit im ÖPNV im Ostteil Berlins durch den Bestand des Regiohalts am Bahnhof Karlshorst. Die Parlamentarier bitte ich ausdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag, damit es auch morgen noch am Karlshorster Knoten heißen kann: Die Bahn kommt – und hält auch!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das soziale Gewissen der FDP kennen wir aus den Anträgen, die Herr Meyer im Hauptausschuss gestellt hat. Die Entlassung von Beschäftigten in Berlin – das ist das soziale Programm der FDP.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Henner Schmidt (FDP): Das soziale Programm der CDU ist Zuwachs der Beschäftigung im öffentlichen Dienst! – Weitere Zurufe von der FDP]
Ja, Beschäftigung schafft schnelle Entscheidungen. So ist das einfach. Ein gutes, florierendes Unternehmen zeichnet sich durch gute Beschäftigte aus.
So sehr ich es begrüße, dass von Ihnen ein Sozialthema zur Priorität gemacht wurde – das ist schon mal gut, und das kann ich als Sozialpolitiker nur gutheißen –, so wenig will ich in den allgemeinen Tenor des FDP-Antrags einstimmen und so tun, als müsste die Umsetzung des persönlichen Budgets für Menschen mit Behinderung im Land Berlin noch einmal erfunden werden. Das wäre sachlich und fachlich unredlich. Außerdem hat es hier keiner verdient, noch einmal über die Rolle und die Bedeutung Berlins belehrt zu werden.
Ich will aber einräumen, dass die Übersichtlichkeit zur Inanspruchnahme des persönlichen Budgets in Berlin zu wünschen übrig lässt, was sicherlich auch an den unterschiedlichen Leistungsträgern liegt, die diesen Rechtsanspruch für Menschen mit Behinderung umsetzen. Hier könnte in der Kommunikation einiges verbessert werden. Wie man der Beantwortung einer aktuellen Kleinen Anfrage entnehmen kann, ist ein solches Informationssystem jetzt im Aufbau. Ob es ausreichen wird, wird sich später zeigen.
Was weitere Aktivitäten des Senats betrifft, so kennen die Sozialpolitiker dieses Hauses das Modellprojekt zum persönlichen Budget, das im Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg lief. Die ausführlichen Informationen darüber sind in den Protokollen des Sozialausschusses nachzulesen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass sich alle Beteiligten am Modellprojekt die redlichste Mühe gaben, die notwendigen Informationen breit zu streuen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksämter, die man nämlich dafür braucht, zu qualifizieren. Nach Beendigung des Modellprojekts berät allerdings nur noch eine der gewesenen Projektkoordinatoren die Bezirke, und dies in Einzelfällen. Das ist meiner Meinung nach zwar ziemlich mager, doch man darf nicht vergessen, dass die Betroffenen selbst durch ihre eigenen Interessenverbände und die Sozialverbände umfangreich informiert werden.
Beispielsweise dazu hat jüngst beim DPW ein neues Projekt innerhalb seines Kompetenzzentrums persönliches Budget begonnen, um die Menschen mit Behinderung zur Inanspruchnahme desselben noch umfassender zu beraten.
Das in der Begründung genannte Nueva-Konzept wird jetzt im Landesamt für Gesundheit und Soziales über ein Projekt umgesetzt. Es startete vor wenigen Tagen. Viele andere im Antrag aufgeworfene Fragen sind bereits in der Kleinen Anfrage 16/14964 im Ansatz beantwortet worden. Wenn Sie, liebe Frau Senftleben, jetzt ebenfalls eine Kleine Anfrage zu den noch offen gebliebenen Fragen nachschieben, könnte die Debatte im Ausschuss sicherlich mehr davon profitieren als allein von der Aussprache zu diesem Antrag heute.
Vielleicht gibt es dadurch noch genügend Stoff, den Antrag zu modifizieren. Im Augenblick – ich muss es leider so hart sagen – ist er für die CDU-Fraktion so jedenfalls noch nicht zustimmungsfähig. Die schleppende Inanspruchnahme des persönlichen Budget liegt nach unserer Meinung jedenfalls nicht an fehlender Beratung und Information. Die Probleme sind vielfältiger und sind nicht zuletzt in den individuellen Situationen jedes einzelnen Menschen mit Behinderung begründet. Insofern geht es auch darum, ehrlich und fachlich zu diskutieren und nicht nur darum, zu irgendeinem Thema zu greifen, um es zur Priorität anzumelden. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem halben Jahr haben wir uns hier an gleicher Stelle schon einmal über Verhandlungen des Senats mit den Pflegekassen hinsichtlich der Tagespauschalen zu den Leistungskomplexen 19 und 38 gemäß § 89 des SGB XI und § 75 des SGB XII bei den Demenzkranken ausgetauscht. Darunter fallen die überaus wichtigen Leistungen zur Körperhygiene sowie zur Aktivierung der demenzkranken Patientinnen und Patienten.
Damals, kann ich mich erinnern, konnten wir den Argumenten der Grünen nicht folgen. Dieses Mal versuchen sie sich nun diesem Thema über den Status der Wohngemeinschaften für Demenz zu nähern. Dieser Weg scheint mir gelungener, denn es gibt durchaus eine innere Verknüpfung von Kontrolle und Kostentransparenz bei betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz. Doch diese Verknüpfung wird erst dann deutlich, wenn die Frage befriedigend beantwortet werden kann, ob denn nun wirklich alle Wohngemeinschaften für Demenzkranke unter das neue Berliner Heimgesetz fallen.
Das ist eindeutig nicht so. Es gibt Wohngemeinschaften, die laut Berliner Wohnteilhabegesetz ausdrücklich nicht zu den Wohngemeinschaften gezählt werden. Diese können darum in einem quasi nicht kontrollierten Raum agieren, was die Qualität der Pflege, die Einhaltung von Pflegestandards, aber auch die Kostentransparenz der Leistungen betrifft.
Dass solche Möglichkeiten mitunter zu Ungunsten der Pflegebedürftigen ausgenutzt werden, liegt auf der Hand. Ich selbst habe schon einmal solche Fälle in einer Sprechstunde für Demenzkranke erlebt oder mitgeteilt bekommen, die in mehreren Etagen von Wohnhäusern untergebracht waren. Da zu wenig Personal zur Pflege vorhanden war, irrten die Kranken hilflos umher.
Auch wegen solcher Vorkommnisse haben alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, große Erwartungen in das neue Wohnteilhabegesetz gelegt. Nicht ohne Grund hat gerade unsere Fraktion insbesondere um Definitionen und Begriffsbestimmungen hinsichtlich der Pflegeeinrichtungen und Wohngemeinschaften gekämpft. Wir wollten entgegen der üblen Unterstellung der damaligen Sozialsenatorin alle Angebote unter die Kontrolle der Heimaufsicht und des Medizinischen Diensts der Krankenkassen stellen.
Nun haben wir den Tatbestand, dass sogenannte anbietergesteuerte Wohngemeinschaften, um die es im Antrag ja geht, nicht unter das WTG fallen. Im § 4 werden diese Wohngemeinschaften, bei denen der Anbieter Träger der
Pflege und zugleich Vermieter der Räumlichkeiten ist, klar ausgeschlossen. Und jetzt rächt sich, dass Rot-Rot klüger sein wollte als die Praktiker. Sie haben damals in der Anhörung vor diesem Fehler gewarnt.
