Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Die Umweltzone ist nicht nur sinnlos, sie ist auch chaotisch geplant. Sie haben diese willkürliche Beschränkung auf die Innenstadt. Was sagen Sie nun den Leuten, die an den Ausfallstraßen wohnen? Es ist nicht nur die Silbersteinstraße, es ist das Adlergestell, die Prenzlauer Promenade, die Heerstraße, Unter den Eichen. Sind das Bürger zweiter Klasse, die in ihrer Gesundheit nicht geschützt werden? Werden sie durch die Umleitung des Verkehrs nicht noch zusätzlich belastet? Das haben Sie nicht beantwortet.

Die Fahrzeuge mit geringen Kilometerleistungen haben Sie ausgeblendet, die Oldtimer, nur die eigenen Fahrzeuge des Senats nicht. Da haben Sie begründet, dass sie nicht nachgerüstet werden müssen, weil sie so geringe Kilometerleistungen haben. Da nützt auch nicht der Verweis auf die Fahrzeuge, die bereits die Anforderungen erfüllen. Interessant sind doch die Fahrzeuge, die die Anforderungen nicht erfüllen. Von denen gibt es beim Senat viel zu viel.

[Beifall bei der FDP]

Sie haben das Thema Tourismus völlig ausgeblendet. Nicht nur, dass die Nachrüstung eines Busses 10 000 € kostet, was eine ganze Menge ist, sondern für die Touristen stellen Sie sich vor, dass sie ihre Autos an der Zonengrenze parken können, möglichst noch mit Gepäck beladen.

Dann machen sie sich auf den Weg in die Innenstadt und suchen eins Ihrer Ämter. Sie haben nicht einmal einen richtigen Parkplatz, weil den Park & Ride-Parkplätzen, die die FDP im Haushalt beantragt hat, von Ihnen nicht zugestimmt wird. Und was ist mit den Ämtern am Wochenende? Online, was die CDU zu Recht fordert, geht auch nichts. Trotz aller E-Government-Ansätze in dieser Stadt kann man auf diesem Weg keine Plakette bekommen. Die armen Touristen stellen ihre Autos vor der Stadt ab.

Problematisch ist auch unser fünfter Komplex, nämlich die Wirtschaftsbelastung. Auch bei den Zahlen, die Sie genannt haben, ist klar, dass angesichts der Lage vieler Handwerksbetriebe in Berlin eine Menge diese Todeszone nicht überleben werden.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Die Handwerkskammer schlägt schon seit langer Zeit Alarm. Wenn die CDU jetzt fordert, dass die Handwerksbetriebe zwei bis vier Jahre später sterben, ist das zwar eine interessante Verlagerung, löst aber nicht das Problem. – Herr Pflüger ist zwar gerade nicht da, aber das muss man ihm einmal sagen.

Zum angedachten Kreditprogramm des Senats haben Sie sehr schön gesagt, Frau Lompscher, Sie könnten nicht sagen, ob das jemand haben wolle. – Natürlich will es keiner haben, weil jemand, der sich kein Auto leisten kann, sich erst recht keinen so hoch verzinsten Kredit, den er nicht zurückzahlen kann, an den Hals hängen will.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Sie werden viele kleine Unternehmen schwer belasten, und zwar für einen nicht nachweisbaren, rein theoretischen Nutzen. Da mögen Sie so viele Simulationen entwickeln, wie Sie wollen: Messbar ist dieser Nutzen nicht. Sie haben dafür einen hohen Preis zu zahlen, nämlich die kleinen Unternehmen, die daran scheitern werden.

Insgesamt zeigt sich: Die Umweltzone ist wirkungslos, chaotisch, überbürokratisch, und sie wird viele Betriebe gefährden. Deshalb sagt die FDP-Fraktion: Stoppen Sie, soweit es jetzt noch geht, diesen blinden Aktionismus! Nutzen Sie die Gelegenheit, vernünftige, wirksame Alternativen zu entwickeln! Ziehen Sie nicht einfach diesen sinnlosen Plan stur durch! So können Sie zeigen, dass Ihnen die Gesundheit und das Wohlergeben der Bürger und die Umwelt dieser Stadt am Herzen liegen. Für vernünftige Maßnahmen erhalten Sie die Unterstützung der FDPFraktion, für diese sinnlose Umweltzone aber mit Sicherheit nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Buchholz das Wort. – Bitte, Sie haben noch sechs Minuten!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Schmidt! Sie haben 28 Fragen ins Parlament eingebracht. Ich glaube, Sie haben bei der Beantwortung keiner einzigen Frage durch die Senatorin zugehört, geschweige denn verstanden, was gesagt wurde. Wäre das der Fall, dann könnten Sie das, was Sie an Unhaltbarem gesagt haben, nicht vertreten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Formulierung „Todeszone für kleine und mittelständige Betriebe“ ist an den Haaren herbeigezogen. Das wird sich als hohle Phrase entlarven, obwohl Sie und leider auch Teile der IHK und des ADAC die Berlinerinnen und Berliner und die Gewerbetreibenden permanent verunsi

