Sie erzeugen bei Teilen der Bevölkerung den Eindruck, dass man tatsächlich Angst haben müsse, weil ein aufgeklärter Teil dieser Gesellschaft sich verweigert und sagt: Da gehen wir gar nicht mehr ran, das Thema ist unangenehm. – Doch das können wir uns nicht leisten.
Der Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass wir bei jeder einzelnen Maßnahme genau prüfen: Ist das verhältnismäßig? Ist das erforderlich? Welche Gefahren drohen? Wie können wir dem gegebenenfalls begegnen? – Das müssen wir im Detail abprüfen, und das hat die Koalition in langen Verhandlungen an diesem Gesetz abgearbeitet. Das ist unsere Aufgabe, nicht zu sagen: „Polizei, ihr dürft gar nichts mehr machen!“, sondern im Einzelfall zu prüfen, was sinnvoll sein kann.
Das Orten von Handys kann sinnvoll sein, wenn ich beispielsweise vermisste Kinder habe. Es soll vorkommen, dass Eltern in großer Sorge sind, weil ihre Kinder vermisst werden, weil sie Angst haben, ihnen könnte etwas passiert sein.
Natürlich kann man das machen. Das wird in Einzelfällen auch gemacht. – Die Frage, die wir hier beantworten müssen, lautet: Wollen wir unserer Polizei ein solches Mittel in die Hand geben? – Es gibt in diesem Hause auch Fraktionen, die sagen: Wir brauchen dafür nicht die Polizei, es gibt private Anbieter, die so etwas machen. – Das ist mir in den letzten Tagen in vielen Diskussionen vorgehalten worden. Sie können sich mit Ihrem Handy im Internet registrieren lassen – für den Fall des Falles –, und wenn dann etwas passiert, können Sie sich orten lassen. Dann haben Sie vorher Ihre Einwilligung gegeben. Ich sage Ihnen aber: Die SPD macht bei einer solchen Privatisierung von Sicherheitspolitik nicht mit.
Sie haben am Anfang Ihrer Rede zu Recht gesagt „gefährliche Zeiten“, aber Sie blenden aus Ihrem Redebeitrag völlig die großen Gefahren für Bürgerrechte aus. Die drohen nämlich heute in unserem Land von privaten Institutionen, die Datensammlungen machen, völlig unkontrolliert, während wir im Bereich der Polizei den Vorteil haben, genau abzuwägen, was wir machen, und es genau im Gesetz zu definieren. Und wenn Sie die Polizei handlungsunfähig machen, dann bereiten Sie den Markt für private Sicherheitsdienste in einem Maße, den wir alle miteinander nicht gutheißen können.
Wenn Sie meinen, ich übertreibe an dieser Stelle, empfehle ich Ihnen das neue Buch von Naomi Klein. Sie beschreibt sehr eindringlich, wie private Sicherheitsfirmen weltweit agieren und staatliche Macht abkaufen, wie sie sie zum privaten Profitinteresse nutzen.
Sie spielen dem mit Ihrer Verweigerungshaltung in die Hände. Wir müssen hier weiterhin sorgfältig abwägen, in jeder einzelnen Maßnahme. Ich habe gesagt, dass wir das gemacht haben. Das ist unsere Aufgabe, und in diesem Sinne wird die SPD die Sicherheitspolitik in dieser Stadt auch fortsetzen, sensibel gegenüber den Gefahren für Bürgerrechte, abwägend bei der Prüfung neuer Handlungsmöglichkeiten. Wir ducken uns im Gegensatz zu Ihnen bei unangenehmen Themen nicht weg, sondern wir diskutieren sie, und dann handeln wir und stellen uns unserer Verantwortung. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kleineidam! Ich bin fast versucht zu sagen: Sie haben einen schönen Trojaner aufgebaut. – Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten mehr zum jetzt vorliegenden ASOG gesprochen. So schlimm habe ich mir den Eiertanz, den Sie gerade vorgelegt haben, nicht vorgestellt. Das war ein Ablenkungsmanöver in Richtung Bundesinnenminister unter völliger Ausblendung der OttoKataloge I bis III und Ihrer eigenen Verantwortung, immer schön nach dem Motto: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! – So erbärmlich hätte ich mir eine Rede zu Beginn der Debatte über das ASOG nicht vorgestellt.