Das kann jetzt aber nicht mehr durch irgendeine Ausführungsvorschrift so geheilt werden, wie man sich das hier vorstellt. Nein, hier hilft nur eine Gesetzesänderung, und diese kann aus unserer Sicht greifen. Wir haben damals einen Vorschlag gemacht, der im Gesetzgebungsverfahren vorlag, nämlich eine Neuregelung des § 4. Diesem könnte man sich jetzt anschließen, und dann hätten wir zumindest eine Regelung, die für eine bessere Lage sorgen würde. In diesem Sinne sind Sie mit dem richtigen Thema ein Stück weit auf dem richtigen Weg. Wir hatten diesen Vorschlag schon einmal gebracht – nachzulesen in den Parlamentsdiskussionen – und bringen ihn gerne wieder ein. Man braucht eben ein gutes Gesetz, und man sollte die Praktiker immer anhören. – Besten Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass der Begriff „Maserati-Affäre“ eine gute Chance gehabt hätte, in Berlin das Wort des Jahres 2010 zu werden,
hat doch kein anderes soziales Thema die breite Öffentlichkeit so anhaltend in Wallung gebracht wie die Treberhilfe mit ihrem Chef, dem SPD-Genossen Ehlert. Was wurde dazu nicht alles in den letzten zehn Monaten geschrieben und geredet, um den berechtigten Empörungen Ausdruck zu verleihen! Wie viele Sitzungen wurde hier im Hause abgehalten, um die damit zusammenhängenden Fragen zu klären, und was wurde nicht alles versprochen, voran vom Senat, um mehr Licht in die Angelegenheit zu bringen! So war es auch richtig, dass sich die CDU mit an die Spitze der Fragesteller gestellt hat, um die Aufklärung voranzutreiben.
Doch der zugesagte und umfassende Bericht des Senats zur Überprüfung der Treberhilfe steht immer noch aus. Deshalb können sich – was ich übrigens für äußerst fatal halte, weil andere soziale Träger mitbeschädigt werden – vor allem rufmordartige Eindrücke und Vorurteile gegenüber freien Trägern verfestigen. Die können sich angeblich persönlich ungehindert an Steuergeldern bereichern, sie schaffen am Fiskus vorbei Geld beiseite und behandeln per se ihre Mitarbeiter schlecht, dafür bezahlen sie ihren Geschäftsführern fürstliche Gehälter und der Senat hat keine Einflussmöglichkeiten, um dem schändlichen Treiben ein Ende zu setzen – das ist genau das Falsche!
Am Ende des Tages verwundert den Bürger – so im Dezember letzten Jahres geschehen –, wie bei einem solchen Szenario eine Klage der Treberhilfe gegen den Senat vor dem Sozialgericht erfolgreich sein konnte. Und jetzt aufgepasst, es wird interessant, die Begründung des Gerichts lautete: Der Senat hat seine Behauptung, die Geschäfte der Treberhilfe seien unsachgemäß geführt worden, nicht belegen können. – Damit sind wir am eigentlichen Kern des Problems angekommen: Der rot-rote Senat hat in den vergangenen Jahren bei der Überprüfung von vertraglich vereinbarten Sozialleistungen versagt!
Er hat bis jetzt auch bei der Aufarbeitung des Skandals versagt und damit dem Ruf der sozialen Arbeit in der Stadt geschadet. Er hat vor allem bis heute noch nicht die richtigen Schlussfolgerungen aus diesem Dilemma gezogen, denn er hat erstens seine Kontrollmöglichkeiten, die er durch die bestehenden Leistungsverträge mit den sozialen Dienstleistern hat, nicht ausreichend wahrgenommen – er kann dort hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leitungen sehr wohl Überprüfungen vornehmen und Verträge kündigen oder neue Entgelte verhandeln, wenn seiner Ansicht nach entsprechende Leistungen nicht so erbracht werden, wie sie vereinbart wurden. Der Senat hätte also gerade bei der Treberhilfe bereits viel früher handeln können und kontrollieren müssen, hat aber auch in dieser Hinsicht in der MaseratiAffäre keine Initiative entwickelt.
Zweitens hätte er aufgrund des Treberhilfeskandals die Pflicht gehabt, umgehend die Rahmenverträge mit der Liga für den Bereich Jugend und Soziales neu zu verhandeln. In diese Grundsatzvereinbarungen können nämlich auch Festlegungen für tarifliche Bezahlungen und die Angemessenheit von Geschäftsführergehältern sowie Kontrollverfahren noch stärker vereinbart werden – da bestünde Handlungspotenzial. Doch auch in diese Richtung hat der Senat keine Initiative gestartet. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Einer davon könnte sein, dass der Senat Furcht davor hatte, dass die Träger dann mit Recht darauf pochen könnten, dass in die neuen Entgeltvereinbarungen die aktuellen tariflichen Bezahlungen der Mitarbeiterschaft eingerechnet werden müssten und der Senat dies entsprechend bezahlen muss. Dies hat er bekanntlich seit acht Jahren verweigert.
In diesem Punkt kommt nun auch die Gewerkschaft Verdi mit ins Spiel, die vehement für die Angleichung der Tarife bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der freien Träger eintritt. Gleichzeitig erstaunte Verdi die Öffentlichkeit mit der Meinung, dass fünf Prozent der Gelder für soziale Leistungen locker eingespart werden könnten, ohne dass die soziale Betreuung in der Stadt darunter leidet. Das mag sein, aber dann muss man auch etwas genauer hinsehen und herausarbeiten, welche Gelder wirklich falsch ausgegeben werden oder möglicherweise verzichtbar sind und wo sie zielorientiert benannt werden können. Ich kann stellvertretend, ohne den Stab darüber brechen zu wollen, das Stichwort Bude ohne Betreuung nennen.
Das Problem, das der Senat aber eigentlich hat, ist, dass er gar nicht so genau weiß, wo Über- und Unterversorgung vorliegt, denn es fehlt seit Jahren eine gesamtstädtische Sozialplanung – und das ist das politische Versagen, das dem Senat vorzuwerfen ist. Vielleicht wird der eine oder andere der Koalition hier auftreten und versuchen, das alles schönzureden, doch das ist absurd, denn der Senat hat im Zuge der sogenannten Aufarbeitung gleich den von ihm ungeliebten Ligavertrag mit abgeräumt, der als umfassender Zuwendungsvertrag für viele unterschiedliche Träger mit der entgeltfinanzierten Treberhilfe wirklich überhaupt nichts zu tun hatte. Das Ergebnis dieser Arbeit wird sein, dass sich die Kosten für die Verwaltung erheblich erhöhen werden; zur Bewältigung der genannten Probleme wird diese Entscheidung gar nichts beitragen.
Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu, denn er ist nach wie vor aktuell und schafft Regelungen und Möglichkeiten, aktiv zu werden, was der Senat seit Jahren nicht tut. – Vielen Dank!
Ich persönlich finde es extrem gut, dass die Grünen mit dieser Priorität das Thema „Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ heute aktuell in die Mitte des Parlaments heben. Möge es dabei dem Senat und insbesondere den Koalitionsfraktionen in den Ohren klingeln.
Gern erinnere ich SPD und Linke in diesem Zusammenhang an ihre Redebeiträge vom Mai 2008. Da äußerte z. B. die Vertreterin der Linken sinngemäß, dass man nur dann richtig in der Behindertenpolitik loslegen könne, wenn endlich auf Bundesebene die Konvention ratifiziert sei.
Nun ist sie seit mehr als zwei Jahren in Kraft, aber von Aufbruchstimmung und vorwärtsweisenden Impulsen vonseiten Rot-Rot ist nichts zu spüren. Ja, man kann sogar den Eindruck haben, dass eine gewisse Lethargie Raum gegriffen hat, wenn ich an die Diskussion des CDU-Antrages denke, der zum Thema Inklusion in der Schule vor wenigen Wochen hier im Hause stattgefunden hat. Es war nicht nur der späte Abend, der sich bemerkbar machte, sondern auch der Mehltau der üblichen rot-roten Floskeln, der sich darüber legte. So sagte die Kollegin von der SPD, ich zitiere:
Sie fordern jetzt... einen Masterplan... Ich habe den Verdacht, Sie wissen, dass daran gearbeitet wird. Es wird daran gearbeitet, schon längst.
Ja, wenn das so ist, liebe Damen und Herren von der Koalition, warum reden Sie dann nicht mit den Schulleitern, die sich erst kürzlich wieder darüber bitterlich beklagt haben, dass in diesem Bereich totale Funkstille herrscht? Fragen Sie mal die betroffenen Eltern! Die werden Ihnen erzählen, wo die Probleme seit Jahren liegen, wie beispielsweise im Schulhelferbereich. Selbst der Landesbehindertenbeirat stellte dazu resignierend fest, ich zitiere:
Seit der Resolution des Landesbeirates für Menschen mit Behinderungen vom September 2009 hat sich die Situation um die Schulhelfer für Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen nicht verbessert, sondern im Gegenteil sogar verschlechtert.