chern. Sie sind Mitverursacher für das Chaos in der Stadt – niemand sonst.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Man muss auch einmal realistisch sehen, wie sich das mit den Touristen verhält. Jeder denkt: Oh Gott! Die armen Leute können bald nicht mehr in die Stadt. – Das Gefühl habe ich auch, wenn ich Ihre Pressemitteilungen lese. Leider stimmen sie nicht.

[Jutta Matuschek (Linksfraktion): Zum Glück stimmen sie nicht!]

Was ist, wenn Sie, Herr von Lüdeke, Herr Schmidt, Herr Pflüger, mit dem Auto nach Österreich fahren? Das soll bilden. Es wäre gar nicht schlecht, wenn Sie sich anderswo die Umweltpolitik anschauen würden. Sie wollen also nach Österreich oder in die Schweiz. Wenn Sie sich vorher nicht informiert haben, werden Sie beispielsweise feststellen, dass es dort Plaketten gibt, um Autobahnen zu benutzen oder überhaupt in das Land einreisen zu dürfen. Das ist in vielen europäischen Ländern selbstverständlich. Sie wollen uns erzählen, dass die Touristen, die nach Berlin kommen, nicht intelligent genug sind, das vorher mitzubekommen? – Das glaube ich nicht. Gerade die Leute, die in unsere Stadt kommen, können das verstehen. Sie bauen einen Popanz auf.

Nur eine Notwendigkeit sehen wir ebenfalls: Es muss besser informiert werden. Im Internet gibt es inzwischen in sechs oder sieben Sprachen das Faltblatt zur Umweltzone von der Tourismus Marketing GmbH. Nachdem die Berliner Hoteliers monatelang geschlafen haben, haben sie die Sachlage begriffen. Sie informieren mittlerweile die Gäste. Wenn jemand aus dem Ausland eine Reservierung vornimmt, gibt es auf der Bestätigung den Hinweis auf die Berliner Umweltzone ab 1. Januar 2008 und die Aufforderung, sich im Internet näher zu informieren. Das Problem ist damit gelöst. Sie haben das leider durch falsche Propaganda lange verhindert. Das muss man zur Kenntnis nehmen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Hotel- und Gaststättengewerbe hat sich monatelang nicht um das Thema gekümmert. Das ist peinlich.

Zu einem weiteren Punkt, dem kommunalen Fahrzeugpark: Es ist beispielgebend für die Bundesrepublik, dass sämtliche Fahrzeuge des größten deutschen Entsorgungsbetriebs, der BSR, die höchsten Umweltstandards einhalten. Sie dürften alle von morgens bis abends durch die Umweltzone fahren. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Andere Städte brauchen dafür Ausnahmegenehmigungen.

Das gilt bald auch für die BVG. Mit politischem Druck wurde der BVG-Vorstand vor vielen Jahren davon überzeugt, endlich die CRT-Filter in die Dieselbusse einzubauen.

Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Würden Sie das gestatten?

Noch einen kleinen Moment! – Im März, spätestens Mitte des nächsten Jahres werden alle BVG-Busse auch diese Standards einhalten. Das betrifft 1 400 Fahrzeuge. Das schafft in der Bundesrepublik kein anderer kommunaler Verkehrsbetrieb, auch nicht ansatzweise. Berlin steht an der Spitze und nicht am Ende.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der Kollege Schäfer von den Grünen bittet um eine Zwischenfrage.

Bitte schön, Herr Schäfer!

Herr Kollege Buchholz! Wie finden Sie es, dass von 350 Kleintransportern der Polizei nur einer den Anforderungen der Umweltzone genügt?

Einer ist natürlich zu wenig, Herr Schäfer. Das ist völlig richtig.

