Es gibt in der Berliner Wissenschaftslandschaft eine begründete Sorge und Skepsis, wenn die SPD das Ressort in der Hand hat und nach 20 Jahren immer noch versucht, Einfluss auf die Universitäten zu nehmen, anstatt die Konsequenz aus dem zu ziehen, was die Berliner Universitäten stark gemacht hat, nämlich sie gerade von diesen Zwängen zu befreien.
Die Tradition der Berliner Wissenschaftspolitik der SPD sieht so aus: 1989 gab es den Versuch, das Hahn-MeitnerInstitut zu schließen.
1990 wollte Ihre Vorgängerin, Frau Riedmüller-Seel, die Humboldt-Universität schließen und abwickeln. Anfang der 90er-Jahre hat sich auch Ihre Partei dagegen gewehrt, Adlershof und Buch auszubauen. Das hielten Sie für nicht notwendig. Das wurde übrigens auch damals zum Teil gegen den Widerstand der PDS von der CDU durchgesetzt. 1997 hat sich Ihre Partei gegen die Einführung der Hochschulverträge gewehrt, ein Berliner Modell, das bis heute von elf Bundesländern übernommen wurde. Dieses Modell bedeutete nicht nur finanzielle Planungssicherheit, sondern auch Befreiung von bestimmten politisierten Gremien, die wir an den Universitäten hatten, die zu einer Lähmung der Wissenschaft, Forschung und Lehre an den Universitäten geführt haben.
Erst dadurch war es überhaupt möglich, dass bestimmte Bereiche der Universitäten wieder innovativ waren, was dazu führte, dass wir heute Exzellenzen wie an der Freien Universität, an der Humboldt-Universität und an der Technischen Universität haben. Noch 1997/1998 hat Ihre damalige wissenschaftspolitische Sprecherin Damrat in allen Gremien der Hochschulkuratorien gegen die Hochschulverträge gestimmt.
Dann ging es fröhlich weiter. 2002 kam dieser Senat ins Amt. Sie tun manchmal so, als ob Sie erst seit einem Jahr im Amt wären. Ihr erstes Ziel war die Schließung des UKBF in Steglitz. Es ging dann weiter mit der Schließung der Vorklinik und dem Abbau von Studienplätzen in Berlin. Dafür steht die Berliner SPD. Und unter solchen Bedingungen bin ich geradezu überrascht, dass es der Freien Universität Berlin gelungen ist, trotz dieses Vorgehens des Senats exzellente Leistungen zu erbringen. Das ist eine große Leistung der Universität.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Wenn Sie es mit der Wissenschaft ernst nehmen, möchte ich Ihnen einen kleinen Tipp geben. Wir bauen das Humboldt-Forum im Stadtschloss. Geben Sie der Zukunft dieser Stadt, der Wissenschaft, mehr Raum, sich dort zu präsentieren, als auf den von Ihnen vorgesehenen 1 000 Quadratmetern. – Vielen Dank!
[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Jetzt haben Sie das Schlossparktheater vergessen, Herr Braun!]
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Braun! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.
Zum Antrag Drucksache 16/0287 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich, den Antrag auch in neuer Fassung abzulehnen. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CDU-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalition und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Das ist die FDP-Fraktion. Die Gegenstimmen waren die Mehrheit. Somit ist dieser Antrag abgelehnt.
Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes und des Berliner Datenschutzgesetzes
Hierzu gibt es den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Linksfraktion, Drucksache 16/0782-1.
Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis III Drucksache 16/0782 sowie die weiteren Drucksachen 16/0979 und 16/0782-1.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Ratzmann hat das Wort – bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in gefährlichen Zeiten. Damit meine ich nicht die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, ich meine auch nicht eine steigende Kriminalität, sondern ich meine, dass wir in einer Zeit leben, in der Gefahr für den Rechtsstaat besteht. Es vergeht keine Woche, in der wir nicht im „Spiegel“ einen Bericht darüber lesen können, dass Bundesinnenminister Schäuble einen neuen Vorschlag präsentiert.
Gerade diese Woche konnten wir lesen, dass er so etwas wie einen Bundestrojaner entwickeln will. Bundesinnenminister Schäuble schickt sich gerade an, unter Berufung auf Carl Schmitt die grundlegenden Prinzipien unseres
Die ganze Republik diskutiert darüber, ob es notwendig ist, diese Schritte zu gehen, wehrt sich dagegen in allen wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen. Und in diese Debatte hinein legt der Berliner Senat eine Änderung zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz vor. Ich sage Ihnen, Herr Dr. Körting: Mit Ihrem Gesetzentwurf machen Sie die Tür in Schäubles Welt ein Stück auf.
[Marion Seelig (Linksfraktion): Die wurde vorher schon aufgemacht! – Frank Henkel (CDU): Ist doch nichts Schlimmes!]
Wir hören in der Diskussion aus den Reihen der SPD, aus den Reihen der Linksfraktion: Das ist doch alles harmlos, was wir hier machen, im Gegensatz zu dem, was wir in den Polizeigesetzen des Bundes lesen. – Ich sage Ihnen: Nichts ist harmlos. Jedes einzelne Detail, das Sie hier verändern wollen, verändert das Gesamtbild. Genau auf dieses Gesamtbild kommt es an.