Vor diesem Hintergrund fürchte ich, dass der Beirat bald wieder eine Resolution verfassen muss, denn die geplanten Änderungen bei der Verordnung über sonderpädagogische Förderung von Kindern mit Behinderungen werden deren Situation in den Berliner Schulen noch weiter prekär werden lassen.
Das ist jedoch nicht die einzige Baustelle. Da ist zum Beispiel die Abschiebepraxis innerhalb der Berliner Verwaltung, behinderte Arbeitnehmer unverhältnismäßig oft in den Stellenpool zu versetzen. Da sind die noch immer ungeklärten Probleme innerhalb der Einzelfallhilfe für behinderte Menschen. Dieses Thema ist der Koalition übrigens so wichtig, dass gerade erst heute wieder zwei Anträge dazu abgelehnt wurden. Weiterhin ist zu nennen die neue Umstellungsbegutachtung in den Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, die ebenfalls auf deutliche Kritik des Landesbeirates gestoßen ist. Und nicht zu vergessen unsere Dauerbrenner Barrierefreiheit und Sonderfahrdienst! Es ist schon eine Schande, wie gerade mit den Nutzerinnen und Nutzern des SFD umgegangen wird. Weil sich der Service kontinuierlich verschlechtert und es auch zu heftigen Entgleisungen gegenüber Behinderten gekommen ist, reißen die Beschwerden und Eingaben nicht ab. Was macht der Senat? – Er macht keinen Finger krumm, um den Betroffenen zu helfen. Stattdessen wird schöngeredet, vertuscht und abgewiegelt. Nicht einmal die möglichen Sanktionen gegenüber dem Betreiber werden genutzt, sondern sein Vertrag wird auch noch verlängert. Da fühlen sich viele Behinderte und ihre Angehörigen regelrecht verhöhnt.
Solange sich der Senat einen solchen Umgang mit den Menschen mit Behinderungen erlaubt und vielfach deren Rechte, Bedarfe und Interessen unter den Teppich kehrt, so lange sind auch Entschließungen wie die vorliegende notwendig.
Die CDU-Fraktion wird dem Antrag der Grünen zustimmen.
Ich möchte in der Sache die Senatorin fragen: Ist es nicht ein Stück weit Willkür, mit der Sie vorgehen, wenn Sie auf der einen Seite feststellen, dass die Leistungsangebote gut und ordentlich sind – und dies von den Bezirken bestätigt wird –, und auf der anderen Seite sagen, es werde kein Geld mehr geben, unabhängig davon, auf welche Art und Weise die Arbeitsleistung erbracht worden ist? Das ist doch das Austragen einer politischen Handlung zulasten der Beschäftigten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Senator Wolf! Bleiben Sie bei der Wahrheit: Im Gegensatz zu Ihnen war ich damals nicht Mitglied dieses Parlaments.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Begründung, die Frau Radziwill hier abgeliefert hat, von Rot-Rot auch noch Beifall zu bekommen – das zeigt einiges und zeigt vor allem, dass Sie offenbar überhaupt kein Verständnis für diejenigen haben, die gelitten haben und die in einer Situation sind, die viel mehr Anerkennung und Würdigung verdient hätte.
Es ist auch eine Schande, wie mit dem Antrag in den zuständigen Ausschüssen verfahren wurde. Er wurde ohne Aussprache durchgewinkt und abgelehnt, obwohl der Inhalt in seiner menschlichen wie politischen Dimension uns alle angehen müsste.
Um wen und was geht es? – Es geht um die Aufnahme einer Bedürftigengruppe in den Berlin-Pass, die unser aller Anerkennung und ein Stück weit auch den Dank verdient.
Es sind die Opfer des DDR-Regimes, die wegen ihrer politischen Haltung mit Drangsalierung, Verfolgung, Freiheitsentzug, Einweisung in die Psychiatrie, langjährigen Haftstrafen, Zwangsarbeit und Berufsverbot belegt worden sind. Das muss man offenbar in Erinnerung rufen. Viele dieser Menschen leider auch heute noch, nach 20 Jahren deutscher Einheit, an den Spätfolgen der Repressalien des SED-Staates. Diese Menschen, meine Damen und Herren von der SPD und der Linken, leben überwiegend in bescheidenen materiellen Verhältnissen. Sie befinden sich zudem aufgrund ihrer Gewalterfahrung und ihrer vielfach gebrochenen Biografien in einem äußerst schlechten Gesundheitszustand und können nicht am Erwerbsleben teilnehmen. Eine Studie des thüringischen Sozialministeriums ergab, dass 38 Prozent aller SEDOpfer im Vergleich zu den anderen Menschen ihrer Altersgruppe über ein unterdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen verfügen. 10 Prozent leben mit einem Einkommen unter 500 Euro in Armut, und nur 20 Prozent zählen zu den Normal- und Besserverdienenden.
Nun höre ich schon als erstes Gegenargument, da gebe es doch eine Opferrente. Das ist richtig, doch auch diese orientiert sich an der wirtschaftlichen Bedürftigkeit und
führt nicht dazu, dass den Betroffenen mehr zur Verfügung steht als den Menschen, die von Hartz IV leben.
Das zweite Gegenargument ist der Hinweis, dass man doch gar nicht wisse, wie viele Personen es in Berlin betreffe. Darauf ist man schon eingegangen. Dem kann ich auch gern noch mal abhelfen: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales teilte am 13. August dieses Jahres mit, dass es 7 275 Anträge genehmigt habe und noch 300 offen seien. Was bedeutet das für den Berlin-Pass? – Das bedeutet die Erweiterung eines Berechtigtenkreises von 700 000 Personen um ca. 7 500 Personen. Das ist, da bin ich ganz der Meinung von Frau Pop, eine verkraftbare Größe.
Da wird als Gegenargument vorgetragen, es gebe keine finanziellen Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund, dass die Sozialsenatorin in ihrer Presseerklärung vom 5. Januar dieses Jahres verbreiten ließ, dass es ihr persönliches Ziel sei, noch mehr Anbieter und Nutzer für das Projekt Berlin-Pass zu begeistern, verwundert das. Offensichtlich blieb die Begeisterung gerade für diesen speziellen Personenkreis der SED-Opfer aus. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Da, wo man sich bekennen kann, sollte man sich auch bekennen!
Deswegen appelliere ich von dieser Stelle aus an Sie, an die Mehrheit der Abgeordneten dieses Hauses: Wenn Sie nicht wollen, dass ein völlig falsches Signal an die Öffentlichkeit geht, dann überdenken Sie Ihr Abstimmungsverhalten noch einmal! Lassen Sie nicht zu, dass die Ablehnung dieses Antrags als schäbiges Verhalten und Doppelmoral gegenüber den Opfern der SED in die Berliner Parlamentsgeschichte eingeht! Machen Sie aus den Lippenbekenntnissen Ihrer Feiertags- und Gedenkreden Taten, und stimmen Sie diesem Antrag zu! Wir werden ihm auch zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Teilhabe und Bildungschancen für die Kinder in der Bundesverantwortung“ ist im Grunde die Überschrift. Die CDU sagt ganz klar Ja zur Teilhabemöglichkeit für Kinder bei der Musikschule, beim Förderunterricht, beim Mittagessen und auch bei Sportvereinen.
Endlich kommt sie – mit der Union! Schönen Dank an die Union!
Ja, das ist für mich Ihr Problem – dass Sie an dem Thema vorbeidiskutieren! Die Sachleistung ist ein gerechter Weg. Wir kennen die Wirklichkeit. Wir wissen, dass es dort Probleme gibt, und wir wissen, dass es auf Unterstützung ankommt.
Wir reden über ganz konkrete Maßnahmen. Wir reden darüber, dass bei Bedarf ein Atlas zur Verfügung gestellt wird, dass es einen Taschenrechner gibt, dass es für Eltern die Entscheidungsfreiheit gibt, welchen Verein sie für ihr Kind wählen.
