Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Wir haben gesagt: Wir wollen dieses Geld nehmen – auch Ihr Gepöbel und Gegröle ändert an dieser Feststellung nichts, Herr Kollege Esser! – und eine Vorsorge treffen. Genau das tun wir auch. Wir nehmen jetzt dieses Geld und führen es in eine Rücklage über.

Dann haben Sie als Opposition die ganze Zeit darüber gebrütet. Das war ja auch gut. Das habe ich mit Wohlwollen und Interesse begleitet und mir selbst die gleichen Fragen gestellt, nämlich: Was ist die beste Form, mit dieser Einnahme, die wir aus dem Verkauf erzielen, umzugehen? Ist es am klügsten, ein Sondervermögen zu machen – so, wie der Finanzsenator das selbst ursprünglich angedacht hat? Das war auch eine Überlegung von uns und den Kollegen in der SPD. Oder finden wir eine andere Form, in der dieses Geld am besten angelegt ist? Wie machen wir das am

klügsten? – Das, hoffe ich, war auch Ihre Überlegung. Man muss in der nüchternen finanzpolitischen Abwägung der Möglichkeiten, die ein Sondervermögen auf der einen Seite bietet, und den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die eine Rücklage enthält, feststellen, dass die Rücklage das bessere wirtschaftliche Ergebnis mit sich bringt. Das ist die einfache, banale und nüchterne Feststellung. Das ist schon fast eine politikfreie Feststellung, weil sie mathematisch begründet ist. Der Zinsertrag, den wir uns ersparen, ist höher als das, was wir durch die uns auferlegten konservativen Anlagestrategien im Rahmen eines Sondervermögens aktuell erzielen könnten. Deshalb wählen wir die Form der Rücklage und nicht – wie von Ihnen vorgeschlagen – das Sondervermögen, so einfach sind die Dinge manchmal.

Sodann empören Sie sich ganz furchtbar darüber, dass wir einen Teilertrag, nämlich die stille Einlage, anders verwenden als Sie es sich wünschen. Sie gehen da mit einer Position hausieren, die eine gefährliche und zutiefst unseriöse Konnotation hat.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Sie sagen, die Tatsache, dass wir das Geld zur Absenkung der Neuverschuldung verwenden – also weniger Schulden aufnehmen –, sei eine Verschleuderung von Vermögen und würde in die Randbereiche der Untreue hinüberführen. So, Herr Kollege Esser, kann man das nicht machen,

[Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

das ist zutiefst unseriös. Wir haben uns seinerzeit im Rahmen der Krise der Bankgesellschaft Geld leihen müssen, um eine Einlage bei der Bank zu machen, um sie zu stabilisieren. Dafür haben wir die Neuverschuldung erhöht. Jetzt planen wir, die Rückführung der stillen Einlage dazu zu nutzen, die Neuverschuldung zu verringern, also Schulden zurückzuzahlen, die wir seinerzeit zweckgerichtet für die Stabilisierung der Bankgesellschaft aufgenommen haben. Das ist in jeder Hinsicht eine sachgerechte Verwendung der stillen Einlage. Was Sie uns unterstellen, ist in jeder Hinsicht unzutreffend.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Weil das, was wir tun, sich sowohl auf Feststellungen des Haushaltsgesetzgebers als auch auf die Verfassung von Berlin gründet und auch auf die Landeshaushaltsordnung, die die von der Verfassung geforderte gesetzliche Grundlage für die Verwendung solcher Einnahmen darstellt, und weil die Landeshaushaltsordnung explizit feststellt, dass es u. a. im Ermessen der Senatsverwaltung für Finanzen steht, wann bestimmte Beträge sachlich richtig zu verbuchen sind, weil wir also in jeder Hinsicht frei sind, diese Einnahme im Jahr 2008 für den Landeshaushalt zu verbuchen, glaube ich, dass Sie mit Ihrer angedrohten erneuten verfassungsrechtlichen Überprüfung nichts anderes tun, als den Gestus der Empörung, der Kriminalisierung, des zweckfreien Rechtspositivismus, der immateriellen Haushaltspolitik, die keine inhaltliche Fundierung mehr hat, vorzuführen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter bei den Grünen]