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Schön, dass das mehrere Fraktionen so sehen. – Herr Schäfer, Sie können einfach unserem Antrag zustimmen. Darin fordern wir höchste Standards bei der Beschaffung von kommunalen Fahrzeugen. Das gilt auch für Dienstfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr. Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, werden wir das mit dem Senat umsetzen. Dann werden nur noch Fahrzeuge nach neuestem Standard gekauft. Herr Schäfer, es steht außer Frage, dass ich mir das schon früher gewünscht hätte. Aber Sie müssen berücksichtigen, dass die Bundesregierung Ausnahmen für sämtlich Einsatzfahrzeuge der Polizei und Feuerwehr – übrigens auch für die Müllabfuhr – erlassen hat. Die dürfen immer durch die Innenstadt und jede Umweltzone fahren. Das ist ziemlich traurig. Diesbezüglich haben sich Lobbyisten auf der Bundesebene durchgesetzt – Stichwort Motorräder. Es gibt viele Ausnahmeregelungen, die wir uns nicht ewünscht haben. g In der Summe bleibt von der Kritik der CDU wenig und von der der FDP gar nichts übrig. Sie von der FDP waren der Ansicht, es reiche, in Berlin zwei, drei Büsche zwischen den Straßen zu pflanzen, um das Feinstaubproblem für eine Million Innenstadtbewohner zu lösen. Herr Schmidt und die anderen Kollegen von der FDP, das ist

Ihr Politikverständnis. Das ist aber keine ernsthafte Politik. Sie veräppeln die Berlinerinnen und Berliner.

Wir wollen einen aktiven Gesundheitsschutz. Wir wollen die Lebensqualität in der Innenstadt verbessern. Das geht nicht ohne Einschränkungen für die Berlinerinnen und Berliner. Aber der Katalog ist angemessen und wirksam. Deswegen werden wir die Umweltzone zum 1. Januar 2008 einführen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Melzer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lompscher! In den Ausschusssitzungen sagen Sie immer, Sie wollten sich kurz fassen. Heute habe ich festgestellt, dass es nicht darauf ankommt, wie lange Sie reden, sondern man müsste vielmehr darauf achten, was Sie sagen. Es ist eigentlich egal, ob Sie kurz oder lang sprechen, hinten kommt immer wenig raus.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Einlassungen von Frau Lompscher zur Umweltzone waren auch heute enttäuschend.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ihnen hört nicht einmal die eigene Fraktion zu!]

Ich könnte Ihre Rede mit folgenden Worten zusammenfassen: Für die Berliner Umweltzone und für die Berlinerinnen und Berliner gilt weiterhin: hohe Kosten und wenig Nutzen.

Noch immer scheint eine seriöse Folgenabschätzung der Umweltzone nicht Teil der Senatspolitik zu sein. Sehenden Auges steuern Sie ins Chaos und ignorieren die Warnungen und Befürchtungen von uns, dem ADAC, der FDP, den Wirtschaftsverbänden und vielen anderen und sagen: Berlin hat sich entschieden. Sie wären gut beraten, wenn Sie sich zwar entschieden hätten, dabei aber nicht starrköpfig wären und zum Beispiel ein ADAC-Gutachten – das in der nächsten Zeit veröffentlicht werden soll – positiv würdigten und nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen würden. Wir erkennen den gesundheitspolitischen Gedanken der Feinstaubreduzierung an – ohne jeden Zweifel. Aber wir sagen gleichzeitig, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. Das jedoch sehen wir momentan bei Ihnen nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

70 Prozent der Feinstaubbelastung Berlins werden nicht bei uns in Berlin produziert, sondern in anderen Staaten und durch den Wind zu uns getrieben. Nun räume ich sofort ein, dass man nicht einfach den Ostwind abschaffen kann und das Problem damit gelöst wäre. Bei der Verhältnismäßigkeit der Mittel muss jedoch die Frage gestellt

werden, welchen Effekt man mit einer Maßnahme wie der Umweltzone erzielt und welche Bestrafungen für die Bürgerinnen und Bürger dem gegenüberstehen. So, wie die Umweltzone von Rot-Rot und Ihnen, Frau Lompscher, momentan ausgestaltet ist, geht sie an der Lebensrealität und den wirklichen Problemen der Berliner vorbei. Die Koalition regiert an den Problemen der Berliner vorbei.

[Beifall bei der CDU]