Wir reden darüber, dass es einen Familienlotsen geben wird,
der im Jobcenter sitzt und für Unterstützung sorgt, um Vereinsarbeit zu ermöglichen, um mit den Familien den Bedarf zu besprechen. Das sind die Punkte, um die es geht. Dieses Paket schafft Zukunft und Vertrauen. Das ist genau das Richtige, was wir erreichen müssen.
Und damit wir auch über die Höhe reden können, will ich mal ein Beispiel ausrechnen. Es heißt ja immer, dass das alles ganz furchtbar sei. Wir nehmen einmal den Normalfall – zwei Erwachsene, zwei Kinder – an. Da kommen wir auf 1 813 Euro Nettoeinkommen, ohne Rundfunkgebühr. Jetzt tun Sie doch nicht so, als ob man dafür auf der Straße liegen müsste. Das ist die verlogene Debatte. Es ist sicherlich nicht einfach, mit dem Geld auszukommen, aber 1 813 Euro netto ist auch nicht nichts. Das muss einmal deutlich gesagt werden.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Wie haben Sie denn sichergestellt, dass die Arbeitsaufnahme, die demnächst in der Abwicklung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales stattfinden wird, angesichts der Kompliziertheit der Verfahren schnell erfolgt, und wie wird sichergestellt, dass das Parlament informiert wird, da es sich hier um eine mittlere Behörde handelt?
Ich frage den Senat:
1. Welche Abstimmungen und Vereinbarungen gibt es zwischen dem Finanzsenator und der Sozialsenatorin, wo und in welcher Größenordnung die angekündigten Einsparungen der sozialen Leistungen erfolgen sollen?
2. Welche Einsparungen wird es hinsichtlich der auslaufenden Liga- und Stadtteilzentrenverträge geben?
Frau Senatorin! Wie erklären Sie sich denn die Ankündigungen des Finanzsenators, ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich deutliche Einsparungen vornehmen zu wollen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ja immer gedacht, dass jetzt noch eine andere Aktivität von der SPD kommt. Aber da kommen wieder viele Phrasen, viele Blasen, großes Gerede, nichts dahinter. Und, Herr Isenberg, Sie haben selbst bewiesen, dass Sie gar nichts von dem Antrag der Grünen verstanden haben. Sie haben eine Generaldebatte über alles Mögliche gehalten, aber nichts Konkretes gesagt.
Wer von uns möchte seine alten und gegebenenfalls an Demenz erkrankten Angehörigen nicht gut versorgt wissen, wenn die Pflege in der eigenen Familie nicht erfolgen kann? Ich glaube, dass dies alle wollen und das auch erwarten, wenn sie ihre Angehörigen in die Hände professioneller Pflege geben. Aus diesem Grund ist das Anliegen der Grünen-Fraktion, die sich in ihrem Antrag um eine qualitativ gute Pflege für demenzerkrankter Patientinnen und Patienten, insbesondere in ambulanten Wohngemeinschaften, sorgt, verständlich und unterstützenswert. Die zentrale Frage, die es heute jedoch noch einmal zu klären gilt, ist, ob der von den Grünen vorgeschlagene Weg auch wirklich zu diesem Ergebnis führt. Wir haben da unsere Zweifel.
Der Vorschlag, Qualitätskriterien an die Pflegeleistungskomplexe, also an die Pflegetagespauschalen, die mit den Kassen vereinbart und finanziert werden, anzukoppeln, bedenkt die Mehrdimensionalität von Qualität in der Pflege nicht ausreichend. Beispiel: Hinter dem im Antrag angeführten Pflegekomplex 19 verbergen sich alle Leistungen zur Körperpflege, wie z. B. Kämmen, Waschen, Ankleiden, Lagern oder Hilfe bei der Nahrungsaufnahme usw. Was soll bei diesen Leistungen als Qualitätskriterium gelten? Wie oft z. B. das Haar gebürstet, mit welcher Seife die Waschung vorgenommen oder
auf was für einem Teller beispielsweise die Nahrung gereicht wird? – Sie merken, es ist äußerst kompliziert, Qualität in so allgemeingültigen Kriterien zu fassen, dass
sie für jede Bewohnerin und jeden Bewohner persönlich auch wirklich erfahrbar wird. Daran wird deutlich, dass mehr dazu gehören muss als die Einhaltung von Pflegestandards, die die Grundlage für die Berechnung der Tagespauschalen für die Leistungskomplexe bilden. Was gehört also dazu, um gute Qualität zu garantieren? Die wichtigsten Eckpunkte für mich sind ein ausreichendes, geeignetes und gut ausgebildetes Fachpersonal mit hoher sozialer Kompetenz, ein den Bedingungen und den Bewohnern angepasstes Pflegekonzept, geeignete Wohnbedingungen, vielseitige und aktivierende Angebote, bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung sowie der respektvolle Umgang mit den Bewohnerinnen und Bewohnern, der ihr Recht auf Selbstbestimmung – da bin ich ganz bei Ihnen – unbedingt einschließt. Das alles erreichen Sie aber nicht über die Pflegeleistungskomplexe 19 und 38. Hier sind Selbstverpflichtung der Träger sowie die Einhaltung der Pflegecharta gefragt. Ebenso halte ich eine ständige Selbstevaluation der Träger hinsichtlich der Einhaltung von Qualität sowie eine kontinuierliche Kontrolle von außen durch den Medizinischen Dienst der Kassen und durch die Heimaufsicht für unerlässlich. Aber auch die Familien spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle, indem sie sich aktiv um die Angehörigen kümmern.
Wir als CDU werden uns deswegen bei dem Antrag der Grünen enthalten, auch wenn er ein wichtiges und sehr bedeutendes Thema anspricht und auch ein Detailproblem erörtert, das die SPD hier jedenfalls noch nicht verstanden hatte. – Vielen Dank!
Wunderbar! – Ich freue mich; nach diesen vielen Fragen, die Sie an uns gerichtet haben, darf ich Ihnen eine zurückgeben. Sagt Ihnen das Konzept des Smart Shopper etwas? Wie, denken Sie, wird die Zukunft aussehen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich höre gerade, dass die Senatorin vermisst wird. Vielleicht kann organisiert werden, dass sie zu einem Gesetzesthema anwesend ist.
Selten – vielleicht will sie dieser Kritik entgehen, aber sie entkommt ihr nicht – hat eine Gesetzesvorlage so wenig Zustimmung in der breiten Fachöffentlichkeit gefunden wie das heute zur Abstimmung vorliegende Wohnteilhabegesetz des rot-roten Senats, das das Heimrecht des Bundes ablösen soll. Dabei sollte es ein ganz großer Wurf werden. Doch was kam heraus? – Eine drittklassige Vorlage, der auch nach mehrmaliger Überarbeitung viel Kritik zuteil wurde. Wer das heute wieder bestreitet, unterstreicht damit nur, dass er das Anhörungsergebnis vom Januar einfach nicht zur Kenntnis nehmen will und sich damit die Gesetzesvorlage schönredet.
Aber auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gesetzesinhalten war von Rot-Rot nicht gewollt. Das ging von der Düpierung Anzuhörender im Sozialausschuss bis hin zu Ignoranz und Ungeduld im Gesundheits
hausschuss: Man habe viel zu lange darüber geredet, und nun sei mal Schluss. – So geht man nicht mit solch einem wichtigen Gesetz, das so viele Menschen betrifft, um.
Für uns und insbesondere für die, die sich später mit diesem Gesetz abplagen müssen, ist noch lange nicht Schluss, denn es bleibt bei den grundlegenden Kritikpunkten, von denen ich hier noch einmal einige wichtige benennen möchte.
Erstens: Der Senat war nicht in der Lage, obwohl er es mehrfach angekündigt hat, eine gemeinsame Regelung mit Brandenburg zu vereinbaren, obwohl es wichtig gewesen wäre.