Sie wollen Videoüberwachung in jedem Polizeiauto, in der U-Bahn, bei Großveranstaltungen – all das wird das gesellschaftliche Zusammenleben hier in dieser Stadt verändern. Herr Dr. Körting! Sie sind ja ein exzellenter Verfassungsjurist und kennen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ich erinnere an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsurteil. Damals hat man sich noch getraut zu sagen, dass der einzelne, wenn er nicht mehr weiß, was mit seinen Daten passiert, sein Verhalten in unserer so auf Teilhabe angelegten Gesellschaft verändern wird. In genau dieser Richtung wird sich auch Ihr Gesetz und werden sich die Instrumente, die Sie wollen, auswirken.
Stellen Sie sich das für eine riesengroße Demonstration in Berlin vor! Die Polizei greift auf die Videoüberwachung in jedem U-Bahnwagen zu. Da steht etwas von Lagebeurteilung, dann dürfen sie speichern. Wir werden eine Situation haben, wo jeder Demonstrationsteilnehmer in jedem U-Bahnwagen aufgezeichnet wird. Das wird die Partizipationsfähigkeit dieser Stadt am politischen Prozess entscheidend verändern.
Herr Gaebler, dann schreiben Sie so etwas nicht in die Gesetze hinein! Es steht drin. Wer etwas in Gesetze schreibt, muss sich zurechnen lassen, dass er es auch anwenden will. Genau davon gehen wir aus. Deswegen sagen wir: Dieses Gesetz kann in einer so hochdemokratisch angelegten Stadt wie Berlin nicht Platz greifen. Das können wir dieser Stadt nicht zumuten.
Jetzt weiß ich schon, was kommen und man uns vorhalten wird: Was habt ihr alles bei Schily mitgemacht?
Ja, Herr Liebich! Ich sage Ihnen, da ist vieles mitgemacht worden, worauf ich nicht besonders stolz bin. Bei vielem von dem hätten wir es uns verkneifen sollen zuzustimmen. Es ist nicht inhaltlich vergleichbar, aber vom Verfahren her: Das Schmerzhafteste, was wir gemacht haben, war den Finger beim Luftsicherheitsgesetz zu heben. Da hat uns der Kompromiss die Feder diktiert. Das war der Zwang zu sagen, das müssen wir mit unterschreiben, mehr ist nicht drin, mehr ist nicht verhandelbar, das müssen wir auf ein Blatt Papier schreiben. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, das geht so nicht. Ihr greift zutiefst in Menschenrechte, in Grundrechte ein, das dürft ihr nicht machen.
Ich weiß, wovon ich rede. Ich zeige auch nicht mit dem Finger auf Sie, Herr Liebich. Ich weiß, dass das eine schwierige Situation ist, in der Sie gerade stehen.
Aber ich sage Ihnen auch, es gab einige bei uns, die diesen Zwang nicht mitgemacht, die den Finger nicht gehoben haben. Ich glaube, denen geht es heute besser mit der Entscheidung, weil sie sich nicht haben breitschlagen lassen und gesagt haben, mein Gefühl im Bauch – das können wir nicht mitmachen – trügt mich nicht. Und sie haben nicht zugestimmt. Deswegen bitte ich Sie inständig: Gehen Sie in sich und überlegen Sie sich, ob Sie der Stadt wirklich ein solches Gesetz zumuten wollen, ob es wirklich der richtige Weg ist, vor allen Dingen, ob es notwendig ist! Wir haben Herrn Körting im Innenausschuss gebeten, einen Fall zu nennen, wo ein Polizeibeamter, weil er keine Kamera im Wagen hatte, hätte gerettet werden können.
Sag uns einen Fall, wo ein Vermisster mit einem IMSICatcher hätte gefunden werden können und nicht gefunden worden ist! – Nicht einen einzigen Fall konnte er uns nennen. Wir haben gesagt: Lass uns eine Anhörung dazu machen, dass wir wenigstens einmal evaluieren und herausbekommen, ob das notwendig ist! – Sie ist abgelehnt worden.
Wer so tiefgreifend in die Bürgerrechte eingreifen will und muss, der ist dazu verpflichtet, sich zu rechtfertigen und plausibel zu erklären, dass das gerechtfertigt ist. Herr Dr. Körting! Das haben Sie nicht gemacht, das können Sie nicht machen, und deswegen bitte ich noch einmal: Stimmen Sie diesem nicht Gesetz zu! Jeder, der sich hier verweigert, wird dieser Stadt einen sehr großen Dienst erweisen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ratzmann! – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ratzmann! Dem ersten Teil Ihrer Rede stimme ich voll und ganz zu. Es sind gefährliche Zeiten, und das, was uns von der Bundesebene, von unserem Bundesinnenminister in wöchentlichem Abstand vorgeschlagen wird, halten auch wir nicht nur für ausgesprochen bedenklich, sondern für gefährlich.
Da wird Angst und Panik erzeugt mit Vorschlägen wie dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren oder dem Töten von Hunderten von Geiseln in einem entführten Flugzeug. Da gibt es Gedanken zur Ermordung von Verdächtigen, Inhaftierungen und Kontaktverbote für Gefährder und vieles mehr. Alle diese Vorschläge verdienen einen massiven Protest, und da sind wir völlig beieinander.
Das Fatale an dieser Diskussion ist, dass jemand Menschen in Angst und Schrecken versetzt, die Bevölkerung ängstigt und versucht, damit Mittel durchzusetzen – wie gesagt, wir sind uns einig –, die fragwürdig sind. Was ist aber die richtige Reaktion darauf? – Sie sagen aus dem Bauch heraus: „Wir machen gar nichts mehr“, und Sie spielen damit – so sage ich – diesem Bundesinnenminister in die Hände.