Auch Ihr Änderungsantrag macht deutlich, welches Gewürge es hinter den Kulissen gegeben haben muss. Ich hätte mir hier ein besseres Entree, einen besseren Eingang zur Debatte gewünscht.
Im Grunde genommen ist die Änderung des ASOG eine ganz einfache Sache: Entweder man ist aus Überzeugung dafür, oder man ist aus Überzeugung dagegen. – Nun kann ich die Nervosität im rot-roten Lager gut verstehen. Inhaltlich vollkommen zerstritten hält Sie nur noch der pure Machterhalt am Leben.
Kollege Albers! Am Ende – so bleibt zu vermuten – wird sich der demokratische Zentralismus dieser LinksaußenKoalition durchsetzen, und da wird man dann schon einmal bereit sein, zulasten der Glaubwürdigkeit einem Polizeigesetz zuzustimmen, dessen Inhalte man noch vor Jahren als massive Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte diffamiert hat.
Natürlich freue ich mich darüber, dass der Senat zu einem großen Teil endlich unseren langjährigen Forderungen nachkommt.
Ja, Herr Regierender Bürgermeister, Sie mit Ihrer Richtlinienkompetenz sagen, ich solle zustimmen. – Ich habe noch gut die Wortmeldungen des Herrn Innensenators und der Vertreter der Koalitionsfraktionen zu unserem Aktionsprogramm „Innere Sicherheit, Teil 1, 2 und 3“ im Ohr. Ich erinnere mich noch gut an die Ablehnung unseres Gesetzentwurfs zur Änderung des ASOG mit der Möglichkeit der Ausweitung der Videoüberwachung. Der war aus dem Jahr 2003. Da klang das alles etwas anders. Da klang das nicht nur distanzierter, sondern da wurde pure Ablehnung deutlich, und heute, mit dem Abstand von vier Jahren, gilt das
von vier Jahren, gilt das offensichtlich alles nichts mehr. Was schert mich mein Geschwätz von gestern, wird sich der Senator gedacht haben, ich mache jetzt einmal ein Stück CDU-Politik, weil sie richtig und vernünftig ist.
Deshalb wiederhole ich meine Aussage aus der Innenausschusssitzung. Meine Fraktion begrüßt den Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfs dem Grunde nach, aber er geht uns nicht weit genug. Das kann man akzeptieren, aber das muss man nicht.
Natürlich nehme ich mit Genugtuung zur Kenntnis, dass vieles von dem, was wir seit Langem fordern, nun endlich Gesetzeswirklichkeit werden soll. Aber die für uns entscheidenden Möglichkeiten wie etwa die Videoüberwachung auch an kriminalitätsbelasteten Orten, Herr Senator, fehlen weiterhin. Ja, wir begrüßen die Überwachung auf Bahnanlagen, vor allem im Bereich der BVG. Damit wird endlich das unwürdige Geschacher der Vergangenheit, bei dem der Polizei unterstellt wurde, sie überschreite ihre Kompetenzen, beendet. Aber es bleibt uns vollkommen unverständlich, warum Sie, Herr Senator, hierbei auf halber Strecke angehalten haben.
Dass die Überwachung hier lediglich auf Straftaten von erheblicher Bedeutung beschränkt bleibt, ist für meine Fraktion schlicht nicht nachvollziehbar.
Interessant ist dabei übrigens die Begründung, mit der Sie die Beschränkung dieser Videoüberwachung rechtfertigen. Diese erfolgt nämlich aus Gründen – wie Sie schreiben – der Verhältnismäßigkeit. Das heißt, schwere Straftaten wie Drogenhandel sollen erfasst werden, nicht aber sogenannte geringfügige Straftaten wie z. B. das GrafittiSprayen. In letzteren Fällen – so heißt es – überwiegt der Persönlichkeitsschutz unvermeidbar mitbetroffener Dritter. Herr Kollege Körting! Beim ersten Lesen konnte ich zunächst gar nicht glauben, wie verharmlosend Sie Grafitti-Schmierereien als geringfügige Straftaten herabqualifizieren. Aber man muss sagen: Wenigstens in diesem Punkt bleiben Sie sich treu, und außerdem sollte sehr wahrscheinlich mit dieser künstlich getroffenen Unterscheidung der Koalitionspartner befriedigt werden, damit er sich und seine Basis glücklich reden kann. Wir jedenfalls werden diesen Weg der Verharmlosung nicht akzeptieren.