Zweitens: Die Verwendung der Begrifflichkeiten stationäre, teilstationäre bzw. gemeinschaftlich betreute Wohnform entgegen dem Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz führt dazu, dass die gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen bei den Unterbringungsformen bereits jetzt schon nicht mehr adäquat abgebildet werden. Das macht sich insbesondere an der Wohnform der Behindertenhilfe fest, die mit ihren fachlichen Standards und Besonderheiten nicht genügend berücksichtigt wird, §§ 2 bis 4. Ebenso betrifft das die undifferenzierten Anforderungen an die Leistungserbringer aller betreuten Wohnformen in den §§ 11, 17, 23 und 29.
Drittens: Es wird mit einer Vielzahl unklarer Rechtsbegriffe gearbeitet, was die Handhabbarkeit und Verständlichkeit einengt und zu große Ermessensspielräume eröffnet. Als Beispiel zähle ich § 1, Ziele des Gesetzes, heran. Diese teile ich inhaltlich. Ich halte sie jedoch über das Ordnungsrecht für nicht umsetzbar, weil Standards und Maßstäbe dafür fehlen. Ich frage Sie: Was hilft es, ein lyrisches Gesetz zu verabschieden, wenn in der Praxis dessen Auswirkung nicht rechtsstabil ist?
Ordnungsrecht und Leistungsrecht werden nicht sauber getrennt. So wird über das Ordnungsrecht versucht, den Anbietern weitere Leistungen aufzuerlegen, obwohl sie personelle und finanzielle Ressourcen dafür weder haben noch bekommen sollen – § 10.
Fünftens: Die Anforderungen an die Leistungserbringer hinsichtlich der Dokumentation erhöhen den derzeitigen Verwaltungsaufwand und führen zu weiterer Bürokratie – §§ 16, 13 und 6. Ebenso führt die Prüfung gleicher Tatbestände durch den medizinischen Dienst der Kassen und die Aufsichtsbehörde zu Doppelungen, die eher zu mehr Kontrollbürokratie führen und den Aufwand erhöhen.
Sechstens: Es gibt viel zu viele Regelungen, die sich in Rechtsverordnungen ergehen sollen, die uns nicht vorgelegen wurden. Da sehen wir ein Transparenzproblem; es wird ja immer wieder über Transparenz gesprochen, und dieses Gesetzesverfahren, dieses Gesetz beweisen, dass es nicht um Transparenz geht. Dies zeigt auch ein weiteres Beispiel: Der Senat hat heute seine Stellungnahme zu dem
Gesetzentwurf veröffentlicht, und er macht deutlich, dass er es schon am 1. Juli in die Tat umsetzen möchte. Das zeigt, dass es bei dieser Frage nicht mehr darum geht, die Regelungen ordentlich und im Sinne aller Beteiligten und auch der Fachöffentlichkeit zu treffen, sondern nur darum, ein schnelles Gesetz auf den Weg zu bringen, damit man ein Thema los wird. So kann man keine Politik gestalten!
Es wäre klug gewesen, sich mehr Zeit zu nehmen, mehr Qualität in das Gesetz zu packen und dafür zu sorgen, dass wir mit dem Gesetz dazu kommen, mehr Qualität für die Berlinerinnen und Berliner zu erreichen.
Das gelingt Ihnen nicht!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der neue Vorsitzende, Herr Kugler, hat deutlich gemacht, dass die Arbeit fortgesetzt werden kann, die bis zur kürzlich stattgefundenen Veränderung von Herrn Hillenberg begleitet wurde. Der Petitionsausschuss hat in seiner besonderen Arbeit, nämlich immer auf ein konkretes Bürgeranliegen bezogen, einiges erreichen können. Es ist eine gute Arbeit, die in einer anderen als der üblichen parlamentarischen Form stattfindet und ganz konkret viel für die Bürger erreichen kann.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen, bei dem wir – auch, wenn es einige Zeit gedauert hat – bis hin zu einer Verordnung eine Veränderung herbeiführen konnten. Es handelt sich um das Thema Giftschlangen. Es gab einen Petenten, der gute Gründe für eine Veränderung der Berliner Gesetzeslandschaft vorgetragen hat. Der Petitionsausschuss hat sich für diesen Petenten eingesetzt und über die Debatten in den jeweiligen Fraktionen bis hin zum Senat dafür Sorge getragen, dass wir heute eine veränderte Verordnung haben. Das macht den Wert des Petitionsausschusses und der Arbeit seiner einzelnen Mitglieder deutlich, die versuchen, im Sinne der Bürger konkrete Dinge zu verändern. Damit wird ein besserer Bezug zwischen Politik und Bürgeranliegen geschaffen. Das macht den Wert der Ausschussarbeit aus.
Ich möchte mich auch im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeitern bedanken, die diese Arbeit hervorragend vorbereiten. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Ich sehe gerade, dass die zuständige Senatorin nicht da ist. Das ist bedauerlich.
Kann sie vielleicht an unserer Debatte teilnehmen?
Wenn die ganze Aufregung um die Treberhilfe nicht nur heiße Luft bleiben soll, dann müssen daraus die richtigen Konsequenzen gezogen werden.
Das heißt, dass man auch Fehleranalyse betreiben und die Lücken im System aufspüren muss. Das muss man auch wollen. Das wäre ein guter Satz in Richtung der Senatorin, wenn sie denn da wäre. Man müsste regelmäßige
Kontrollen durch die Kostenträger durchführen, und die Weiterentwicklung der Rahmenverträge gehört auch dazu. Vor allem ist die Einrichtung einer Prüfabteilung auf Senatsebene erforderlich, denn wenn ich niemand habe, der weiß, was er prüfen kann, brauche ich mich nicht zu wundern, dass nichts geprüft wird.
Wenig hilfreich ist das Zetern um die zu hohen Entgelte, und noch weniger hilfreich ist die Drohung des Finanzsenators, man werde zwar weiter mit den Trägern kooperieren, aber von nun an nicht mehr in gleicher Augenhöhe, wie im „Tagesspiegel“ vom 29. April 2010 nachzulesen ist. Transparenzregeln für die Träger und Dienstleister sind richtig, aber sie allein führen auch nicht zu den gewünschten Ergebnissen, wenn die Kostenträger – also Senat und Bezirke – ihren Kontrollpflichten nicht nachkommen.
Es gibt diese Kontrollmöglichkeiten für die Kostenträger, obwohl in vielen Diskussionen gerade dies von Senatsvertretern immer wieder bestritten wurde. Angeblich böten die geltenden Verträge keine Basis dafür. Aber das ist wie so vieles – wie z. B. die Black Box der Sozialsenatorin – nichts als Legendenbildung, und das muss endlich aufhören.
So kann beispielsweise jetzt schon über den aktuellen Berliner Rahmenvertrag Jugend geprüft werden, ob die Abschlussvoraussetzungen für den Leistungsvertrag noch gültig sind, Vertragsverletzungen vorliegen, Entgeltminderungen angezeigt sind oder sogar Neuverhandlungen bzw. Kündigungen notwendig werden. Das sind die Nrn. 7, 15, 20.2 und 13.2. Ähnliche Möglichkeiten bietet der Rahmenvertrag Soziales in 12.5 und 18.4.
Doch der Senat hat die Möglichkeiten nicht mit der notwendigen Konsequenz genutzt und den Treberhilfeskandal erst möglich gemacht. Das ist der politische Skandal in diesem Fall.
Ebenso können wir dem Senat den Vorwurf nicht ersparen, dass er die bestehenden Rahmenverträge seit Jahren nicht nachverhandelt hat – unter dem Vorwand, der Bund müsse erst die notwendige rechtliche Basis dafür liefern. Aber auch das ist Legendenbildung. Das unterstreicht sogar die eigene Antwort des Senats zu unseren Anfragen zur Treberhilfe in der Vorlage rote Nr. 2010 des Hauptausschusses, in der deutlich wird, dass noch nicht einmal alle bundesrechtlichen Vorgaben sowie die allgemeinen Grundsätze des Rechts der öffentlich-rechtlichen Verträge in der Berliner Vertragsgestaltung Eingang gefunden haben. Da verwundert es nicht, dass hier in Berlin offensichtlich mehr Trägheit als Aktivität herrscht.