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen dabei, aber seien Sie versichert, damit beeindrucken Sie uns nicht. Deshalb danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch eine gute Reise auf Ihrem Weg. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Wechselberg! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Kollege Meyer das Wort. – Bitte schön, Herr Meyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zackenfels und Herr Wechselberg! Sie haben sich in Ihren Redebeiträgen ein bisschen über den Elan dieser Nachtragshaushaltsberatungen beschwert. Eines der Hauptprobleme, die wir bei den Beratungen hatten, ist, dass wir einen veralteten Zahlenteil im Nachtragshaushalt beraten mussten. Wir haben auf knapp 15 Seiten eine mehr als dünne, mehr als schlampige Beratungsvorlage vom Senat erhalten. Außer Senator Wolf hat sich kein weiterer Senator während der Nachtragshaushaltsberatungen in den Hauptausschuss verirrt, und auch Herr Sarrazin – soweit zum Thema Priorisierung – hält es nicht für nötig, hier anwesend zu sein. Das zeigt sehr gut, wie Sie mit dem Haushaltsgesetzgeber umgehen. Man muss sich nicht wundern, dass sich die Intensität der Nachtragshaushaltsberatungen dem Niveau dieser Beratungsvorlage angepasst hat.

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege Meyer! Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Senator Sarrazin entschuldigt ist und insofern Ihre Kritik ins Leere geht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das mag ja sein, dass er entschuldigt ist. Als es hingegen um das Thema seiner Missbilligung ging, hat er seinen Termin offensichtlich verschieben können, dementsprechend hätte er das auch jetzt tun können. Dass er das nicht tut, zeigt deutlich, welche Priorität er dem Nachtragshaushalt einräumt.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Herr Zackenfels – wollen Sie etwas fragen?

[Stefan Zackenfels (SPD): Ja!]

Dann tun Sie das bitte, wenn Herr Momper Ihnen das Wort erteilt.

Herr Kollege Zackenfels, bitte!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Herr Meyer! Sie gehören doch zu der Fraktion, die als erste wieder mit Herrn Oettinger frühstücken geht, wenn der Finanzsenator nicht an der Föderalismuskommission II teilnimmt. Ich finde es mehr als unredlich von Ihnen, mehrfach darauf hinzuweisen – –

[Zurufe von den Grünen – Joachim Esser (Grüne): Das ist unglaublich!]

Dann frage ich Sie, ob Sie vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Finanzsenator heute bei der Föderalismuskommission ist, nicht Ihre entsprechende – –

Herr Kollege Zackenfels! Die Frage ist verstanden, es ist nicht zulässig, daran die Erklärung anzuhängen! – Bitte schön, Herr Meyer, fahren Sie fort!

Ich weiß nicht, ob man so eine Fragestellung noch kommentieren muss. Wenn man sich die Ergebnisse der Föderalismuskommission II in Bezug auf den Elan anschaut, den der Senat einbringt, muss man feststellen, dass es egal ist, ob Herr Sarrazin anwesend ist oder nicht. – Oh, Herr Wowereit ist auch noch da!

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Stellen Sie sich das mal vor!]

Herr Zackenfels! Wenn Sie den aktuellen Statusbericht Ihres Senators, den Sie so in Schutz nehmen, gelesen hätten, dann hätten Sie auch die Begründung gehabt, warum wir über den Änderungsantrag zumindest einen Teil des Zahlenteils korrigieren wollen, um zu einem dann ausgeglichenen Haushaltsplan 2007 zu kommen. Daran ist nichts verwerflich.

Das Zahlenwerk des Nachtragshaushalts ist relativ entlarvend bezüglich Ihrer Haushaltspolitik. Wenn Sie sich die Ausgabenseite anschauen, dann stimmt es nicht, was Sie vorhin behauptet haben, dass Sie die Ausgaben im Griff hätten. Wir haben einen Aufwuchs von über 400 Millionen € – hauptsächlich im Transferbereich – im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsplan. Wenn auf der Einnahmeseite nicht 2,5 Milliarden € hinzugekommen wären, dann hätten wir im Sommer 2007 darüber beraten müssen, dass der ganze Konsolidierungserfolg, den Herr Sarrazin stets behauptet hat, gerade nicht eingetreten wäre. Sie hätten dann vor dem Scherbenhaufen Ihrer Haushaltspolitik gestanden. Wenn man sich die 2,5 Milliarden € Mehreinnahmen anschaut, muss man feststellen, Herr Wechselberg, dass es aus Sicht der Linken schon etwas peinlich ist, wenn Sie 500 Millionen € über Privatisierungseinnahmen als Einnahme verbuchen. Das ist genau

das Gegenteil Ihres Ansatzes. Sie sagen doch stets, Sie wollen nicht privatisieren, Sie wollen keine Vermögensaktivierung betreiben, das schreiben Sie auch in Ihren Wahlprogrammen. Die Realität sieht dann offensichtlich etwas anders aus.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Über die Steuermehreinnahmen von 2 Milliarden € freuen wir uns in der Tat, auf der anderen Seite haben wir bei der Begründung der Aktuellen Stunde gehört, dass Berlin beim Wirtschaftswachstum wieder hinterherhinkt, sodass wir uns hier mit fremden Lorbeeren schmücken. Deswegen können wir Herrn Wechselbergs großartiges Ergebnis, wie Sie es soeben bezeichnet haben, nicht ganz nachvollziehen, zumindest nicht aus Sicht dessen, was der Senat bzw. das Land Berlin selbst geleistet hat.