Der vorliegende Entwurf enthält darüber hinaus jedoch weitere gute Punkte. Kollege Ratzmann hat es angesprochen: Bei Großveranstaltungen soll es künftig eine spezielle Befugnis zur Nutzung von Videoaufnahmen geben. Diese soll sogar anlassunabhängig ausgestaltet sein. Damit werden Maßnahmen der Einsatzlenkung und das rechtzeitige Erkennen von Gefahren ermöglicht. Auch das begrüßen wir.
Auch die Änderungen hinsichtlich der Videoaufzeichnung zur polizeilichen Eigensicherung bei Personen- und Fahrzeugkontrollen ist eine Forderung von uns.
Kollege Müller! Leider verwässern Sie diese Regelung jetzt durch einen Änderungsantrag, der im Grunde auch unfassbar ist.
Das dürfen Sie gerne. – Wenn ich abschließend noch sagen darf, dass wir die Erhebung von DNAVergleichsproben ebenso gut finden wie die Möglichkeit der Handyortung vermisster und suizidgefährdeter Personen, dann spricht das hier eine deutliche Sprache. Im Ergebnis bleibt es aber dabei: Herr Senator! Sie nutzen nach wie vor nicht alle Möglichkeiten zur Verbrechensbekämpfung, oder Sie dürfen sie nicht nutzen bei den zahlreichen Bruchstellen Ihrer Linksaußenkoalition. Wir werden also trotz diverser Verbesserungen diesem halbherzigen Entwurf nicht zustimmen, weil wir ihn am Ende des Tages als nicht zufriedenstellend empfinden. – Danke schön!
[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Konsistenz ist etwas anderes! – Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Ganz schwach war das! – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ganz schwach, Herr Henkel! – Weitere Zurufe]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich nicht so heißen würde, würde ich sagen: Wer es glaubt, wird selig!
[Heiterkeit – Beifall bei der Linksfraktion – Andreas Gram (CDU): Manchmal wird aus „selig“ „heilig“! Ihnen ist dieses Gesetz nicht ausreichend genug, und Sie stimmen nun dagegen. Ich vermute, dass das Rauschen im Blätterwald Sie dazu getrieben hat, uns auf unsere eigene rot-rote Mehrheit zurückzuwerfen. Das ist ja auch richtig und gut so. [Mario Czaja (CDU): “Zurückwerfen” ist das richtige Wort!]
Dass wir nicht so scharf darauf sind, dass die CDU unserem Gesetzentwurf zustimmt, lässt sich ja noch irgendwie nachvollziehen.
Man könnte sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass wir in einer bequemen Situation sind, wenn die Grünen den Rechtsstaat am Wanken sehen – ich nehme an, kleine Teile der FDP werden das auch noch so formulieren – und auf der anderen Seite die CDU den Rechtsstaat am Wanken sieht, weil er nicht ausreichend mit noch mehr Befugnissen für die Polizei geschützt ist. Wenn wir uns in der Mitte befinden, dann kann es ja nicht so ganz verkehrt sein.
Aber ich sage Ihnen auch, dass ich dieses gesamte Gesetz sehr ernst nehme. Dieses Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz bzw. das Änderungsgesetz dazu regelt im Wesentlichen den Umgang mit Videoüberwachung in der BVG durch die Berliner Polizei. Das ist der zentrale Punkt. Der präventive, eigenständige Zugriff der Polizei auf die heute bereits angewendete Videoüberwachung der BVG, die nach Hausrecht stattfindet, ist ein Grundrechtseingriff, der nicht gering zu schätzen ist, auch wenn es dabei ausschließlich um Straftaten von erheblicher Bedeutung geht. Das sage ich ungeschützt. Herr Ratzmann! Dessen Nutzen wird von meiner Fraktion auch durchaus hinterfragt.
Leider konnten wir uns mit unserer Position in den Koalitionsverhandlungen – so, wie auch Sie in Regierungsbeteiligungen – nicht durchsetzen.
[Volker Ratzmann (Grüne): Aber dann lernen Sie doch daraus! – Mario Czaja (CDU): Sie können sich im Moment mit gar nichts durchsetzen!]