Deshalb ist es von immenser Bedeutung für die Zukunft der sozialen Dienstleistungslandschaft in Berlin, ob und wie die Rahmenverträge neu verhandelt werden, damit Lücken im Prüfsystem geschlossen werden. Dabei sollte
man sich gut überlegen, ob es sinnvoll ist, den angedachten Transparenzkodex, der ohne Frage seine Berechtigung hat, zu weiten Teilen in die Rahmenverträge zu pressen. Damit wird – so fürchte ich – das erforderliche Kontrollsystem mit allgemeinen Verhaltensregeln überlagert und nicht rechtssicherer. Das muss mit den Trägern und sozialen Dienstleistern intensiv beraten werden. Dazu sind vom Senat unverzüglich die Voraussetzungen zu schaffen, um gemeinsam die Rahmenverträge weiterzuentwickeln. Insbesondere sind wirksame Kontrollinstrumente und sinnvolle Prüfzeiträume zu verabreden. Die Vertragspartner sind dazu bereit, denn auch ihnen ist daran gelegen, den durch die Treberhilfe stark ramponierten Ruf so schnell wie möglich wiederherzustellen.
Gute Verträge sind die eine Seite der Medaille. Die andere ist deren Kontrolle, denn wenn ich nicht kontrolliere, was ich per Vertrag einfordere, kann ich letztendlich auch nicht für den Erfolg garantieren. Darum ist es beklagenswert, dass sich dieser Senat aus dieser entscheidenden Kontrollfrage völlig heraushält, um Leistungssicherheit und Wirtschaftlichkeit für Berlin und für die Anbieter auf der einen Seite und vor allem für die Leistungsempfänger zu garantieren. Deswegen ist unser Antrag so wichtig und unterstützenswert, damit sich in Berlin etwas bewegt. – Vielen Dank!
Werte Kollegin! Es gibt aber einen Unterschied, ob ich in der Senatsregierung sitze mit einer zuständigen Fachverwaltung und die Kontrollfunktion habe oder ob ich hier die Möglichkeit habe, auf die Berichte der Regierung zu reagieren. Oder würden Sie mir da nicht recht geben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Präferiert der Senat angesichts der neuen Möglichkeiten den Schritt hin zu einer Optionskommune?
2. Begrüßt der Senat die neuen Vorschläge der Bundesarbeitsministerin für mehr Beschäftigungsmöglichkeiten der Jobsuchenden?
Herr Präsident! Man ist ja auch erschlagen nach so einer ausführlichen Antwort. Ich freue mich natürlich, dass der Senat die Initiative der Bundesministerin von der Leyen begrüßt. Dennoch würde mich interessieren, welche Maßnahmen denn der Senat ergreift, und vor allem, wann damit zu rechnen ist, dass die Entscheidung bezüglich der Optionskommunen getroffen werden kann. Welchen Zeitplan hat sich denn der Senat da gesetzt?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Radziwill! Als Sie versucht haben, uns zu erklären, dass es ein normaler Vorgang sei, wenn der ehemalige SPDAbgeordnete Ehlert um die 35 000 Euro im Monat verdient, war ich schockiert von Ihrer Aussage.
Es geht schon lange nicht mehr nur um den einsamen Maserati, sondern um die Verschwendung von Steuergeldern, um Selbstbedienung unter dem Mantel der Gemeinnützigkeit und auch um Filz, wie es der „Berliner Kurier“ titelt. Welch ungeheurer Flurschaden durch den ehemaligen SPD-Abgeordneten und Geschäftsführer der Treberhilfe hinsichtlich der sozialen Arbeit in Berlin angerichtet worden ist, ist noch gar nicht abzusehen.
Doch neben den materiellen Schäden gibt es jetzt schon weitreichende ideelle Kollateralschäden, die meiner Meinung nach von großer Bedeutung und Langzeitwirkung sind. Dazu gehört, dass in kürzester Zeit der Ruf der vielen seriösen sozialen Dienstleister gleich mit ruiniert wurde, das Vertrauen vieler Menschen in die Träger sozialer Arbeit in den letzen Wochen rapide geschwunden ist und das Zutrauen vieler Berlinerinnen und Berliner in den Staat, Selbstbedienung und Verschwendung von öffentlichen Geldern Einhalt gebieten zu können, zurzeit gegen Null tendiert.
Diese Vertrauenskrise hat der Senat durch sein kritikwürdiges Verhalten selbst verschuldet, denn es mangelt an Transparenz bei der Mittelvergabe Verwaltung, und es mangelt seit Jahren am notwendigen Finanzcontrolling. Routinekontrollen hinsichtlich der Vertragserfüllung und der vereinbarten Dienstleistungen sind weitgehend unbekannt, und selbst auf wiederholte Verdachtsmomente wegen Unwirtschaftlichkeit oder sonstiger Mängel wird nicht reagiert, auch wenn – wie bei der Treberhilfe oder jetzt, bei Independent Living – diese seit langem presseöffentlich sind. Dieser unhaltbare und skandalöse Zustand muss umgehend geändert werden, denn Experten vermuten, dass die Treberhilfe nur die Spitze des Eisbergs sei. Neueste Meldungen scheinen dies zu bestätigen.
Während sich die sozialen Träger bzw. Dachverbände bereits öffentlich dazu bekannt haben, ihrer Verantwortung zu mehr Transparenz verstärkt nachkommen zu wollen, sieht der rot-rote Senat in seinem eigenen Verhalten immer noch keine Fehler. Er verdrängt, dass er durch mangelnde Kontrolltätigkeit und durch Untätigsein erst ein System ermöglicht hat, in dem persönliches Fehlverhalten wie das des benannten SPD-Abgeordneten Ehlert jahrelang ungehindert blühen und gedeihen konnte.
Aus diesem Grund ist dieser Senat mit verantwortlich für die Misswirtschaft in diesem Bereich, und das seit mehreren Jahren. Es ist ja nicht so, dass wir gestern einen Regierungswechsel hatten, sondern Sie haben zehn Jahre Regierungszeit auf dem Buckel, und dafür tragen Sie die Verantwortung.
Und wenn dann noch – wie schon so oft – geradezu in dreister Weise versucht wird, die Verantwortung für die Berliner Fehlentwicklungen dem Bund zuzuschieben, dieser habe die Blackbox gemeinnütziger Dienstleister gewollt, Kontrollrechte des Senats gebe es nicht, sie würden geradezu durch Bundesrecht verhindert – diese Unverfrorenheit und bewusste Irreführung der Öffentlichkeit ist reine Ablenkung und zeigt nur das deutliche Versagen dieses Senats.
Nach SGB VIII, XI und XII sind Rahmenverträge mit den Verbänden für den Abschluss von Verträgen mit sozialen Dienstleistern vorgeschrieben. Dort können sehr wohl Überprüfungsgrundsätze sowie Inhalte und Verfahren zur Wirtschaftlichkeit wie auch eine angemessene Vergütung des Personals hineingeschrieben werden. Es ist sogar möglich, die einzelnen Kostenpauschalen aufzugliedern, um mehr Transparenz in die Verwendung der Finanzmittel zu bringen. Es gibt also aus dieser Hinsicht keine Verbote, wie hier suggeriert wird. Hätte der Senat diese Grundsätze beherzigt und wäre er manchen Hinweisen gefolgt, die durch Presse, Gewerkschaften und Beschwerden von Einzelpersonen vorgebracht wurden, sowie den Mitteln und Möglichkeiten gefolgt, die selbst der geltende Rahmenvertrag bereits enthält, so wäre es nicht zu diesen
empörenden Entwicklungen bei der Treberhilfe gekommen.
Wir fordern deshalb den Senat auf, aus seinem eigenen Versagen endlich vor allem die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und aktiv Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört, umgehend den noch geltenden Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII gemeinsam mit den Verbänden zu überarbeiten und wirksame Kontrollmechanismen, wie zum Beispiel anlassbezogene Prüfungen, zu verabreden. Unerlässlich für mehr Transparenz sind unserer Ansicht nach auch Pflichten der Träger zur Veröffentlichung etwa der Besetzung der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, der Mitarbeitervertretung, der Gehälter und Löhne sowie der Darstellung des Jahresüberschusses und seiner Verwendung und eines standardisierten Jahresberichts.