Aufgrund der Dürftigkeit dieses Zahlenmaterials hat man sich im Wesentlichen darauf fokussiert, über die Frage zu debattieren, wie der Veräußerungserlös der LBB verbucht wird. Die Rechtslage ist relativ klar: Gemäß der Landeshaushaltsordnung und der Verfassung Berlins sind die Einnahmen im Haushaltsplan abzubilden. Da das nicht passiert, können Sie sich nicht beschweren, dass wir Sie stellen. Das größte Problem aus unserer Sicht ist mittlerweile, dass Herr Sarrazin im Hauptausschuss deutlich gemacht hat, dass er offenbar noch andere Rücklagen am Haushalt vorbeilenkt. Hierbei – und da hatten meine Vorredner von der CDU und den Grünen recht – geht es um das Selbstverständnis des Parlaments. Da geht es darum, inwieweit das Parlament es zulässt, dass die Senatsverwaltung für Finanzen an Einnahmetiteln und entsprechend an Ausgabetiteln vorbei Rücklagen unterhält. Dies ist unabhängig von der Frage des LBB-Veräußerungserlöses eine spannende Frage, mit der wir uns zum einen aufgrund eines WPD-Gutachtens auseinandersetzen müssen, zum anderen, wenn die Verantwortung des WPD so ist, wie wir es erwarten, auch vor dem Verfassungsgericht.

Wenn man sich anguckt, wie die Senatsverwaltung mit Rücklagen umgeht, ist es nicht verwunderlich, dass wir als Opposition ein Mindestmaß an Transparenz einfordern, was die Buchung dieser Veräußerungserlöse angeht. Am Anfang waren wir ein bisschen zwiespältig, aber das Sondervermögen ist der einzige Garant dafür, dass wir eine transparente Abrechnung und einen Wirtschaftsplan bekommen. Da Sie uns allen Anlass dafür gegeben haben, misstrauisch zu sein, werden wir uns dem Antrag der CDU anschließen. Es ist schade, dass wir Sie wieder über eine juristische Auseinandersetzung zwingen müssen, die Rechte des Parlaments hochzuhalten. Vielleicht verstehen Sie es, wenn Sie ein Ergebnis vom Verfassungsgerichtshof bekommen haben, und machen es uns in Zukunft ein bisschen einfacher. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Meyer! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zum SondervermögenRisikoübernahme-Gesetz empfiehlt der Hauptausschuss gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen die Ablehnung. Wer dem CDU-Antrag Drucksache 16/0734 jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU, die FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind SPD und Linke. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen? – Sehe ich nicht!

Hinsichtlich des Nachtragshaushaltsgesetzes lasse ich zuerst über den Änderungsantrag der Oppositionsfraktionen abstimmen. Wer der Drucksache 16/0871-1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind FDP, CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind SPD und Linke. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag damit abgelehnt.

Zum Nachtragshaushaltsgesetz 2006/2007 empfiehlt der Hauptausschuss die Annahme, und zwar mit Änderungen, gegen die Stimmen von CDU, Grünen und FDP. Wer der Beschlussvorlage Drucksache 16/0740 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 16/0871 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die SPD und die Linke. Die Gegenprobe! – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das Nachtragshaushaltsgesetz 2006/2007 so beschlossen. Enthaltungen? – Sehe ich nicht!

Zum dringlichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU, der Grünen und der FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag Drucksache 16/0324 dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind FDP, CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe, bitte! – Das sind SPD und Linke. Letzteres war die Mehrheit. Dann ist der Antrag damit abgelehnt. Enthaltungen? – Sehe ich nicht!

Die lfd. Nrn. 7 bis 18 stehen auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 19:

a) Beschlussempfehlung

Kein Straßenneubau I: Verzicht auf die Ost-West-Trasse durch die Wuhlheide

Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/0846 Antrag der Grünen Drs 16/0330

b) Beschlussempfehlung