Doch was für das Vertragsrecht gilt, muss dem Grunde nach auch für den Zuwendungsbereich gelten. Hier riecht es insbesondere im Bereich der vielen Sonderprogramme geradezu nach Willkür und Vergabe der Mittel nach Gesinnung. Eine echte nachvollziehbare Kontrolle gibt es bisher nur beim Liga-Vertrag. Es ist auch kein Geheimnis, dass das Parlament nicht genügend informiert, sondern in diesen Fragen in erster Linie zur Kopfnickerbrigade des Senats degradiert wird. Meine Fraktion jedenfalls will sich das nicht länger bieten lassen. Deshalb fordern wir mehr Transparenz ein.
Berlin hat viele Probleme und viel zu viele, um sich Intransparenz, mangelnde Kontrolltätigkeit und Steuergeldverschwendung des Senats noch länger leisten zu können. Deshalb brauchen wir Konsequenzen und klare Beschlüsse. Darum bringen wir auch entsprechende Anträge ein. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ja, die Kenntnis der Bundesgesetze scheint Ihnen noch nicht so ganz gegenwärtig zu sein. Die Regelungen, die Sie treffen, gelten hier, das ist Ihr Rahmenvertrag, den Sie mit der Liga geschlossen haben. Der bildet die Grundlage. Die bundesgesetzliche Regelung verbietet keine Kontrolle und verbietet keine Transparenz.
Das ist es, worum es hier geht.
Es geht auch nicht um die Frage,
ob die CDU für den Markt ist. Ja, wir sind für einen Markt, und das ist auch richtig so.
Dieser Markt sichert Qualität und Transparenz.
Das ist genau das, was er schafft. Er schafft Wirtschaftlichkeit, und er schafft Qualität. Deshalb konnte sich die Leistung auch entsprechend verbessern. Was Sie wollen, ist noch mehr Wischiwaschi,
weil Sie sich mit Controlling und Finanzen nicht auskennen.
Das ist Ihr politisches Manko. Das ist genau die Fehleinschätzung, mit der Sie auf den Bund zeigen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist am Anfang wieder der Versuch unternommen worden, alles auf den Bund zu schieben. Das war die politische Strategie, aber sie ist nicht aufgegangen.
Sie ist nicht aufgegangen, Frau Senatorin Bluhm, weil Sie eingestanden haben, dass Sie jetzt handeln wollen. Jetzt, nach mehreren Jahren wollen Sie handeln. Sie sehen Handlungsspielräume in Berlin, und das sind genau die, die wir benannt haben und einfordern. Man sieht also: ganz klare Verantwortung hier im Land Berlin!
Warum ist das so? – Ganz einfach! Wir haben ein System, wo der Bund sagt, er will Qualität und Wirtschaftlichkeit sichern. Deswegen schafft er diesen Rahmen, und das Land ist für die Kontrolle zuständig und regelt das über einen Vertrag – über einfaches Vertragsrecht.
Ja, im Einvernehmen! Vertragsrecht ist immer im Einvernehmen, sonst kommt ja kein Vertrag zustande. – Da sitzen also alle an einem Tisch, verhandeln und beschließen. Insofern stellt sich natürlich die Frage: Warum wurde bisher nicht in dem Rahmenvertrag geregelt, dass es keine Personenidentität gibt?
Warum wurde nicht geregelt, dass es Aufsichtsgremien geben muss? Warum wurde nicht geregelt, wie man mit den Personalmitteln umgeht? – Sie können sicher sein: Wenn Sie in den Bereich Transparenz hineinbringen und den Vertrag verbessern wollen, haben Sie unsere Unterstützung. Aber das lenkt nicht von der Verantwortung ab, die Sie haben und die Sie auch bisher als Senat und als rot-rote Regierung hatten. Es zeigt umso mehr, wie verfilzt die Beziehungen in dem Geflecht offensichtlich sind.
Tarifliche Anreize gibt es übrigens bereits jetzt schon, und es gibt viele Träger, die vertraglich entsprechend ihren Tarifverträgen Gehalt bezahlen. Das ist auch für die Träger eine Selbstverständlichkeit, und für uns ist es das Zeichen dafür, dass es viel Seriosität in diesem Markt gibt. Die seriösen Anbieter leisten eine gute Arbeit für die diejenigen, die berechtigt sind, entsprechende Leistungen zu empfangen. Da ist die Union an der Seite derer, die sich seriös und transparent – wie viele andere sicher auch – verhalten.
Ich will noch etwas zu den Überschüssen sagen, denn es wird immer so dargestellt, als sei das eine große Blackbox. Die Überschüsse sind eine Selbstverständlichkeit. Sie dienen der Investition für den Zweck der Gesellschaft, und dieser Zweck dient dem Bürger, der die Leistungen empfängt.
Deswegen ist es sinnvoll, dass es Überschüsse gibt, sonst könnte nämlich eine solche Pflegeeinrichtung beispielsweise keine Sanierung vornehmen und kein neues Gebäu
de errichten. Dafür brauchen sie entsprechende Überschüsse in den Rücklagen, denn sie müssen diese Überschüsse für den Zweck verwenden, und dafür ist es ein vernünftiges System.
Aber eine Frage haben Sie nicht beantwortet – weder im Ausschuss noch hier: Haben Sie bislang ein einziges Mal Ihre Kontrollmöglichkeiten nach dem jetzigen Vertrag genutzt?
Sie sind die Antwort schuldig geblieben, weil Sie sie nicht genutzt haben, und das ist der Vorwurf, der berechtigt ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gerade deutlich geworden, dass dies das eigentliche Thema ist, das wir heute hätten beraten sollen.
Die Maserati-Affäre sowie das in den letzten Tagen bekannt gewordene persönliche Fehlverhalten des ehemaligen SPD-Abgeordneten und Geschäftsführers der Berliner Treberhilfe, Harald Ehlert, haben jetzt zur Folge, dass die gesamte Arbeit der Sozial- und Wohlfahrtsverbände in Berlin in negative Schlagzeilen und damit in die öffentliche Kritik geraten ist. Das schadet den Trägern, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das schadet dem Berliner Hilfesystem insgesamt und letztendlich den Menschen in unserer Stadt, und das dürfen wir nicht zulassen!
Der Dachverband der Treberhilfe hat übrigens umgehend die richtigen Konsequenzen gezogen und ist um umfassende Aufklärung bemüht – dafür sollten wir ihm Anerkennung zollen.
Doch das allein stellt das erschütterte öffentliche Vertrauen in die Trägerlandschaft so schnell nicht wieder her, vor allem beantwortet es nicht die Frage, wie es möglich war, dass die ungeheure Selbstbedienung des TreberhilfeChefs so lange unerkannt und ohne Folgen bleiben konnte.
Die CDU-Fraktion sieht den Senat in unmittelbarer Mitverantwortung. Er ist es, der mit seiner Methode und der Taktik des Verschleierns systematisch am Parlament vorbei die Verteilung öffentlicher Gelder an eine Vielzahl von Projekten und Trägern betreibt. Die Folge ist, dass er selbst einräumen musste, keinen vollständigen Überblick mehr über den Zuwendungsbereich zu haben – nachzulesen im „Tagesspiegel“ vom 25. Februar 2010. So kann mit Verweis auf den jetzigen Skandal um die Treberhilfe mit Fug und Recht gesagt werden: Dieser Boden wurde mitbereitet durch das Fehlverhalten des Senats!
Durch seine in vielen Teilen nicht transparente Vergabe- und Zuwendungspraxis, durch sein ungenügendes Controlling und durch die fehlende Sozial- und Sozialstrukturplanung begünstigte er das Entstehen von Wildwuchs, Filz, Vettern- und Misswirtschaft.
Was muss die Konsequenz sein? – Natürlich mehr Transparenz und Kontrolle bei der Vergabe und Verwendung öffentlicher Gelder. Deshalb müssen nach Ansicht der CDU-Fraktion folgende Verfahrensweisen zur Selbstverständlichkeit werden:
Erstens: Der Senat unterrichtet das Parlament in regelmäßigen Abständen, welche Träger für welche Dienstleistungen aus welcher Finanzierungsquelle – Bund, Land, Bezirk, europäische Mittel, Arbeitsmarkt – in welcher Höhe finanziert werden.
Zweitens: Der Senat vereinbart vertraglich mit den Trägern, wie die Kostenaufteilung für die vereinbarten Dienstleistungen erfolgen darf – einschließlich der Personalkosten und der Kosten für die Geschäftsführer.
Ja, da reden Sie nur von der Linken – ein Handeln kann man in den letzten acht Jahren nicht feststellen!
Das ist ein Grund für die Aktualität, dieser Vorfall ist ein ganz aktueller Grund! –
Drittens: Der Senat vereinbart vertraglich das Controlling hinsichtlich der Leistungserbringung sowie die Vertragsstrafen, falls der Vertrag nicht eingehalten wird.
Viertens: Die Ergebnisse der Kostensatzverhandlungen mit den Trägern über die Finanzierungshöhe sozialer Dienstleistungen sind dem Parlament unaufgefordert zur Kenntnis zu geben.
Fünftens: Der Senat legt eine Sozialplanung vor, damit klar wird, welche sozialen Dienstleistungen insgesamt angeboten werden und erforderlich sind.
Was für die freien Träger gilt, muss natürlich auch für die Träger gelten, an die der Senat Aufgaben ausgelagert hat – ich denke da an die Verteilung europäischer Mittel bei den Trägern, die ein Finanzvolumen in mehrstelliger Millionenhöhe bewegen. Hier kann von Transparenz keine Rede sein – weder über die Personalkostenstruktur, noch über die Genehmigungskriterien bis hin zur Auswahl der Träger.
Anstatt einen weiteren Runden Tisch zu inszenieren, muss der Senat endlich mehr Transparenz in die Vergabe und Verwendung öffentlicher Mittel bringen. Das ist er dem
Elke Breitenbach
Steuerzahler und dem Parlament schuldig, damit wir mehr Transparenz erreichen und Klarheit über die Ausgaben haben, die wir als Steuerverwalter für die Bürger tätigen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die jüngste Studie der Bertelsmannstiftung hat nur bekräftigt, was alle hier eigentlich wissen müssten:
Das Armutsrisiko ist deshalb in Berlin am größten, weil es an einer gezielten Familienbildungs- und Arbeitsmarktpolitik fehlt.
Deshalb gibt es in Berlin eine Arbeitslosigkeit, die doppelt so hoch liegt wie im Bundesdurchschnitt. Sie bildet sogar seit Monaten das Schlusslicht der neuen Bundesländer, also hinter Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.
Deshalb gibt es in Berlin ein besonders niedriges Einkommensniveau. So liegt das mittlere Haushaltsnettoeinkommen nur bei 1 475 Euro. 2002 waren es noch 1 500 Euro. Deshalb wohnen in Berlin die meisten Transferleistungsempfänger. So bezieht jeder fünfte und in Problemgebieten sogar jeder vierte Berliner Transfereinkommen. Im Bundesdurchschnitt ist es jeder Zehnte. Des Weiteren ist Berlin seit Jahren durch eine besonders hohe Anzahl von Schulschwänzern und Schulabbrechern, fortschreitende Segregation von Menschen mit Migrationshintergrund sowie zunehmende soziale Entmischung in den Kiezen und von Armut ganzer Bevölkerungsteile gekennzeichnet.
Wer sagt, er müsse hier erst Lösungsansätze finden, wie Herr Wowereit unlängst in der „Welt am Sonntag“ äußerte, hat nicht nur zugegeben, dass seine jahrelange Politik gescheitert ist, sondern dass er auch die Entwicklung in den letzten Jahren verschlafen oder schlichtweg ignoriert hat.
Was dabei besonders erstaunt, ist die Tatsache, dass der Senat seine eigene Sozialberichterstattung nicht ernst zu nehmen scheint. Ein besonderes Bespiel dafür ist das jetzt jährlich erscheinende Sozialmonitoring von Prof. Häußermann, welches von Fachleuten und vom Senat selbst als Frühwarnsystem für die Sozialpolitik in Berlin bewertet wird. Wenn man sich einmal die Berichte chronologisch vornimmt, kommt man schon ins Grübeln, warum erst jetzt die Alarmglocken bei Herrn Wowereit und seiner Mannschaft schrillen. 2004, da hatte Rot-Rot schon drei Jahre regiert und einen noch nie da gewesenen Sozialabbau betrieben, sodass die Sozial- und Wohlfahrtsverbände auf die Straßen gingen, wurde unmissverständlich darauf hingewiesen, dass sich in den Innenstadtbezirken soziale
Brennpunkte entwickelt und auch in einigen Außenbezirken etabliert hätten.
2006 wurde die weitere Verdichtung der Problemgebiete verdeutlicht und 2007 die traurige Botschaft vermittelt, dass sich trotz Quartiersmanagement dieser Trend nicht habe aufhalten lassen. Erinnern wir uns: Gerade auch in diesen Jahren wurden weitere Absenkungen der Regelleistungen durch Rot-Rot vollzogen, wie z. B. bei den Hilfen zur Erziehung, und zahlreiche Jugendeinrichtungen in den Bezirken mussten schließen. 2008 konnte trotz vieler Millionen für das Quartiersmanagement keine Entwarnung gegeben werden. Im Gegenteil waren sogar Quartiersmanagementgebiete weiter abgerutscht, ohne dass daraus jemals die richtige Schlussfolgerung gezogen worden wäre. Für 2009 erfolgte die Feststellung, dass die fünf Innenstadtbezirke endgültig zu Ballungszentren von Armut und Arbeitslosigkeit mit allen dazugehörigen Problemen geworden waren, ebenso die Außenbezirke, die bereits 2004 im Visier standen. Die bittere Wahrheit ist also, dass aus all diesen wirklich guten Analysen keine adäquaten Aktionen erfolgten.
Rot-Rot blieb dabei, auf der einen Seite die Regelangebote bis zur Arbeitsunfähigkeit weiter auszudünnen und auf der anderen Seite Millionenbeträge für kurzfristige Aktionen, die nur wenige Menschen erreichen, regelrecht aus dem Fenster zu schmeißen. Dazu kommen die lahme Wirtschafts- und Ansiedlungspolitik, die mit zu hoher Arbeitslosigkeit und fehlender Wirtschaftskraft beiträgt, die unzureichende Berliner Arbeitsmarktpolitik, die diesen Namen eigentlich gar nicht verdient, die defizitäre Bildungspolitik, die zu viele junge Menschen ohne Abschluss oder Ausbildungsreife aus der Schule entlässt, und die armselige Familienpolitik der rot-roten Koalition, der es bis heute nicht gelungen ist, Berlin familien- und kinderfreundlich zu gestalten.
Zudem hat sich Rot-Rot als äußerst verbraucherunfreundlich entpuppt. So gab es von 2001 bis jetzt erhebliche Preis- und Gebührensteigerungen, angefangen von Grundsteueraufkommen über Abwasserpreise und Stromtarife bis hin zu erheblichen Mietsteigerungen. Diese sind zwischenzeitlich zu einem der drückendsten Probleme für viele Berlinerinnen und Berliner mit niedrigem Einkommen geworden.
Besonders zu kritisieren ist auch das Unvermögen dieses Senats, eine ressortübergreifende Strategie für eine ausgewogene Sozialpolitik in dieser Stadt zu entwickeln. Das beste Beispiel sind die parallelen Pressekonferenzen von zwei Senatoren in Berlin zum Thema soziale Stadt. Jeder wurstelt vor sich hin und bastelt an kurzfristigen Projekten. Es gibt keine Sozialplanung, keine Nachhaltigkeit und wöchentlich eine Kolumne von dem Neuköllner Bür
germeister, in denen er sich über Multiproblemlagen seines Bezirks beklagt.
Was hat Herr Wowereit die ganze Zeit getan? – Er ist gerade letzte Woche aufgewacht und hat – wie schon erwähnt – gesagt, er müsse hier einen Lösungsansatz finden. Dabei liegt es auf der Hand, welche Fehler zuerst korrigiert werden müssen, und das sind insbesondere drei Dinge: